Verschärfung der bankaufsichtlichen Eigenmittelanforderungen

Zusammenspiel europäischer und nationaler Rechtsvorschriften sowie Auswirkungen auf die Kapitalausstattung deutscher Großbanken


Masterarbeit, 2015

63 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Teil 1: Überblick, Zielsetzung

Teil 2: Verschärfung der Eigenmittelanforderungen und Auswirkungen auf deutsche Großbanken
A. Eindämmung der Banken- und Finanzmarktkrise durch staatliche Rekapitalisierungsmaßnahmen
I. Ursachen der Finanzmarktkrise
1. Ausgangslage
2. Auslöser der Finanzmarktkrise
3. Eigenkapitalausstattung und -anforderungen vor der Finanzmarktkrise
II. Auswirkungen der Krise auf Kreditwirtschaft und Finanzmärkte
III. Krisenbewältigung durch staatliche Kapitalmaßnahmen
B. Regulatorische Maßnahmen zur Verbesserung der Eigenkapital­ausstattung für die laufende Geschäftstätigkeit
I. Modifikationen durch die CRD II
II. Umsetzung von Basel 2.5 über CRD III
III. Beschlüsse der G20 (Pittsburgh) und Reformpaket „Basel III“
IV. Zwischenzeitliche AnforderungenderEBA
V. Rechtliche Umsetzung der verschärften Eigenkapitalanforderungen
1. RechtlicherUmsetzungsrahmen
2. Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen in Säule 1
a) Änderungen über die CRR
aa) Hartes Kernkapital
bb) ZusätzlichesKernkapital
cc) Ergänzungskapital
dd) Kapitalabzüge, Prudential Filters
ee) Ergänzendeinbezogene Risiken
b) Änderungen über die CRD IV bzw. das KWG
aa) Kapitalpufferanforderungenund makroprudenzielleAufsicht
bb) Kapitalerhaltungspuffer
cc) Institutsspezifischer antizyklischerKapitalpuffer
dd) Systemrisikopuffer
ee) Kapitalpuffer für systemrelevante Kreditinstitute
ff) Kombinierte Kapitalpufferanforderungen
c) Übergangsvorschriften
d) Potentielle Erhöhung der Kapitalpuffer durch EZB
e) Anordnungen nach § 10 Abs. 4 KWG
f) Nationale Flexibilisierungsmaßnahmen
g) Leverage Ratio
h) Bisherige Auswirkungen auf die Kapitalausstattung
3. Verknüpfung von Säule 2 mit den Mindestanforderungen aus Säule 1
a) Anforderungen aus Säule 2 zur Risikotragfähigkeit
aa) Risikotragfähigkeit
bb) Risiken und Risikomessverfahren
cc) Ökonomisches Kapital
dd) Kapitalplanungsprozess
b) Zusammenhang zwischen Säule 2 und Säule 1 vor der CRD IV
c) Verknüpfung der Säulen unter aktueller Regulatorik
aa) Vorgaben der CRD IV und des KWG
bb) SREP-Guideline der EBA
cc) Verhältnis der SREP-Anforderungen zu den Kapitalpuffern
dd) Individuelle Kapitalanforderungen durch die EZB
ee) Steigende Anforderungen an die Risikodaten der Institute
C. Stärkung der Verlustabsorptionsfähigkeit hinsichtlich einer potentiellen Sanierung oder Abwicklung
I. Kapitalanforderungen zur Vermeidung der Frühintervention
II. Anforderungen der Abwicklungsplanung
11.1 Voraussetzungen derAbwicklung
11.2 Verfahren bei derAbwicklung
11.3 Anforderungen an berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten

Teil 3: Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Teil 1: Überblick, Zielsetzung

Kreditinstitute unterliegen umfassenden bankenaufsichtlichen Anforderungen mit dem Ziel, die Stabilität des Bankensystems zu sichern und die Kreditversorgung der Wirtschaft zu gewährleisten. Zudem sollen Gläubiger von Instituten vor dem Verlust ihrer Einlagen geschützt werden. Die Beurteilung der Eigenkapitalausstat­tung von Kreditinstituten stellt daher neben der Geschäftsmodellanalyse, der Be­urteilung der Internal Governance und Risikosteuerung sowie der Liquiditätsaus­stattung gemäß den am 19.12.2014 von der European Banking Authority (EBA) veröffentlichten „Guidelines on common procedures and methodologies for the supervisory review and evaluation process (SREP)“ ein Kernelement des ban­kaufsichtlichen Überwachungsprozesses dar.1

Das regulatorische Eigenkapital hat eine Ausgleichsfunktion für Verluste im lau­fenden Geschäftsbetrieb sowie zur Befriedung von Ansprüchen im Insolvenzfall. Hinzu kommt eine Verlust- bzw. Geschäftsbegrenzungsfunktion aufgrund der fixierten Mindestquote zwischen Eigenkapital und Risikopositionen.2 Deutsche Institute verpflichtete bis 2013 § 10 Abs. 1 Satz 1 KWG zur Vorhaltung einer angemessenen Eigenkapitalausstattung. Die Angemessenheit spezifizierte zunächst Grundsatz 1, der als Rechtsverordnung die Anrechnung der zu unterle­genden Risikopositionen regelte. Diese Mindeststandards integrierten den Basler Akkord von 1988 („Basel I“) als internationale Vereinbarung zur Eigenkapital­unterlegung von Kreditrisiken mit mindestens 8 %, die 1996 durch die Einbezie­hung von Marktpreisrisiken ergänzt wurde.3 Die Rahmenvereinbarung des Basler Ausschusses über die neuen Eigenkapitalanforderungen („Basel II“) wurde 2006 auf europäischer Ebene von den Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG über­nommen; die Umsetzung in Deutschland erfolgte 2007 über § 10 KWG sowie die Ablösung des Grundsatz I durch die Solvabilitätsverordnung (SolvV). Kernele­ment war die geänderte Ermittlung des Kreditrisikos über eine stärkere Orientie­rung an der Bonität der Kreditnehmer, die neben externen Ratings institutsindivi­duelle Risikomessverfahren ermöglichte. Neben Kredit- und Marktpreisrisiken wurden seitdem operationelle Risiken in die Ermittlung der Mindesteigenkaptal- anforderungen von mindestens 8 % der risikogewichteten Aktiva einbezogen. Die während der Finanzmarktkrise stark steigenden Risikowerte und eintretenden Verluste konnten aber vielfach nicht ausreichend vom regulatorischen Eigenkapi­tal, dessen Anforderungen durch Basel II nicht reformiert wurden, absorbiert wer­den. Die Folge waren umfassende staatliche Rekapitalisierungen; daher konzent- rieren sich die Bestrebungen der Gesetzgebung und der Bankenaufsicht seither auf eine nachhaltige Steigerung der Solvabilität der Banken.

