Menschen machen Organisationen. Was bedeutet diese Annahme für stationäre Einrichtungen in der Pflege?

Wirksame Personalführung des Riemann-Thomann-Modells


Thèse de Master, 2015

81 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis.

1 Einleitung
1.1 Warum sollten Führungskräfte Pflegekräfte pflegen
1.2 Inhalt und Aufbau der Master-Arbeit

2. Zum Führungsbegriff
2.1 Führungstheoretische Ansätze
2.2 Ein Führungsmodell der Pflege
2.3 Führungskraft und Mitarbeiter: Person und Rolle
2.4. Zwei durch die Führungskraft beeinflussbare Faktoren
2.4.1 Wertschätzung als Gesundheitsfaktor
2.4.2 Führungskommunikation
2.5 Zusammenfassende Schlussbemerkung

3. Menschen machen Organisationen
3.1 Persönlichkeitsmodelle
3.2 Das Berufswahlmodell nach Holland
3.3 Das Riemann-Thomann Modell
3.4. Die besonderen Prägungen Sozial-Typ versus Nähe-Typ
3.5 Quintessenzen für Führungskräfte

4. Führen mit dem Riemann-Thomann Modell

4.1 Divergenzen von Führungspersonen

4.2. Das Idealmodell

4.3. Ein Instrument zur Erfassung von Nähe-und Sozial-Typen

4.4 Schlussfolgerungen für die Mitarbeiterführung nach Riemann-Thomann-Modell

5. Implikationen für die Praxis
5.1. Erste Kernaufgabe: Zusammenarbeit organisieren
5.1.1. Rahmenbedingungen für seelisches Wachstum
5.1.2. Drei wesentliche Forderungen
5.2. Zweite Kernaufgabe: Konflikte entscheiden
5.2.1. Bedeutungen und Funktionen für die Praxis
5.2.2 Ein Wegweiser für Konfliktlösungen

6. Zusammenfassung und kritischer Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

Danksagung

Diese Arbeit konnte nur durch Unterstützung fachkundiger Mitmenschen geschrieben werden. So danke ich meiner Erstgutachterin Frau Professorin Dr. Birgit Wiese, die mir grundlegend eine Richtung gab, die Arbeit inhaltlich aufzuwerten sowie Herrn Professor Dr. Michael Hoffmann, der sich bereit erklärt hat, das Zweitgutachten zu übernehmen. Dank gebührt auch meinen Studienteam der Hochschule Magdeburg-Stendal, Frau Mensing und Herrn Scholz. Durch ihr Verständnis, ihre Zuversicht und ihre positive Art haben sie mich bestärkt, dieses Studium immer wieder weiterzuführen und mit der eigentlichen Masterthesis zum Abschluss zu bringen. Mein Dank gilt ganz besonders meiner Frau, die mich so gut es ging unterstützt hat. Sie hat es mir letztendlich erst möglich gemacht, dieses Zweitstudium zu verwirklichen. Bei meinem Sohn Maximilian möchte ich mich entschuldigen, dass er oft auf mich verzichten musste.

Februar 2015

Thomas Briest

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Bedingungen der Mitarbeiter und Bedingung der Situation im Rahmen der Weg- Ziel- Theorie

Tabelle 2: Führungsstilempfehlungen nach der Weg-Ziel- Theorie

Tabelle 3: Attribute die dem „Sozial-Typ“ zugeschrieben werden

Abbildungsverzeichni s

Abbildung 1: Überblick Führungstheoretische Ansätze

Abbildung 2: Prozessmodell der Führung

Abbildung 3: Motivationsgleichung

Abbildung 4: Vier Seiten einer Nachricht

Abbildung 5: Überblick Persönlichkeitstypen und Berufswahl nach Holland

Abbildung 6: Hexagonales Modell zur Bestimmung der Ähnlichkeit zwischen Persönlichkeitstypen, Umwelttypen und deren Beziehungen

Abbildung 7: Achsenkreuz aus zwei Dimensionen der Gruppenstruktur

Abbildung 8: Vorherrschende Strömungen einer Persönlichkeit mit typischen charakterlichen Stärken und Schwächen

Abbildung 9: Idealmodell mit abgeleiteten Führungsstilen

Abbildung 10: Das Verhaltenskreuz

Abbildung 11: Bedeutung des Aktiven Zuhörens

Abbildung 12: Kernaussagen nach Rogers

1. Einleitung

Durch sehr gute fachliche Kenntnisse aufgestiegen, haben es Leitungskräfte plötzlich mit Mitarbeitern und Leistungsträgern zu tun. Und die ersten, die gehen, wenn Führungskräfte nicht führen können, sind die Leistungsträger.[1] Tatsache ist, dass Erfolge der Unternehmen und Leistungswille der Mitarbeiter im hohen Maße von der Güte bzw. der Kompetenz der Führung der Mitarbeiter durch die Führungskraft bestimmt [2] werden und mancher Führungskraft, die „das Herz am richtigen Ort“ hatte, wird augenblicklich bewusst, dass „dieses Herz auf dem Feld der Professionalität“ gar nichts zu suchen hat. Oder vielleicht doch? Was unumstößlich dabei feststeht, ist: „In dem Maß, wie wir es mit Menschen zu tun bekommen, bekommen wir es verstärkt auch mit uns selbst zu tun.“[3] Das große Ziel lautet u.a.: Mit sich selbst und anderen Mitmenschen zurechtzukommen. Dabei rücken erstens, die sozialen Kompetenzen, die nun gleichwertig oder sogar vorrangig sind, neben den Fachkompetenzen in ihrer Bedeutung nach vorn. Denn, bei gleichbleibender Qualität und gleichen Preisen in der momentanen Dienstleistungslandschaft, kann der Wert des menschlichen Faktors mit einer sichtbaren sozialen Kompetenz, zum Zünglein an der Waage des Wettbewerbs werden. Zweitens, sind Leitungskräfte die wesentlichste Zielgruppe wenn es um Betriebliches Gesundheitsmanagement geht. Zum einen, sind sie Gestalter von Arbeitsbedingungen und zum anderen, wirken sie explizit als Vorbild für ihr Verhalten in ihrem Wirkungsbereich. Bewiesenermaßen haben die Verhaltensweisen einer Leitungskraft Folgen auf die Gesundheit oder Krankheit ihres Mitarbeiterstabes.[4] Die Begründungen lassen sich in vielen Studien und Untersuchungen finden und nachweisen. Explizite Beispiele werden u.a. im Kapitel 2.4 ausführlich verdeutlicht. Und schließlich Drittens, sind zahlreiche Branchen in der Bundesrepublik Deutschland, besonders aber die Arbeitsgebiete in den Bereichen des Gesundheits- und Sozialwesens, seit Jahren einem tiefgreifenden Wandel und epochalen Veränderungen ausgesetzt. [5] Motivierte Mitarbeiter sind notwendig, um dem Wandel folgen zu können . Untersucht man beispielsweise stationäre Pflegeunternehmen, so ist hier festzustellen, dass Mitarbeiter auch in schweren Zeiten ihren Betrieben treu bleiben. Andere Unternehmen bzw. Organisationen sind wiederum von Absentismus und Fluktuationen betroffen. Aber was macht hier den subtilen Unterschied aus?

