Sexismus im Hip Hop. Wie äußert sich Sexismus im deutschen Rap?


Thèse de Bachelor, 2015

72 Pages, Note: 1,7

Sören Mandel (Auteur)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abstract

1. Einleitung

2. HipHop
2.1. Begriffserklärung: Jugendkultur
2.2. Geschichte und Charakter des HipHop
2.2.1. Die Entstehung des HipHop
2.2.2. Die 4 Elemente
2.2.3. Der Aufstieg des HipHop
2.2.4. HipHop in Deutschland
2.3. ‚Guter‘ Rap - ‚Schlechter‘ Rap
2.4. Zwischenfazit: HipHop

3. Sexismus
3.1. Begriffserklärung: Gender
3.2. weibliche und männliche Rollenbilder
3.3. Begriffserklärung: Sexismus
3.4. Zwischefazit: Sexismus

4. Sexismus und Rollenbilder im Rap
4.1. Homosexualität
4.2. Die Rolle der Rapperinnen
4.3. Zwischenfazit: Sexismus und Rollenbilder im Rap

5. Forschungsfrage

6. Methode: Sequenzanalyse

7. Vergleich zweier Songtexte
7.1. Shindy - Venedig
7.2. Cro - Easy
7.3. Interpretation der Ergebnisse

8. Fazit

9. Interviewauszüge

Literaturverzeichnis

Abstract

In dieser Bachelorarbeit geht es um Sexismus im HipHop, genauer gesagt, geht es um die Frage, ob und wie sich Sexismus innerhalb der Szene unterscheidet. Dazu wird unterschieden zwischen ‚gutem‘, also gesellschaftlich anerkanntem Rap und ‚schlechtem‘, also gesellschaftlich nicht anerkanntem Rap. Der zweite ist bekannt für ein hohes Maß an Sexismus, dadurch sollte man davon ausgehen, dass dies im ‚guten‘ eben nicht der Fall ist. Um dies herauszufinden, wird zu Beginn HipHop als Kulturform erörtert, um ein Verständnis dafür zu schaffen. Daraufhin wird sich mit Sexismus und geschlechtsspezifischen Rollenbildern beschäftigt um deutlich zu machen, um was es sich dabei behandelt und was dabei beachtet werden muss. Daraufhin werden diese beiden Themen zusammen geführt und beschrieben, was dazu bisher bereits rausgefunden wurde. Der Forschungsstand beschreibt Rap insgesamt als sehr sexistisch, aufgrund eines veralteten Frauenbildes und der Erniedrigung von Frauen. Abschließend werden mit Hilfe der Sequenzanalyse zwei Songtexte verglichen, die jeweils einer der zu Anfang genannten Formen zugeschrieben werden können. Hier zeigt sich, dass Sexismus nicht nur im ‚schlechten‘, sondern auch im ‚guten‘ Rap existiert, wenn auch in etwas anderer Form. Im ‚schlechten‘ Rap offenbart sich Sexismus durch die Begrifflichkeiten, während er im ‚guten‘ besser versteckt ist und in der Narration zu finden ist.

This Bachelor Thesis is about sexism in HipHop and how it differs in different subgenres. There are mainly two forms of HipHop, on one hand there is the ‘good’ rap, which is accepted by society and on the other hand there is ‘bad’ rap, which is not. The second form is famous for being sexist, what leads to the assumption, that there is no sexism in the first one. To find out more about that, at first I will explain, what’s important about HipHop. Then I am going to take a look at sexism and gender roles, to find out, what are the important aspects of that. After that, these two topics will be brought together and I will take a look at the current state of research. All in all, rap music is described as sexist, old gender roles are being (re-)produced and women get demeaned. At the end I will interpret two song texts, one each for the different forms of HipHop. For that I am going to use the method of sequence analysis. The results show, that there is sexism in both, ‘bad’ and ‘good’ rap, but still there are differences. It is mainly the brutal language in ‘bad’ rap that makes it more obvious, sexism in ‘good’ rap is more hidden and also there is not as much of demeaning of women as in ‘bad’ rap.

1. Einleitung

Deutschrap boomt. Ein Blick in die Charts zeigt, dass deutschsprachiger Rap die Top 100 Album-Charts zu einem nicht unwesentlichen Teil bestimmt. (vgl. chartsurfer.de 2015 ) Sehr viele Jugendliche sind Fans oder produzieren gar selbst Rap Musik. Rap findet Verwendung in der Jugendarbeit, im Radio ist Rap keine Seltenheit mehr und im Feuilleton wird regelmäßig über die Szene berichtet. Eine neuere Entwicklung ist, dass teilweise auch Vertreter des Gangsta Rap positive Rezensionen von etablierten Medien erhalten. So wurde zum Beispiel der Offenbacher Gangsta Rapper Haftbefehl von der Zeit zum „deutsche[n] Dichter der Stunde“ (Haas, 2014) gekürt. Jedoch bleibt dies mehr oder weniger die Ausnahme, zumeist wird der Gangsta Rap, als sexistisch, homophob, gewalt- und drogenverherrlichend beschrieben und gilt allgemein als ein negativ zu bewertendes Phänomen. (Hamburger Abendblatt: 2013; Kreitewolf: 2014; Richter, 2008) Auch im Radio ist von Gangsta Rap, unabhängig vom Bekanntheitsgrad der Rapper, wenig zu hören. Grund dafür ist wahrscheinlich ein ethischer Gedankengang, demzufolge man die Zuhörer vor den zuvor genannten, negativ bewerteten Aspekten, wie beispielsweise die Drogenverherrlichung, bewahren will. Es besteht ja auch immer die Möglichkeit, dass Kinder, welche sich von den Texten inspirieren lassen, zuhören. Von einem großen Teil der Gesellschaft wird also sehr strikt unterschieden zwischen unterschiedlichen Formen des Rap, auch wenn sich bei jugendlichen Fans fast alle Subgenres großer Beliebtheit erfreuen. Innerhalb der Szene entstehen unzählige Kollaborationen zwischen unterschiedlichsten Rappern, beispielsweise existiert ein gemeinsamer Song des bereits erwähnten Gangsta Rapper Haftbefehl und dem wohl derzeit erfolgreichsten, als soft und freundlich geltenden Rapper Cro. (vgl. Psaiko. Dino feauring Cro und Haftbefehl – 8km/h) Wenn die Berührungsängste innerhalb der Szene also so gering scheinen, stellt sich die Frage, ob die Werte und Einstellungen der Rapper sich so sehr voneinander unterscheiden.