Im Mittelpunkt der Finanzkrise standen international agierende Großbanken auf­grund ihrer grenzüberschreitenden Kredit- und Wertpapierhandelsaktivitäten. Zudem zwangen Größe und Vernetzung dieser Finanzkonzerne zu steuerfinan­zierten Rettungen, um Ansteckungseffekte auf Finanzmärkte und die Realwirt­schaft zu vermeiden. Daher unterliegen bedeutende Institute im besonderen Ausmaß und - über die seit 04.11.2014 erfolgende direkte Beaufsichtigung durch die Europäische Zentralbank (EZB) - teilweise zeitlich vorgelagert den verschärf­ten Eigenkapitalanforderungen. Der Begriff „Großbanken“ ist nicht legal definiert. Während die Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank auf den privatrechtli­chen Gesellschafterhintergrund der hier erfassten Aktiengesellschaften abstellt,4 subsumiert der Finanzstabilitätsbericht unter diesem Ausdruck zweckorientiert zwölf international tätige große Institute unter Einbeziehung von Landesbanken und genossenschaftlichen Spitzeninstituten.5 Die turnusmäßigen Analysen von Bundesbank, EBA und Basler Ausschuss über die Auswirkungen von Basel III fasst in der Gruppe 1 international tätige Institute mit einem Kernkapital von mehr als 3 Mrd. € zusammen.6 Dagegen unterliegen aufgrund weiter gefasster Kriteri­en derzeit 24 deutsche Institute der direkten Beaufsichtigung durch die EZB. Schließlich hat die deutsche Aufsicht - analog zu den etwa 30 als global system­relevant bestimmten Instituten - für Zwecke von Kapitalpufferanforderungen nati­onal systemrelevante Institute bzw. zur Einforderung von Sanierungsplänen po­tentiell systemgefährdende Institute zu identifizieren. Aus den verschiedenen Abgrenzungen resultieren somit differierende Adressatenkreise, wobei eine hohe Überlappung für die etwa 15 größten deutschen Institute besteht.

Die Masterarbeit legt die im Nachgang zur Finanzmarktkrise signifikante Erhö­hung der Mindestkapitalanforderungen und ihre bisherigen Auswirkungen auf die Kapitalausstattung insbesondere von Großbanken dar. Zudem werden die Vor­gaben über die zusätzlichen Kapitalanforderungen auf Basis des SREP sowie über die weitere Stärkung der Verlustabsorptionsfähigkeit im Hinblick auf eine potentielle Sanierung oder Abwicklung erläutert und das Zusammenwirken der differenzierten Kapitalanforderungen analysiert. Die potentiellen Folgen der ab­sehbaren weiteren Verschärfung der Kapitalanforderungen auf die künftigen Ge­schäftsaktivitäten werden abschließend umrissen.

Teil 2: Verschärfung der Eigenmittelanforderungen und Auswirkungen auf deutsche Großbanken

A. Eindämmung der Banken- und Finanzmarktkrise durch staatliche Reka- pitalisierungsmaßnahmen

I. Ursachen der Finanzmarktkrise

1. Ausgangslage

Finanzkrisen sind Verwerfungen eines Finanzsystems in Form von signifikanten Wertverlusten von Vermögenswerten und der Zahlungsunfähigkeit vieler Unter­nehmen, potentiell einhergehend mit einer Destabilisierung des Bankensystems und einer hieraus folgenden restriktiven Kreditausreichung, die damit eine Krise in der Realwirtschaft auslösen bzw. verstärken können.7

Als Basis der 2007 einsetzenden Finanzkrise gilt die expansive Geldpolitik nach dem Platzen der Dot-Com-Blase und den Anschlägen vom 11.09.2001. Diese begünstigte einen starken Anstieg der kreditfinanzierten Immobiliennachfrage in den USA, der zu einem Preisanstieg bei Wohnimmobilien von über 80 % inner­halb von fünf Jahren führte. Der Boom förderte die Verbriefung von Krediten, indem insbesondere amerikanische Banken ihre Hypothekarkredite oder hiervon abgetrennten Risiken an abhängige, bankaufsichtlich nicht überwachte Zweck­gesellschaften übertrugen, die sich über die Emission von strukturierten Wertpa­pieren refinanzierten. Über das nicht konsolidierte Geschäftsvolumen der Zweck­gesellschaften wurde der Verschuldungsgrad der Institute mit dem Ziel einer Op­timierung der Eigenkapitalrendite de facto deutlich erhöht. Die Verbriefung und Ausplatzierung, die 2008 rund 60 % aller US-Hypothekarkredite umfasste, erwei­terte das Kreditvergabepotential der US-Banken und führte zur verstärkten Kre­ditgewährung an zweitklassige Schuldner; zudem wurde die Bonitätsprüfung auf­grund der vermeintlichen Risikoabdeckung durch steigende Immobiliensicherhei­ten vernachlässigt. Die Immobiliennachfrage befeuerte den Primärmarkt, wäh­rend die ausplatzierten Wertpapiere aufgrund der zunächst positiven Kursent­wicklungen weltweit Investoren fanden.8 Dies trug dazu bei, dass sich 2008 bei deutschen Instituten der Auslandsanteil an der Gesamtkreditvergabe auf über 40 % belief.9 Umfangreiche Käufe von ABS erfolgten über institutszugehörige, aber nicht konsolidierte Zweckgesellschaften. Diese nur geringfügig kapitalisier­ten „Conduits“ refinanzierten langlaufende Wertpapiere über die Emission kurz­fristiger Commercial Papers. Zur Absicherung der Fristentransformation stellten die initiierenden Kreditinstitute rollierende Liquiditätsfazilitäten über 364 Tage, die als unterjährige außerbilanzielle Verpflichtungen nicht unterlegungspflichtig wa- ren.10 Durch die Informationsasymmetrie zwischen Hypothekengläubigern, struk­turierenden Investmentbanken und Investoren hing der ABS-Absatz stark von der Bewertung durch Ratingagenturen ab, die die Risikolage aber wegen Fehlein­schätzungen und Interessenskonflikten systematisch unterzeichneten.11

