Die Wahlbeteiligung im Abwärtstrend. Politischer Normalisierungsprozess oder Krisensymptom?

Analyse der sinkenden Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen in Deutschland seit 1972


Tesis de Máster, 2015

64 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitende Aspekte

2 Theoretischer Analyserahmen und Untersuchungsaufbau
2.1 Die Wahlbeteiligung im Abwärtstrend
2.2 Rückgang der Wahlbeteiligung als politischer Normalisierungsprozess
2.3 Rückgang der Wahlbeteiligung als Krisensymptom
2.4 Untersuchungsaufbau und Hypothesen
2.5 Einschränkungen

3 Die Wahlbeteiligung im internationalen Vergleich

4 Einfluss sozialstruktureller Faktoren

5 Einfluss des politischen Interesses

6 Die Wahlbeteiligung unter dem Einfluss struktureller und sozialer Veränderungen
6.1 Der sozioökonomische und soziale Wandel als Ausgangsbasis
6.2 Wertewandel und die Ausbreitung postmaterieller Wertvorstellungen
6.3 Verändertes Partizipationsverständnis
6.4 Rückgang der Wahlnorm als Konsequenz des Wertewandels

7 Einfluss sozialer und politischer Integration
7.1 Abnahme sozialer und soziokultureller Bindungen
7.2 Rückgang der Parteibindungen
7.3 Abnehmende Integrationsfähigkeit der Volksparteien

8 Einfluss von situativen Faktoren und rationales Wahlverhalten

9 Einfluss politischer Unzufriedenheit
9.1 Parteienverdrossenheit
9.2 Bilanz

10 Schlussfolgerungen

11 Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Wahlberechtigte und Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen von 1972-2009; eigene Darstellung (Datenquelle: Der Bundeswahlleiter 2014: 8)

Abbildung 2 Wahlbeteiligung (in % aller Wahlberechtigten) bei Parlamentswahlen in ausgewählten Ländern von 1971-2009; eigene Darstellung (Datenquelle: IDEA 2011)

Abbildung 3 Rückgang der Wahlbeteiligung (Angaben in %) bei Parlamentswahlen in ausgewählten Ländern von 1972-2009; eigene Berechnungen und Darstellung (Datenquelle: IDEA 2011)

Abbildung 4 Wahlbereitschaft nach Einkommen, Schicht und Bildung von 1980-2006, kumulierter ALLBUS 1980-2006 (ZA-Nr. 4241), eigene Berechnungen durch Schäfer (2011: 143)

Abbildung 5 Parteineigung in Deutschland (West), 1976-2005, Angaben in %, Daten des ALLBUS; spezifischer zur Datenverwendung siehe Ohr et al. 2009: 538, 557 (Ohr et al. 2009: 538)

Abbildung 6 Parteineigung nach Politikinteresse (Westdeutschland), 1976-2005, Angaben in %, ALLBUS-Daten, erklärend bzgl. Daten siehe Ohr et al. 2009: 538, 557 (Ohr et al. 2009: 545)

Abbildung 7 Wähleranteile bei den Bundestagswahlen 1949-2009, in % der Wahlberechtigten (Matuschek und Güllner 2011: 222)

Abbildung 8 Anteile der SPD und der PDS (Linke) in den neuen Bundesländern bei Bundestagswahlen 1990-2009, in % der Wahlberechtigten (Matuschek und Güllner 2011: 227)

Abbildung 9 Anteile der SPD und der GRÜNEN bei Bundestagswahlen 1980-2009 (Matuschek und Güllner 2011: 227)

Abbildung 10 Orientierungen gegenüber den im Bundestag vertretenen Parteien von 1977-1990, Angaben in % (Niedermayer 2013: 53)

Abbildung 11 Orientierungen gegenüber den im Bundestag vertretenen Parteien von 1994-2011, Angaben in % (Niedermayer 2013: 57)

1 Einleitende Aspekte

„Wahlbeteiligung erreicht historischen Tiefstand“ (Hollstein und Kuhn 2009: 1) – Schlagzeilen dieser Art konnten die BürgerInnen nach der Bundestagswahl 2009 in den Medien zur Genüge vorfinden. Nur 70,8 % der rund 62,2 Mio. wahlberechtigten BürgerInnen nutzen ihr demokratisches Recht zu wählen und verursachten damit das niedrigste Beteiligungsniveau seit den ersten Bundestagswahlen 1949 (Der Bundeswahlteiler 2014: 8)! Jeder Dritte Wahlberechtigte – insgesamt 18 Mio. NichtwählerInnen (29,2 %) – vereinigten, rein rechnerisch, die Mehrheit der Stimmen auf sich. 1972 sah dies noch völlig anders aus: Über 90% der Wahlberechtigten gingen zur Bundestagswahl. Nach diesem historischen Hoch war bei den Beteiligungswerten jedoch ein kontinuierlicher Abwärtstrend zu verzeichnen[1], mit Ausnahmen in den Jahren 1994 und 1998 (vgl. Eilfort 2006: 1). Es verging kaum eine Bundestagswahl, in deren Nachgang nicht über das wieder gesunkene Beteiligungsniveau debattiert, kritisch resümiert und über Ursachen und Motivlagen dieser „Nichtwähler“ philosophiert wurde. Präsentiert wurden, periodisch wiederkehrend, seit jeher auch fixe Ideen zur baldigen Steigerung der Beteiligungsraten (z.B. Einführung einer Wahlpflicht), wird in der allgemeinen medialen und öffentlichen Diskussion doch gemeinhin davon ausgegangen, dass es ein Problem für das Funktionieren des demokratischen Systems ist, wenn immer weniger Wahlberechtigte kein Kreuz auf dem Wahlzettel setzen, um ihre Repräsentanten für die nächste Legislaturperiode zu wählen[2]. In gleicher Weise schienen die Medien, wissenschaftliche Experten und die BürgerInnen selbst mit dem Zauberwort „Politik(er)verdrossenheit“ voller Überzeugung des Rätsels Lösung für die gesunkenen Beteiligungsraten gefunden zu haben: Die BürgerInnen sind zunehmend unzufrieden mit den politischen Verhältnissen und enttäuscht von den Parteien. Sie fühlen sich belogen von Politikern, vermissen „echte Charaktere“, können sich mit keiner Partei identifizieren und zu wenig Unterschiede zwischen den Parteien feststellen. Da ist es nur gerechtfertigt, seinem Unmut Luft zu machen, durch Nichtwahl zu protestieren oder am Wahlsonntag einfach andere entscheiden zu lassen. Ende. Steigende Unzufriedenheit ist der Grund. Wirklich? Oder wurde hier mehr pauschal diagnostiziert als fundiert recherchiert?

