Wie vermochte es eine ganze Region in der Phase von Oktober 1944 bis Mitte 1945 nahezu vollständig von ihren ursprünglichen Bewohnern entvölkert zu werden?
Diese Fragen sollen auf den folgenden Seiten beantwortet werden und letztlich stellt sich die Frage, wie eine solch gewaltige Bevölkerungsanzahl ihre Fluchtvorbereitung bewältigte. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Betrachtung der Lage Ostpreußens nach dem Ersten Weltkrieg im Kontext der Bestimmungen des Versailler Vertrages und wie sich die politische Landschaft Ostpreußens vom konservativen „Junkerland“ zum Anhänger des Nationalsozialismus wandeln konnte. Hierbei stellt sich besonders die Frage, inwiefern die Gauleitung unter ihrem Vorsitzenden Erich Koch Ostpreußen in den letzten Kriegsmonaten verwaltete und wie sich diese auf die Bevölkerung auswirkte?
Heutzutage wird die Region Ostpreußen kaum noch in den Medien erwähnt und gar nicht erst dessen 700 Jahre währenden Zugehörigkeit zum deutschen Kulturkreis. Die Erinnerungen daran wurden jedoch durch die Flüchtlinge und deren Mentalität nach Deutschland getragen und leben wie selbstverständlich in den Regionen, in die die Flüchtlinge kamen, weiter. Ihre Aussagen und Erfahrungen geben heute einen Einblick in das Leben einer lange vergessen Provinz und den langen Weg nach Westen, den die Flüchtlinge auf sich nahmen.
Noch 1942 wurde Ostpreußen in einem Reiseführer als "Herzland des ganzen Ostens" bezeichnet, das "mitten hineingesstellt" sei "in den großdeutschen Interessensraum des Ostens". Zu diesem Zeitpunkt war Niemandem klar, wie sehr sich die Rolle Ostpreußens und dessen Zugehörigkeit bis zum Frühjahr 1945 verändern sollte.
Ruckartig und übereilt flohen die Bewohner aus ihrer ehemaligen Heimat, die sie und ihre Vorfahren nach 700jähriger Zugehörigkeit zum deutschen Kulturkreis aus Angst vor Verschleppung und Vergeltung durch die Rote Armee ab Oktober 1944 verlassen mussten. Aber worin lagen die Ursachen dieser gewaltigen Bevölkerungsbewegung in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs?
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung: Ostpreußen – der vergessene Teil Deutschlands?
- 1.1 Über die wechselhafte Forschungslage
- 1.2 Flüchtlinge, Umsiedler oder Heimatlose?
- 2. Europäische Fluchtbewegungen nach dem Ersten Weltkrieg
- 3. Das Leben in Ostpreußen – Land und Leute
- 3.1 Preußenland in Junkerhand?
- 3.2 Mythos des Fremden
- 4. Die NSDAP in Ostpreußen
- 5. Die Flucht(vorbereitung) und die nahende Front
- 6. Der Fall Nemmersdorf
- 7.Zusammenfassung: Unnötig hohes Opfer an der Zivilbevölkerung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Flucht der ostpreußischen Bevölkerung während des Zweiten Weltkriegs und den Ursachen dieser gewaltigen Bevölkerungsbewegung. Sie untersucht die Situation Ostpreußens nach dem Ersten Weltkrieg im Kontext des Versailler Vertrages und die Entwicklung der politischen Landschaft von einem konservativen „Junkerland“ hin zum Anhänger des Nationalsozialismus. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Rolle der Gauleitung unter Erich Koch in den letzten Kriegsmonaten und deren Auswirkungen auf die Bevölkerung.
- Die Flucht der ostpreußischen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg
- Die Ursachen für die Fluchtbewegung
- Die Situation Ostpreußens nach dem Ersten Weltkrieg
- Die Entwicklung der politischen Landschaft in Ostpreußen
- Die Rolle der Gauleitung unter Erich Koch
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die historische Bedeutung Ostpreußens und die Forschungslage zum Thema Flucht und Vertreibung vor. Sie beleuchtet die unterschiedlichen Perspektiven auf die Fluchtbewegung und die Herausforderungen der Quellenforschung. Das Kapitel 2 behandelt die europäischen Fluchtbewegungen nach dem Ersten Weltkrieg und setzt die Situation Ostpreußens in einen größeren Kontext. Kapitel 3 widmet sich dem Leben in Ostpreußen vor dem Krieg, betrachtet die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie den Mythos des Fremden. In Kapitel 4 wird die Rolle der NSDAP in Ostpreußen beleuchtet. Das Kapitel 5 untersucht die Fluchtvorbereitung und die nahende Front, während Kapitel 6 den Fall Nemmersdorf als Beispiel für die Gräueltaten der Roten Armee darstellt. Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung, die die Tragödie der ostpreußischen Bevölkerung und das hohe Opfer an der Zivilbevölkerung hervorhebt.
Schlüsselwörter
Ostpreußen, Flucht, Vertreibung, Zweiter Weltkrieg, Versailler Vertrag, NSDAP, Gauleitung, Erich Koch, Junkerland, Mythos des Fremden, Quellenforschung, Zeitzeugenaussagen, Wehrmachtsberichte, Dokumentation der Vertreibung, Opfer, Zivilbevölkerung.
- Citation du texte
- Gregor Grohmann (Auteur), 2012, Verbotene Flucht. Ostpreußens Bevölkerung zwischen Durchhalteparolen und dem politischen Kalkül der Alliierten im Zweiten Weltkrieg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316429