2. Auslöser der Finanzmarktkrise

Ein rückläufiges Wirtschaftswachstum in den USA bei steigenden Hypotheken­zinsen schwächten ab 2006 die Immobiliennachfrage und -preise deutlich;12 der S&P/Case-Shiller-Index sank innerhalb von zweieinhalb Jahren um 25 %. Zudem führte der Anstieg der meist variabel vereinbarten Hypothekenzinsen zur Beein­trächtigung der Zahlungsfähigkeit; Sicherheitenverwertungen beschleunigten den Immobilienpreisrückgang. Initialzündung der Finanzmarktkrise war die Weigerung von Investoren im Juli 2007, fällige Commercial Papers zu prolongieren bzw. abzunehmen, so dass Zweckgesellschaften die Liquiditätsfazilitäten der Banken beanspruchten.13 Der steigende Kreditrisikovorsorgebedarf sowie Wertverluste bei Wertpapieren und Derivaten mit erheblich prozyklischer Auswirkung infolge der Fair-Value-Bilanzierung verminderte bei den Banken sukzessive die Eigen­kapitalbasis. Die Aufrechterhaltung der Mindesteigenkapitalquoten und die Be­friedigung der Liquiditätsansprüche von Investoren erforderten zusätzliche Wert­papierverkäufe, welche die Krise weiter beschleunigten.14

3. Eigenkapitalausstattung und -anforderungen vor der Finanzmarktkrise

Der Bank für Internationalen Zahlungsverkehr (BIZ) zufolge sei das die Abwärts­spirale verstärkende Deleveraging zur Einhaltung einer ausreichenden Eigenka­pitalquote durch einen zu hohen Verschuldungsgrad bzw. ein zu geringes Ver­lustabsorptionspotential ausgelöst worden.15 Dies setzt voraus, dass bei Aus­bruch der Finanzkrise eine zu geringe Eigenkapitalausstattung vorgelegen hätte. Die deutschen Groß- und Landesbanken wiesen 2006 eine Gesamtkennziffer als Relation zwischen Adress- und Marktpreisrisiken sowie den Eigenmitteln von durchschnittlich knapp 12 % aus, wobei die Mindestquote nach § 10 Abs. 1 KWG a.F. (6. KWG-Novelle) i.V.m. § 2 Abs. 3 Grundsatz I 8 % betrug.16 2007 wurden die Bankenrichtlinie (2006/48/EG) und die Kapitaladäquanzrichtlinie (2006/49/EG), die auf der „Basel „II“-Rahmenvereinbarung beruhten, in das KWG bzw. die SolvV umgesetzt. Gemäß § 10 Abs. 1 KWG a.F. (7. KWG-Novelle) i.V.m. § 2 SolvV belief sich die Gesamtkennziffer für die Anrechnungsbeträge aus Adress-, Marktpreis- und operationellen Risiken auf mindestens 8 %, wovon nach § 10 Abs. 2 KWG a.F. die Hälfte mit Kernkapital unterlegt werden musste. Mitte 2007 betrug die durchschnittliche Gesamtkennziffer aller deutschen Banken über 15 %, die Kernkapitalquote knapp 11 %. Die Bundesbank konzedierte ihnen ein hohes Niveau im internationalen Quervergleich.17 Die EZB attestierte den großen europäischen Banken ausreichende Polster zur Absorption simulierter Finanz­schocks; deren durchschnittliche Kernkapitalquote betrug 06/2007 8,0 %, die Gesamtkennziffer 11,1 %.18 Ende 2007 belief sich die Gesamtkennziffer deut­scher Großbanken auf im Schnitt fast 12 % (Landesbanken knapp 11 %).19 Somit lag die aufsichtlich registrierte Eigenkapitalausstattung vor der Krise deutlich oberhalb der Mindestanforderungen. Die nachträglich monierte zu hohe Ver­schuldungsquote zielte insbesondere auf folgende Faktoren:

- Anerkennung von Kernkapitalinstrumenten ohne Verlustabsorptionsqualität20
- Eine zu geringe Berücksichtigung bzw. Gewichtung von Risiken:
- Risiken von Zweckgesellschaften waren mangels Konsolidierung unberück­sichtigt. Deren geringe Kapitalbasis zwang die zugehörigen Banken in der Krise zu Stützungsmaßnahmen und Wertpapierverkäufen,21 die eine Ab­wärtsspirale aus Kursverlusten und Eigenkapitalrückgang anfachten.22
- Verbriefungen wurden wegen geringerer Kapitalanforderungen statt im Anla­gebuch im Handelsbuch geführt mit der Möglichkeit der Marktpreisrisikobe­messung durch institutsinterne Modelle.23
- Kontrahentenrisiken aus Derivategeschäften,24 Korrelationen und systemi­sche Risiken wurden unzureichend berücksichtigt.25
- Eine fehlende Einflussnahme der Aufsicht auf die Geschäftsmodelle der Ban­ken betreffend die exorbitante Fristentransformation bei Zweckgesellschaften und die Liquiditätszusagen der „Mutterinstitute“.26