Vermutlich, denn auf den zweiten Blick lassen sich zahlreiche andere, tieferliegende Ursachen und Erklärungsmuster finden, warum die Beteiligung bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag seit 1972 gesunken ist. Die Bestimmung und Analyse dieser Ursachen ist dabei mehr als gerechtfertigt, sind politische Wahlen nicht weniger als „das wichtigste und am weitesten verbreitete Instrument zur Repräsentation der Interessen des Volkes in den modernen Demokratien“ (Eder 2010: 17). Demokratietheoretisch werden sie damit als Kernbereich des Staates angesehen, in denen die WählerInnen als Souverän über die Verteilung der politischen Macht auf die Abgeordneten, die ‚Vertreter des Volkes’ (Art. 38 GG), entscheiden[3]. Für die Mehrheit der Wahlberechtigten sind sie aufgrund ihrer Universalität und formalen Institutionalisierung die unkomplizierteste Möglichkeit politisch zu partizipieren (vgl. Völkl 2007: 16), sodass durch Wahlen die „politische Inklusion breiter Teile der Bevölkerung in das politische System“ (Kerstings 2004: 405) gewährleistet wird. Der steigende und scheinbar unaufhörlich wachsende Anteil an Nichtwählern, als „eines der herausragenden politischen Phänomene der letzten Jahre“ (Eilfort 2003: 197), ist vor diesem Hintergrund besonders bemerkenswert. In der politikwissenschaftlichen und wahlsoziologischen Forschung existieren jedoch über die zugrunde liegenden Ursachen unterschiedliche Auffassungen: Wurde der Rückgang anfänglich als gewöhnliche Entwicklung interpretiert und als Normalisierungsprozess deklariert, häuften sich in der Folgezeit, wie angedeutet, vermehrt kritischere Einschätzungen, die Wahlenthaltung vorwiegend durch Unzufriedenheit begründen und als Symptom einer Krise des parlamentarischen Systems einschätzen.

Die vorliegende Arbeit findet in dieser normalisierungs- und krisenorientierten Auslegung ihre theoretische Ausgangsbasis und versucht, den Einfluss der in den Theorien genannten Determinanten auf die gesunkene Wahlbeteiligung zu untersuchen. Nach einführenden Erläuterungen zur gesunkenen Wahlbeteiligung (Punkt 2.1), zum theoretischen Hintergrund (Punkte 2.2 und 2.3) sowie zum Untersuchungsaufbau (Punkt 2.4) und damit verbundenen Einschränkungen (Punkt 2.5), soll zunächst die deutsche Wahlbeteiligung im internationalen Vergleich (Punkt 3) betrachtet werden. Anschließend werden der Einfluss sozialstruktureller Faktoren (Punkt 4), des politischen Interesses (Punkt 5) sowie struktureller Veränderungen (Punkt 6) auf die gesunkene Wahlbeteiligung untersucht. Neben der Wahlnorm (Punkt 6.2) und dem Einfluss von sozialer und politischer Integration (Punkt 7), wird weiterführend auch der Einfluss situativer Faktoren (Punkt 8) analysiert. Schlussendlich erfolgen Ausführungen zur politischen Unzufriedenheit (Punkt 9), insbesondere zur Parteienverdrossenheit (Punkt 9.1), sodass zusammenfassend die Schlussfolgerungen bezüglich der Ausgangsfrage gezogen werden (Punkt 10).

2 Theoretischer Analyserahmen und Untersuchungsaufbau

2.1 Die Wahlbeteiligung im Abwärtstrend

Deutschland galt bis zum Beginn der 80er Jahre, geprägt durch den gesellschaftlich fest etablierten Grundsatz, dass das Wählen eine staatsbürgerliche Pflicht sei (vgl. Kersting 2004: 404; Kleinhenz 1995: 15), als Vorzeigekandidat in Sachen Wahlbeteiligung[4]: 1972 erlangte die Bundesrepublik mit einer Wahlbeteiligung von 91,1 % ihren partizipatorischen Höhepunkt (vgl. Bohne 2010: 254) und verzeichnete ab diesem Zeitpunkt, bei einer Zunahme der Wahlberechtigten[5] (siehe Abb. 1), einen kontinuierlichen Rückgang der Wahlbeteiligung (vgl. Statistisches Bundesamt 2009: 1; Kleinhenz 1995: 15). Verlief der Abwärtstrend mit einer Wahlbeteiligung von 84,3 % aller Wahlberechtigten bei den Bundestagswahlen 1987 noch gemäßigt, ist „nach 1990 ein sprunghaftes Anwachsen der Nichtwahlneigung“ (Maier 2000: 232 f.) feststellbar: Bei den ersten gesamtdeutschen Wahlen 1990 betrug die Wahlbeteiligung nur noch 77,8 % und sank damit zum ersten Mal seit 1949 unter die 80 %-Grenze (siehe Abb. 1). Richtig ist: „Nichtwähler gibt es, seit Wahlen stattfinden!“ (Lavies 1973: 18), doch aufgrund der relativ hohen Bereitschaft zur Wahlpartizipation bis zu den Bundestagswahlen 1983 verlief die Anfangsphase der deutschen Nichtwähler-Forschung schleppend (vgl. Kleinhenz 1995: 17), blieb auf einzelne rudimentäre Beiträge[6] beschränkt und wurde von Kaack (1971: 446) zu Recht als „terra incognita der Wahlforschung“ bezeichnet. Lange wurde der Nichtwählersymptomatik damit nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt, sodass Aussagen über das „unbekannte Wesen“ (Falter und Schuhmann 1994: 161) und dessen Motive zur Wahlenthaltung nur bedingt möglich waren. Erst dem immensen Absinken der Beteiligung bei den Bundestagswahlen 1987 und 1990 (siehe Abb. 1) ist es geschuldet, dass die Nichtwählerproblematik ab 1990 verstärkt in das politische, mediale und wissenschaftliche Interesse rückte. Bei den Bundestagswahlen 1994 steigerte sich das Beteiligungsniveau auf 79,0 % und konnte 1998 sogar die höchste Beteiligung seit der Wiedervereinigung (82,3 %) erreichen (siehe Abb. 1). Allerdings ist dies eher auf „kurzfristige, politisch-konjunkturelle Faktoren zurückzuführen als auf eine grundsätzliche Wende bezüglich des Wahleifers der Bevölkerung“ (Eilfort 2003: 197), denn danach schlug die Wahlbeteiligung wieder ihren bekannten Weg der kontinuierlichen Abnahme ein (2002: 79,1 %; 2005: 77,7 %). Im ‚Superwahljahr‘ 2009 wurde dann ein vorläufiges Minimum erreicht: Nie zuvor in der deutschen Geschichte unterließen mehr WählerInnen die Stimmabgabe. Das Wissen über Typen, Strukturen und Motivlagen der NichtwählerInnen nimmt seitdem durch diverse Forschungsbeiträge (z.B. Roth 1992, Falter und Schuhmann 1994, Eilfort 1994[7], Armingeon 1994, Kleinhenz 1995[8], Klingemann und Lass 1995, Renz 1997, Völker und Völker 1998, Kersting 2004, Caballero 2005, de Nève 2009) stetig zu.