Die strikte Trennung in den Augen der Gesellschaft, von Stephanie Grimm mit ‚guter‘ und ’schlechter‘ Rap betitelt, legt nahe, dass die negativen Ausprägungen sich auf eine bestimmte Gruppe von Rappern beschränken. (vgl. Grimm 1998: 72) Es ist also zu vermuten, dass der ‚schlechte‘ Rap voller Sexismus und Gewalt ist, während dies beim ‚guten‘ vollkommen ausbleibt. Grob gesagt, ist der ‚schlechte‘ mit Gangsta Rap und der ‚gute‘ mit allem was nicht Gangsta Rap ist, gleichzusetzen, jedoch werde ich darauf später genauer eingehen. Diese Unterscheidung zwischen zwei Formen des Rap soll als Grundlage für diese Arbeit dienen, denn was mich interessiert, ist, ob und in wie fern sich Sexismus in diesen beiden Formen äußert. Werden ganz unterschiedliche Frauenbilder (und vielleicht auch Männerbilder) präsentiert? Zeigen sich Sexismen unterschiedlich stark oder auf unterschiedliche Weise? Gibt es Parallelen, wenn ja welche?

Speziell die Frage nach Sexismus im Rap halte ich für interessant, da momentan feministische Theorien und diverse Genderthematiken eine gewisse Popularität erfahren, Sexismus sich trotzdem immer noch durch viele gesellschaftliche Bereiche zieht und und gerade im HipHop immer wieder Thema ist. Außerdem hat Rap einen sehr hohen Stellenwert im Leben vieler Jugendlicher, da ist es wichtig sich mit der Thematik zu befassen, denn die Zeit der Jugend ist bestimmt vom Prozess der Identitätsfindung und in dieser Zeit spielen vorgelebte Werte auch eine große Rolle. Nach der Aufarbeitung des bisherigen Forschungsstandes will ich dann mit Hilfe der Sequenzanalyse jeweils einen Songtext von Vertretern der beiden Gruppen untersuchen um herauszufinden, ob und wie Sexismus sich jeweils manifestiert.

2. HipHop

Ich beginne die Arbeit mit einer Aufarbeitung der HipHop-Szene. Dies soll dazu dienen, ein Grundverständnis für diese Jugendkultur zu schaffen. Man sollte wissen, wo sie herkommt, wie sie entstanden ist, welche Entwicklungen entscheidend waren und zu welchen Eigen- und Besonderheiten diese führten. Somit soll ein Bewusstsein für die Charaktereigenschaften von HipHop und Rap geschaffen werden. Da HipHop allgemein als eine Jugendkultur gilt, wird zu Anfang dieser Begriff näher erläutert, um daraufhin mit den historischen Entwicklungen, von den Anfängen in den USA bis zu dem heutigen Stand in Deutschland, fortzufahren. Hier sollen wichtige Aspekte dieser Jugendkultur klar werden und, vorbereitend auf folgende Kapitel, mögliche Ursachen für das hohe Maß an Sexismus betrachtet werden.

2.1. Begriffserklärung: Jugendkultur

Die Erläuterung des Begriffs der „Jugendkultur“ halte ich darum für essenziell, weil schon dadurch deutlich werden wird, welch hoher Stellenwert eine solche Kultur im Leben von jungen Menschen einnehmen kann.

HipHop wird allgemein als eine Jugendkultur bezeichnet, was vermuten lässt, dass HipHop nicht nur die Kombination von Musik, Tanz und Graffiti ist, der Begriff der „Kultur“ weist darauf hin, dass, wie gesagt, HipHop im Leben der Mitglieder eine besondere Rolle spielt. (vgl. Friedrich, Klein 2003: 99)

Der Begriff der ‚Jugendkultur‘ teilt sich auf in den der Jugend und den der Kultur. Die Jugend bezeichnet in erster Linie eine ungefähr bestimmte Zeitspanne im Leben eines Menschen. Als grobe Anfangs- und Endpunkte können die Entwicklung einer sexuellen Reife und die Gründung einer Familie betrachtet werden. Die Jugend stellt nicht nur eine Übergangszeit zwischen dem Kind- und dem Erwachsensein dar, sie definiert sich als eigenständige Lebensphase, welche sich durch eigene ‚Lebensvollzugsformen‘ von anderen Lebensphasen abgrenzt. (vgl. Peschke 2010: 14) Während der Jugendzeit findet und entwickelt man nach und nach eine eigene Identität, hierzu werden über die Jahre hinweg die Fähigkeiten der Selbstwahrnehmung, der Selbstreflexion und der Selbstbewertung entwickelt. Die Identität einesMenschen zeichnet sich dadurch aus, dass über einen längeren Zeitraum hinweg das Selbsterleben konstant bleibt. (vgl. Peschke 2010: 20) (Dies soll natürlich nicht bedeuten, dass der Prozess der Identitätsfindung mit dem Beginn des Erwachsenseins komplett abgeschlossen ist, natürlich entwickelt sich die eigene Identität immer weiter, sie verfestigt und verändert sich fortwährend bis ins hohe Alter.)