Wer bei seinen Kunden besser ankommt, wem es gelingt, in der Qualität der Zusammenarbeit Synergieeffekte hervorzubringen, wer Fehlzeiten motivationaler Ursachen, Personalfluktuationen und innere Kündigung senkt, wer also ein hervorragendes Mannschaftsspiel aufbauen kann, der wird in einem immer schärfer werdenden Wettbewerb zu den attraktiveren Unternehmen gehören.[6] Für all die notwendigen Prozesse der Aufgabenverteilung, der Motivation, der Zusammenarbeit und der Gestaltung des Wandels, für all dies, wird die Führungskraft die entscheidende Säule bilden. Dabei sollten neben den Aufgaben der Bildung und Betreuung des Teams, die Entwicklung des Individuums mit einer wirksamen kommunikativen Kompetenz und Konfliktkultur zu den wichtigsten Verantwortlichkeiten bzw. Aufgaben einer Führungsperson gehören. Auch ist oft vorgeschlagen worden, dass weniger Management und mehr Führerschaft im Gesundheitssystem, d.h. auch in Einrichtungen der Pflege notwendig sind, um mit der steigenden Komplexität der Arbeitsbereiche und des gesamten Umfelds fertig zu werden. Das Gesundheitssystem kann als ein gigantisches Veränderungsprojekt betrachtet werden, was einen zunehmenden Bedarf an Führungsqualitäten erfordert.[7]

1.1 Warum sollten Führungskräfte Pflegekräfte pflegen

In vielen Unternehmen herrscht eine Anerkennungs- und Wertschätzungsdürre. Innere Kündigung, mäßige emotionale Bindung zum Arbeitgeber, hohe Fehlzeiten, Demotivation und Unzufriedenheit der Mitarbeiter sind die Folgen. In Zeiten des demographischen Wandels und des Wettbewerbs um qualifizierte Mitarbeiter ist dies ein bedenklicher Zustand.[8] Besonders für die pflegenden Mitarbeiter ist die Tendenz der Bevölkerungsentwicklung, wonach es immer mehr „Ältere“ Patienten und Bewohner geben wird, von zweifacher Bedeutung. Der Pflegebedarf entwickelt sich erstens hin zu einer aufwendigeren Pflege. Das heißt, mit Blick auf die „Robustheit“ einer Belegschaft werden in den kommenden zehn Jahren, durchschnittlich ältere Arbeitnehmer auch betagtere Pflegebedürftige versorgen.[9] Zweitens kämpft die gesamte Pflegebranche mit andauernder Unzufriedenheit und Nachwuchsmangel durch Attraktivitätsverlust. Begründet wird dies in einer groß angelegten Studie zur Entwicklung der Pflegeberufe in Europa, der Next-Studie[10]. Hier zeigen die Ergebnisse aus Deutschland, dass jede und jeder fünfte Beschäftigte aus dem Pflegebereich ernsthaft daran denkt, den Pflegeberuf zu verlassen.

Damit ist die Stimmung unter den Beschäftigten der Pflegeberufe in Deutschland alarmierend schlecht. Auffällig sind aber auch große Unterschiede zwischen einzelnen Pflegeeinrichtungen. Der Anteil derer, die aus der Pflege aussteigen wollen, schwankt je nach Einrichtung zwischen 5 und 50 Prozent. Erkennbar wird hier, dass es attraktive und nicht-attraktive Einrichtungen gibt und Zusammenhänge zwischen Arbeitsbedingungen und Arbeitsklima deutlich werden. Untersucht man dabei speziell das Betriebsklima, mit den Faktoren zwischenmenschlicher Umgang oder Art und Umfang der Mitarbeiterpartizipation von arbeitsplatzrelevanten Entscheidungen, so nimmt immer wieder, dass bereits in der Einleitung beschriebene Führungsverhalten des unmittelbaren Vorgesetzten selbst, die entscheidende Stellung ein.[11] Dass diese Aussagen keine Plattitüden darstellen, wird erneut in einer zweiten aktuellen Studie des österreichischen Gallup Instituts belegt. Die Arbeitszufriedenheitsstudien (Untersuchungszeitraum 2001 bis 2013) aus jährlichen Befragungen von bis zu 2.000 Arbeitnehmern und von 1.368 in Telefoninterviews zufällig ausgewählten Beschäftigten[12] ergab u.a., dass im Jahr 2013 bei nur 16 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland eine sehr „hohes Engagement“ dem Unternehmen gegenüber festgestellt wurde. Beispielsweise arbeiten zahlreiche Mitarbeiter hingegen nach dem Grundsatz: „Keine Weisung - keine Veranlassung“. Im Bereich der emotionalen Bindung an das Unternehmen fühlten sie sich ihrem Unternehmen nicht wirklich verantwortlich. Der Anteil dieser „mittleren Unengagierten“ lag in den letzten Jahren durchschnittlich bei 67 Prozent. Die „aktiv Unengagierten“ schließlich, wie das Institut beschrieb, konfrontierten ihren Arbeitgeber unmissverständlichen mit einer negativen Haltung. Die Kernaussage dieser Arbeitnehmer ist dabei, die „unzulängliche Arbeitszufriedenheit“. Zahlreiche Mitarbeiter beurteilten u.a. das Betriebsklima, die Loyalität oder auch die Identifikation ihrem eigenen Unternehmen gegenüber als ablehnend. Alle diese Kriterien sind aus Arbeitnehmersicht wenig oder gar nicht vorhanden. Der Anteil dieser Gruppe erreichte 2012 ein Maximum von 24 Prozent und lag im Jahr 2013 leicht verbessert bei 17 Prozent. Als eine der wesentlichen Ursachen dieser Tendenz benennt das österreichische Marktforschungsinstitut die Führung des Unternehmens: „Viele Beschäftigte haben das Gefühl, dass ihre zentralen Bedürfnisse und Erwartungen von ihren direkten Vorgesetzten teilweise oder völlig ignoriert werden.“[13] Diese Zahlen zur emotionalen Bindung zum eigenen Arbeitsplatz zeigen ganz deutlich: „[…] dass die Gründe für eine mangelnde emotionale Bindung nicht in den Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses liegen.

