Gewalt gegenüber Frauen in Gefangenenlagern in Deutsch-Südwestafrika


Hausarbeit, 2013

18 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

I. EINLEITUNG

II. HAUPTTEIL
1. Was ist Gewalt?
1.1. Definition Heinrich Popitz
1.2. Definition „Extreme Gewalt“
2. Warum wird Gewalt an Frauen untersucht?
3. Formen der Gewalt
3.1. Unzureichende Ernährung und Versorgung
3.2. Zwangsarbeiten innerhalb und außerhalb der Konzentrationslager
3.3. Körperliche Gewalt und Ermordung
3.4. Sexuelle Gewalt
4. Die Genoziddebatte und der Begriff des Konzentrationslagers

III. SCHLUSS .

Literaturverzeichnis

I. EINLEITUNG

„Die eigentliche Attraktivität der Gewalt aber besteht darin, dass jedermann zu jeder Zeit auf sie zurückgreifen kann. Die Gewalt ist immer schon eine Handlungsoption gewesen, vor 1.000 Jahren ebenso wie in der Gegenwart.“1 Gewalt als Phänomen ist nichts Neues; sowohl die Geschichte als auch die heutigen Medien sind voll von Berichten über gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Menschen sowie deren Opfer. Gerade aktuelle Meldungen, wie der Fall der von mehreren Männern vergewaltigten Inderin in Neu-Delhi, versetzen uns in Alarmbereitschaft und Entsetzen. Doch oft verschwinden sie nach kurzer Zeit wieder aus unserem Bewusstsein. Die Geschichte des deutschen Kolonialismus, die auch eine Geschichte der Gewalt war, stieß lange Zeit auf wenig Interesse. Über die letzten Jahren wieder mehr ins Blickfeld rückend, bringt sie eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte zum Vorschein: Tausende der Volksgruppen der Herero und Nama fielen der deutschen Kolonialmacht in Südwest-Afrika innerhalb der von ihr errichteten Gefangenenlagern zum Opfer. Unter den Opfern befanden sich viele Kriegsunbeteiligte wie ältere Menschen, Kinder und Frauen. Frauen waren hierbei Opfer spezifischer Gewalt, weshalb sie sich als Gegenstand der Analyse gut eignen.

Ausgehend von den in Swakopmund, Okahandja, Windhuk und auf der Haifischinsel in der Lüderitzbucht errichteten Gefangenenlagern soll deshalb, exemplarisch untersucht an Augenzeugenberichten, in der vorliegenden Arbeit der Frage nachgegangen werden, welchen spezifischen Formen der Gewalt Frauen innerhalb dieser Lager zu Opfer fielen. Der hierbei zu untersuchende Zeitraum ist Januar 1905 bis zur Entlassung der letzten Kriegsgefangenen im Januar 1908.

Im Fokus liegt die Deutsche Kolonialmacht in Deutsch Südwest-Afrika. Auch andere europäische Kolonialmächte gingen im Zuge der Kolonisierung Afrikas gewaltsam gegen die indigene Bevölkerung vor. Auch hatten bereits Spanien und Großbritannien von der Errichtung von „Konzentrationslagern“2 Gebrauch gemacht. Diese sind allerdings nicht Teil des Folgenden.

Verschiedene junge Beiträge von Gesine Krüger und Jürgen Zimmerer befassen sich mit der Thematik. Die Definition von Heinrich Popitz zu Gewalt legt Grundlagen, ebenso wie die Beiträge von Jan Philipp Reemtsma zu „extremer Gewalt“. Die exemplarischen Augenzeugenberichte des Blue Books werden mithilfe verschiedener Beiträge des von Joachim Zeller und Jürgen Zimmerer herausgegebenen Sammelbandes sowie Gesine Krügers Arbeit zum Kriegsbewusstsein und zur Geschichtsbewältigung untersucht. 3

Ausgehend von den Bedingungen, warum eine solche Gewaltausübung möglich war, sollen anhand mehrerer Augenzeugenberichte die verschiedenen Formen der ausgeübten Gewalt gegenüber Frauen nachgezeichnet werden.

Nachdem tausende Herero Lothar von Trothas berüchtigtem Schießbefehl oder der Flucht in die Omaheke Wüste zum Opfer gefallen waren und der andauernde Guerillakrieg zwischen Nama und Deutschen zahlreiche Opfer forderte, wurde das Erscheinungsbild des Krieges in den Folgejahren 1905 bis 1908 von den überall im Land errichteten Lagern geprägt. Diese Lager sollten hierbei als Internierungslager sowie, ergänzend zu den von Missionen errichteten Sammellagern, als Auffanglager dienen. In ihnen wurden nicht nur Kombattanten, sondern vor allem auch Nicht- Kombattanten interniert, welche Opfer von Gewalt wurden.4

Anhand des Augenzeugenberichts von Hendrik Fraser soll im Folgenden exemplarisch die Gruppe der Frauen als Opfer untersucht werden, die spezifischen Formen von Gewalt ausgesetzt war.5