Die Bedeutung von ‚Kultur‘ ist ein wenig schwerer zu fassen. Eine eng angelegte Definition des Kulturbegriffs meint die sogenannten ‚Schönen Künste‘, Kultur und Kunst sind hier im Grunde gleichbedeutend. (vgl. Peschke 2010: 26–27) Ein weiter gefasster Kulturbegriff meint „alles nicht Biologische in der menschlichen Gesellschaft. Oder, anders gesagt: Kultur ist die Summe aller Institutionen, Bräuche, Werkzeuge, Normen, Werteordnungssysteme, Präferenzen, Bedürfnisse usw. in der menschlichen Gesellschaft.“ (Schwendter 1993: 10) In Bezug auf Jugendkulturen sind moderne Medien, Trends wie Mode, Musik, Konsum und Verortung essenzielle Aspekte. Des Weiteren kann sich eine Jugendkultur stärker und eigenständiger entwickeln, je höher die Kontaktdichte unter Gleichaltrigen ist und sich diese Jugendlichen möglichst abgegrenzt von Kultur und Gesellschaft der Erwachsenen bewegen. Somit entstehen eigene Werte, Zielsetzungen und Verhaltensmuster, welche sich von denen der Erwachsenen unterscheiden. (vgl. Peschke 2010: 27–29) Musik ist ein maßgeblicher Bestandteil von Jugendkulturen, das zeigt sich daran, dass sich die größten Jugendkulturen in der Regel als Musikszenen konstituieren. Die Identifikation mit einer Musikrichtung ist für Jugendliche oft elementar und steht auch für eine bestimmte Art der Lebensführung. (vgl. Peschke 2010: 49) Der Aspekt der Identifikation mit der Musikrichtung spielt im HipHop eine große Rolle, es wird eine klare Grenze gezogen zwischen den Mitgliedern und der Außenwelt. Eigene Werte und Normen formen sich innerhalb der Szene. Grimm betont, dass in einer Jugendkultur die Abgrenzung zur Populärkultur ein wichtiges Element sei, jedoch Jugendkulturen oft eine große Breitenwirkung hätten und Elemente in die Populärkulturtransportiert würden. (vgl. Grimm 1998: 25) Auch dies lässt sich gut an der HipHop-Szene erkennen, wo Rapper ab einem bestimmen Bekanntheitsgrad Gefahr laufen, von ursprünglichen Fans, aus Abneigung gegenüber dem Mainstream, gemieden zu werden. Bezüglich der Elemente, welche in die Populärkultur getragen werden, ist HipHop auch ein sehr passendes Beispiel, beispielsweise die Technik des „Sampling“, welche ihren Ursprung im HipHop hat, hat sich in der Popmusik weit verbreitet (vgl. Friedrich, Klein 2003: 12) und auch in Bezug auf Sprache, finden unterschiedliche Szenebegriffe immer wieder den Weg in die Sprache abseits von HipHop.

Wir wissen nun also, dass HipHop im Leben von jungen Menschen eine sehr große Rolle spielen kann, die Zeit der Jugend ist oft völlig vereinnahmt von einer Szene, der man sich zuwendet und die beschriebenen eigenen Werte und Normen können somit großen Einfluss auf Mitglieder der Szene haben.

2.2. Geschichte und Charakter des HipHop

Nun will ich die historischen Entwicklungen des HipHop genauer darlegen, da man, um eine Sache tiefergehend zu verstehen, die Entwicklung und deren Besonderheiten kennen sollte. Um HipHop und schlussendlich auch dessen immanenten Sexismus begreifen zu können, werde ich anfangen mit der Entstehung der Szene, fahre fort mit den weiteren chronologischen Entwicklungen, erläutere dabei, was HipHop ausmacht, wie beispielsweise die „vier Elemente“, folge dann, im Zuge einer internationalen Verbreitung der Jugendkultur, nach Deutschland, wo die historischen Entwicklungen angerissen werden und Besonderheiten der deutschen HipHop und Rap Szene deutlich werden sollen. Abschließend wird der, als besonders sexistisch geltende, Gangsta Rap genauer unter die Lupe genommen um alle, für die Fragestellung wichtigen Faktoren deutlich zu machen.

2.2.1. Die Entstehung des HipHop

Begonnen hat die Entwicklung des HipHop in dem New York der 70er. Genauer gesagt war es im Stadtteil Bronx, der zu großen Teilen von einer afro-amerikanischen Bevölkerung bewohnt wurde und ärmer, als beispielsweise Manhatten war.

Aufgrund mangelnder finanzieller Möglichkeiten war es dem Großteil der schwarzen Jugendlichen in der Bronx verwehrt, in die teuren Diskotheken zu gelangen. Da Not bekanntermaßen erfinderisch macht und der Wunsch nach Musik und Tanz vorhanden war, fingen die Jugendlichen an, „in Hinterhöfen, verlassenen Fabrikhallen und im Sommer am liebsten im Park“ (Androutsopoulos 2003: 140) sogenannte Block Partys zu feiern. Hierzu brachten die DJs ihre Soundsysteme mit, der benötigte Strom konnte vom öffentlichen Stromnetz abgezapft werden und schon konnte ausgelassen eine Party gefeiert werden. (vgl. Androutsopoulos 2003: 140)

Die Musik, die gespielt wurde, war ähnlich, wie in den Clubs, also größtenteils Disco und Funk, doch kristallisierte sich heraus, dass es ganz bestimmte, nur kurz andauernde Passagen waren, die dem Publikum am meisten zusagten: Die Breaks. Ein Break zeichnet sich dadurch aus, dass meist nur das Schlagzeug und eventuell noch der Bass spielen.

„In solchen Momenten hoben die Tänzer ab und die DJs wiederholten die immer gleichen Takte, indem sie sie abwechselnd von zwei Plattenspielern kommen ließen. Bis aus dem Break langsam ein Instrumental wurde.“ (Toop 1992: 20)

Diese Innovation war der erste Schritt, weg von bereits bestehender Musik und in Richtung HipHop. Somit begann die Entwicklung des DJing und darauf folgten weitere innovative Techniken an den Plattenspielern. Durch immer mehr Tricks, wie zum Beispiel dem Scratching trat der DJ immer mehr in den Vordergrund der Partys. Die DJs versuchten sich mit ihren Tricks und Spielereien immer weiter gegenseitig zu übertreffen, was das Publikum so sehr faszinierte, dass es fortan weniger tanzte und viel mehr staunend um den DJ herum stand. Natürlich war dies nicht im Sinne der DJs, die ja eigentliche das genaue Gegenteil zum Ziel hatten.