II. Auswirkungen der Krise auf Kreditwirtschaft und Finanzmärkte

Eine Bloomberg-Recherche bezifferte die bis Februar 2009 weltweit aufgelaufe­nen Marktwertverluste bzw. Forderungsabschreibungen als unmittelbare Folge der Subprime-Krise auf 873 Mrd. €, wovon 66 % auf die USA und 22 % auf die EU entfielen, darunter Deutschland mit 6,9 % (60 Mrd. €).27 Die Komplexität der Verbriefungen beeinträchtigte die Bewertung der eigenen Engagements; zudem war eine Einschätzung der Solvabilität der Marktteilnehmer schwierig, so dass eine Vertrauenskrise gepaart mit Liquiditätshortung zur Austrocknung des Geld­marktes bei steigenden Geldmarktzinsen führte. In Verbindung mit Fristentrans­formation und schwer liquidierbaren Assets kollabierte Lehman Brothers am 15.09.2008, wobei staatliche Rettungsmaßnahmen unterblieben.28 Dieser Zu­sammenbruch und die Schieflage des Versicherungskonzerns AIG mündeten insbesondere wegen Verflechtungen über Derivatekontrakte in eine systemische Krise.29 Die Wertpapiermärkte erlitten massive Kursverluste; u.a. verminderte sich der Dax vom 12.09.2008 bis zum Verlaufstief am 05.03.2008 um 38 %. Das damit kontinuierlich sinkende Eigenkapital der Institute führte mit der Vertrauens­krise zu einersehr restriktiven Kreditvergabe und löste über Spill-over-Effekte die Weltwirtschaftskrise 2009 aus, in der das deutsche BIP um 5,0 % abnahm.30

III. Krisenbewältigung durch staatliche Kapitalmaßnahmen

Gerade Großbanken mit ihrer Schlüsselstellung bei der Kreditversorgung und ihrer Vernetzung über Finanzmärkte und bilaterale Derivatekontrakte waren di­rekt oder indirekt über Conduits in ABS investiert und somit von den kapitalver­zehrenden Kursverlusten stark betroffen. 2008 schätzte der IWF die weltweiten realisierten bzw. noch ausstehenden Verluste auf 1,4 Bill. USD.31 Besonders tan­gierte Institute wurden zur Vermeidung ähnlicher Ansteckungseffekte wie im Fall Lehman von den nationalen Regierungen gestützt. Den individuellen Maßnah­men folgten auf Basis internationaler Vereinbarungen nationale Stützungspro­gramme in Form von Staatsgarantien für Anleihen und Rekapitalisierungen; zu­dem wurden „toxische“ Assets übernommen oder staatsgarantiert. Ergänzend stieg die Deckungssumme der Einlagensicherungssysteme bis zu einer in Deutschland unbeschränkten Staatsgarantie.32 Zur Hemmung der bilanzierungs­getriebenen Abwärtsspirale nahm das IASB eine IFRS-Änderung zur

Reklassifizierung in Kategorien mit Bewertungen zu fortgeführten Anschaffungs­kosten vor.33

2008 bis 2012 wurden in der EU 592 Mrd. € an Banken als staatliche Rekapitali- sierungen (413 Mrd. €) und sonstige Kapitalhilfen (179 Mrd. €) gewährt. Davon entfiel der Höchstwert mit 144 Mrd. € auf Deutschland, wobei sonstige Kapitalhil­fen durch die Übernahme von Assets der Hypo Real Estate mit 80 Mrd. € noch vor Rekapitalisierungen mit 64 Mrd. € standen.34 Hiervon stellte die Bundesan­stalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) über den Finanzmarktstabilisierungs­fonds (SoFFin) bis zu 29,4 Mrd. €. Das Gros entfiel auf die Commerzbank mit 18,2 Mrd. € und die Hypo Real Estate mit 9,8 Mrd. €. Zum 31.12.2014 standen noch 16,8 Mrd. € aus, nachdem die Commerzbank ihre stillen Einlagen auf 5,1 Mrd. € abbaute.35 Die übrigen Kapitalhilfen von 34 Mrd. € betrafen vor allem Lan­desbanken (BLB 10 Mrd. €, LBBW 5 Mrd. €, NordLB 3,3 Mrd. €, HSH 3 Mrd. €) und wurden überwiegend von den beteiligten Bundesländern getragen.36 Durch die Stützungsmaßnahmen und den Abbau von Risikoaktiva stieg die Ge­samtkennziffer der deut­schen Großbanken inner­halb von zwei Jahren im Schnitt um 1,6 %-Punkte auf 12.9 %. Ein Rückgang beim Ergänzungskapital wurde durch die Zunahme des Kernkapitals überkompen­siert. Diese resultierte aus der Erhöhung der stillen Einlagen um saldiert 15.9 Mrd. € und wurde ausschließlich durch Staatskapital von 21,2 Mrd. € getra­gen. Daher nahm die Kernkapitalquote um 2,4 %-Punkte auf 10,0 % zu.37

Die 2008 bis 2012 gewährten Stützungsmaßnahmen und Staatsgarantien er­reichten in der Eurozone einen Nettoeffekt von jeweils 5,7 % des BIP (Deutsch­land 11,6 % bzw. 2,2 %)38 und legten die Basis für die Eurostaatenkrise. Die Ga­rantien der SoFFin wurden zwar ohne Ausfall zuzüglich einer Provision von über 2 Mrd. € beglichen; jedoch wird hinsichtlich der Kapitalmaßnahmen und sonsti­gen Kapitalhilfen mit Verlusten von 22 Mrd. € gerechnet.39

В. Regulatorische Maßnahmen zur Verbesserung der Eigenkapitalausstat­tung für die laufende Geschäftstätigkeit

I. Modifikationen durch die CRD II

Die im April 2008 zur Konsultation vorgelegte Richtlinie 2009/111/EG (CRD II) zielte zunächst auf Korrekturen im Basel II-Regelwerk, zog aber bis zur Verab­schiedung 2009 erste Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise.40 Die deutsche Umsetzung erfolgte zum 31.12.2010 über Änderungen im KWG und den MaRisk. Auf Basis von Art. 57a CRD II ergänzte § 10 Abs. 2a Satz 1 Nr. 8 KWG a.F. rechtsformunabhängig die Kriterien für hartes Kernkapital. Die Anerkennung als „anderes Kernkapital“ erforderte eine unbefristete Kapitalüberlassung, Nachrang, eine laufende Verlustteilnahme und Ausschüttungen im Institutsermessen.