Die klassischen Theorien des Wahlverhaltens versuchen seit Beginn der deutschen Wahlforschung zu erklären, warum einzelne Parteien von bestimmten BürgerInnen gewählt werden. Sie integrierten nachträglich die Option der Nichtwahl in ihr Theoriegerüst und liefern basierend darauf entsprechende Erklärungen. Insbesondere in der deutschen Nichtwähler-Forschung konkurrieren dabei zwei Erklärungsmuster, um die abnehmende Wahlbeteiligung theoretisch erklärend aufzuarbeiten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Wahlberechtigte und Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen von 1972-2009; eigene Darstellung (Datenquelle: Der Bundeswahlleiter 2014: 8)

2.2 Rückgang der Wahlbeteiligung als politischer Normalisierungsprozess

Die, vor allem in älteren Forschungsbeiträgen vorzufindende, outputorientierte Normalisierungsthese (vgl. Roth 1992; Armingeon 1994) erklärt den wachsenden Nichtwähleranteil als einen Normalisierungsprozess und stuft die sinkende Wahlbeteiligung in repräsentativen Demokratien dem Wortlaut folgend als ‚normale’ Entwicklung ein. Diese vollzieht sich als eine undramatische Angleichung der hohen und im internationalen Vergleich sogar überdurchschnittlich hohen Wahlbeteiligung an die niedrigeren ‚normalen‘ Niveaus anderer europäischer und internationaler parlamentarischer Demokratien (vgl. Eilfort 2003: 200; Johann 2009: 424). Zudem folgt Deutschland dabei lediglich einem, spätestens mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts einsetzenden, Trend kontinuierlich sinkender Wahlbeteiligung in diesen Ländern (vgl. de Nève 2009: 41).

Wahlenthaltung kann demzufolge auch als „eine Form der stillen [passiven] Zustimmung zur demokratischen Ordnung“ (Bohne 2010: 254) interpretiert werden, die nicht bei jeder Wahl reproduziert werden muss[9]. Nach über 40 Jahren ist die Demokratie in Deutschland gefestigt, sodass die BürgerInnen Wahlen mit mehr Gelassenheit begegnen können, da eben nun nicht mehr „bei jeder Abstimmung das demokratische System auf dem Prüfstand [steht]“ (Hoffmann-Jaberg und Roth 1994: 134). Dezidiert wird davon ausgegangen, dass „bei stabilen politischen Verhältnissen über einen längeren Zeitraum, bei Vertrauen in das politische System und seine Institutionen und einer allgemeinen Zufriedenheit mit der Funktionsweise des Systems, die Bürger zu einer geringeren Beteiligung an Wahlen neigen“ (Hoffmann-Jaberg und Roth 1994: 133 f.; vgl. Eilfort 2006: 61).

Der „klassische“ Nichtwähler (vgl. u.a. Campbell 1960: 89 ff.) dieses „älteren“ Formates[10] zeigt sich politisch vorwiegend desinteressiert und uninformiert, ist mit der politischen Praxis zufriedenen, sozial nur wenig integriert, häufig sozialen Randgruppen[11] zugehörig, hat ein eher geringes Bildungs- und Berufsniveau, ist nicht an eine Partei gebunden und sieht Wählen nicht als staatsbürgerliche Pflicht an. Er stellte in den 50ern und 60ern die Mehrheit der Nichtwählerschaft (vgl. Hoffmann-Jaberg und Roth 1994: 138).

Begründet wird die gesunkene Wahlbeteiligung mit dem soziostrukturellen Wandel moderner Industriegesellschaften und einem allgemeinen Wertewandel, der u.a. die Ausbreitung postmaterialistischer Wertvorstellungen forcierte. Auf Grund von damit einhergehende Individualisierungs- bzw. gesellschaftliche Differenzierungsprozesse und Milieuumstrukturierungen bzw. -auflösungen wird die verstärkte Wahlenthaltung vorwiegend „auf [die] nachlassende sozio-politische Integration politisch uninteressierter Bürger“ (Armingeon 1994: 43) zurückgeführt. Aus dem zunehmenden „Bedeutungsverlust der bundesdeutschen Wahlnorm“ (Renz 1997: 572) resultiert, dass die Stimmabgabe bei Wahlen vor allem für politisch Desinteressierte nicht mehr als „Bürgerpflicht“ angesehen wird und der Wahlakt an sich seine lang bestehende Selbstverständlichkeit verliert.

2.3 Rückgang der Wahlbeteiligung als Krisensymptom

In völlig konträrer Denkweise wurde in Forschungsbeiträgen der 90er Jahre (u.a. Feist 1992/1994; Rattinger 1993; Falter und Schumann 1993) argumentiert, dass sich die nachlassende Beteiligung an Wahlen aus einem Krisenszenario des repräsentativ-parlamentarischen Systems heraus erklären lässt: Durch unterschiedlich motivierte politische Unzufriedenheit verweigern sich aus Protest immer mehr Wahlberechtigte der Stimmabgabe. Vorwiegend aus der materiell abgesicherten Mittelschicht stammend, sind sie über die gegebenen Partizipationsmöglichkeiten und realpolitischen Abläufe und Entwicklungen derart enttäuscht, dass sie auf die Diskrepanz zwischen ihrem politischen Anspruch und der politischen Realität mit Wahlenthaltung reagieren (Protesttheorie) (vgl. Eilfort 1994: 253 ff.; Hoffmann-Jaberg und Roth 1994: 138; Kleinhenz 1995: 41 ff., 122 ff.). „Sinkende oder eine vermeintlich schwache Wahlbeteiligung wird hier meist als Konsequenz aus der Annahme interpretiert, dass die Bürger durch Nicht-Teilnahme an Wahlen dem politischen System in seiner herkömmlichen Form die Unterstützung entziehen“ (Kornelius und Roth 1994: 31). Dieser Unterstützungsentzug – in der medialen Berichterstattung und politikwissenschaftlichen Literatur besser bekannt unter der Trias Politik-, Politiker- und Parteienverdrossenheit – bildet den Nährboden für einen „Strukturwandel der Nichtwählerschaft“ (Armingeon 1994: 45) hin zum „Nichtwähler neuen Typs“[12], dessen Anteil an der Nichtwählerschaft stetig zu wachsen scheint. Er charakterisiert sich durch ein gesteigertes politisches Interesse, Informiertheit, soziale Integration, einen höheren Erwerbs- und Bildungsstatus und der vermehrten Bereitschaft zur aktiven Beteiligung an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen. Dabei entfernen sie sich aber nicht generell dauerhaft vom politischen Geschehen, sondern können, im Verständnis eines „konjunkturellen Nichtwählers“ (Eilfort 1994: 63) bei der nächsten Wahl durchaus wieder zur Stimmabgabe motiviert werden.

2.4 Untersuchungsaufbau und Hypothesen

In der vorliegenden Arbeit werden die aus den erläuterten Kernannahmen der Normalisierungs- und Krisenthese ableitbaren Indikatoren zur Erklärung der gesunkenen Wahlbeteiligung getrennt voneinander betrachtet und anhand von Studienergebnissen bzw. Erkenntnissen aus Forschungsbeiträgen zu den Bundestagswahlen 1972 bis 2009[13] untersucht und zusammengefasst. Spezifischer soll untersucht werden, ob sich der Rückgang der Wahlbeteiligung durch einen politischen Normalisierungsprozess vollzog oder ob er das Symptom einer Krise im demokratisch-parlamentarischen System ist.

Summiert die Frage „ WARUM wählt WER WEN und WELCHE Konsequenz hat diese Entscheidung für den politischen Prozess und die Zukunft unserer Demokratie?“ das Erkenntnisinteresse der empirischen Wahlforschung, dann stellt die Fragstellung „ WARUM wählt WER nicht?“ für diese Arbeit eine funktionale Modifikation dar. Denn das WARUM verlangt nach der Identifikation und Analyse von Faktoren, die eine Erklärung für die sinkende Wahlbeteiligung seit 1972 gewährleisten können. Aus den theoretischen Annahmen der Krisen- und Normalisierungsthese werden die wichtigsten Einflussfaktoren auf die gesunkene Wahlbeteiligung gefiltert und Hypothesen formuliert, die empirisch bestätigt werden können, wenn sich jeweils die Krisen- bzw. Normalisierungsthese als erklärungswirksamer erweist.

