War Jan Hus dogmatischer Katholik oder ist er eher der Reformationsbewegung zuzuordnen? Vorliegende Hausarbeit untersucht, inwiefern die Ekklesiologie sowie die Soteriologie von Jan Hus im 14. und 15. Jahrhundert "revolutionären" Charakter besitzen und wieso er in Böhmen zum „Märtyrer für seine Ideen“ wurde, als er 1415 am Scheiterhaufen hingerichtet wurde.
In wesentlichen Teilen gleicht Jan Hussens Kirchenkritik stark der seines englischen Vorgängers John Wyclif. Hus hat große Teile seines englischen Vorgängers wortwörtlich übernommen und so erscheint es auf den ersten Blick, als trage Hus zu Unrecht einen bekannten Namen und habe nur wenig mehr zur revolutionären Stimmung in Böhmen beigetragen, als althergebrachte Gedankengänge zu kopieren.
In der Forschungsgeschichte um die Rezeption seines Werkes waren bald nach Hussens Tod Stimmen zu hören, die darum bemüht waren, seine Originalität herauszustellen. Dabei wurde häufig auf tschechische Vorläufer Hussens hingewiesen, wie Konrad Waldauser oder Militsch von Kremsier; dass Jan Hus sich in ihrer Tradition sah, ist jedoch nicht belegt. Auch eine Überinterpretation einzelner Textstellen, die Hus eigene Schwerpunkte zuschreiben, wäre nicht wissenschaftlich, ebensowenig aber die Anklage, es handele sich bei den Werken Hussens um bloße Plagiate.
Tatsächlich hat Hus die Kirchenkritik Wyclifs auf die historischen und politischen Geschehnisse seiner eigenen Zeit angewandt, ohne entscheidende neue Thesen einzubringen. Das schmälert seinen Wirkungskreis allerdings keineswegs. Die Gegebenheiten des 13. und 14.Jahrhunderts haben die Kirchenkritik Wyclifs vieler Orten gleichzeitig herausgefordert, wenn auch in modifizierter Weise.
Zudem ist Jan Hus durchaus als geistig selbstständig einzuschätzen. Er übernahm große Gedankenstrecken Wyclifs Wort für Wort, selektierte dabei aber merklich und ordnete die Sequenzen in seinem Sinne an. Im Übrigen darf nicht von einem Plagiat nach heutigen Vorstellungen gesprochen werden, da dieses Vorgehen zur mittelalterlichen Gegenwart Hussens durchaus üblich war.
Inhaltsverzeichnis
- 1. John Wyclif und Jan Hus
- 2. Die Ekklesiologie und Soteriologie von Jan Hus
- 2.1 Die Entstehung von „de ecclesia“
- 2.2 Hussens Kirchenverständnis
- 2.2.1 Laien und Kleriker im „corpus christi“: Die Prädestinationslehre
- 2.2.2 Gläubige „in ecclesia“ und „de ecclesia“
- 2.2.3 Menschliches und göttliches Urteil: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“
- 2.3 Zu Schriftverständnis, Tradition und Gesellschaftsordnung
- 2.3.1 Das Papsttum und der Gehorsam gegenüber dem Lex Dei
- 2.3.2 Die Ablassfrage
- 2.3.3 „Sola Scriptura“ und Traditionsverständnis
- 2.3.4 Hus Haltung zum Eucharistieverständnis Wyclifs
- 2.3.5 Geistliche und weltliche Gewalt und Strafverfolgung bei Jan Hus
- 3 Jan Hus: katholisch oder reformatorisch?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Beziehung zwischen John Wyclif und Jan Hus, insbesondere Hussens Rezeption und Weiterentwicklung von Wyclifs Ekklesiologie und Soteriologie. Sie beleuchtet die historische und politische Einbettung von Hussens Wirken und analysiert die Eigenständigkeit seines Denkens im Kontext der mittelalterlichen Theologie.
- Der Vergleich der Kirchenkritik Wyclifs und Hussens
- Hussens Ekklesiologie und seine Interpretation der Heiligen Schrift
- Die Rolle von Hussens Predigt und seine Auseinandersetzung mit der kirchlichen Autorität
- Der Einfluss der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse auf Hussens Denken und Handeln
- Die Bewertung von Hussens Wirken: Katholisch oder reformatorisch?
Zusammenfassung der Kapitel
1. John Wyclif und Jan Hus: Die Arbeit vergleicht die Kirchenkritik von John Wyclif und Jan Hus, wobei festgestellt wird, dass Hus zwar große Teile von Wyclifs Werk übernahm, diese jedoch im Kontext seiner eigenen Zeit und seines Wirkens neu interpretierte und anwendete. Hussens Bedeutung liegt weniger in der Entwicklung völlig neuer Thesen, sondern in der erfolgreichen Umsetzung und Verbreitung von Wyclifs Ideen im böhmischen Kontext und seinem kompromisslosen Eintreten für seine Überzeugungen bis hin zum Tod. Seine praktische Anwendung der Kritik Wyclifs und seine Wirksamkeit als Prediger werden als entscheidende Faktoren für seinen Einfluss hervorgehoben. Die Frage nach der Originalität Hussens wird diskutiert, wobei sowohl die Übernahme von Wyclifs Ideen als auch Hussens eigene Interpretationen betont werden.