Da die Lager ebenso wie der schon zuvor begangene Völkermord6 Kennzeichen dieses Krieges waren, erfuhr die Genoziddebatte in den letzten Jahren diesbezüglich wieder vermehrt Aufmerksamkeit. Der Historiker Jürgen Zimmerer sieht im Herero- und Namakrieg eine, im kleineren Rahmen stattfindende, Vorwegnahme der Verbrechen, die 40 Jahre später in Deutschland ausgeübt wurden. Zum Teil werden die Gefangenenlager in der Literatur auch als Konzentrationslager bezeichnet. Dieser Kontinuitätsthese widersprechen jedoch auch viele Historiker. Daher soll in dieser Arbeit abschließend auf diese Debatte sowie auf den Begriff des Konzentrationslagers Bezug genommen werden.

II. HAUPTTEIL

1. Was ist Gewalt?

1.1. Definition Heinrich Popitz

Nach Heinrich Popitz ist Gewalt „eine Machtaktion, die zur absichtlichen körperlichen Verletzung anderer führt, gleichgültig, ob sie […] ihren Sinn im Vollzug selbst hat (als bloße Aktionsmacht) oder, in Drohungen umgesetzt, zu einer dauerhaften Unterwerfung (als bindende Aktionsmacht) führen soll“.7 Die Vorstellung der Deutschen Kolonialmacht in Südwest-Afrika, die Afrikaner würden sich nach und nach ihrem Schicksal fügen, scheiterte, als sich Anfang des Jahres 1904 die Herero gegen sie erhoben. Schnell entwickelte sich aus einem Aufstand ein blutiger, von Gewalt gezeichneter Krieg. Nachdem Gouverneur Leutwein von Berlin aus entmachtet und die Leitung des Feldzuges Generalleutnant Lothar von Trotha übertragen worden war, wurde daraus ein Krieg, der nicht nur „zur absichtlichen körperlichen Verletzung“ und Niederschlagung des Aufstandes, sondern zur „dauerhafte[n] Unterwerfung“ der Herero und Nama geführt wurde. Popitz geht in seiner Definition von Gewalt von einer rein physischen Gewalt aus, welche das Erscheinungsbild des Krieges maßgeblich prägte. Da sie jedoch nicht die einzige ausgeübte Form der Gewalt war, soll im Folgenden erweiternd Jan Philipp Reemtsmas Definition von „extremer Gewalt“ herangezogen werden.

1.2. Definition „ Extreme Ge walt “

Der Krieg war nach der Schlacht am Waterberg am 11. August 1904 aus militärischer Sicht entschieden, doch obwohl Trothas „Schießbefehl“ im Dezember 1904 auf Drängen des Reichskanzlers Bernhard von Bülow von Berlin aus aufgehoben wurde, hörte die Gewalt gegen die Herero und Nama nicht auf, sie entwickelte sich vielmehr hin zur „extremen Gewalt“. Jan Philipp Reemtsma zufolge werde sie eingesetzt, wenn der Widerstand bereits gebrochen, beziehungsweise der Sieg bereits erreicht sei. Extreme Gewalt schließe gewalttätige Handlungen mit ein, die zum Erreichen des gesetzten Ziels überflüssig und unnötig seien. Unmittelbar gegen den Körper richtend, manifestiere sich die extreme Gewalt unter anderem in Lager- und Kettenhaft, Vergewaltigungen und Beschädigungen des Körpers.8

2. Warum wird Gewalt an Frauen untersucht?

Daran möchte diese Arbeit anknüpfen, denn in den zu untersuchenden Lagern kam es von 1905 bis zur Entlassung der letzten Gefangenen im Januar 1908 zu einer Ausübung dieser extremen Gewalt, wobei spezifisch die Gewalt gegenüber Frauen untersucht werden soll. Schon immer hat das Schicksal von Frauen im Krieg starke Emotionen hervorgerufen, aber viel zu selten kommen sie selbst zu Wort. Da sie häufig nicht nur um ihr eigenes, sondern auch um das Überleben der Kinder kämpfen müssen, hatten sie als besonders tragische Opfer militärischer Auseinandersetzungen und Kriegsfolgen zu leiden. Die meisten Frauen waren nicht aktiv in den Kämpfen beteiligt, weshalb ihr Schicksal oft von einem militärischen Ehrenkodex abhängig war, der Zivilisten schützen sollte, welcher auf Seiten der Deutschen aber nicht angewandt wurde. 9

3. Formen der Gewalt

Die Gründe, wieso es zu einer solchen Gewaltausübung kam und was die Motive der Täter waren, können in dieser Arbeit nicht näher betrachtet werden. Hinzuweisen sei aber auf Harald Welzers Arbeit, die näher untersucht, wie aus normalen Menschen Massenmörder werden können.10