Die gesunkene Wahlbeteiligung von 1972 bis 2009 ist durch einen politischen Normalisierungsprozess erklärbar, wenn…

…die Beteiligungsraten zur Wahl nationaler Parlamente auch in anderen repräsentativen Demokratien gesunken sind und sich die Wahlbeteiligung in Deutschland in diesem Zeitraum im internationalen Vergleich auf einem durchschnittlich hohen Niveau befand (Hypothese 1).

…sich vorwiegend die einkommens- und bildungsschwachen Schichten nicht an den Wahlen beteiligen (Hypothese 2).

…der Hauptgrund der Nichtwahl verstärktes politisches Desinteresse ist (Hypothese 3).

…durch Prozesse des gesellschaftlichen Wandels und des Wertewandels andere unkonventionelle politische Beteiligungsformen die Beteiligung an Wahlen ersetzen (Hypothese 4).

…die Wahlnorm an Bedeutung verloren hat und die Beteiligung an Wahlen dadurch weniger als staatsbürgerliche Pflicht angesehen wird (Hypothese 5).

…die langfristigen Bindungen an öffentliche und politische Organisationen, wie Parteien (speziell die Volksparteien SPD und CDU/CSU) abgenommen haben, sodass sie ihre vormals auf die Wahlbeteiligung positive Wirkung nicht mehr entfalten konnten (Hypothese 6).

…sich aus einem allgemeinen Werte-, Verhaltens- und Einstellungswandel heraus ein zunehmend rationales Wahlverhalten herausgebildet hat und situative Faktoren stärkeren Einfluss auf die Wahlteilnahme haben (Hypothese 7).

Die gesunkene Wahlbeteiligung von 1972 bis 2009 ist durch eine Krise des parlamentarisch-repräsentativen Systems erklärbar, wenn…

…die politische Unzufriedenheit gestiegen ist und Wahlenthaltung vorwiegend aus politischer Verdrossenheit begangen wird (Hypothese 8).

…vorwiegend der Nichtwähler/die Nichtwählerin „neueren Typs“ aus den oberen Einkommens- und Bildungsschichten den Wahlen fern bleibt (Hypothese 9).

…politisches Interesse und eine Nichtwahl aus politischem Protest vorrangige Gründe sind (Hypothese 10).

Die Ursachen der abnehmenden Wahlbeteiligung werden kontrovers diskutiert und sind in jedem Falle zahlreich – eine Reduktion auf einzelne Faktoren sowie deren isolierte Betrachtung sind kaum möglich und gewinnbringend. Die Konzeption der Arbeit ist daher bewusst breit angelegt, um das Spektrum genereller Erklärungsfaktoren möglichst weitläufig zu gestalten und eine übergeordnete Perspektive auf die Problematik zu ermöglichen[14]. Dies ist folgerichtig, da eine Erklärung sinkender Wahlbeteiligungsraten nur multikausal und unter Beachtung von Interdependenzen möglich ist (vgl. Eilfort 1994: 322). Daraus ergeben sich jedoch Limitierungen anderer Art: Der begrenzte Umfang der Arbeit erlaubt nicht immer eine detaillierte und ausreichend durch empirische Zahlen gestützte Betrachtung, wie sie möglicherweise zur einwandfreien Beantwortung der Fragestellung nötig wäre.

Auf Grundlage der gewonnenen Ergebnisse soll die Ausgangsfrage beantwortet und bilanziert werden, ob der Rückgang der Wahlbeteiligung als Normalisierungsprozess zu interpretieren ist oder aus einer Krisensituation heraus erwächst. Folgend ist eine begründete Stellungnahme zur Frage möglich, ob sich die in der Forschung noch immer vorherrschende Dichotomie dieser zwei Theorien aufrechterhalten lässt oder ob es vielmehr an der Zeit ist, einzelne Elemente in einer Synthese so zusammenzuführen, das beide Ansätze sich fortan nicht mehr ausschließen, sondern in Kombination ein funktionales Erklärungsmuster liefern.

2.5 Einschränkungen

In den Punkten 3 bis 9 wird versucht den Einfluss der unterschiedlichen Faktoren auf die gesunkene Wahlbeteiligung darzustellen, wobei einige dieser Faktoren vermutlich einen stärkeren bzw. schwächeren Einfluss auf den Rückgang der Wahlbeteiligung ausübten. Eine abschließende, endgültige Gewichtung der Erklärungsleistung der einzelnen Faktoren kann jedoch nicht gewährleistet werden, da die konzeptionelle Ausgestaltung der empirischen Studien in den meisten Fällen zu unterschiedlich ist, um sie miteinander in Verbindung zu setzen. Unterschiede können demnach u.a. in der Wahl der Analyseebene (Individual- oder Aggregatebene), der temporären Differenzierung (Querschnitt oder Längsschnitt[15] bzw. Kombination beider und für die jeweils verschiedenen Analyseebenen) sowie der Auswahl und Operationalisierung der abhängigen und unabhängigen Variablen bestehen. Die Ergebnisse dieser empirischen Studien werden daher in dieser Arbeit zumeist lediglich additiv nebeneinandergesetzt, um einen Überblick über die verschiedenen Forschungsbeiträge zu geben – ohne jedoch deren Kompatibilität zu behaupten, da, wie ausgeführt, „sich eine studienübergreifende zeitliche Betrachtung der im Fokus stehenden Determinanten des Wahlverhaltens nahezu verbietet“ (Kellermann 2008: 299). Insbesondere die Operationalisierung der die sinkende Wahlbeteiligung erklärenden Variablen und die Beschränkung des Untersuchungszeitraumes auf meist nur eine Bundestagswahl (Querschnittsanalyse) erschwert es weiterhin, Veränderungen über die Zeit zu vergleichen (vgl. Völkl 2007: 23).

Die Vorgehensweise schließt die Frage nach dem WER (sind die NichtwählerInnen?) begleitend ein, denn während die Normalisierungsthese dem typischen Nichtwähler älteren Formats politisches Desinteresse und Zufriedenheit attestiert, ergibt sich von Seiten der Krisenthese ein neuer Nichtwählertypus, der sich durch politisches Interesse und Informiertheit auszeichnet, aber den Wahlen überwiegend aus Unzufriedenheit und damit aus Protest fern bleibt. Hier wird auf Individualebene ein genauerer Blick auf die Motive einer sinkenden Wahlbeteiligung geworfen und genauer analysiert, welche Voraussetzungen bzw. Bedingungen die Wahrscheinlichkeit einer Nichtwahl erhöhen und welche Veränderungen sich hier über den Zeitverlauf ergeben haben. Diese Arbeit erhebt dabei nicht den Anspruch, eine exakte Bestimmung der soziologischen, psychologischen und wahlhabituellen Eigenschaften der NichtwählerInnen vorzunehmen, noch das quantitative Ausmaß einzelner Nichtwählergruppen detailliert zu bestimmen. Jedoch sollte es möglich sein, eine generelle Trendbestimmung vorzunehmen.