Art. 63a CRD II bzw. § 10 Abs. 2a Satz 1 Nr. 10, Abs. 4 KWG a.F. stellten erst­mals gesetzliche Anforderungen an die Anerkennung hybrider Instrumente als Kernkapital, die bisher nur im informellen „Sydney“- Agreement des Basler Aus­schusses fixiert waren. Die Kriterien für dieses „sonstige Kapital“ orientierten sich am „anderen Kernkapital“, enthielten aber mehr Gestaltungsräume. Die Anrech­nungsgrenze für das „sonstige Kapital“ lag nach § 10 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 KWG a.F. auf Höhe des harten Kernkapitals, Mehrbeträge fungierten nach § 10 Absatz 2b Satz 1 Nr. 7a KWG a.F. als Ergänzungskapital.41 Altemissionen unterlagen nach § 64m KWG a.F. einem weitreichenden Bestandsschutz bis 2040.42 Interbankenkredite wurden nun auf die Großkreditobergrenze angerechnet, Kre­ditnehmereinheiten auf die von einer Refinanzierungsquelle abhängigen Unter­nehmen (z.B. ABCP-Ankaufsgesellschaften) ausgedehnt. Anlagen in Verbriefun­gen erforderten mindestens 5 % Risikorückbehalt durch den Originator bzw. Sponsor, dem eine Risikoanalyse analog zu Buchkrediten auferlegt wurde.43

II. Umsetzung von Basel 2.5 über CRD III

Handelsbuchpositionen waren gegenüber Bankbuchpositionen durch eine deut­lich geringere Eigenkapitalunterlegung privilegiert, u.a. resultierend aus der un­terstellten kurzen Haltedauer (10 Handelstage nach § 315 Abs. 1 SolvV a.F.). Hier erfasste Verbriefungen zeigten sich aber in der Finanzmarktkrise als schwer veräußerbar und überstiegen die aufsichtlichen bzw. modellseitigen Haltedauer­annahmen deutlich. Marktwertverluste konnten nicht zeitnah durch Veräußerung eingegrenzt werden, sondern überstiegen häufig die für die Kapitalunterlegung angesetzten Risikomesswerte.44 Daher entwickelte der Basler Ausschuss die Empfehlungen „Revisions to the Basel II market risk framework“ (Juli 2009) und „Adjustments to the Basel II market risk framework“ (Juni 2010), ergänzt um die „Enhancements to the Basel II framework“ (Juli 2009) mit verschärften Anforde­rungen für Wiederverbriefungen und Liquiditätsfazilitäten. Diese mit „Basel II.5“ bezeichneten Regelungen wurden in der EU-Richtlinie 2010/76/EU (CRD III) vom November 2010 aufgenommen und per 31.12.2011 in der SolvV umgesetzt. Hö­here Eigenmittelanforderungen ergaben sich vor allem für Institute mit eigenen Marktpreisrisikomodellen. Neben dem Risikomessbetrag des allgemeinen Kursri­sikos auf Basis der Value at risk (VaR) war nun additiv der Stressed-VaR zu be­rücksichtigen (§§ 314 Abs. 1, 315 Abs. 3 SolvV a.F.). Das besondere Marktrisiko wurde um Migrationsrisiken erweitert, die nach § 318a SolvV a.F. über die Incre­mental Risk Charge abzudecken waren. Zudem wurde das besondere Kursrisiko von Verbriefungspositionen jetzt auch im Handelsbuch erfasst (§ 303 Abs. 5 SolvV a.F.).45 Institute ohne Risikomodelle mussten Aktienpositionen im Han­delsbuch fortan mit 8 % des Risikopositionswerts (bislang 4 % bzw. 2 % für hoch­liquide Aktien; § 305 SolvV a.F.) unterlegen. Der Basler Ausschuss prognostizier­te für handelsaktive Großbanken eine Zunahme der Eigenmittelanforderungen für das Marktpreisrisiko um das Drei- bis Vierfache.46

Zur Kreditrisikobemessung von Wiederverbriefungen wurden die Kapitalanforde­rungen über gesonderte Risikogewichte erhöht (§ 257f SolvV a.F.) und instituts­seitig nicht beurteilte ABS zur Lösung der Abhängigkeit von externen Ratings einem Kapitalabzug unterzogen (§ 243 SolvV a.F.). Die Unterlegung von qualifi­zierten Verbriefungs-Liquiditätsfazilitäten stieg über die Zunahme des Kreditkon­versionsfaktors im Standardansatz auf einheitlich 50 % (§ 239 SolvV a.F.).47

III. Beschlüsse der G20 (Pittsburgh) und Reformpaket „Basel III“

Parallel zu den Novellierungen der CRD II und CRD III skizzierte der Basler Aus­schuss am 06.09.2009 Maßnahmen zur Erhöhung der Eigenkapitalanforderun­gen. Sie umfassten die quantitative und qualitative Verbesserung des Kernkapi­tals, eine Leverage Ratio und Kapitalpuffer.48 Das Regulierungsvorhaben wurde beim Gipfeltreffen der G20 am 24./25.09.2009 in Pittsburgh/USA von den Staats­und Regierungschefs dezidiert aufgegriffen mit der Verpflichtung, bis Ende 2010 abgestimmte Regeln aufzustellen und bis Ende 2012 umzusetzen.49 Das daraufhin vom Basler Ausschuss erarbeitete Rahmenwerk „Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensys­teme“ wurde am 16.12.2010 vorgelegt. Kernpunkte waren ein Anstieg des harten Kernkapitals von 2 % auf 4,5 % der risikogewichteten Aktiva (RWA) bis 2015. Zuzüglich weiterer Instrumente wurde das Kernkapital auf mindestens 6 % der RWA festgesetzt; die übrigen 2%-Punkte zur Erfüllung der Gesamtkapitalquote von unverändert 8 % erfolgen über Ergänzungskapital. Zudem wurde ab 2016 der Aufbau eines Kapitalerhaltungspuffers aus hartem Kernkapital von 2,5 % zur Absorption künftiger Stressphasen fixiert. Hinzukommt ein auf nationaler Ebene ab 2016 festzulegender antizyklischer Puffer von bis zu 2,5 % zur Eindämmung von übermäßigem Kreditwachstum. Zur Eingrenzung der „too big to fail“- Problematik wurde zusätzliches hartes Kernkapital für global systemrelevante Institute („G-SIBS“) als erforderlich erachtet.50 Die Systemrelevanz wird aus ei­nem vom Basler Ausschuss entwickelten indikatorbasierten Messansatz abgelei­tet. Die Einzelindikatoren verteilen sich auf fünf zu je 20% gewichtete Kategorien und umfassen die Größe (Gesamtengagement), grenzüberschreitende Aktivitä­ten (Forderungen und Verbindlichkeiten), Verflechtung (Vermögenswerte und Verbindlichkeiten gegenüber Banken sowie Kapitalmarkt-Refinanzierungsquote), Substituierbarkeit (verwahrtes Vermögen, Zahlungsverkehrsdienste, Emissions­geschäfte) und Komplexität (Nominalwert außerbörslicher Derivate, Level-3- Assets, HfT- bzw. AfS-Assets). Anhand eines aus dem Scoring der Indikatoren resultierenden Gesamtscores werden die Institute auf vier Relevanzstufen ver­teilt, für die ab 2016 zusätzliche Kapitalpuffer von 1 bis 2,5 % hartes Kernkapital vorgesehen sind.51 Avisiert wurde zudem die Ergänzung der risikobasierten Kapi­talanforderungen um eine Leverage Ratio, die als Quotient zwischen dem Eigen­kapital und der Summe aus ungewichteten Bilanzwerten sowie außerbilanziellen Geschäften errechnet wird. In der Beobachtungsphase wurde eine Mindestquote von 3 % angestrebt.52