„Es war Grandmaster Flash, der auf die naheliegende Idee kam: Er holte sich ein paar geschwätzige Jungs auf die Bühne, die mit lockeren Sprüchen, Anfeuerungsrufen und lustigen Reimen das Publikum von den Tricks der DJs ablenkten und wieder zum Tanzen brachten.“ (Androutsopoulos 2003: 140)

Auch zwischen diesen geschwätzigen Jungs formte sich der Wettbewerb-Gedanke und sie versuchten sich gegenseitig mit ihren Texten und Geschichten zu übertreffen. So entwickelte sich aus Ihnen nach und nach das, was wir heutzutage unter einem Rapper verstehen. Die Aufmerksamkeit des Publikums verschob sich nun immer mehr vom DJ zu den Rappern, welche bald gänzlich im Mittelpunkt der Veranstaltungen standen. (vgl. Peschke 2010: 67)

Der Ursprung des Begriffs „HipHop“ ist keine eindeutig geklärte Sache, sicher ist nur, dass „Hop“ eine Bezeichnung für die Tanzpartys war. „Hip“ hat unterschiedlichen Quellen zufolge die Bedeutung, des Wettstreits, des Angesagt seins oder auch des Auf- und Abhüpfens auf den Tanzveranstaltungen. Es lässt sich nicht eindeutig sagen, welche Definition die richtige ist und wahrscheinlich liegen alle mit ihren Meinungen zu einem gewissen Grad richtig. (vgl. Verlan, Loh 2002: 14) Jedoch lassen die Diskussionen durchscheinen, welch unterschiedlichen Aspekte elementar sind für HipHop: Wettstreit, Party, Tanz und zu wissen, was im Trend liegt.

2.2.2. Die 4 Elemente

HipHop wird zwar häufig als Synonym für Rapmusik verwendet, meint jedoch ursprünglich viel mehr. HipHop beschreibt eine Sub- und Jugendkultur, welche ihre eigenen Codes, Rituale und Verhaltensweisen hat. Außerdem werden immer wieder die vier Elemente des HipHop beschworen, bei denen es sich um Rap, DJing, B-Boying und B-Girling (Breakdance) und Graffiti handelt.

Wie schon beschrieben wurde, kommt dem DJing eine besondere Bedeutung zu, da es sozusagen den Startschuss für die Entstehung des HipHop gab. Die Musikstücke an sich gerieten nach und nach in den Hintergrund und die Fähigkeiten der DJs bezüglich des Mixing (das reibungslose Überleiten vom einen zum nächsten Stück) und des Scratching traten in den Vordergrund.

Der Breakdance entwickelte sich aufgrund der zuvor beschriebenen Breaks, welche von den DJs forciert wurden. Diese brachten den neuen Tanzstil mit sich, welcher sich zunehmend durch ein hohes Maß an Akrobatik verkomplizierte. Der Breakdance folgt bestimmten Grundschritten, mit denen er in der Regel beginnt, um dann nacheinander die komplizierten Figuren mit in die Bewegungen einzubauen. „Die Figuren bestehen vorrangig aus Drehfiguren und Pirouetten, die auf dem Kopf, den Händen, den Schultern und den Knien ausgeführt werden.“ (Peschke 2010: 63)

Das dritte Element ist das, in großen Städten, immerzu präsente Graffiti. Zahlreiche Hauswände und Mauern dienen den ‚Writern‘ als Leinwände, sie sind verziert von pompösen ‚Bombings‘ und unzähligen ‚Tags‘. Graffiti ist in erster Linie Selbstzweck, es geht selten darum, eine Botschaft zu übermitteln, außer Werbung für sich selbst zu machen, weswegen meist einfach der eigene (Writer-)Name geschrieben wird. (vgl. Peschke 2010: 58)

Das bekannteste und vor allem heutzutage relevanteste Element des HipHop ist jedoch der Rap. Das besondere an Rap im Vergleich zu Gesang ist das Fehlen einer Melodie und der dadurch verstärkte Fokus auf Rhythmus und Text. Rap bietet die Möglichkeit, viel mehr Worte in kürzerer Zeit unterzubringen, da keine Töne gehalten werden, dadurch treten der Inhalt und die Sprache stärker in den Vordergrund. (vgl. Peschke 2010: 67) Ein Rapper muss gut mit seine Stimme umgehen können und wissen, wie er Worte betont und ausspricht, nur so kann er einen guten ‚Flow‘ haben. „Flow meint die Fähigkeit des Rappers, gereimte Sprache rhythmisch gekonnt zu gestalten und verweist auf die eminente Wichtigkeit des Rhythmus für die Produktion und Rezeption des Rap“ (Hörner, Kautny 2008: 11)