Das WEN steht folglich nicht im Erkenntnisinteresse, da das Ziel der vorliegenden Arbeit darin besteht, die Ursachen der Nichtwahl zu benennen und sie nicht beabsichtigt, die Gründe für die Wahl einer bestimmten Partei darzulegen. Auch soll die Frage nach den sich aus der sinkenden Wahlbeteiligung ergebenen Folgen (WELCHE Konsequenzen?) für das politische System und die Demokratie weitgehend unbeachtet bleiben. Sowohl die Normalisierungs- als auch die Krisenthese geben hinsichtlich dieser Folgen unterschiedliche Implikationen, deren Gewichtung jedoch nicht ohne eine normative Demokratiediskussion möglich ist, die im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann. Diese wurde an anderer Stelle in der Literatur bereits vollzogen (vgl. Klingemann und Lass 1995; de Nève 2009)[16].

3 Die Wahlbeteiligung im internationalen Vergleich

Das Niveau der Wahlbeteiligung wird in der Literatur nicht durchgängig kritisch konnotiert. Die genauere Betrachtung der durchschnittlichen Beteiligungsniveaus seit den 1980er Jahren bestätigt nicht nur für Deutschland, sondern auch für viele westliche Industriestaaten einen eindeutigen Trend kontinuierlich sinkender Wahlbeteiligungsraten (vgl. de Nève 2009: 42). Deutschland liegt bei der durchschnittlichen Wahlbeteiligung in den 2000ern nach Belgien (91,4 %), Dänemark (85,8 %), Italien (82,4 %), Schweden (81,1 %) und den Niederlanden (79,8 %) mit 78,4 % auf einem soliden 6. Rang und damit im oberen Drittel (siehe Abb. 2) (vgl. de Nève 2009: 42). Viele etablierte Demokratien weisen wesentlich niedrigere Niveaus auf: In Frankreich und Großbritannien liegt die Wahlbeteiligung mit 60 %, in der Schweiz und den USA mit 40 bis 50 % (vgl. Kersting 2004: 406 f.) sogar signifikant niedriger[17]. Die deutsche Wahlbeteiligung muss also im internationalen Kontext auf einem der höchsten Level[18] weltweit eingeordnet werden (vgl. de Nève 2009: 38, 41). In Schweden zeichnet sich ein ähnliches Niveau der Beteiligung ab, das parallel zur Entwicklung in Deutschland von einer ca. neunzigprozentigen Beteiligung in den 70er Jahren auf ein Level von ca. 80 % im Jahr 2000 absank (siehe Abb. 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 Wahlbeteiligung (in % aller Wahlberechtigten) bei Parlamentswahlen in ausgewählten Ländern von 1971-2009; eigene Darstellung (Datenquelle: IDEA 2011)

Der Blick auf die sinkenden Beteiligungsraten wird mit diesen Zahlen deutlich relativiert: Zwar wird mit einem Beteiligungsniveau von rund 80 % keine „Vollmobilisierung“ (Maier 2000: 92) wie in den 70er Jahren erreicht, dennoch gehen bei einem solchen Durchschnittswert „immerhin fast vier von fünf Wahlberechtigten an die Urne“ (Kornelius und Roth 1994: 33). Dies bestätigt Hypothese 1 und stützt argumentativ zweifelsohne die Normalisierungsthese. Wie hypothetisch formuliert, gleicht sich die Entwicklung der Wahlbeteiligungsrate in Deutschland an den internationalen Trend rückläufiger Beteiligungsraten an (vgl. Abb. 2).

An diese Befunde anschließend, darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass Deutschland aber auch in jene Kategorie von Ländern eingeordnet werden muss, in der die Wahlbeteiligung von 1972-2009 am stärksten zurückgegangen ist (siehe Abb. 3). In Ländern wie Frankreich und Deutschland ist der Rückgang der Wahlbeteiligung signifikant höher als in anderen etablierten Demokratien, wie bspw. in Griechenland, in Japan, in der Schweiz oder in Dänemark. Jedoch war die Wahlbeteiligung in Portugal und vor allem in Polen mit Abstand am stärksten rückläufig (siehe Abb. 3). Der Rückgang der Wahlbeteiligung ist in Deutschland damit als erheblich einzuschätzen, er fiel in einigen anderen europäischen Länder aber offensichtlich noch stärker aus und stigmatisiert Deutschland keinesfalls zum Einzelfall. Es fällt auch auf, dass die Wahlbeteiligung – zumindest in keinem der hier aufgeführten Länder – gestiegen ist, sondern in allen Nationen, wenn auch mit erheblichen quantitativen Unterschieden, rückläufig war.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 Rückgang der Wahlbeteiligung (Angaben in %) bei Parlamentswahlen in ausgewählten Ländern von 1972-2009[19] ; eigene Berechnungen und Darstellung (Datenquelle: IDEA 2011)

In einigen Ländern, wie bspw. Schweden, Dänemark, die Schweiz und Großbritannien lassen sich jedoch für jüngere Parlamentswahlen wieder steigende Beteiligungsraten nachweisen (vgl. de Nève 2009: 42). Dies wird in der krisentheoretischen Argumentationslinie als Beweis herangezogen, dass „eine hohe Wahlbeteiligung trotz aller eingetretenen sozialen und gesellschaftlichen Wandlungsprozesse beibehalten werden kann“ und die „abnehmende Wahlbeteiligung in etablierten Demokratien [...] kein Naturgesetz“ ist (Güllner 2013: 12, 83). Modernisierungs- und Individualisierungsprozesse sind daher nicht zwangsläufig an sinkende Beteiligungsraten bei Wahlen gekoppelt. Diese beiden Sachverhalte stehen den Prognosen der Normalisierungsthese zuwider, dennoch sei daran erinnert, dass, wie eingangs ausgeführt, „sich die Wahlbeteiligung in Deutschland auf einem hohen Niveau eingependelt zu haben [scheint]“ (Kerstings 2004: 407).

4 Einfluss sozialstruktureller Faktoren

Die Betrachtung sozialstruktureller Faktoren nahm in Kombination mit der demografischen und soziostrukturellen Entwicklung seit Beginn der (Nicht-)Wahlforschung eine wichtige Position bei der Erklärung sinkender Wahlbeteiligungsraten sowie eines spezifischen Wahlverhaltens ein[20]. Ziel früherer Forschungsbeiträge war es dabei vorrangig, die Frage nach dem WER (sind die NichtwählerInnen?) zu beantworten und deren charakteristische Merkmale näher zu bestimmen. Es wurde angenommen, dass Wahlverhalten bzw. Wahlbeteiligung soziostrukturell und -ökonomisch determiniert ist, da einige Personengruppen höhere „individuelle“, d.h. kognitive und materielle „Ressourcen“ aufweisen, „die es dem Bürger erleichtern, eine positive Einstellung zum politischen System zu entwickeln und sich partizipativ zu engagieren“ (Armingeon 1994: 46). Daraus wurde abgeleitet, dass auf Individualebene[21] sozialstrukturelle Merkmale, wie ein geringes Einkommen, ein niedriger formaler Bildungsgrad, ein niedriger Berufsstatus, und ein mit diesen Faktoren in Abhängigkeit stehendes, schwaches politisches Interesse die Neigung zur Wahlabstinenz erhöhen (vgl. Renz 1997: 574 f., Eilfort 1994: 118). Allerdings wird hier nur Auskunft darüber gegeben, welche sozialstrukturellen Faktoren die Wahrscheinlichkeit zur Wahlabstinenz erhöhen bzw. welche charakteristisch für die NichtwählerInnen sind, letztlich können sie den Anstieg der Wahlenthaltung jedoch nicht hinreichend erklären (vgl. de Nève 2009: 55; Kleinhenz 1995: 120).

