Es wird immer wieder gerne kolportiert, daß das Sterben auf den modernen Schlachtfeldern eine anonymisierte Sache sei; was Duelle Mann gegen Mann angeht mag das zutreffen, ansonsten verhält es sich eher umgekehrt : Während früher der siegreiche Heerhaufen die Verluste des Unterlegenen anhand abgeschlagener Köpfe oder sonstiger Teile einfach hochschätzte, zählt man heute schlicht die Zahl der eingesammelten Hundemarken, die jeder Soldat um den Hals, oder im Falle der Erfahreneren im Stiefel trägt. Auf dieser findet sich eine Registriernummer, zu der im meist weit entfernten Hauptquartier eine Akte gehört, in der sich neben Name, Rang und Alter auch andere Daten, wie Herkunft, Schulbildung, medizinische Daten und die Einschätzungen der bisherigen Instrukteure befinden. Also eine weitgehend komplette Vita. Von Anonymität kann gar keine Rede sein, hinter den uniformierten Massen befindet sich ein gewaltiger bürokratischer Apparat, der alle notwendigen Informationen über sein Millionenheer besitzt, beginnend von der Geburt eines jeden Soldaten an.
Nun, was hat die Militärbürokratie mit Michel Foucaults Überwachen und Strafen zu tun, daß sich der Geburt des Gefängnisses widmet ? Auf den ersten Blick wenig, aber auf den zweiten fällt einem die frappierende Ähnlichkeit von Kaserne und Gefängnis ins Auge. Bei beiden besteht ein striktes Kontrollregiment , mit dem Ziel der lückenlosen Überwachung gefährlicher oder potentiell gefährlicher Individuen. Auch der Aspekt aus „unnützen Elementen“ nützliche zu machen, ob für die Produktion in der Wirtschaft oder den Dienst an der Waffe, ist durchaus vergleichbar, genauso wie die teils massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Nur der Aspekt des Strafens ist der Kaserne nicht von vorne herein zu eigen. Auch könnte man das Gefängnis mit der geschlossenen Heilanstalt in Bezug bringen, dem Jugend Gefängnis oder dem geschlossenen „Heim“, und zu guter letzt dem Kloster. Wie Foucault selbst es ausdrückt : „ Was ist daran verwunderlich, wenn das Gefängnis den Fabriken, den Schulen, den Kasernen, den Spitälern gleicht, die allesamt den Gefängnissen gleichen?“ Sie alle basieren auf strenger Hierarchie, die ihre Subjekte mittels aller möglichen Disziplinierungstechniken einer strikten Ordnung unterwirft. Diese Techniken bestehen gar nicht so sehr aus physischer Gewalt, sondern viel m ehr aus lückenloser Überwachung und ständiger Prüfung. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vom Kerker zum Zuchthaus
- Das klassische Strafsystem und seine Schwächen
- Die Reformen
- Sicherheitsapparate und ihre Bedeutung für die moderne Gesellschaft
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit verfolgt das Ziel, Michel Foucaults Argumentation in seinem Werk „Überwachen und Strafen“ zu analysieren. Der Fokus liegt dabei auf der Entwicklung des Gefängnisses als Ausdruck einer tiefgreifenden gesellschaftlichen Transformation.
- Die Entstehung des modernen Gefängnisses und seine Wurzeln im klassischen Strafsystem.
- Die Rolle von Disziplinierungsmechanismen und Überwachungstechniken in der modernen Gesellschaft.
- Der Einfluss von Machtstrukturen und gesellschaftlichen Normen auf die Entwicklung des Gefängnisses.
- Die Kritik an der Funktionalität des Gefängnisses und seine gesellschaftlichen Folgen.
- Das Panopticon als Beispiel für die totalitäre Überwachung in der modernen Gesellschaft.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Ausgangsthese der Arbeit dar und beleuchtet die Parallelen zwischen dem Militär und dem Gefängnis als Orte der strikten Kontrolle und Überwachung. Kapitel 2 untersucht das klassische Strafsystem und seine Schwächen sowie die Reformbestrebungen, die zur Entstehung des modernen Gefängnisses führten. Im dritten Kapitel werden die Sicherheitsapparate und ihre Bedeutung für die moderne Gesellschaft analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie Disziplinargesellschaft, Überwachung, Macht, Gefängnis, Strafjustiz, Panopticon, Michel Foucault, Moderne, gesellschaftliche Transformation und Kriminalität.
- Arbeit zitieren
- Philipp-Henning v.Bruchhausen (Autor:in), 2004, Foucault 'Überwachen und Strafen'. Eine Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31614