Lukaschenkas Coup - Der kalte Staatsstreich von 1996


Hausarbeit, 2004

17 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

I. Einleitung

II. Lukaschenkas Überraschungssieg von 1994

III. Gescheiterte Parlamentswahlen und Gewaltenkonflikt

IV. Kalter Staatsstreich im Herbst 1996

V. Folgen und Fazit

VI. verwendete Literatur

I . Einleitung

Das mit 9.8 Millionen Einwohnern und 207.600 Quadratkilometern relativ kleine Weißrußland, ist trotz seiner strategisch wichtigen Transitlage zwischen EU und Rußland, so etwas wie ein dunkler Fleck mitten im Herzen Europas. In den deutschen Medien taucht das Land selten auf, außer sein berühmt berüchtigter Präsident Aleksandr Grigorjewitsch Lukaschenka läßt wieder eine Verbalinjurie gegen den Westen oder die NATO los . Das Land ist außenpolitisch und wirtschaftlich isoliert und massiv auf die Unterstützung Rußlands angewiesen, daß Belarus als Pufferterritorium zur NATO Domäne braucht. Die USA bezeichnen Belarus unter dem Lukaschenka-Regime gar als „letzte Diktatur Europas“.

Belarus´ Wirtschaft, zu Sowjetzeiten eine der stärksten der UdSSR, ist nun eine der schwächsten; Die Arbeitslosigkeit ist hoch, genauso die Kriminalitätsrate und die Korruption, während die Renten sehr niedrig sind , wenn auch wenigstens stabil, und die Bevölkerung schrumpft beständig. Wichtigster Absatzmarkt für weißrussische Industriegüter ist Rußland, welches wiederum hauptsächlicher Energie Versorger Belarus´ ist; ein Druckmittel das Präsident Putin immer dann verwendet, wenn sich Lukaschenka zu eigensinnig zeigt[1] .In letzter Zeit hat sich die wirtschaftliche Lage zwar deutlich verbessert[2] , ist aber weit davon entfernt gut zu sein, während sich die Beziehungen zur EU aufhellen, wohl in der weisen Voraussicht, daß man mit einem Präsidenten Lukaschenka auch in Zukunft wird leben müssen, Verfassungsbruch und Wahlmanipulation hin oder her. Im Oktober sind wieder Präsidentschaftswahlen, und kaum jemand zweifelt noch am Ausgang, nämlich daß der Präsident schlichtweg wieder die Verfassung ändern wird, um sich eine dritte Amtszeit höchstselbst zu garantieren...

Wie kam es zu diesem desolaten Zustand ? Ist es allein die Schuld Lukaschenkas, der 1996 durch ein massiv manipuliertes Referendum Parlament und Verfassungsgericht faktisch entmachtete und seitdem quasi allein regiert?

Es ist das Ziel dieser Arbeit zu zeigen, wie Aleksandr Lukaschenka überhaupt Präsident werden konnte, wie er zielstrebig ein autokratisches System etablierte und wieso die pro- demokratischen Kräfte dem so wenig Widerstand entgegen setzten und auch weiterhin setzen;

Bis heute war die Opposition nie zu wirklich geschlossenem Handeln bereit noch fähig. So ruft z.B. eine der drei wichtigeren Oppositionsgruppen, die KKhP, zum Wahlboykott auf, was die Strategie der andern Gruppen und der OSZE eine oppositionelle Einheitsliste zu gründen, ad Absurdum führt[3].