Führungskräfte sind diejenigen, die in der Verantwortung stehen, da sie es sind, die das Arbeitsumfeld durch ihr Führungsverhalten prägen und gestalten."[14] Dass es schon Unternehmen gibt, die neue Wege in den Bereichen Motivation und Führung ihrer Mitarbeiter gehen, zeigen die Unternehmensphilosophie der domino e.v., Gesundheits- und soziale Dienste, abgekürzt domino world.[15] Mit Blick auf die intellektuellen Einflussfaktoren des domino world Geschäftserfolges sind drei unterschiedliche Bereiche verantwortlich. Neben dem Struktur- bzw. Prozesskapital, beispielsweise alle Infrastrukturen, die das Unternehmen produktiv machen und dem Beziehungskapital, Beispiele sind hier die Beziehungen zu Partnern und Kunden, wird hier der genaue Fokus auf das Humankapital eines jeden einzelnen Mitarbeiters gelegt. Es geht dabei um Fähigkeiten, innere Einstellungen und um Eigenschaften eines Mitarbeiters. Auch hier wurde erkannt, dass höchste Motivation eines Mitarbeiters, d.h. der von innen gespeiste Einsatz, Dinge perfekt umzusetzen, durch die entsprechende Haltung einer Führungskraft stark beeinflusst wird: „Nur exzellentes Führungsverhalten kann das in jedem Menschen unterschiedlich vorhandene Excellence-Potenzial vollständig aktivieren und für den persönlichen wie unternehmerischen Erfolg verfügbar machen.“[16]

1.2 Inhalt und Aufbau der Master-Arbeit

Zusammenfassend sollen die primären Forschungsfragen dieser Master-Thesis zwei zentrale Schlüsselbereiche der Personalführung im Pflegebereich untersuchen und beantworten: Frage eins untersucht, ob das Führen mit einem Modell, wie dem Riemann-Thomann-Modell, hierzu eine Hilfestellung leistet und was für Führungspersonen daraus abgeleitet werden kann. Dabei gilt es exakt herauszuarbeiten, ob eine individuelle Führung, d.h. den Mitarbeiter entsprechend nach seiner Persönlichkeitsstruktur adressatengerecht zu führen, tatsächliche Wirkungen erzielen kann. Analysiert wird u.a.: Welche persönlichen Wesensmerkmale zeichnen diese Menschen, die tagtäglich in den stationären Pflegeeinrichtungen tätig sind, aus? Weitere Annahmen, die zu beweisen sind, stellen u.a. Behauptungen auf, dass Mitarbeiter in der Pflege intrinsisch motiviert sind. Sie neigen u.a. dazu, auftretende Probleme durch soziale Aktivitäten zu lösen und müssen deshalb anders geführt werden. Fragestellung zwei prüft dabei: Was Führungskräfte in der Pflege tun müssen, um ihr Personal gesund zu erhalten. Darüber hinaus geht es auch darum, Aufschlüsse für Leitungskräfte zu gewinnen, wie Rahmenbedingungen für Mitarbeiter so gestaltet werden können, dass sich ein gesundes Arbeitsklima entwickeln kann.

Dass es immer noch viele Organisationen gibt, die der Ansicht sind, mit Hochleistung die besten Ergebnisse zu erzielen, sind immer noch Tatsachen.[17] Vielmehr ist es aber die Qualität der Menschlichkeit bzw. der „weichen“ Faktoren, beispielsweise ein wertschätzender Führungsstil, die Unternehmen künftig voneinander unterscheiden werden. Um die Fragestellungen zu beantworten, werden im ersten Kapitel, nach einer kurzen Hinführung zum Thema, zentralen Daten und Fakten sowie der Standpunkt, dass Führungspersonen ihre Belegschaft pflegen sollten, dargestellt. Kapitel zwei beschäftigt sich mit dem Führungsbegriff aus verschiedenen Perspektiven. Des Weiteren wird eine Auswahl an wissenschaftlichen Führungsmodellen gegenüberstellt und kritisch diskutiert. Erforderlich ist aber auch die Untersuchung eines Führungsmodells der heutigen Institutionen und Organisationsformen der Pflege. Es wird dabei den Fragen nachgegangen, ob es Optimierungsempfehlungen im Bereich der Pflege gibt und vor allem, ob seelische Problematiken helfender Berufe in Theorien bzw. Konzeptionen von Führung Berücksichtigung finden. Denn: „In allen sozialen Berufen ist die eigene Persönlichkeit das wichtigste Instrument; die Grenzen ihrer Belastbarkeit und Flexibilität sind zugleich die Grenzen unseres Handelns.“[18] Kapitel drei nimmt ausführlichen Bezug auf die eigentliche Persönlichkeit als der oder die „Pflegende“ und auf seinen Arbeitskontext in der er oder sie tätig ist. Zunächst werden dabei einige Persönlichkeitsmodelle vorgestellt. Vertiefend werden das Riemann-Thomann-Modell, sowie das Berufswahlmodell von Holland dargestellt. Unter Sichtung der aktuellen wissenschaftlichen Literatur wird in Kapitel vier der Versuch unternommen, das Modell eines „idealen Führungsstils“ für Führungskräfte in der Pflege zu entwickeln. Dabei wird u.a. auf eine Führungskraft mit ihren vier Grundstrebungen sowie auf ein mögliches Instrument zur Erfassung des zwischenmenschlichen Beziehungsgeschehens eingegangen. Ziel ist es, entsprechende erste Erkenntnisse für die Praxis abzuleiten. Kapitel fünf beschreibt Implikationen für die Praxis. Es werden dezidiert die Aspekte von Gesprächsführung und Konfliktlösung beleuchtet und für die Praxis anwendbare Kernaufgaben bzw. Handlungsempfehlungen für Führungspersonen entwickelt. Eine Frage dabei ist: Was braucht speziell dieser Mitarbeitertyp von der Führungsperson? Dabei gilt es immer die „Besonderheit“ dieser Persönlichkeit mit ihren Prägungen zu berücksichtigen. Das Schlusskapitel fasst wesentliche Aussagen, die gewonnenen Erfahrungen und die Erkenntnisse kritisch zusammen. Es geht u.a. darum, deutlich zu machen, das es für Führungspersonen speziell auch in Einrichtungen der Pflege nicht nur um ein Verhalten, sondern um eine Haltung geht.

