‚Die Herrmannsschlacht‘ gilt als Heinrich von Kleists Skandalstück und als Skandalon der Kleist-Rezeption. Die Interpreten schwanken zwischen einer ablehnenden Haltung, die in Friedrich Gundolfs Diktum vom "Hohelied des dämonischen Hasses" gipfelt, und der Verteidigung des Dramas als notwendiges Übel unter den Bedingungen eines totalen Befreiungskrieges gegen einen übermächtige Kolonialmacht. Neuere Forschungsbeiträge betonen mehr den Charakter als "operatives Geschichtsdrama", das zeitgenössische Diskurse vernetzt, um daraus eine literarische Handlungsanweisung für einen erfolgreichen Volkskrieg gegen einen verhassten Besatzer zu entwickeln. Wolf Kittler sieht in Kleists ‚Die Herrmannsschlacht‘ die literarische Umsetzung der Theorie des Partisanenkrieges, wie er im Juli 1808 in Spanien mit großem Erfolg gegen Napoleon geführt wurde, und die dramatische Inszenierung der militärischen Theorien eines Volkskrieges, wie sie von den preußischen Heeresreformern Scharnhorst, Gneisenau und Clausewitz vertreten wurden.
Ziel dieser Hausarbeit ist es aufzuzeigen, wie Heinrich von Kleist zeitgenössische Diskurse literarisch aufbereitet und umsetzt. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf dem militärischen Diskurs einer staatlich organisierten Insurrektion eines geeinten deutschen Volkes in Waffen. Kleist zeigt anhand seines Dramentextes die Möglichkeit einer erfolgreichen staatlich organisierten Insurrektion eines bewaffneten, Schulter an Schulter mit regulären staatlichen Truppen kämpfenden vereinten Volkes. Dabei zeigt Kleist seinen Herrmann nicht als den handelnden Kriegerfürsten, sondern als Intellektuellen, der mit Sprache und Theorie wirkt und andere zum Handeln bewegen will. Kleist reflektiert mithin den Beitrag eines Dichters oder Intellektuellen zum Freiheitskampf. Zum militärisch-politischen Diskurs gehört auch Propaganda als Waffe einer asymmetrischen Kriegsführung und der Umgang mit den Folgen eines totalen Krieges ("verbrannte Erde").
Darüber hinaus soll verdeutlicht werden, dass das Drama trotz allem Zeitbezug nichts an Aktualität eingebüßt hat. Unter Aktualität wird hierbei die Spiegelung von Momenten des Jetzigen in fremder Gestalt, z.B. in den poetischen Figuren und in der historischen Handlung des Dramas, verstanden. Gerade der dramatisch inszenierte Propaganda-Partisanenkrieg, der mit unvergleichlicher Grausamkeit und grenzenlosem Hass geführt wird, ist in Zeiten von insurgency und der omnipräsenten Bedrohung durch Terrorismus.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Einordnung des Dramas in den zeitgenössischen Kontext und in das Werk Heinrich von Kleists
- Erschütterungskunst und literarischer Markt
- Stofftradition und Hermann-Mythos
- Vernetzung der Diskurse - Die Katastrophe von Jena/Auerstedt und die preußische Heeresreform
- Die Herrmannsschlacht zwischen Propaganda und Metapropaganda
- Die Herrmannsschlacht als Propaganda
- Poetische Reflexion über Propaganda - Drama der Metapropaganda
- Die Folgen des totalen Krieges - eine private Tragödie
- Herrmann-Held oder Verbrecher?
- Thusnelda - von der Anwältin der Humanität zur Bärin
- Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Hausarbeit ist es aufzuzeigen, wie Heinrich von Kleist zeitgenössische Diskurse literarisch aufbereitet und umsetzt. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf dem militärischen Diskurs einer staatlich organisierten Insurrektion eines geeinten deutschen Volkes in Waffen. Kleist zeigt anhand seines Dramentextes die Möglichkeit einer erfolgreichen staatlich organisierten Insurrektion eines bewaffneten, Schulter an Schulter mit regulären staatlichen Truppen kämpfenden vereinten Volkes.
- Kleists literarische Umsetzung des militärischen Diskurses einer staatlich organisierten Insurrektion.
- Die Darstellung eines geeinten deutschen Volkes in Waffen.
- Die Rolle des Intellektuellen im Freiheitskampf.
- Propaganda als Waffe einer asymmetrischen Kriegsführung.
- Die Folgen eines totalen Krieges für die Individuen.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die vielschichtige Rezeption von Kleists Die Herrmannsschlacht und führt in die Hauptthemen der Hausarbeit ein.
Das zweite Kapitel ordnet das Drama in den zeitgenössischen Kontext und das Werk Heinrich von Kleists ein. Es wird die Erschütterungskunst als charakteristisches Merkmal von Kleists Werken erläutert und die Schwierigkeiten Kleists, sich den literarischen Markt anzupassen, aufgezeigt.
Das dritte Kapitel widmet sich der Rolle der Propaganda in Die Herrmannsschlacht. Es werden die Propaganda-Strategien des Dramas sowie die Reflexion über Propaganda als Metapropaganda behandelt.
Das vierte Kapitel untersucht die Folgen des totalen Krieges für die Individuen und beleuchtet die moralischen Dilemmata des Dramas. Hier werden die Figuren des Hermann und der Thusnelda in Bezug auf ihre Entwicklung und ihre Entscheidungen in Zeiten des Krieges analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen des nationalistischen Volkskrieges, der Propaganda, der Insurrektion, des totalen Krieges und der Folgen des Krieges für das Individuum im Kontext von Kleists Die Herrmannsschlacht.
- Quote paper
- Thomas Franz (Author), 2013, Heinrich von Kleists "Die Herrmannsschlacht" als operatives Geschichtsdrama, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316985