Die Transformation der belarussischen Sowjetrepublik hin zu einer Demokratie, stand von Anfang an unter einem schlechten Stern: Das ganze beginnt mit dem schwach ausgeprägten Nationalbewußtsein des Landes. Belarus ist seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 das erste mal in seiner Geschichte wirklich unabhängig[4] ; allerdings hat es sich nie wirklich damit angefreundet, und es besteht weiterhin eine Tendenz zur Reunion mit Rußland, welche seit dem Amtsantritt Putins allerdings mehr oder weniger auf Eis liegt. In Belarus lebt eine mit grob 20 % starke russische Minderheit und russisch ist Verwaltungssprache zusammen mit weißrussisch . Es besteht eine enge Bindung zwischen beiden Völkern[5], da (Sowjet-) Rußland die belarussische Kultur und Sprache als erster offiziell anerkannte und förderte und nach den horrenden Folgen des zweiten Weltkriegs, das Land wiederaufbaute. Vor allem jedoch war Belarus ein relativer Gewinner des Sowjetsystems, so daß der Zusammenbruch der UdSSR alles andere als begrüßt wurde, um so mehr als dann eine schwere Wirtschaftskrise einsetzte, die im Gegensatz zu den anderen Ex- Sowjetrepubliken nicht mit Privatisierungsmaßnahmen bekämpft wurde. Hinzu kam das die alten Eliten in Form des obersten Sowjet unverändert an der Macht blieben und Neuwahlen bis 1995 verzögerten, so daß 1991 eigentlich nur die Embleme des Staates mit denen der vorkommunistischen Zeit vertauscht wurden , was sich aber auch nicht lange halten sollte. Dasselbe Parlament brauchte dann geschlagene 3 Jahre, um bis 1994 eine neue Verfassung auszuarbeiten , welche mit 236 von 346 Stimmen auch nur knapp verabschiedet werden konnte. Schon während der Vorbereitungszeit zeichnete sich eine autoritäre Tendenz ab[6], welche letztendlich zur Installation eines starken Präsidenten führte , der allerdings nicht das Recht zur Parlamentsauflösung bekam. Im Gegenzug wurde auch ein Verfassungsgericht geschaffen, so daß Belarus, zusammen mit der (allerdings gekürzten) Garantie auf Privateigentum und vielem anderen, durchaus die Grundvoraussetzungen für ein demokratisches System erfüllte. In der Übergangszeit fungierte Parlamentspräsident Stanislau Suskevic als Staatsoberhaupt, aber er geriet zunehmend unter Druck. Zum einen ignorierte er ein von der weißrussischen Volksfront mit 338000 Stimmen erfolgreich initiiertes Volksbegehren, daß den Obersten Sowjet auflösen und Neuwahlen bringen sollte, und zum andern verlor er Einfluß an die konservativen Kräfte um Ministerpräsident Vyacheslav Kebic , die ihm die Auflösung der Sowjetunion nicht verziehen wollten. 1993 scheiterte noch ein Mißtrauensvotum, doch im Januar 94 wurde er des Amtes enthoben[7]. Der neue Parlamentspräsident Miecyslau Hryb administrierte dann im März die Verabschiedung der Verfassung und setzte Präsidentschaftswahlen an. Erst hier kommt der bis dahin relativ unbedeutende Aleksandr Lukaschenka ins Spiel. Die politische Karriere des 1954 in Kopys bei Witebsk geborenen Lukaschenka, beginnt mit seiner Ernennung zum Kolchosdirektor 1987. Später kam er als Abgeordneter in den Obersten Sowjet, wo er den Anti-Korruptions-Ausschuß leitete, der unter seiner Führung auch die „Munition“ zum Sturz Suskjevic´ lieferte. Das Absägen des unbeliebten „Totengräbers der Sowjetunion“ und seine offensichtliche Begabung mit populistischen Tiraden den Nerv der Masse der Leute zu treffen, verschafften ihm eine enorme Popularität bei denen , die von den alten Kadern genug hatten. Vor allem die Entscheidung das Volksbegehren zu ignorieren und Parlamentsneuwahlen ständig hinauszuschieben, sorgten wohl für einige Verdrossenheit im Volk.

Die Ereignisse, die zu den Referenden führten, die letztendlich die de facto Alleinherrschaft des Präsidenten ermöglichten, möchte ich in den folgenden Kapiteln nun näher betrachten. Zu untersuchen sind dabei die Maßnahmen mit denen Lukaschenka seit seiner Wahl die Legitimation der Legislative unterminierte, wie er sich die vorbehaltlose Unterstützung der Sicherheitsbehörden und Militärs sicherte und gleichzeitig die Presse für seine Zwecke einspannte und verhinderte das die Opposition die Medien nutzte und warum die Opposition seinen Versuchen der erst schleichenden und dann offenen Machtübernahme so wenig entgegensetzte.