Aufschlussreich ist daher der längsschnittliche (über den Zeitverlauf der Bundestagswahlen ab 1972) Vergleich struktureller Faktoren, wie z.B. Alter[22], oder des sozioökonomischen Status, um in Erfahrung zu bringen, in welchen sozialen Gruppen die Beteiligung an Wahlen vorrangig sank. Sowohl die Krisen- wie auch die Normalisierungsthese stellen hypothetische Annahmen über die Idealverteilung der vorwiegenden Nichtwählertypen auf, deren zunehmende Wahlenthaltung auch erklärungswirksam für die sinkende Wahlbeteiligung sein kann. Während die Normalisierungsthese weiterhin davon ausgeht, dass sich ein Großteil der Nichtwählerschaft aus den weniger privilegierten Schichten rekrutiert und die seit 1972 gesunkene Wahlbeteiligung auf die zunehmend stärkere Enthaltung sozial schwächerer Bevölkerungsgruppen zurückzuführen ist (Hypothese 2), argumentiert die Krisenthese, dass „das Phänomen der Wahlenthaltung […] mittlerweile auch in ursprünglich wahltreuere Schichten der gesellschaftlichen Mitte vorgedrungen [ist]“ (Bohne 2010: 59). Folglich wird ein Anstieg der Wahlabstinenz damit erklärt, dass sich verstärkt Personen oberer Schichten ihrer Stimme enthalten und die „Nichtwähler“ zunehmend aus allen gesellschaftlichen Schichten stammen (Hypothese 9) (vgl. Kleinhenz 1995: 115). Auf die Ebene der Charakteristika von NichtwählerInnen zurückkehrend, behauptet die Krisenthese weiterhin, dass dieser „moderne“ Nichtwähler neben einem gesteigerten politischen Interesse auch einen höheren Erwerbsstatus und ein gesteigertes Bildungsniveau aufweist.

Auf Grundlage von Umfragedaten repräsentativer Querschnittsbefragungen[23] kamen vor allem neuere Studien und Forschungsbeiträge zu beachtenswerten Erkenntnissen, die empirisch eindeutig die Normalisierungsthese stützen: „Der Rückgang der Wahlbeteiligung ist spätestens seit Ende der 1990er Jahre vor allem darauf zurückzuführen, dass sich die einkommens- und bildungsschwachen Schichten der Bevölkerung immer weniger an den Wahlen beteiligen (Bertelsmann Stiftung 2013: 11 ff.). Demnach gaben 1998 noch 90 % der zur unteren Einkommensschicht zugehörigen Befragten an, sich an den Wahlen beteiligt zu haben, 2009 waren es nur noch 76 %. Für Befragte der oberen Mittel- und Oberschicht, mit höherem Bildungsstatus und höherem Einkommen kommt es im Zeitverlauf nur zu unwesentlichen Veränderungen, da über 90 % der Befragten gleichbleibend versicherten, ihre Stimme abzugeben (siehe Abb. 4). Wie in Abb. 4 ersichtlich, fällt der Rückgang der Wahlbeteiligung in der untersten Einkommensschicht dagegen deutlich höher aus. Bei Personen mit geringem Bildungsstatus oder einer niedrigeren Schichtzugehörigkeit sind ähnliche Entwicklungen zu konstatieren, wobei sich dieser Abwärtstrend in den letzten 20 Jahren merklich intensivierte (vgl. Schäfer 2011: 142).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 Wahlbereitschaft nach Einkommen, Schicht und Bildung von 1980-2006, kumulierter ALLBUS 1980-2006 (ZA-Nr. 4241), (eigene Berechnungen von Schäfer 2011: 143)

Ähnliche Ergebnisse liefern auch Studien, die die Beteiligung an Wahlen auf Aggregatebene betrachten. Kleinhenz (1995: 109) kommt zu dem Ergebnis, dass „sozial schwächer Gestellte (Geringverdienende, Arbeitslose, Personen ohne Schulabschluss) eher zur Wahlenthaltung tendieren und zudem die Nichtwähleranteile in stärkerem Maße zunehmen“, aber dennoch „auch Bürger mit einem mittleren oder hohem sozio-ökonomischen Status zunehmend den Wahlurnen fern [bleiben]“. Diese weniger dramatische Einschätzung deckt sich insofern mit den oberhalb ausgeführten Erkenntnissen, da hier nur Datenmaterial bis einschließlich 1992 analysierte wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Abstieg der unteren Einkommensklasse, wie in Abb. 4 ersichtlich, allerdings noch moderat und konnte in seiner späteren, weitaus gravierenderen Ausprägung nicht erfasst werden. Für einen späteren Untersuchungszeitraum ergibt sich nach den Berechnungen von de Nève (2009: 130 ff.) eine deutliche Überrepräsentation von Personen mit niedrigem Haushaltseinkommen unter den NichtwählerInnen (41,9 %; WählerInnen: 23,9 %)[24].

Kleinhenz (1995: 105 f.) stellt fest, dass bis 1984 alle Bildungsgruppen in ungefähr gleichem Umfang zur Wahl gingen, jedoch seit diesem Zeitpunkt der Anstieg der NichtwählerInnen unter den Haupt- und Realschulabsolventen (von 24.5 % auf 31.2 % bis 1992) beachtlich ist. Auch de Nève (2009: 114–118) bejaht mit ihren Ergebnissen die Erkenntnisse dieser früheren Studien (Kleinhenz 1995: 105), in denen insbesondere den bildungsferneren Wahlberechtigten der Wahlverzicht nachgesagt wurde und ausgehend von einem höheren Bildungsniveau grundsätzlich auch eine stärkere Bereitschaft zur Wahlbeteiligung abgeleitet werden konnte. Dennoch belegt Kleinhenz (105 f.) eine – wenn auch nur "unterdurchschnittliche" – Zunahme (8,2 %) der Höhergebildeten (Abitur/ Fachhochschulreife) unter den NichtwählerInnen. Daraus folgert er vorsichtig, dass zwischen 1980 und 1992 "die [vormals] sehr enge Verbindung zwischen hohem Bildungsniveau und Wahlteilnahme etwas an Bestimmtheit verloren hat" und die "Zwangsläufigkeit" zwischen hohem Bildungsniveau und Wahlteilnahme, nicht zuletzt aus einem womöglich allgemeinen Einstellungswandel heraus, schwindet (siehe ebd.).

Die Untersuchungsergebnisse der Erwerbsstruktur sind weniger eindeutig. Eilfort (1994: 208) findet unter Beamten und höheren Angestellten die höchste Wahlbeteiligung und bemerkt von 1972 bis 1990 bei einfachen Arbeitern eine Vervierfachung der Spannweite der Wahlbeteiligungsabsicht, folgert daraus aber kein Symptom der Krise. Entgegen den Befunden von Eilfort (1994: 214) sowie Falter und Schuhmann (1994: 176) lassen sich bei Kleinhenz (1995: 106) sowohl im Quer- als auch im Längsschnitt kaum Differenzen zwischen Arbeitern und Angestellten bestimmen. Aufgrund überdurchschnittlicher Stimmenthaltung von Facharbeitern und mittleren Angestellten ordnet er die NichtwählerInnen überwiegend der neuen Mittelschicht zu (vgl. ebd.: 107). Anderseits kommt de Nève (2009: 121) zu dem Schluss, dass in der unteren Dienstklasse (Angestellte mit begrenzten Führungsaufgaben; Beamte im gehobenen Dienst, Berufssoldaten) signifikante Unterschiede zwischen NichtwählerInnen (16,6 %) und WählerInnen (27,1 %) bestehen.