2. Die Ekklesiologie und Soteriologie von Jan Hus: Dieses Kapitel behandelt ausführlich Hussens Kirchenverständnis und seine Lehre vom Heil. Es analysiert die Entstehung seines Hauptwerks „de ecclesia“, das stark von Wyclifs Schriften beeinflusst ist, aber gleichzeitig Hussens eigene kritische Auseinandersetzung mit der Kirche seiner Zeit widerspiegelt. Die Kapitel befassen sich mit Hussens Verständnis von Laien und Klerikern, der Prädestinationslehre, seinem Schriftverständnis, seiner Haltung zur Tradition und zur Gesellschaftsordnung, sowie seiner Kritik an der Ablasspolitik und dem Papsttum. Besonderes Augenmerk wird auf die Diskussion um die Eucharistie und die Frage nach der Remanenz gelegt. Der Einfluss des Großen Abendländischen Schismas und die politischen und religiösen Konflikte der Zeit werden ebenfalls berücksichtigt.
Schlüsselwörter
Jan Hus, John Wyclif, Ekklesiologie, Soteriologie, Kirchenkritik, Rezeption, „de ecclesia“, mittelalterliche Theologie, Papsttum, Ablass, Eucharistie, Remanenz, Sola Scriptura, Konzil von Konstanz, Böhmische Reformation.
Häufig gestellte Fragen zu: John Wyclif und Jan Hus: Ekklesiologie, Soteriologie und Kirchenkritik im Mittelalter
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Beziehung zwischen John Wyclif und Jan Hus, insbesondere Hussens Rezeption und Weiterentwicklung von Wyclifs Ekklesiologie und Soteriologie. Sie beleuchtet die historische und politische Einbettung von Hussens Wirken und analysiert die Eigenständigkeit seines Denkens im Kontext der mittelalterlichen Theologie. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Vergleich der Kirchenkritik beider Theologen und der Bewertung von Hussens Wirken – war er katholisch oder reformatorisch?
Welche Themen werden im Einzelnen behandelt?
Die Arbeit vergleicht die Kirchenkritik Wyclifs und Hussens, analysiert Hussens Ekklesiologie und seine Interpretation der Heiligen Schrift, untersucht die Rolle von Hussens Predigt und seine Auseinandersetzung mit der kirchlichen Autorität, beleuchtet den Einfluss der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse auf Hussens Denken und Handeln und bewertet letztlich sein Wirken im Hinblick auf die Frage, ob er als katholisch oder reformatorisch einzustufen ist.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Kapitel 1 vergleicht die Kirchenkritik von Wyclif und Hus, wobei die Rezeption und Weiterentwicklung von Wyclifs Ideen durch Hus im böhmischen Kontext im Mittelpunkt steht. Kapitel 2 behandelt ausführlich Hussens Ekklesiologie und Soteriologie, analysiert sein Hauptwerk „de ecclesia“ und untersucht sein Verständnis von Laien und Klerikern, seine Prädestinationslehre, sein Schriftverständnis, seine Haltung zur Tradition und Gesellschaftsordnung sowie seine Kritik an der Ablasspolitik und dem Papsttum. Es beleuchtet auch seine Position zur Eucharistie und den Einfluss des Großen Abendländischen Schismas.
Was ist die zentrale These der Arbeit?
Hus übernahm zwar viele Ideen von Wyclif, interpretierte und wandte sie aber im Kontext seiner eigenen Zeit und seines Wirkens neu an. Seine Bedeutung liegt weniger in völlig neuen Thesen, sondern in der erfolgreichen Umsetzung und Verbreitung von Wyclifs Ideen und seinem kompromisslosen Eintreten für seine Überzeugungen. Die Arbeit diskutiert die Frage nach der Originalität Hussens und betont sowohl die Übernahme von Wyclifs Ideen als auch Hussens eigene Interpretationen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Jan Hus, John Wyclif, Ekklesiologie, Soteriologie, Kirchenkritik, Rezeption, „de ecclesia“, mittelalterliche Theologie, Papsttum, Ablass, Eucharistie, Remanenz, Sola Scriptura, Konzil von Konstanz, Böhmische Reformation.
Wie ist das Werk strukturiert?
Die Arbeit beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, eine Zielsetzung mit Themenschwerpunkten, Kapitelzusammenfassungen und eine Liste mit Schlüsselwörtern. Die Struktur ermöglicht ein strukturiertes und professionelles Verständnis der behandelten Themen.
- Arbeit zitieren
- Alexander Winter (Autor:in), 2012, Jan Hus zwischen Dogma und Reformation. Inwiefern beeinflusste Hussens Kirchenkritik die revolutionäre Bewegung in Böhmen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316417