IV. Zwischenzeitliche Anforderungen der EBA

Die zum 01.01.2011 gegründete EBA führte Mitte 2011 einen Stresstest mit 90 europäischen Banken (darunter 11 deutsche) durch, wobei keine Abschreibun- gen auf im Bankbuch gehaltene Staatsanleihen simuliert wurden. Somit übertraf die Mehrheit die fixierte Mindestquote von 5 % nach Stressauswirkung für das von der EBA definierte „harte Kernkapital“.53 Dessen Konsistenz wurde von der CRD ll/lll abgeleitet, beinhaltete aber den völligen Abzug von Hybridkapital, Vor­zugsaktien sowie Finanzbeteiligungen und bezog staatliches Rettungskapital ein;54 abseits einer Legaldefinition wurde somit Basel lll antizipiert.

Bei der „Capital Exercise“ der EBA im Oktober 2011 waren Forderungen und Anleihen gegenüber Zentral- und Lokalregierungen zu Marktpreisen vom 30.09.2011 zu bewerten. Aufgrund der Eurostaatenkrise und somit starker Wert­abschläge dieser sonst zu fortgeführten Anschaffungskosten verbuchten Exposu­res verzeichneten die 70 teilnehmenden lnstitute bei einer geforderten harten Kernkapitalquote von 9,0 % (EBA-Definition) eine Kapitallücke von 106 Mrd. € (deutsche Großbanken: 5 Mrd. €). Diese waren bis zum 30.06.2012 durch private Kapitalzuführungen bzw. Thesaurierungen abzubauen, alternativ über staatliche Rekapitalisierungen.55 Die von der EBA geforderte Quote von 9,0 % wurde am 22.07.2013 geändert in eine nominale Mindestanforderung in Höhe des per 30.06.2013 notwendigen harten Kernkapitals zur Erfüllung der Quote von 9,0 %.56 Am 15.12.2014 hob die EBA diese Kapitalanforderung auf.57

V. Rechtliche Umsetzung der verschärften Eigenkapitalanforderungen

1. Rechtlicher Umsetzungsrahmen

Der Basler Ausschuss verfügt über keine Rechtsetzungskompetenz. Seine Arbei­ten stellen Empfehlungen für international tätige Banken dar, werden aber über­wiegend in materielles Recht übernommen. Dies erfolgte ursprünglich über EU- Richtlinien und ihre Umsetzung in nationales Recht.58 Basel lll sollte jedoch die europäische Bankengesetzgebung harmonisieren.59 Daher legte die EU- Kommission am 20.07.2011 Legislativentwürfe des CRD lV-Reformpakets vor, das sich in die Verordnung Capital Requirements Regulation (CRR) und die Richtlinie Capital Requirements Directive lV (CRD lV) gliederte und weitgehend dem Rahmenwerk Basel lll entsprach. Das Regelwerk trat zwar erst zum 01.01.2014, ein später als geplant, in Kraft. Durch verkürzte Übergangsregelun­gen wird aber eine Verschiebung der Vollanwendung vermieden.

Die formal „Verordnung (EU) Nr. 575/2013 vom 26.06.2013“ lautende CRR ist eine in den EU-Mitgliedsländern unmittelbar geltende Rechtsverordnung, benö­tigt somit keine Umsetzung in nationale Gesetze.60 Allerdings war das bestehen­de nationale Recht um abweichende Vorschriften zu bereinigen; hiervon waren in Deutschland im Wesentlichen das KWG, die SolvV und die GroMiKV betroffen. Die RL 2013/36/EU vom 26.06.2013 (= CRD IV) ersetzte die Banken- und die Kapitaladäquanzrichtlinie und enthält u.a. Regelungen zu den Kapitalpuffern, die in nationales Recht (KWG und SolvV) umzusetzen waren.61 Spezifizierungen von CRR und CRD erfolgen über „Binding Technical Standards“ (BTS) der EBA, die sich in technische Regulierungsstandards (RTS) und techni­sche Durchführungsstandards (ITS) gliedern. Gemäß Art. 10ff der VO (EU) Nr. 1093/2010 kann die EBA i.V.m. Art. 290 AEUV Entwürfe von RTS erstellen, die die EU-KOM als delegierte Rechtsakte erlassen darf; dies führt in der EU zur unmittelbaren Rechtsverbindlichkeit. ITS werden gemäß Art. 15 VO (EU) Nr. 1093/2010 durch die EU-KOM über Durchführungsrechtsakte gemäß Art. 291 AEUV rechtsverbindlich angenommen. Zudem gibt die EBA nach Art. 16 VO (EU) Nr. 1093/2010 Leitlinien und Empfehlungen an die Aufsichtsbehörden zur An­wendung der materiellen Vorschriften heraus.62