2 Zum Führungsbegriff

Die Suche nach Zusammenhängen, was für Führung, die beispielsweise in der Soziologie als eine: „planende, leitende, koordinierende von übergeordneten oder überlegenen Mitgliedern in einer Gruppe, einer Organisation oder einem größeren Kollektiv gegenüber untergeordneten, unterlegenen Mitgliedern“[19] beschrieben wird, wirklich von Bedeutung ist, soll mit drei Eingangsfragen eröffnet werden. Frage 1: Was ist Führung? Kaum ein anderes Gebiet wurde umfassender erforscht, als das Thema Führung. Eine wissenschaftliche Studie von (Allerbeck 1977)[20] ergab das Ergebnis von ca. 130 Definitionen von Führung. Entsprechend verschieden, stellen sich zahlreiche Begrifflichkeiten dar. Im Grimm’schen Wörterbuch von 1878[21] wird ausgeführt: „dass sich das Wort „führen“ von der Wortwurzel „fahren“ herleitet. Kernbedeutung ist somit (Sp.432): fahren machen.“[22] Weitere Begriffe sind u.a. in zahlreichen Fachlexika ausgewiesen. Führer ist: „Inhaber derjenigen Position innerhalb einer Gruppe, die mit Organisation und Kontrolle von Gruppenaktivitäten sowie der Aufrechterhaltung des Zusammenhalts unter den Gruppenmitgliedern verbunden ist.“[23] Frage 2: Wozu gibt es überhaupt eine Führung? Dazu ist es wichtig, ein Unternehmen genauer zu untersuchen. In den meisten Unternehmen werden Werte erarbeitet bzw. erwirtschaftet.[24] Mit Blick auf ein Dienstleistungsunternehmen, zählen auch stationäre Pflegeeinrichtungen zu den Dienstleistungsunternehmen, in denen Aufgaben mit der Zielstellung verknüpft werden, die Patienten- bzw. Bewohnerversorgung sicherzustellen. Der allgemeine Begriff der Dienstleistung lässt sich in folgender Definition zusammenfassen: „Dienstleistungen sind immaterielle Güter, die von personellen oder materiellen Leistungsträgern an externen Faktoren (Personen oder deren Verfügungsobjekten) erbracht werden“.[25] Beide Organisationseinheiten, Dienstleister und Unternehmen, streben wie alle sozialen Systeme nach einer Selbsterhaltung. Es geht demgemäß immer darum, langfristig das Überleben einer Einrichtung bzw. Organisation zu sichern.[26] Frage 3: Worauf kommt es bei der Führung von Mitarbeitern wirklich an? Auch hierfür findet der Begriff Führung in zwei wesentlichen Zusammenhängen Anwendung. Zum einen als Begriff für die Gesamtheit von Leitungskräften. Zum anderen aber auch für den Prozess der Beeinflussung von Personal durch ihre Leitungskraft.

In den nachfolgenden Passagen wird die Definition Führung im Kontext des, Prozesses der Steuerung und Willenslenkung verwendet. Bezogen auf Personalführung stellt die Führung: (1) einen Interaktionsprozess zur gemeinsamen Erreichung von Zielen dar.[27] Eine generelle Tatsache dabei ist, dass sich Mitarbeiter und Leitungskraft gegenseitig beeinflussen. Folglich sind nicht nur Leitungskräfte verantwortlich für die Qualität der Führung, sondern auch jeder einzelne Mitarbeiter wirkt an der Gestaltung von Beziehungen mit. Es handelt sich (2) um einen Prozess und nicht eine Hinzufügung einzelner abgeschlossenen Aktionen. Die wesentliche Perspektive des Prozessgedankens ist dabei, dass bestimmte Verhaltensweisen einer Leitungskraft in der Gegenwart und bestimmte Verhaltensweisen der Leitungskraft in der Vergangenheit immer zu Auswirkungen führen, d.h. eine Entwicklung ist auf keinen Fall abgeschlossen, wenn ein angegebener bzw. angestrebter Zustand erreicht wurde. Wenn beispielsweise Führung nach dem ersten Axiom von Watzlawick: „Man kann nicht nicht Kommunizieren“[28] betrachtet wird; so kann eine FP: „[…] nicht Nicht-Führen. Auch das Nicht-Führen ist eine Art von Führung“.[29] Es ist (3) ein weiteres Faktum, dass die Einflussnahme immer offen und nicht verdeckt erfolgt. Die Einflussnahme ist hierbei kein direktes oder bewusstes Manipulieren von Mitarbeitern. Daraus kann aber nicht geschlussfolgert werden, dass es Leitungskräfte sowie andere Personen gibt, die keinen gezielten und verdeckten Einfluss nehmen. Zusammenfassend ist festzuhalten: Auch wenn es einer Führungsperson nicht gelingt das Personal zielorientiert zu lenken, kann auch dieser Versuch als Mitarbeiterführung verstanden werden. Auch geht es bei der Personalführung nicht nur um messbare Leistungen, sondern immer auch um eine Beeinflussung des „Denkens“, zum Beispiel in Form von Sinnstiftung, sowie ein Einwirken auf das „Fühlen“, beispielweise in welchem Bezug der Mitarbeiter zu seiner Arbeit steht. In den nachfolgenden Kapiteln wird auf das ausschreiben des Wortes „Führungsperson“ verzichtet, es wird die Abkürzung FP genutzt.

2.1 Führungstheoretische Ansätze

Beabsichtigt man beispielsweise die Instrumente der Führung konsequent und gezielt einzusetzen, ist es von Bedeutung, sich überhaupt ein Bild von Prozessen, Strukturen und Bedingungen von Führung zu machen.[30] Im Handwörterbuch der Unternehmensführung (2004), werden annährend zwanzig Führungstheorien aufgeführt.[31]

Die nachfolgende Grafik (Abb.: 1) zeigt eine Zusammenfassung von „normativen Denkmodellen“ mit zahlreichen Führungstheoretischen Ansätzen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 1 Überblick Führungstheoretische Ansätze

Quelle: übernommen aus Führung und Kommunikation, Rudolph, Peter (2014)[32]

Große Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Literatur haben u.a. zwei Theorien aus dem Bereich der personenorientierten Ansätze erlangt. Zum einem aus dem Gebiet der neueren Führungstheorien (New Leadership), die charismatische Führung. Sie beleuchtet aus „Führungssicht“ sogenannte emotionale Aspekte.[33] Zum anderen die Weg-Ziel-Theorie der Führung, die von der Leitungskraft verlangt, sich in die Lage des oder der Geführten hineinzudenken. Es geht u.a. darum, die Gedankengänge eines Mitarbeiters nachzuvollziehen.[34] Seit Beginn der 70iger Jahre findet in der Führungsforschung eine umstrittene Diskussionen zur charismatischen Führung statt, die gegenwertig unter den Wissenschaftlern auch zu theoretischen Rechtfertigungen geführt haben. Insgesamt zählen zu den personalen charismatischen Theorien der Führung zahlreiche wissenschaftliche Publikationen, exemplarisch seien hier Weber (1920/1963), Burns (1978), Bennis/Naus (1985) sowie House/Shamir(1993) genannt. Alle Ansätze bzw. Theorien gehen davon aus, dass die wertbeeinflussende Führungskraft der Wunschvorstellung der oder des Mitarbeiters gleichkommt. Der Terminus dieser Wunschvorstellung ist u.a. der Glaube an die FP, sowie die Inspiration und Anziehung durch den Führenden.[35]