[...]


[1] Dies trifft neben den Bundestagswahlen vor allem auch auf Europawahlen und die sekundären Wahlen in den Ländern und Kommunen (Völkl 2007: 15).

[2] Folgt man der inputorientierten Krisentheorie (vgl. Feist 1994), schwächt ein Rückgang der Wahlbeteiligung die Legitimation politischer Wahlentscheidungen, da die politisch-repräsentativen Akteure von einem immer kleiner werdenden Teil der Bevölkerung gewählt werden. Diese „gefährliche funktionale Störung des politischen Systems“ (Bohne 2010: 254) stellt der Demokratie ein ‚Armutszeugnis’ aus: Die „abnehmende Repräsentation der Bevölkerung in einer Wahlentscheidung kann […] dazu führen, dass der demokratische Prozess insgesamt in Frage gestellt wird“ (Güllner 2013: 83) oder zumindest mit einem „schleichenden Qualitätsverlust“ (de Nève 2009: 19) einhergeht.

[3] Darüber hinaus legitimen Wahlen die politische Herrschaft, kontrollieren die Regierenden und garantieren die Bindung der Politik an die Meinungen der Regierten. Für eine ausführliche Beschreibung der Funktion von Wahlen siehe de Nève (2009: 45 f).

[4] „Diese wird meist als Prozentwert des Anteils jener Wahlberechtigten, die bei einer bestimmten Wahl ihre Stimme angegeben haben, im Verhältnis zur Zahl aller Wahlberechtigten ausgedrückt. […] Die Wahlbeteiligung ist der Indikator, um die Bereitschaft der wahlberechtigten Bevölkerung zur politischen Partizipation an Wahlen zu messen“ (de Nève 2009: 37).

[5] Als wahlberechtigt wird bezeichnet, wer das aktive Wahlrecht und damit das Recht besitzt, sich an einer staatlichen oder nicht-staatlichen Wahl durch Stimmabgabe zu beteiligen. Wahlberechtigt bei Bundestagswahlen sind deutsche Staatsbürger im Sinne des Grundgesetzes, die 18 Jahre oder älter sind und seit mind. drei Monaten ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Das Wahlrecht ist an einen bestimmten Wahlbezirk gebunden, in dem die Wahlberechtigten in der Wählerliste geführt werden. Deutsche, die nicht am Wahlsonntag wählen wollen oder im Ausland wohnen, können ihre Stimme per Briefwahl abgeben. In manchen Staaten ist das aktive Wahlrecht zugleich Wahlpflicht (z.B. Belgien)

[6] In Deutschland veröffentlichten Radtke (1972), Steiner (1969) und Lavies (1973) Arbeiten, die bis heute unumgänglich und Referenzpunkt für neuere Forschungsvorhaben sind. 1969 konstatiert Lavies (1973: 17), dass die „Partei der Nichtwähler“ eine wichtige Gruppe in der BRD sei, deren nähere Untersuchung aus unterschiedlichsten Gründen von Bedeutung sei. Während dieser anhand einer jungfräulichen Längsschnittanalyse die Nichtwähler der BRD bis zur Bundestagswahl 1969 analysierte, generieren Steiner (1969) und Radtke (1972), die Bundestagswahl 1965 untersuchend, erstmals anhand von Bevölkerungsumfragen empirisches Datenmaterial, um neue Erkenntnisse zu den Motiven des Wahlverzichtes zu erlangen. Insbesondere Lavies (1973) ist es mit seinem Werk gelungen, eine „bedeutende Grundlage“ für die bundesdeutsche Nichtwähler-Forschung zu verfassen, da er „als erster alle in Deutschland vorhandenen lückenhaften Daten nebeneinander gestellt und miteinander verglichen“ hat (Eilfort 1994: 66). Kleinhenz (1995: 17) würdigt ebenso die Werke von Radtke (1972) sowie Golzem und Liepelt (1976), da sie neben den soziodemografischen Merkmalen auch die Einstellungen und Motive von Nichtwählern ergänzend in ihre Analysen integrieren.

[7] Umfassende Studie, die auf einer schriftlichen Befragung des repräsentativen Querschnitts von ca. 20.000 Stuttgarter BürgerInnen bei der Bundestagswahl 1990 basiert.

[8] Kleinhenz (1995) analysierte Daten einer Zeitverlaufsanalyse der Jahre 1980 bis 1993, um die relevanten Determinanten der Wahlbeteiligung zu identifizieren.

[9] Das Nichtwählen erscheint als „Wohlstandsphänomen“, da sich gesellschaftliche Konflikte mit steigendem Wohlstand und Bildungsgrad abschwächen und die Partizipation an Wahlen aufgrund der dominierenden Zufriedenheit entbehrlich wird. Exemplarisch wird in diesem Zusammenhang gern die Schweiz angeführt, die seit Jahren eine fallende und durchschnittlich niedrige Wahlbeteiligung von ca. 50% aufweist (de Nève 2009: 37).

[10] Dieser findet in der Literatur unterschiedliche Bezeichnungen: Grundsätzlicher Nichtwähler (vgl. Hoffmann-Jaberg und Roth 1994: 137).

[11] Autoren früherer Studien (vgl. Radtke 1972; Lavies 1973) formulierten die These der sozialen „Randständigkeit“, der zur Folge es insbesondere die sozial nur unzureichend integrierten, am Rand der Gesellschaft stehenden, BürgerInnen sind, die überwiegend die Partizipation an Wahlen unterlassen (vgl. Kleinhenz 1995: 54).

[12] Dieser findet in der Literatur unterschiedliche Bezeichnungen: „kritischer Nichtwähler“ (Klingemann und Lass 1995), „wählender Nichtwähler“ (Eilfort 1994), „bekennender Nichtwähler“ (Hoffmann-Jaberg und Roth 1994: 138 f.).

[13] In den zeitlichen Analyserahmen dieser Arbeit wird die BTW 2013, bei der sich die Wahlbeteiligung leicht auf 71,5 % (Der Bundeswahlleiter 2013: 1) steigerte, nicht miteinbezogen, da entsprechend der geringen Vorlaufzeit zu wenig empirisches Material vorliegt.

[14] Dennoch kann aufgrund des Umfangs der Arbeit und aus Gründen konzeptioneller Art kein Anspruch auf Vollständigkeit der Ursachen erhoben werden. Bspw. finden Faktoren, die sich auf institutioneller Ebene auf die Wahlbeteiligung auswirken können (z.B. Wahlrecht, Registrierungspflicht, automatische Wahlberechtigung) in dieser Arbeit keine Beachtung, da sie sich seit 1972 nicht grundlegend verändert haben und ihr Einfluss daher als unerheblich angesehen werden kann (vgl. Gabriel und Völkl 2004: 226).