Seit Anfang 2014 haben für CRR-Institute nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR somit das europäische Verordnungsrecht sowie die BTS Vorrang vor dem verbliebenen nationalen Aufsichtsrecht.63

2. Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen in Säule 1 a) Änderungen über die CRR aa) Hartes Kernkapital

Gemäß Art. 72 CRR ergeben sich die Eigenmittel eines Instituts aus der Summe von Kernkapital (Tier 1 bzw. T1) und Ergänzungskapital (Tier 2 bzw. T2). Kern­kapital besteht nach Art. 25 CRR aus der Summe des harten Kernkapitals (Core Equity Tier 1 bzw. CET1) und des zusätzlichen Kernkapitals (Additional Tier 1 bzw. AT1). Das harte Kernkapital ergibt sich nach Art. 50 CRR aus den Posten des harten Kernkapitals gemäß Art. 26 CRR nach den in Art. 32ff CRR vorgese­henen Anpassungen und Abzügen. Die mindestens einzuhaltende harte Kernka- pitalqote stieg gemäß Art. 92 Abs. 1 lit a CRR deutlich von 2 % auf 4,5 %; sie wird gemäß Art. 92 Abs. 2 lit a CRR als Quotient zwischen dem CET1 und den nach Art. 92 Abs. 3 CRR summierten RWA ermittelt. Neben den quantitativen Anforderungen erhöhten sich die qualitativen Bedingungen erheblich.64 Anerkannt werden gemäß Art. 26 Abs. 1 lit a CRR Kapitalinstrumente bei Vorlie­gen der Voraussetzungen nach Art. 28 CRR. Dies erfordert insbesondere eine unbefristete Überlassung, eine primäre Verlusttragung (innerhalb des CETI an­teilsmäßig und gleichrangig) und Nachrangigkeit zu allen anderen Ansprüchen. Zudem müssen die Instrumente direkt begeben und einbezahlt werden, ohne dass der Kaufpreis durch das Institut finanziert oder durch ein zum Emittenten verbundenes Unternehmen garantiert ist. Eine Einstufung als Kapital gemäß Rechnungslegung und ein eindeutiger Bilanzausweis sind erforderlich. Eine Ver­ringerung oder Rückzahlung darf nur bei Liquidation oder mit aufsichtlicher Er­laubnis nach Art. 77 CRR erfolgen. Ausschüttungen auf CETI erfolgen im Insti­tutsermessen, nicht vorrangig und nur aus ausschüttungsfähigen Positionen. Die Kriterien für CETI entsprechen weitestgehend der Basler Empfehlung für Nicht­Aktiengesellschaften, wurden aber rechtsformneutral ausgestaltet. Somit könnten auch Aktiengesellschaften jegliche Instrumente bei Vorliegen der Kriterien be­rücksichtigen, wohingegen das Basler Rahmenwerk hierfür nur Grundkapital, Agio und Rücklagen vorsah.65 Gemäß Erwägungsgrund 72 CRR wird aber von börsennotierten AGs eine Beschränkung auf Aktienkapital und offenen Rückla­gen erwartet.66 Die Anerkennung der für deutsche Banken wichtigen stillen Einla­gen als CETI hängt davon ab, ob abweichend zur bislang gebräuchlichen festen und vorrangigen Verzinsung sowie dem zumeist vereinbarten Vorrang anforde­rungsgerechte Vertragsregelungen getroffen werden können. Traditionell ausge­staltete Vorzugsaktien (Vorzugsdividende, Kumulation der Ansprüche) stellen kein CETI mehr dar. Das mit CETI-Instrumenten verbundene Agio gilt nach Art. 26 Abs. 1 lit b CRR als hartes Kernkapital. Somit ist die Kapitalrücklage um Pos­ten zu bereinigen, die nicht aus CETI- Emissionen stammen.67 Gemäß Art. 26 Abs. 3 i.V.m. Art. 80 Abs. 1 CRR veröffentlichte die EBA ein Verzeichnis der vor Inkrafttreten der CRR in der EU gültigen CET1-Instrumente.68 Zudem sind nach Art. 26 Abs. 1 lit c-f CRR einbehaltene Gewinne, das kumulier­te sonstige Ergebnis, sonstige Rücklagen und der Fonds für allgemeine Bankrisi­ken als CET1 einzustufen, sofern sie der uneingeschränkten und unmittelbaren Risiko- oder Verlustabdeckung dienen. Gemäß Art. 26 Abs. 2 CRR sind Zwi­schengewinne oder Gewinne vor Feststellung des Jahresabschlusses nur mit aufsichtlicher Zustimmung als einbehaltene Gewinne nach Art.

[...]


1 EBA, EBA/GL/2014/13, S. 7

2 Deutsche Bundesbank, Leitfaden zu den neuen Eigenkapital- und Liquiditätsregeln für Banken, S. 7

3 Deutsche Bundesbank, Die Umsetzung der neuen Eigenkapitalregelungen in deutsches Recht, Monatsbericht Dezember 2006, S. 69f

4 Deutsche Bundesbank, Das Banken- und Finanzsystem, https://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Service/Glossar/_functions/glossar.html?lv2=32032&lv3=62238

5 Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2014, S. 38

6 Deutsche Bundesbank, Ergebnisse Basel III-Monitoring, 31.12.2014, S. 3

7 Hellerforth, S. 17

8 Nastansky / Strohe, S. 23ff

9 Bank for International Settlements, 79th Annual Report 2008/2009, S. 61

- 3 -

Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2007, S. 47f

11 Nastansky / Strohe, S. 25

12 Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2006, S. 16

13 SVR, Jahresgutachten 2008/2009, S. 120

14 Blanchard, S. 9f

15 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht: Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, Dezember 2010 (rev. Juni 2011), S. 1

16 Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2006, S. 93f

17Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2007, S. 80

18 Europäische Zentralbank, Financial Stability Review 2007, S. 97, 102f, Statistical Annex S 5

19 Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2007, S. 98f

20 Manns / Schulte-Mattler, S. 1578

21 Nastansky / Strohe, S. 25

22 Wissenschaftlicher Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, S. 4

23 Wissenschaftlicher Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, S. 20

24 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht: Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, Dezember 2010 (rev. Juni 2011), S. 33ff