Der Begriff bzw. das Wort „ Charisma “ bedeutet, dass bestimmte Personen eine „authentische Ausstrahlung“ vermitteln.[36] Auch werden charismatischen Menschen „Begabungen“ zugesprochen, so dass charismatische Führungskräfte auch als „begnadete Führer“ bezeichnet werden.[37] Bestimmte Menschen der charismatischen Führung verfügen hierbei über Kompetenzen, ihre Mitarbeiter in besonderer Weise zu führen. Auch werden sie als Führungspersönlichkeit akzeptiert, u.a. wie Martin Luther King jr. oder Steve Jobs. Northouse (2003) publizierte in seinem Standardwerk „Leadership“[38] Forschungsergebnisse, die auf einen mehrstufigen Prozess der Willenslenkung von Angestellten durch eine charismatische Führungskraft hinweisen. Das Prozessmodell der charismatischen Führung, das in Abbildung 2 dargestellt ist, soll nachfolgend vorgestellt werden. (1) Charismatischen Leitungskräfte gelingt es, die Mitarbeiterschaft so zu beeinflussen, dass vorrangig einzelne Mitarbeiter, sich nicht mehr als ein Individuum ansehen, sondern als ein Teil der kollektiven Identität ihrer Organisation. (2) Führungspersonen mit Charisma erscheinen in den Augen der Mitarbeiterschaft als sehr kompetent in Bezug auf die Verwirklichung ihrer Vision. (3) Leitungskräfte mit Charisma sind in der Lage Visionen zu vermitteln, die bei den Geführten bestimmte Wunschvorstellungen auslösen. Beispielgebend ist die Rede von Martin Luther King jr. „I have a dream“.[39] (4) Charismatische Führer streben eine hohe Erwartungshaltung gegenüber der Mitarbeiterschaft an, vermitteln aber Zuversicht und sind bestrebt, trotz dieses Anspruchsdenkens das Selbstvertrauen der Mitarbeiterschaft zu stärken. (5) Führungspersonen demonstrieren u.a. eine hohe Opferbereitschaft, um ihre Visionen zu verwirklichen. Dazu stellen sie ein Rollenmodell (mit Idealen und Werten) dar, beispielsweise Mohandas Karamchand Gandhis gewaltloser Widerstand in Indien.[40] (6) Leitungspersonen mit Charisma sind in der Lage, die Motivation des Geführten anzusprechen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Prozessmodell der Führung…

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Lieber S. 64

Mit Blick auf die Würdigung und kritischen Bewertung der charismatischen Führung beweisen exemplarischen Belege einen hohen positiven Zusammenhang zwischen hoher Zufriedenheit bei der Mitarbeiterschaft und hohen Leistungen[41]. Der Terminus „Gnadengabe“ erweckt den Anschein, dass diese Kompetenz, das „Charisma“, angeboren sein könnte. Auch hier haben Belege mit Hochschülern bewiesen, dass dieser Führungsstil erlernbar ist[42]. Charismatische Führung ist nicht generell erfolgreich. Sie muss von den Geführten auch akzeptiert werden. Dies wird besonders bei kritischen Situationen erkennbar, wenn beispielweise die Mitarbeiterschaft jemanden benötigt, der/ die Sicherheit gibt. Es kann dagegen auch zu besorgniserregenden Fehlern und Fehlurteilen führen, welche beispielsweise der Diktator des deutschen Reiches zeigte.

Wie bereits im Kapitel 2.2 angerissen, erfordert der zweite hier vorgestellte Führungsansatz, die Weg-Ziel-Theorie der Führung, von der FP ein sich „hineinfühlen“ in den Mitarbeiter bzw. in den Geführten. Es geht immer darum, bestimmte Gedankengänge nachzuvollziehen. Dies soll anhand eines Beispiels verdeutlicht werden: Lebt eine Führungskraft das Prinzip der „Pünktlichkeit“ vor und verlangt die FP beispielsweise von einem Mitarbeiter ein Überdenken seiner momentanen Unpünktlichkeit, so sollte die FP in der Lage sein, sich in den Mitarbeiter hineinzuversetzen, um sein Handeln zu verstehen. Die FP muss Erkenntnis darüber erlangen, welche unmittelbaren Ziele ein Mitarbeiter verfolgt, beispielsweise möchte er auf keinen Fall seine Anstellung verlieren oder von seinen Teammitgliedern geachtet werden. Einerseits geht es immer darum, die subjektive Wichtigkeit dieser Aspekte auszuloten, d.h. „wie eng sie mit ihren zentralen Lebenszielen (und welche das sind) kovariieren.“[43] Andererseits ist aber auch bedeutsam, ob der Mitarbeiter einen hohen Zusammenhang zwischen dem Erreichen tatsächlicher Arbeitsleistungen und „Pünktlichkeit“ sieht. Die Forderung dabei ist, dass die FP für alle Angestellten und alle Interaktionen, die sie von ihrer Mitarbeiterschaft erwartet, eine Art planmäßiges Vorgehen durchführt, um für jeden einzelnen Mitarbeiter eine adressatenbezogene Vorgehensweise zu finden.[44]

Erste wissenschaftliche Veröffentlichungen wurden u.a. von Evans 1970 erarbeitet und unabhängig von House im Jahr 1971 auf dem Modell einer Motivationsgleichung (siehe Abbildung 3) präzisiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 3 Motivationsgleichung

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung, Neuberger, O. (2002), S.539.