Was alle der Elemente innehaben ist der Wettkampfcharakter, welcher im HipHop eine große Rolle spielt. (vgl. Seewald 2003:21) „Wettbewerb war das Herz des HipHop, sein Prinzip.“ (Toop 1992: 22) Die DJs versuchen sich gegenseitig mit besonders komplizierten Techniken und Schnelligkeit zu überbieten und außerdem die rarsten Platten zu finden und besitzen. Bei den Rappern wird versucht, schneller zu rappen, interessantere Wortspiele zu benutzen oder kompliziertere Reimschemata zu verwenden. Selbiges ist beim Breakdance zu beobachten, wo versucht wird, sich schneller zu drehen, ausgefallener zu bewegen oder sich in einer der zahlreichen Unterdisziplinen zu behaupten. Auch beim Graffiti ist der Wettbewerb immanent, verschiedene Sprayer-Crews versuchen sich beispielsweise in der Größe gemalter Bilder oder Ausgefallenheit der Orte zu überbieten und es werden auch regelmäßig Werke gegnerischer Graffiti-Crews mit eigenen ‚gecrosst‘, also übermalt. (vgl. Loh, Verlan 2002: 57) Den Wettbewerbsgedanken des HipHop hat Afrika Bambaataa, welcher als Jugendlicher Mitglied einer Gang war, positiv genutzt. Der Gang kehrte er, aufgrund des hohen Maßes an Gewalt, den Rücken und gründete daraufhin die Zulu-Nation. Dieser, bis heute existierende Zusammenschluss von HipHoppern folgt den Idealen der Gewalt- und Drogenlosigkeit, der gegenseitigen Hilfe und des Respekts. Ein maßgeblicher Aspekt war auch, Konflikte untereinander gewaltlos, nur mit den Mitteln des HipHop, zu lösen. Somit wurden Streitigkeiten oftmals mit Hilfe von beispielsweise Rap- oder Breakdancebattles gelöst. (vgl. Loh, Verlan 2002: 58; Peschke 2010: 69-70) Diesem positiven Effekt steht aber die Überlegung gegenüber, dass der Battlecharakter eventuell Ursprung der als negativ empfundenen Aspekte des HipHop sein könnte. Vielleicht sind der Sexismus und die Gewaltverherrlichung, welche im Rap stattfinden zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass eben immer weiter versucht wird, sich gegenseitig zu überbieten und erniedrigen. Aus diesem Wettkampfgedanken heraus, folgen somit Grenzüberschreitungen in jegliche Richtungen, eben auch bezüglich menschenverachtender Aussagen.

Genauso wichtig wie der Battle-Gedanke, ist der eigene ‚Style‘, man kann auch auf Dauer keine Battles für sich entscheiden, wenn man den nicht hat. In jedem der vier Elemente ist er essenzieller Bestandteil. Es geht darum, innovativ zu sein und eigene Ideen zu haben. Mehr noch als in anderen Musikrichtungen scheint der Aspekt zum Tragen zu kommen, bezogen auf Rap hängt das wahrscheinlich auch damit zusammen, dass die Persona des Rappers viel mehr im Vordergrund steht, als es bei anderen Genres der Fall ist. (vgl. Peschke 2010: 78) Wodurch sich der eigene Style auszeichnet kann ganz unterschiedlich sein. Im Rap kann es zum Beispiel einfach eine markante Stimme, eine besondere Wortwahl oder auch die Fähigkeit besonders schnell zu rappen, sein. So können aber auch besonders sexistische Texte ein persönliches Merkmal sein, sofern daraus eine neuartige Grenzüberschreitung entsteht. (vgl. Peschke 2010: 80–81) Somit kann dieser Aspekt – im Zusammenspiel mit dem Wettkampfcharakter – ursächlich sein für das hohe Maß an Sexismus. Der Zwang zum individuellen Stil fordert die Suche nach immer neuen Nischen und kann eben auch immer extremere Aussagen mit sich bringen.

2.2.3. Der Aufstieg des HipHop

Groß wurde HipHop mit dem Lied „Rapper’s Delight“ der Sugarhill Gang im Jahr 1979. Dies war das erste HipHop-Lied, welches es in die Charts schaffte und Bekanntheit über die Szene hinaus erlangen konnte. Einem großen Teil der ursprünglichen Szene missfiel der Erfolg der Sugarhill Gang jedoch, da die Band nicht auf „natürliche Weise“ aus ihr heraus entsprang, sondern Produkt eines Castings war und somit als nicht authentisch galt „Die Reaktion der HipHop-Gemeinde lag zwischen Verachtung und dem Wunsch, bei dieser neuen Entwicklung dabei zu sein.“ (Toop 1992: 23) Da die, mit dem Begriff „Realness“ umschriebene Authentizität im HipHop von Beginn an eine große Rolle spielte, fühlte die Szene sich gewissermaßen hintergangen. Nichtsdestotrotz begann ab diesem Zeitpunkt HipHop an Popularität und kommerzieller Relevanz zu gewinnen. „In den frühen Achtzigerjahren erging es HipHop wie so vielen anderen Jugend- und Musikkulturen davor: HipHop wurde Trend.“ (Loh, Verlan 2002: 41) HipHop und insbesondere Rap erhielt Aufmerksamkeit im ganzen Land und nach und nach auch weit über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinweg.

Mit dem Lied „The Message“ von Grandmaster Flash kam es zu einer inhaltlichen Veränderung, neue Themen wurden behandelt. Wo es zuvor hauptsächlich um Party ging, wurden nun auch die Lebensumstände im Ghetto und sozialkritische Themen zum Textinhalt. So war ein ständiges Thema der Rassismus, den die Protagonisten oft erfuhren. (vgl. Loh, Verlan 2002: 41) Rap begann also inhaltlich diverser zu werden, ganz unterschiedliche Themen wurden innerhalb der Musik behandelt. Der kommerzielle Erfolg von HipHop führte zu einer Perspektive für die mittellosen Jugendlichen. Plötzlich gab es einen Ausweg aus dem harten Leben im Ghetto, viele hofften, mit HipHop reich und berühmt zu werden.