Verschiedene Gesichtspunkte können bei der Analyse von Gewalt herangezogen werden: Aufgrund ihres Geschlechts waren Frauen allgemein spezifischen Formen der Gewalt ausgesetzt. Männer, die willens waren, konnten nach ihrer Gefangennahme mit dem deutschen Militär kooperieren, was für Frauen nicht möglich war.11 Neben den ihnen in den Lagern zugeteilten geringeren Essensrationen, mussten sie medizinische Zwangsuntersuchungen über sich ergehen lassen.12 Auch konnten im Unterschied zu den Gefangenen der spanischen und britischen Lager jederzeit zur Zwangsarbeit beim Militär und in privaten Haushalten und Unternehmen herangezogen werden.13 Zudem waren sie einem großen Ausmaß sexueller Gewalt ausgesetzt, welches nur selten Erwähnung fand.

[...]


1 Popitz, Heinrich: Phänomene der Macht, 2., stark erw. Aufl. Tübingen 1992, S. 57.

2 Inwieweit diese Gefangenenlager mit dem Begriff „Konzentrationslager“ bezeichnet werden können, soll im letzten Teil dieser Arbeit näher untersucht werden.

3 Vgl. Krüger, Gesine: Bestien und Opfer: Frauen im Kolonialkrieg, in: Zimmerer, Jürgen; Zeller, Joachim (Hg.): Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904-1908) in Namibia und seine Folgen, Berlin 2003, S. 142-159. Popitz, Heinrich: Phänomene der Macht, Tübingen 1992, S.48. Reemtsma, Jan Philipp: Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne, Hamburg 2008. Jeremy Silvester/ Jan-Bart Gewald: Words cannot be found. German Colonial Rule in Namibia. An Annotated Reprint of the 1918 Blue Book, Leiden/ Boston/ Tokyo 2003, S.174-175. Zimmerer, Jürgen; Zeller, Joachim (Hg.): Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904-1908) in Namibia und seine Folgen, Berlin 2003. Krüger, Gesine: Kriegsbewältigung und Geschichtsbewusstsein. Realität, Deutung und Verarbeitung des deutschen Kolonialkriegs in Namibia 1904 bis 1907, Göttingen 1999.

4 Vgl. Zimmerer, Jürgen: Krieg, KZ und Völkermord in Südwestafrika – Der erste deutsche Genozid, Berlin 2003, S.55.

5 Vgl. Jeremy Silvester/ Jan-Bart Gewald: Words cannot be found. German Colonial Rule in Namibia. An Annotated Reprint of the 1918 Blue Book, Leiden/ Boston/ Tokyo 2003, S.174-175.

6 Vgl. Zimmerer, Jürgen: Krieg, KZ und Völkermord in Südwestafrika- Der erste deutsche Genozid, Berlin 2003, S.60.

7 Heinrich Popitz: Phänomene der Macht, Tübingen 1992, S. 57.

8 Vgl. Reemtsma, Jan P.: Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne, Hamburg 2008, S. 106-124. Reemtsma, Jan P.: Hässliche Wirklichkeit und liebgewordene Illusion. Trotz der Exzesse des 20. Jahrhunderts neigt die Jetztzeit zur fundamentalen Selbsttäuschung. Grundzüge einer Theorie der Gewalt in der Moderne. In: SZ, 25.1.2008, S.14.

9 Vgl. Krüger, Gesine: Bestien und Opfer: Frauen im Kolonialkrieg, Berlin 2003, S. 142-144.

10 Vgl. Welzer, Harald: Täter. Wie aus normalen Menschen Massenmörder werden, Frankfurt am Main 2005.

11 Vgl. Krüger, Gesine: Kriegsbewältigung und Geschichtsbewusstsein, Göttingen 1999, S. 120.

12 Vgl. Bley, Helmut: Kolonialherrschaft und Sozialstruktur in Deutsch- Südwestafrika 1894- 1914, Hamburg 1968, S. 251.

13 Vgl. Krüger, Gesine: Bestien und Opfer: Frauen im Kolonialkrieg, Berlin 2003, S. 154.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Gewalt gegenüber Frauen in Gefangenenlagern in Deutsch-Südwestafrika
Hochschule
Universität Konstanz
Veranstaltung
Deutsche Kolonialgeschichte
Note
1.0
Autor
Jahr
2013
Seiten
18
Katalognummer
V317219
ISBN (eBook)
9783668162662
ISBN (Buch)
9783668162679
Dateigröße
635 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gewalt, Frauengewalt, Frauen, Südafrika, Kolonialismus, Geschichte, Soziologie, Deutscher Kolonialismus, Sexuelle Gewalt, Gefangenenlager, Deutsch- Südwestafrika, Genozid, Völkermord, Konzentrationslager, Afrika, Krieg
Arbeit zitieren
Janina Madlener (Autor:in), 2013, Gewalt gegenüber Frauen in Gefangenenlagern in Deutsch-Südwestafrika, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317219

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