Aus diesem allgemeinen Modell leitet House die folgenden vier Hypothesen ab[45]: (1) Der Versuch einer Führungsperson, offenkundiger Weg-Ziel-Beziehungen, beispielsweise bei gewöhnlichen Arbeitsaufgaben, noch weiter zu klären, mündet in erhöhter externer Kontrolle und wird von der Mitarbeiterschaft als überflüssig angesehen. (2) Die Motivationsfunktion der Leitungsperson beinhaltet u.a., dass bestimmte Erwartungen zielbezogen gestaltet werden. (3) Eine klärende Verhaltensweise einer Leitungsperson hat in der Weg-Ziel-Beziehung immer positive motivationale Auswirkungen. (4) „Zufriedenheit steigerndes Führungsverhalten“ wird dann zu erhöhter Leistung führen, wenn diese Zufriedenheit die positive Netto-Valenz erhöht, die mit zielbezogener Anstrengung verbunden ist.“[46] Mit Hilfe der Weg-Ziel-Theorie wird begründet, wie Führungspersonen ihre Angestellten auf dem Weg zur Erreichung ihrer Ziele unterstützen können, d.h. FP sind immer angehalten, den Führungsstil so zu praktizieren, dass er die höchste Wirksamkeit erzielt. Es geht immer darum, Unternehmensziele sowie Arbeitsaufgaben sicherzustellen unter Berücksichtigung der Kompetenzen und Bedürfnisse der einzelnen Angestellten. Die Erfolge, wie eine FP im Einzelnen handelt, hängen aber auch von den Prägungen bzw. Merkmalen der Mitarbeiter und von der Bedingung der Situation ab (siehe Tabelle 1).[47]

Tabelle 1: Bedingungen der Mitarbeiter und Bedingung der Situation im Rahmen der Weg- Ziel- Theorie

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Lieber, S.60.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

House unterscheidet vier Varianten des Verhaltens einer FP: (1) Leistungsorientiertes Führungsverhalten: hierbei gibt die Führungsperson gehobene Ziele vor. Auch wird erwartet, dass die Angestellten auf sehr hohem Leistungsniveau arbeiten. (2) Partizipatives Führungsverhalten: Hierbei nimmt die Führungsperson Rücksicht auf neue Ideen oder Entscheidungen und berät sich mit ihren Angestellten (3) Unterstützendes und mitarbeiterorientiertes Führungsverhalten: Es werden Primärbedürfnisse der Angestellten berücksichtigt unter der Prämisse eines wertschätzenden und hilfsbereiten Führungsverhaltens. (4) Direktes Führungsverhalten: Die Führungsperson macht genaue Angaben und Vorgaben, welcher Mitarbeiter was, wann und wie abarbeiten soll. House begründet u.a., dass eine Führungsperson eine bestimmte Flexibilität in ihrer Führungsweise erzeugen kann und je nach den Situationen, nach ihren Arbeitsaufgaben und Prägungen bzw. Merkmalen eines Mitarbeiters, beispielsweise ein Mitarbeiter mit einem geringen Selbstvertrauen, sein Verhalten dementsprechend anpasst.[48]

Aus der Theorie von House lassen sich u.a. die nachfolgenden Behauptungen ableiten: (1) Ein leistungseinforderndes Führungsverhalten eignet sich hervorragend in Situationen, die unstrukturiert und unklar sind. Der Fokus liegt dabei in erster Linie auf der Betonung von hohen Leistungszielen. Die FP vermittelt der Mitarbeiterschaft eine Zuversicht gepaart mit der Bestärkung, dass der oder die Angestellte auch in der Lage ist, eine bestimmte Leistung zu erbringen. (2) Partizipatives Führungsverhalten ist von Relevanz, wenn die Arbeitsgruppe aus vielen Mitarbeitern besteht, die ein starkes Bedürfnis nach selbstständiger Arbeitsweise haben. Zum einen weisen diese Angestellten ein hohes Selbstvertrauen auf, möchten aber zum anderen auch in Entscheidungen eingebunden werden. Des Weiteren ist dieses Verhalten angebracht, wenn es um neue, teileweise sogar widersprüchliche Arbeitsanforderungen geht; hier kann der Angestellte gut einbezogen werden. Es werden u.a. neue Zusammenhänge erlernt, Unsicherheiten verringert und neue Wege zum Ziel generiert. (3) Unterstützendes und mitarbeiterorientiertes Führungsverhalten eignet sich sehr gut, um einen Mangel in einer bestimmten Arbeitssituation auszugleichen. Ein Exempel für eine bestimmte Arbeitssituation ist die Produktion am Fließband. Besonders diese Situation wird von den Mitarbeitern als monoton und belastend empfunden. Klare Anweisungen einer Führungskraft sind für diese Tätigkeit nicht notwendig.[49] Es geht hierbei mehr um ein Verständnis für ihre belastende Tätigkeit, die dem Mitarbeiter von der FP entgegengebracht werden sollte.

(4) Direktes Führungsverhalten ist vorwiegend praktikabel, wenn die Angestellten autoritätsorientiert sind. Auch sind die Anforderungen und Tätigkeiten in der Regel unklar. Der direkte Führungsstil kann auch als ein „bereinigender Führungsstil“ angesehen werden, da das Verhaltensmuster der FP unklare Arbeitsanforderungen durch klare Anweisungen und Maßgaben ergänzt wird.[50] Eine Führungsstilempfehlung nach der Weg-Ziel-Theorie soll die nachfolgende Tabelle 2 zusammenfassen.

Tabelle 2: Führungsstilempfehlungen nach der Weg-Ziel-Theorie

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Lieber, S.62.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Hinblick auf die Wertung und Würdigung der Weg-Ziel-Theorie zeichnet sich diese Theorie durch die motivationale Linie aus, wobei das Verhalten der FP im Fokus steht. Insbesondere handelt es sich bei den Zielen immer um hohe und bewertbare Folgerungen des Verhaltens einer Person („Wert“ entspricht „Ziel“) und bei dem eingeschlagenen Weg um die Wahrscheinlichkeit (= Erwartungshaltung). Dennoch ist festzuhalten, dass diese Theorie sehr komplex ist, d.h. die Variablen Mitarbeitermerkmale, Verhalten einer Führungskraft und Arbeitssituationen gemäß dieser Theorie stark miteinander verwoben sind. In ihrer praktischen Umsetzung zeigen sich aufgrund der Komplexität Einschränkungen; in der Führungspraxis ist diese Theorie nicht immer leicht anzuwenden.[51]

2.2 Ein Führungsmodell der Pflege

Die erfolgsreiche Weiterentwicklung des Führens mit Zielvereinbarungen ist die Transformationale Führung. [52]