25 Hönig, S. 6

26 Wissenschaftlicher Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, S. 4f, 33

' Nastansky / Strohe, S. 27f

28 Dombret, Fünf Jahre nach Lehman, S. 702

29 Nastansky / Strohe, S. 29

30 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Jahreswirtschaftsbericht 2010, S. 7

31 Beck, S. 7

32 Europäische Zentralbank, Monatsbericht April 2010, S. 77ff

33 Europäische Zentralbank, Monatsbericht April 2009, S. 23

34 Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2014, S. 98f

35 Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung: Historischer Überblick über die Maßnahmen des SoFFin (Maß­nahmenstand 31.12.2014); http://www.fmsa.de/de/oeffentlichkeit/c_soffin

36 Frühauf, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/teuer-fuer-den-steuerzahler-milliardengrab- bankenrettung-12535343.html

37 Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2009, S. 40f

38 Europäische Zentralbank, Monatsbericht Juni 2013, S. 93ff

39 Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht Dezember 2013, Kapitel 3

40 Deutsche Bundesbank: Änderung der neu gefassten EU-Bankenrichtlinie und der EU­Kapitaladäquanzrichtlinie sowie Anpassung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement, S. 67f

41 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Rundschreiben 5/2011 (BA) https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/rs 1105 ba kernkapitalinstrumente.html

42 Deutsche Bundesbank: Änderung der neu gefassten EU-Bankenrichtlinie und der EU­Kapitaladäquanzrichtlinie sowie Anpassung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement, S. 73

43 Deutsche Bundesbank: Änderung der neu gefassten EU-Bankenrichtlinie und der EU­Kapitaladäquanzrichtlinie sowie Anpassung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement, S. 70, 73

44 BaslerAusschuss für Bankenaufsicht, Revisions to the Basel II market risk framework, S. 1

45 PWC, Umsetzung der CRD III in deutsches Recht, http://blogs.pwc.de/regulatory/aktuelles/umsetzung-der- crd-iii-in-deutsches-recht [Stand 11.07.2011

46 BaslerAusschuss für Bankenaufsicht, Adjustments to the Basel II market risk framework, http://www.bis.org/ press/p100618.htm

47 Deutsche Bundesbank, Leitfaden zu den neuen Eigenkapital- und Liquiditätsregeln für Banken, S. 22

48 BaslerAusschuss für Bankenaufsicht: Comprehensive response to the global banking crisis. http://www.bis.org/press/p090907.htm

49 G20, Pittsburgh Summit, Leader's Statement, S. 2, 8f

50 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht: Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, Dezember 2010 (rev. Juni 2011), S. 13, 61ff, 8

51 Basler Ausschuss, Global systemrelevante Banken: Bewertungsmethodik und Anforderungen an die zu­sätzliche Verlustabsorptionsfähigkeit - Rahmenregelung, S. 3ff

52 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht: Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, Dezember 2010 (rev. Juni 2011), S. 68ff

53 SVR, Jahresgutachten 2011/12, S. 128ff

54 EBA, Capital Buffers - Methodological Note, S. 2f

55 EBA, EBA details the EU measures to restore confidence in the banking sector, https://www.eba.europa.eu/-/the-eba-details-the-eu-measures-to-restore-confidence-in-the-banking-sector

56 EBA, Recommendation on the preservation of core Tier 1 during the transition to the Capital Requirements Directive/Capital Requirements Regulation framework, S. 5f

57 EBA, Repeal of the EBA capital preservation recommendation. 18.12.2014. https://www.eba.europa.eu/- /repeal-of-the-eba-capital-preservation-recommendation

58 Manns / Schulte-Mattler, S. 1577

59 EBA, The Single Rulebook, https://www.eba.europa.eu/regulation-and-policy/single-rulebook

60 Deutsche Bundesbank, Die Umsetzung von Basel III in europäisches und nationales Recht, S. 58

61 Küster, S. 454

62 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Journal Mai 2013, S. 10

63 Schmieszek in Beck / Samm / Kokemoor, 170. ErgLfG; Einführung, Rn. 10

64 Schuster, S. 683

65 Küster, S. 454ff

66 Deutsche Bundesbank, Die Umsetzung von Basel III in europäisches und nationales Recht, S. 59

67 Küster, S. 454ff

68 EBA, https://www.eba.europa.eu/-/eba-publishes-list-of-common-equitv-tier-1-cet1-capital-instruments

Ende der Leseprobe aus 63 Seiten

Details

Titel
Verschärfung der bankaufsichtlichen Eigenmittelanforderungen
Untertitel
Zusammenspiel europäischer und nationaler Rechtsvorschriften sowie Auswirkungen auf die Kapitalausstattung deutscher Großbanken
Hochschule
Universität des Saarlandes  (Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität des Saarlandes in Kooperation mit dem Distance & Independent Studies Center (DISC) der Technischen Universität Kaiserslautern)
Veranstaltung
Wirtschaftsrecht für die Unternehmenspraxis - Banken- und Kapitalmarktrecht
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
63
Katalognummer
V316927
ISBN (eBook)
9783668159679
ISBN (Buch)
9783668159686
Dateigröße
783 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Finanzmarktkrise, Basel III, Säule 1, hartes Kernkapital, zusätzliches Kernkapital, Ergänzungskapital, Kapitalabzüge, Prudential Filters, CRR, CRD IV, Kapitalpufferanforderungen, Kapitalerhaltungspuffer, institutsspezifischer Puffer, antizyklischer Puffer, Systemrisikopuffer, kombinierte Kapitalpufferanforderungen, Leverage Ratio, Säule 2, Risikotragfähigkeit, ökonomisches Kapital, Kapitalplanungsprozess, SREP-Guideline EBA, BCBS 239, Frühintervention, Abwicklungsplanung, berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, TLAC, MREL
Arbeit zitieren
Stefan Giebisch (Autor:in), 2015, Verschärfung der bankaufsichtlichen Eigenmittelanforderungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316927

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