Ein Wort noch zu den Quellen : Es gibt zwar recht viele, gerade im Internet, doch sind diese größtenteils von Oppositionellen betrieben, und daher verständlicherweise voreingenommen. Auch Informationen von Radio Liberty sind aufgrund seines Hauptsponsors, der US-Regierung und der Nähe zu gewissen Geheimdiensten, mit einer Prise Salz zu genießen. Darum sind die Hauptquellen dieser Schrift, neben anderen, die Arbeiten von Silvia von Steinsdorff und Astrid Sahm in Ismayr und Osteuropa . Allerdings kann man wohl eine generelle Antipathie gegenüber dem Lukaschenka-Regime konstatieren, was aber auch nur all zu verständlich ist.

II . Lukaschenkas Überraschungssieg von 1994

Das wohl wichtigste politische Ereignis in der jungen Geschichte der Republik Belarus stellen die Präsidentschaftswahlen 1994 dar. Vor dieser ersten großen Wahl lag die Macht formal in den Händen des Parlamentspräsidenten, der auch gleichzeitig Staatsoberhaupt nach sowjetischer Tradition war[8]. In der Praxis jedoch entzog sich die Regierung unter dem Ministerpräsidenten der parlamentarischen Kontrolle, so daß dem Staatsoberhaupt eher eine repräsentative Rolle zuviel. Mächtigster Mann im Land war demnach Vyacheslav Kebiç, und so galt er denn auch als Favorit für das Präsidentenamt, da er schlicht die „Partei der Macht“ repräsentierte, über seine Stellung die Medien beeinflussen konnte und weil er den unpopulären Suskevic gestürzt hatte. Um so mehr überraschte dann der Ausgang des ersten Wahlgangs: Der formell parteilose Favorit Kebiç bekam nur 17 % der Stimmen, während der ebenfalls parteilose Lukaschenka satte 45 % einfuhr. Der bekannte Gründer der nationalistischen Volksfront , Zjanon Paznjak, derselbe der heute vom polnischen Exil aus die erwähnte KKhP führt, kam auf 12,9 %, da sein teils anti-russischer Kurs anscheinend wenig Anklang fand, und der wenig geliebte Suskevic kam auf nicht mal 10%. Der zweite Wahlgang machte den Erdrutsch perfekt, und Lukaschenka fegte Kebic mit 80 zu 14 % weg[9].

[...]


[1] vgl. http://www.belarusnews.de/news_de/2001/analyse/1039170551.shtml , Datum 6.12.2002(Stand 07/04)

[2] siehe Martin Kugler in http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=e&ressort=ec&id=430750 , Datum 06.07.04

[3] vgl. http://www.rferl.org/newsline/2004/07/130704.asp und http://www.nzz.ch/2004/06/24/al/page-article9OLWI.html

[4] Abgesehen von der knapp 9 Monate währenden ersten weißrussischen Republik 1918, bzw. 1918-22

[5] Steinsdorff, Das politische System Weißrußlands, 2002, S. 430

[6] ibid. , S. 432/33

[7] Holtbrügge, Weißrußland, 1996, S. 55

[8] Steinsdorff, op. cit., S. 435

[9] vgl. Holtbrügge, op. cit. , S. 58-60 und Steinsdorff, op. cit., S.435-38

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Lukaschenkas Coup - Der kalte Staatsstreich von 1996
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V31613
ISBN (eBook)
9783638325547
Dateigröße
507 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Lukaschenkos Diktatur in Weißrußland und ihr Ursprung
Schlagworte
Lukaschenkas, Coup, Staatsstreich
Arbeit zitieren
Philipp-Henning v.Bruchhausen (Autor:in), 2004, Lukaschenkas Coup - Der kalte Staatsstreich von 1996, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31613

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