Während die transaktionale, das Erfüllen von Zielen in den Vordergrund stellt, versucht der Ansatz der transformationalen Führung bestimmte Wertepräferenzen neu zu gestalten.[53] Auch soll dies über eine Veränderung des Selbstverständnisses der Mitarbeiter erreicht werden. FP wirken aktiv über ihr zugeschriebenes, inspirierendes Motivationsverhalten auf ihr Personal ein und regen zu einer geistigen Auseinandersetzung an. Ebenso zeigen sie eine klare und individualisierte Wertschätzung gegenüber jedem Mitarbeiter. Ein weiteres Kriterium dieser Theorie ist, dass die FP typischerweise auch selbst Opfer für die von ihr propagierte Vision erbringt. Ziel ist es u.a., dass die FP durch diesen Führungsansatz bei den Mitarbeitern Loyalität, Selbstvertrauen, Lernbereitschaft und Problemlösungsfähigkeit erzeugt.[54] Erstens belegen Studien, z.B. von Schuler/Sonntag (2007), dass FP mit einem transformationalen Führungsstil mehr zufriedenes Personal aufweisen. Dieses äußert sich u.a. darin, dass Arbeitsplätze weniger oft gewechselt werden und die Fluktuation geringer ausfällt.[55] Zweitens zeigen Studien, u.a. von Aiken/Clarke 2002, dass Einrichtungen, die eine unterstützende Arbeitsplatzgestaltung und eine professionelle Pflege fördern, die Zufriedenheit mit dem Beruf der Mitarbeiter höher und die unerwünschten Folgen von Komplikationen bei Patienten bzw. Bewohnern niedriger sind als in Einrichtungen ohne diese unterstützenden Faktoren.[56] Drittens wird die obengenannte unterstützende Arbeitsplatzgestaltung u.a. auch von einem einbindenden und mitarbeiterorientierten Führungsverhalten der FP beeinflusst, welches beispielsweise auch einer Pflegekraft ein hohes Maß an Mitsprache und Autonomie bei Entscheidungen im eigenen Arbeitsgebiet gestattet und zu höheren Ergebnissen bei der Versorgung der Klienten führt.[57] Mit Blick in eine stationäre Einrichtung entwickelte die Abteilung Klinische Pflegewissenschaft (KPW) am Universitätsspital Basel (USB) u.a. Programme zur gezielten Praxisentwicklung, welche pflegerische Kompetenzen sowie die des Leadership fördern. Zur Erfassung von Pflege- und Leadership-Kompetenz, d.h. die Geführten mit Visionen zu motivieren und zu inspirieren[58], führte die KPW 2007 eine Evaluationsstudie mit einem Mixed-Method-Design durch. Teilnehmer der Studie waren 27 FP bzw. Stationsleitungen und 679 Pflegefachpersonen. Untersucht wurden dabei u.a. Variablen der Arbeits- und Berufszufriedenheit, der Pflegequalität, der Arbeitsumgebungsqualität und des gelebten bzw. angewendeten Führungsstil der transformationalen Führung.

Im Bereich der Arbeits- und Berufszufriedenheit war ein relativ hoher Anteil (55%) der befragten Pflegemitarbeiter zufrieden. Sogar sehr zufrieden waren (28,7%) mit ihrer momentanen Arbeitsstelle. Der Anteil fiel in Bezug auf die Zufriedenheit der Ausübung des Berufes noch deutlicher aus, d.h. 44,8 % waren sehr zufrieden und 48,7 % nur eher zufrieden.[59] Besonders der Blick in die Führungskompetenz der Stationsleitungen zeigt eine Übereinstimmung bei der Selbst-und Fremdeinschätzung. Die höchste Einschätzung erhielt das Führungsverhalten: „Anderen Handlungsspielraum geben“ mit einem Wert von 48.16% (Fremdeinschätzung) und 48.93% (Selbsteinschätzung). Niedrigste Einschätzungen bekamen u.a. die Verhaltensweise „eine gemeinsame Vision entwickeln“; zugeordnet mit einem Wert von 40.99% (Fremdeinschätzung) und 36.74% (Selbsteinschätzung).[60] Mehrfach wurde die Behauptung aufgestellt, dass eine transformale Führung als gut bewertet werden kann. Mit Blick auf die Würdigung und kritischen Bewertung ist dies ist aber umstritten, denn der transformale Führungsstil besteht nicht nur generell aus der Wirkung einer emotionalen Kraft. Transformale Führung verkörpert ferner immer eine intellektuelle Anregung der Mitarbeiterschaft, mit der eine allzu kritiklose Übernahme eines inneren Bildes der FP, welches, meist auf die Zukunft bezogen ist, ausgeschlossen sein sollte.[61] Auch ist noch offen, inwieweit sich dieser Ansatz bzw. die Prozesses auch innerhalb von Organisationen von FP untergeordneter Instanzen, beispielsweise von Bereichsleitern, erfolgreich anwenden lassen. Der Ansatz der transformalen Führung stellt immer die Rolle des einzelnen Mitarbeiters heraus und hat mitunter auch eine Verstärkerwirkung im Sinne des-Empowerments.[62]

2.3. Führungskraft und Mitarbeiter: Person und Rolle

Führungspersonen werden als Personen bezeichnet: „[…] die aufgrund der Entscheidung des Unternehmens das Recht haben (legitime oder formale Führer), den Mitarbeitern in ihrem Verantwortungsbereich Weisungen zu geben“[63] Eine Führungskraft zu sein, bedeutet aber auch, aufgrund von struktureller unternehmensspezifischen Vorgaben die jeweils nächst höherer Hierarchiestufe auszuüben. In der Regel ist dies mit einer fest abgegrenzten Informations-und Entscheidungsbefugnis verbunden. Nehmen FP über ihre rein sachlichen Tätigkeitsbereiche hinaus keine Führungsverantwortung wahr, so übernehmen anderer Personen diese Aufgaben.

Nehmen diese Personen (informeller Führer), beispielsweise ein Gruppensprecher, Einfluss auf das Verhalten anderer Mitarbeiter, so liegen in der Organisation gravierende Führungsmängel vor.[64] Vorgesetzte sind - wie der Name ja schon ausdrückt – sind Personen, die bestimmten Mitarbeitern vorgesetzt wurden. Somit werden automatisch Grundsteine gelegt, in denen Positionen etabliert werden: der Unterstellte, der Vorgesetzte und der Vorsetzende. Damit sind FP bzw. Vorgesetzte nicht frei, ihre Rolle bzw. Position so zu gestalten, wie sie es wünschen.[65] Erstens ist diese „neue“ Rolle, die bereits in der Einleitung thematisiert wurde, immer das „Bindeglied zwischen der Person“ mit ihren Prägungen bzw. Charakteren und Motiven, zweitens aber auch immer „der Vermittler der Organisation“ mit ihren Forderungen, Erwartungen und der gelebten Unternehmenskultur.[66] Und drittens ist das Verständnis der Rolle kein Kunstprodukt, sondern immer eine Chance, eine bewusste Gestaltung der eigenen Verhaltensmöglichkeiten vorzunehmen: „Rollengestaltung ist also Teil des Selbstmanagements.“[67] Was prägt also mein Selbstmanagement in der Rollengestaltung und wie kann ich die unterschiedlichen Erwartungen ausbalancieren? Ersten treten dabei zwangsläufig immer bewusste Rollenkonflikte zu Tage, d.h. als Leitungskraft steht ein als Mitglied eines Führungsteams immer zwischen z.B. einem Vorstand und den verschiedensten beteiligten Stakeholdern der Organisation und den Mitarbeitern. Zweitens spielt bei den unbewussten Rollenkonflikten der Bereich der Rollengestaltung ein wichtiges Element. Ein exemplarisches Gebiet wäre u.a.: das Führungsverhalten im Rahmen der Konfliktkultur gegenüber einem Mitarbeiter oder das Vorleben einer wertschätzenden Kommunikation. Jeder Mitarbeiter ist durch sein individuelles Unbewusstes geprägt, das immer Ängste, siehe Kapitel 3, sowie bestimmte Kommunikations-und Konfliktneigungen umfasst. Dabei gilt es zentral bestimmte und wegweisende Führungsprozesse zu erarbeiten, welche unbewusste Themen, wie beispielsweise Ängste oder Konflikte eines Mitarbeiters, durch bestimmte Rollenkonstellationen anregen.[68] Und drittens braucht ein Mensch, um eine Führungsrolle ausüben zu können, eine „Autorität“, die drei Ebenen, die obere, die untere und die innere, umfasst. Vor allem „die Autorität von innen“ ist für das Gelingen der Rollengestaltung einer FP verantwortlich. Dabei ist gemeint, dass sich FP angemessen konfliktfrei autorisieren müssen, um führen und „Macht“ ausüben zu können.