Wie eben erwähnt, spielt die Authentizität im HipHop eine große Rolle. Ist das Verhalten eines Rappers unglaubwürdig und passt seine Biografie nicht zu seinen Erzählungen in den Texten, kann dies der Karriere des Rappers schaden. Jedoch ist ebenso klar, dass Rap von starker Übertreibung lebt. Nun stellt sich die Frage, wie dies zusammenpasst, auch bezüglich der Frage nach Sexismus im HipHop, ist dies von Bedeutung, denn es ergibt sich die Frage, wie wörtlich die Texte zu verstehen sind. Wenn ein Rapper nun massiv sexistische Inhalte präsentiert, kann man dann darauf schließen, dass dies seinen Charakter und seine Meinung widerspiegelt oder sind die Aussagen nicht so sehr auf die Goldwaage zu legen? Der HipHop-Terminus für die Authentizität lautet „Realness“, es ist also Ziel eines Rappers, „real“ zu sein. Dieses Streben nach Realness steht als dem Stilmittel der Übertreibung gegenüber. Friedrich und Klein schreiben, dass eben die Inszenierung im HipHop elementar ist und die Authentizität des Künstlers nicht automatisch ausschließt. Jedoch ist diese Inszenierung, das Theater eben nicht als das pure Spielen einer Rolle zu verstehen. (vgl. Friedrich, Klein 2003: 141) „Ganz im Gegenteil: Das Theater des HipHop trennt nicht zwischen Rolle und Selbst, zwischen Spiel und Ernst. Es geht vielmehr um die gelungene Inszenierung von Authentizität.“ (Friedrich, Klein 2003: 142) Die Frage danach, wie wörtlich die Texte zu verstehen sind, ist dennoch schwierig zu beantworten. Es unterscheidet sich wohl von Rapper zu Rapper und von Lied zu Lied. Der eine nimmt die Authentizität wichtiger und präsentiert sich in seinen Texten, wie er sich selbst wahrnimmt, der andere hat Spaß am Spiel mit der Sprache und löst sich los vom Zwang zur Realness.

2.2.4. HipHop in Deutschland

Nachdem die Entwicklungen des HipHop der USA betrachtet wurde, folgt nun eine Auseinandersetzung mit HipHop in Deutschland, welcher den der Vereinigten Staaten natürlich zum Vorbild hat, sich dennoch in manchen Punkten unterscheidet. Da die Fragestellung der Arbeit sich auf deutschen Rap bezieht, ist es wichtig, auch diesen zu verstehen.

2.2.4.1. Chronologische Entwicklungen

Mit dem Anstieg an Popularität des HipHop, schwappte dieser in den frühen 80er Jahren auch nach Europa und Deutschland über. „HipHop hatte von Beginn an eine besondere Anziehungskraft auf die Sohne und Töchter der zweiten Migrantengeneration. […] Für sie tauchten plötzlich mit Crazy Legs oder Melle Mel Figuren auf, wie sie im sauber abgesteckten Kulturrahmen in Deutschland nicht vorkamen; in Beat Street und Wild Style begegneten ihnen Charaktere, die ein Leben führten, das dem ihren nicht unähnlich war: keine großen weißen Wohnungen, wo Mama und Papa ihren Kindern abends aus Märchenbüchern vorlasen, keine sauberen Vorortwohngegenden, sondern allein erziehende Mütter, enge Zimmer und viel Straße“ (Loh, Verlan 2002: 88-89) Zu dem hohen Identifikationspotential, welches die amerikanischen Rapper boten, ist ein weiterer Grund für die große Anziehungskraft der geringe materielle Aufwand um HipHop zu betreiben. (vgl. Seeliger 2012: 168)

Die Jugend hierzulande kam also mit HipHop in Kontakt, versuchte zu adaptieren, was sie hörte und sah und entwickelte somit schlussendlich eine eigene Interpretation von HipHop, abhängig von den Lebensumständen und unterschiedlichsten Einflüssen hierzulande. Darum wird HipHop auch als glokale Kultur bezeichnet. „Sie ist global verbreitet und besteht aus einer Vielzahl differenter lokaler Kulturen. Die HipHop-Kultur konstituiert sich über einen wechselseitigen Prozeß von global zirkulierenden sowie medial vermittelnden Stilen und Images einerseits und deren lokaler Neukontextualisierung andererseits. [...] Die HipHop-Kultur ist ein Beleg dafür, daß kulturelle Globalisierung nicht, wie in der Globalisierungsdebatte angenommen, automatisch zu kultureller Vereinheitlichung führt.“ (Friedrich, Klein 2003: 10)

Ganz nach dem Vorbild aus den Vereinigten Staaten, wurde zu Anfang ausschließlich auf Englisch gerappt. Als erster, der das auch auf Deutsch tat, gilt Torch. Mit seiner Band Advanced Chemistry, welche anfangs ausschließlich auf Englisch rappte, wurde bei Konzerten zwischen den Songs immer wieder gefreestylet, also improvisiert, und irgendwann fing Torch an, dies auf Deutsch zu machen. Das Publikum war davon begeistert, da nun die Texte viel besser verstanden wurden, als zuvor. (vgl. Loh, Verlan 2002: 119) Die Szene wuchs und konnte sich parallel zum Mainstream der deutschen Musikszene entwickeln und vernetzen, ohne sich von großen Labels und dem etablierten Popbetrieb vereinnahmen zu lassen. (vgl. Loh, Verlan 2002: 124; 145)

Ändern sollte sich das mit den Fantastischen Vier, welche aus dem nichts auftauchten. Keinem aus der Szene war die Band ein Begriff, ähnlich wie die Sugarhill Gang Jahre zuvor in den USA, wurden die vier Stuttgarter Rapper als Fremdkörper wahrgenommen, der von außen „kreiert“ und von den (nicht HipHop-affinen) Medien als HipHop betitelt wurde und somit den kommerziellen Ausverkauf der Szene zu verantworten hatte. Die Musik der Fantastischen Vier wurde von vielen als Pop empfunden, der nur wenig mit der ursprünglichen Kultur zu tun hatte, da auch beispielsweise Breakdance und Graffiti hier überhaupt keine Rolle mehr spielten. (vgl. Loh, Verlan 2002: 145-146) Was neu an ihnen war und nicht nur negativ aufgenommen wurde, war der Rap auf Deutsch. Denn auch wenn Torch das schon zuvor im kleinen Rahmen machte, war dies immer noch ein Novum für einen großen Teil der Szene. Durch den Hype, den die Fantastischen Vier erfuhren, wurde der Popbetrieb auch auf die restliche Rap-Szene aufmerksam. Es bildeten sich daraufhin auch viele neue auf Deutsch textende Rap Formationen. So wurde Rap mit Gruppen wie Freundeskreis, den Massiven Tönen, den Stieber Twins oder Blumentopf über die Jahre aus dem Untergrund in den Mainstream geholt. Abläufe, Arbeitsweisen und der Sound professionalisierten sich, alles wurde größer. Doch dieser Prozess führte auch eine gewisse Loslösung der vier Elemente voneinander mit sich. Der Fokus verschob sich sehr stark auf Rap und die Jams, auf denen stets alle Elemente praktiziert wurden, wurden weniger. (vgl. Loh, Verlan 2002: 182) „Heute sind es Shows, früher waren es Jams. HipHop ist keine Berufung mehr, HipHop ist Beruf.“ (Mathias Bach in Loh, Verlan 2002: 219)