[15] Eine Querschnittanalyse ist die Auswertung eines Ist-Zustandes und beinhaltet die Messung der Ausprägung einer oder mehrerer Variablen zu einem Zeitpunkt bei verschiedenen Untersuchungsobjekten. In Längsschnittanalysen werden dagegen in bestimmten Zeitabständen stets die gleichen Tatbestände zu Untersuchungsobjekten erhoben, sodass die Feststellung intertemporale Veränderungen erfolgen kann. Für die Analyse einer sinkenden Wahlbeteiligung sind diese vorrangig zu analysieren (vgl. Caballero 2005: 334).

[16] Roth (1992) interpretiert die sinkende Wahlbeteiligung als „Normalisierung“, von der keine Ruckschlüsse auf die Funktionsweise des demokratischen Systems gezogen werden können. In der von de Nève (2009) vorgelegten Arbeit beklagt sie die bisherige, nur unzureichende Auseinandersetzung mit der Wirkung von Wahlenthaltungen und weist durch die empirische Untersuchung von soziostrukturellen Merkmalen, Einstellungen und der Differenz in der Partizipation von NichtwählerInnen und WählerInnen (Mehrheiten) deren Gefährdungspotentiale für wesentliche Grundvoraussetzungen unseres demokratischen Systems nach (Repräsentations-, Legitimations- und Mehrheitsprinzip). Siehe weiterführend auch Fußnote 2.

[17] Bei einer vergleichenden Betrachtung muss jedoch beachtet werden, dass sich bereits durch die Verschiedenheit der nationalen institutionellen Rahmenbedingungen bzgl. des technischen und organisatorischen Vollzuges des Wahlaktes unterschiedliche Wahlbeteiligungen ergeben. Bspw. existiert in europäischen Staaten wie Belgien, Luxemburg, Zypern und Griechenland eine formelle Wahlpflicht. In den Niederlanden, Italien und Österreich existierten in der Vergangenheit ähnliche Regularien. In den USA müssen sich die WählerInnen selbst registrieren (keine automatische Wählerregistrierung) (vgl. Kersting 2004: 406 ff.).

[18] In Afrika sowie in Süd- beziehungsweise Zentralamerika liegen die Beteiligungsraten mit ca. 54 % regelmäßig wesentlich niedriger (vgl. de Nève 2007: 38).

[19] Für jene Länder in denen 1972 und 2009 keine Parlamentswahlen stattfanden, wurde jeweils die Beteiligung der den Zeitpunkten nächstfolgenden bzw. vorherigen Wahl herangezogen.

[20] Soziologische Theorien hatten aufbauend auf den Erkenntnissen der Columbia School von Lazarsfeld et al. 1944 in der älteren deutschen Forschung (vgl. Radtke 1972; Lavies 1973) immense Bedeutung. Im makrosoziologischen Erklärungsmodell bspw. ist jeder Wahlberechtigte einem sozialen Milieu zugehörig, an dessen sozialen Konfliktlinien („cleavages“) sich sein Wahlverhalten orientiert (vgl. Kersting 2004: 410).

[21] Empirisch können soziologische Annahmen sowohl anhand von Aggregat- als auch über Individualdaten untersucht werden (vgl. Völker und Völker 1998: 43). Mit Hilfe von Aggregatdaten können keine Aussagen über individuelle Beteiligungsmotive gemacht werden. Nachgewiesene Effekte auf Aggregat- und Individualebene können durchaus gegenläufige Entwicklungen einnehmen (vgl. Kleinhenz 1995: 92) und die Gefahr des ökologischen Fehlschlusses besteht. Dieser bezeichnet die analytisch inkorrekte Vorgehensweise, von konstatierten Zusammenhängen auf der Aggregatebene auf gleiche Zusammenhänge auf der Individualebene zu schließen. Aggregatdaten sind stets nur interpretationswürdig für Kollektivmerkmale, nicht aber für individuelles Wahlverhalten.

[22] Hinsichtlich der Determinante Alter zeichnen sich in der Literatur relativ einheitliche Befunde ab, die auf eine überdurchschnittlich hohe Wahlenthaltung und deren Zunahme bei den jüngsten (18-24 Jahre) und ältesten Wahlberechtigen (über 65 und älter) verweist (vgl. Kleinhenz 1995: 100 f.; Eilfort 1994: 187; Falter und Schuhmann 1994: 172 f.). Auch im europäischen Vergleich konstatiert de Nève (2009: 95) eine starke Überrepräsentanz der jüngeren Generation (< 30) bei den NichtwählerInnen. Diese Tendenz hat sich seit den 60er Jahren verstärkt und lässt Eilfort (1994: 187) bilanzieren: „Unbestreitbar und in den letzten Jahren stärker geworden ist also der Einfluss der Zusammensetzung der Bevölkerung nach Altersgruppen auf die Höhe der Wahlbeteiligung“. Ableitbar wäre daraus ein für die sinkende Wahlbeteiligung verantwortlicher „Generationseffekt“, der jedoch durch die ebenfalls steigenden Nichtwähleranteile älterer Wahlberechtigter torpediert wird, sodass die Abschwächung der „festen Institutionalisierung des Wahlaktes“ vielmehr als ein über alle Altersgruppen hinweg auftretendes Phänomen zu sehen ist und der Generationseffekt diese Entwicklung lediglich verstärkt (vgl. Kleinhenz 1955: 100 f.).

[23] Damit ist bspw. die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) gemeint, in der über einen Zeitraum von 30 Jahren immer wieder BürgerInnen nach ihrer Wahlabsicht befragt wurden. Das nicht wahrheitsgemäße bzw. sozial erwünschte Antworten können die Ergebnisse verzerren. Es ist bspw. denkbar, dass gerade Angehörige der oberen Schichten ihre Wahlabstinenz nicht öffentlich deklarieren. „Dafür spricht, dass auch die Akzeptanz der Wahlnorm mit Einkommen, Bildung und Schichtzugehörigkeit steigt“ (Schäfer 2011: 143).

[24] NichtwählerInnen mit mittlerem (10,3 %) bzw. hohem (ca. 4 %) Haushaltseinkommen sind dagegen deutlich unterrepräsentiert.

Final del extracto de 64 páginas

Detalles

Título
Die Wahlbeteiligung im Abwärtstrend. Politischer Normalisierungsprozess oder Krisensymptom?
Subtítulo
Analyse der sinkenden Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen in Deutschland seit 1972
Universidad
Free University of Berlin  (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft)
Calificación
1,3
Autor
Año
2015
Páginas
64
No. de catálogo
V316954
ISBN (Ebook)
9783668159730
ISBN (Libro)
9783668159747
Tamaño de fichero
1141 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Bundestagswahlen, Abwärtstrend, Rückgang, Politikverdrossenheit, Nichtwähler*innen, Wahlbeteiliung, Krise, Krisensymtm, Krisenthese, Normalisierung, Normalisierungsthese, gesellschaftlicher Wandel, Wertewandel, Wahlnorm, Parteibindung, Volkspartei, rationales Wahlverhalten, politische Unzufriedenheit, Parteienverdrossenheit
Citar trabajo
Bachelor of Arts Saskia Helm (Autor), 2015, Die Wahlbeteiligung im Abwärtstrend. Politischer Normalisierungsprozess oder Krisensymptom?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316954

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