[...]


[1] Schröder, J., P.,(2013), S.8.

[2] Lieber, B., (2007), S.2.

[3] Vgl. Schulz von Thun, F., Ruppel, J., Stratmann, R., (2003), S.9.

[4] Schneider, C., (2012), S.85.

[5] Alscher, D., Bals, T., Büscher, A., Görres, S., (2013), S.19ff.

[6] Schulz von Thun, F., Ruppel, J., Stratmann, R., (2007), S.9.

[7] Broome, A.,(1997), 32f.

[8] Bach, C. (2012), S.9.

[9] Kärcher, E., (2005) , S. 8.

[10] Hasselhorn, H. M.; Müller, B. H., (2004), S.21.

[11] Kärcher, E., (2004) , S. 26.

[12] Berkemeyer, R., (2014), S.12.

[13] Vgl. Berkemeyer, R., (2014), S.5.

[14] Vgl. Berkemeyer, R., (2014), S.16.

[15] Karnauchow, L., (2014), www.domino-world.de.

[16] Vgl. Karnauchow, L., (2012), S.16.

[17] Breckwoldt, F., (2013). S.19.

[18] Vgl. Schmidbauer,W., (2013), S.7.

[19] Vgl. Siebert, Jörg, (2006),S.10.

[20] Klaußner, A., (2009), S.12.

[21] Grimm, J., W. (1878), Band 4.

[22] Vgl. Neuberger, O. (2002), S. 8.

[23] Neuberger, O. (2002), S. 10.

[24] Sprenger, R.,K., (2012),S.17.

[25] Vgl. Blonski, H. (1998), S.22.

[26] Sprenger, R.,K., (2012),S.18.

[27] Lieber, B. (2007), S.5f.

[28] Vgl. Watzlawick, P., Beavin, J.H. & Jackson, D., (1996), S. 53.

[29] Vgl. Lieber, B. (2007), S.6.

[30] Xaver Bea, F., Schweitzer, M. (2011), S. 23.

[31] Xaver Bea, F., Schweitzer, M. (2011), S. 26.

[32] Rudolph, Peter (2014), Foliennummer 23.

[33] Lieber, B. (2007), S.63f.

[34] Neuberger, O. (2002), S. 537.

[35] Hentze, J., Graf, A., Kammel, A., (2005), S.182.

[36] Vgl. Kluge, Friedrich Elmar Seebold, Elmar, (2002), S.168.

[37] Lieber, B. (2007), S.63.

[38] Northouse, P., G., (2003) Leadership: Theory and Practice.

[39] Vgl. Luther King, M., Jr., (1963), www.americanrhetoric.com.

[40] Brown,J., M. (1972): Gandhis Rise to Power.

[41] Greenberg, J.Baron, R.A. (2003, S. 486f.

[42] Robbins, S.P., (2001), 386.

[43] Vgl. Neuberger, O. (2002), S. 537.

[44] Neuberger, O. (2002), S. 538.

[45] House, R. J.,(1974),S.81ff.

[46] Vgl. Neuberger, O. (2002), S. 539.

[47] Lieber, B. (2007), S.60.

[48] ebenda

[49] Lieber, B., (2007), S.61.

[50] Lieber, B., (2007), S.63.

[51] Lieber, B., (2007), S.63.

[52] Pelz, W., (2012), S.42.

[53] Hentze, J., Graf, A., Kammel, A., (2005), S.341f.

[54] Schuler, H., Sonntag, K., (2007), S.362.

[55] Martin, J.S. (2010), S. 192.

[56] Aiken, L. H., Clarke, S. P.,Sloane, D. M. (2002), S.5f.

[57] George, V., Burke, L. J., Rodgers, B.(2002), S. 44f.

[58] Hegele-Raih, C. (2004), www.harvardbusinessmanager.de.

[59] Martin, J.S. (2010), S.195.

[60] Martin, J.S. (2010), S.196f.

[61] Schuler, H., Sonntag, K., (2007), S.363f.

[62] Lieber, B. (2007), S.67.

[63] Vgl. Lieber, B. (2007), S.6.

[64] Oppermann-Weber, U., (2008), S.9.

[65] Neuberger, O. (2002), S. 313.

[66] Lohmer, M., Sprenger, B., Wahlert, J. (2012), S.60.

[67] Vgl. Lohmer, M., Sprenger, B., Wahlert, J. (2012), S.63f.

[68] Lohmer, M., Sprenger, B., Wahlert, J. (2012), S.64.

Fin de l'extrait de 81 pages

Résumé des informations

Titre
Menschen machen Organisationen. Was bedeutet diese Annahme für stationäre Einrichtungen in der Pflege?
Sous-titre
Wirksame Personalführung des Riemann-Thomann-Modells
Université
University of Applied Sciences Magdeburg
Cours
Management im Gesundheitswesen
Note
1,3
Auteur
Année
2015
Pages
81
N° de catalogue
V316427
ISBN (ebook)
9783668155534
ISBN (Livre)
9783668155541
Taille d'un fichier
1203 KB
Langue
allemand
Annotations
Gesunde Personalführung hat nicht die Aufgabe, Mitarbeiter zu motivieren, sondern sie vor Demotivation zu bewahren
Mots clés
Wirksame Personalführung;, Was müssen Führungspersonen tun, um ihr Personal gesund zu erhalten?;, Kann das Führen mit einem Persönlichkeitsmodell, wie bspw. dem Riemann-Thomann-Modell hierzu eine Hilfestellung leisten?
Citation du texte
Master of Arts Thomas Briest (Auteur), 2015, Menschen machen Organisationen. Was bedeutet diese Annahme für stationäre Einrichtungen in der Pflege?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316427

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