2.2.4.2. Battle Rap

In den folgenden Kapiteln über Battle Rap und Gangsta Rap werden diese beiden Genres genauer untersucht. Dabei wird sich nicht ausschließlich auf deutschen Rap bezogen, da sie ihren Ursprung schon im amerikanischen Rap haben, jedoch eben auch in Deutschland von großer Wichtigkeit sind. Diese beiden eng miteinander verwandten Subgenres sind die offensichtlichsten und bekanntesten Beispiele für sexistische Inhalte und sind darum von besonderer Wichtigkeit.

Wie wir bereits wissen, spielt der Wettbewerbsgedanke im HipHop und somit auch im Rap eine große Rolle. Das war von Beginn an so, Rap war schon bei den Blockpartys in den USA ein Kräftemessen auf verbaler Ebene. Die Ursprünge liegen vermutlich noch weiter zurück, denn schon bevor Rap existierte, spielte die verbale Auseinandersetzung mit einem Kontrahenten in der afroamerikanischen Kultur eine große Rolle:

„Das so genannte ‚Playing the dozens‘, eine Sprach-Spiel-Praxis mit Wurzeln im afroamerikanischen Straßen- und Gefängnis-Milieu der 50er Jahre, kann als Vorläufer des Battle-Rap betrachtet werden. Ziel des offensiv geführten, letztendlich aber nicht ernst gemeinten Streitgespräch vor zufälligem Publikum (meistens auf der Straße) ist es, den Kontrahenten zu verhöhnen, seine Fähigkeiten infrage zu stellen und die moralische Integrität der Familie anzuzweifeln.“ (Dietrich, Seeliger 2012: 27)

Auch auf den ersten Jams in Deutschland war es üblich, dass Kontrahenten gegeneinander im Rap-Battle antraten. Auch hier wurde anfangs noch auf Englisch gerappt und das Publikum ermittelte zum Schluss den Gewinner aufgrund von Flow und Präsenz. (vgl. Loh, Verlan 2002: 249) Mit der Professionalisierung und Kommerzialisierung wurde das Battle auch auf Platte fortgeführt. Das bedeutet, dass über die Länge ganzer Songs (oder gar Alben) ‚gebattlet‘ und ‚gedisst‘ wird. Die Gegner sind hier entweder reale Personen, meist Rapper und Rapcrews, oder auch imaginäre Gegner. (vgl. Peschke 2010: 74) Bei Texten, welche gegen reale Personen gerichtet sind, spricht man von einem ‚Diss‘, was vom englischen „to disrespect“ - jemandem gegenüber respektlos sein, kommt. Es gibt einerseits Battles, die des Unterhaltungswertes des Battles wegen durchgeführt werden, in denen sich zwei Rapper gegenüberstehen, sich innerhalb diesen Rahmens verbal attackieren, um danach einen Gewinner zu ermitteln und danach friedlich auseinander gehen. Andererseits tragen Rapper untereinander immer wieder private Fehden in ihren Liedern aus, in diesem Fall ist eine deutlich ernstere Stimmung zu spüren. Innerhalb der Szene spricht man von einem „Beef“, den die beiden Rapper miteinander haben. Wird gegen einen imaginären Gegner gebattlet, ist der Battle-Text Selbstzweck, er dient nicht dazu, jemanden zu diskreditieren, sondern hier sollen Kreativität, technische Fähigkeiten oder auch einfach Härte bewiesen werden. In diesem Zusammenhang soll das Stilmittel des ‚Boasting‘ erwähnt werden. Es bezeichnet die Selbstüberhöhung, das Angeben und ist ein elementarer Aspekt des Battles und auch insgesamt der HipHop-Kultur. Es wird sich selbst maßlos erhöht, man bezeichnet sich als den besten, reichsten, schönsten und stärksten Rapper, dem jede Frau erliegt und der sich nimmt, was er will. Wer dies am besten, glaubwürdigsten oder am witzigsten macht, gilt als guter und respektierter Rapper. (vgl. Friedrich, Klein 2003: 39–40)

Das Rödelheim Hartreim Projekt von Moses Pelham und Thomas Hofmann setzte mit dem Album „Direkt aus Rödelheim“ hier 1994 neue Maßstäbe, da es zu einem großen Teil aus Battle-Raps bestand. (vgl. Loh, Verlan 2002: 249) Diese zeichneten sich auch durch eine bis Dato nicht vorhandene Härte in der Wortwahl aus und zuvor gab es nie einen solchen Rundumschlag gegen sämtliche Rapper der deutschen Rapszene. (vgl. Dietrich, Seeliger 2012: 44) Aber durch die spürbare Ironie in den Texten, war immer klar, dass die Battle-Texte für Moses Pelham nur ein Spiel waren und keine wirklich bösartigen Absichten dahintersteckten. Eine sehr deftige, rüde und auch machistische Sprache gilt in aller Regel als gängiges Stilmittel. (vgl. Peschke 2010: 74)

„Seit Mitte der Neunziger ist jedoch eine andere Entwicklung zu beobachten. Aus der Tradition der Battle-Lyrics heraus entfaltete sich bei einigen Gruppen eine Sprachkultur, die unklar lässt, wo die Freude am Sprachspiel aufhört und umschlägt in eine politische Haltung. […] Bedenklich ist diese Entwicklung, weil in diesen Battle-Texten gezielt gesellschaftliche Randgruppen ins Visier genommen werden.“ (Loh, Verlan 2002: 249)

Sexistische, homophobe, rassistische Aussagen und weitere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit hielten Einzug in die Battle-Texte der Rapper. So fanden zahlreiche neue Beleidigungen, welche bestimmte Menschengruppen diskriminieren, ihren Weg in den HipHop. Beispielsweise wurde der Kontrahent als „schwul“ bezeichnet oder „Mädchen“ genannt, um zum Ausdruck zu bringen, wie „verweichlicht“ er sei und ihm die Männlichkeit abzusprechen. Darum ist der Battle-Charakter, der zu HipHop gehört, ein Grund für das hohe Maß an Sexismus. Der Fakt, dass Herabwürdigung des Gegenübers eine wichtige Rolle spielt, ist eine Art Nährboden für sexistische Beleidigungen. Es fördert natürlich nicht nur sexistische Aussagen, sondern Beleidigungen aller Art, jedoch ist es so, dass ein Großteil der existierenden Beleidigungen eine Diskriminierung einer bestimmten Personengruppe mit sich bringt, somit natürlich auch geschlechtsbezogene Herabwürdigungen. Betrachten wir die recht harmlose Beleidigung „Blödmann“, sehen wir das Menschen die „blöd“ sind, also eventuell einen niedrigeren Intelligenzquotienten haben, als minderwertig betrachtet werden. Dabei hat man auf die eigene Intelligenz nur einen begrenzten Einfluss, man hat sich als „blöde“ Person nichts zuschulden kommen lassen, was einer anderen Person das Recht gäbe, darüber zu urteilen. Darum bringt ein hohes Maß an Beleidigungen (, mit einer hohen Wahrscheinlichkeit,) auch ein hohes Maß an sexistischen Beleidigungen mit sich. Diese Tatsache ist jedoch sicherlich nicht der einzige Grund für sexistische Texte, eine gewisse Geisteshaltung ist vielleicht eine ursächlichere Begründung, es ist auch nicht so, dass Sexismus sich nur in Beleidigungen findet, Sexismus kann sich in allen möglichen Aussagen widerspiegeln.

2.2.4.3. Gangsta Rap

Nun werde ich das Subgenre des Gangsta Rap genauer erläutern. Dieser wird als hauptsächlicher Vertreter des sexistischen Rap betrachtet. Da ich den Sexismus zwischen ‚gutem‘ und ‚schlechtem‘ Rap betrachten will und Gangsta Rap und der ‚schlechte‘ mehr oder weniger deckungsgleich sind, ist es nötig dieses Subgenre genauer zu verstehen.

Der Gangsta Rap ist eng verbunden mit dem Battle Rap, bei ihm wird genauso versucht, sich selbst zu erhöhen, sich von allen anderen abzugrenzen und diese zu erniedrigen. Jedoch wird sich weniger auf die Fähigkeiten am Mikrofon bezogen, sondern viel mehr auf persönliche (materielle) Errungenschaften und die Begabung, sich im sozialen Brennpunkt mittels illegaler Machenschaften zu behaupten. (vgl. Dietrich, Seeliger 2012: 29) „Der Begriff des ‚Gangsters‘ ist dabei dehnbar – so kann es sich um den kleinkriminellen Haschischdealer aus dem Märkischen Viertel handeln, aber auch um den italo-amerikanischen Mafiaboss aus Brooklyn.“ (Dietrich, Seeliger 2012: 41) Der Gangsta-Rap ist eine Grenzüberschreitung und ein Tabubruch, in der Regel wird Drogenkonsum glorifiziert, jegliches Ausmaß an physischer Gewalt gilt als legitimes Mittel zur Selbstbehauptung und illegale Geschäfte werden als lebensnotwendig und oftmals auch als positiv dargestellt. (vgl. Friedrich, Klein 2003: 28) Unabhängig von Authentizität, geht es in erster Linie darum, wie sich der Rapper selbst begreift, sieht er sich selbst als Gangsta Rapper, so kann man ihn auch als solchen bezeichnen. Der gemeinsame Nenner aller Gangsta Rapper ist der soziale Brennpunkt als natürlicher Lebensraum. (vgl. Dietrich, Seeliger 2012: 42) Bezogen auf die amerikanische Szene, wo der Conscious Rap und der Gangsta Rap nahe beieinander liegen, fassen Loh und Verlan es so zusammen: „Gangsta Rap ist die dunkle Seite des Message Rap. Während die Knowledge Rapper um KRS ONE (=Knowledge Reigns Supreme Over Nearly Everyone) an die Vernunft ihrer Hörer appellieren, bedienen die Gangsta Rapper die Sensationslust des Publikums. Oder um es im Sinne von Chuck D [, welcher Rap als das CNN der Schwarzen bezeichnete,] zu sagen: Message Rap ist die seriöse, politische Tageszeitung, Gangsta Rap die Boulevardpresse.“ (Loh, Verlan 2002: 52-53)

In Deutschland dauerte es sehr lange, bis ähnliche Formen von Rap entstanden. Der Hauptgrund hierfür ist wahrscheinlich ein großer Unterschied zwischen dem Verständnis des Begriffs „Ghettos“ hierzulande und in den USA. Die schlimmen Zustände, welche Inhalte der amerikanischen Raptexte waren, existierten in Deutschland nicht in einem solchen Ausmaß. Somit war Rap in Deutschland lange Zeit entweder lustig und harmlos, wie bei den Fantastischen Vier, oder stark politisch und gesellschaftskritisch, wie bei Advanced Chemistry. (vgl. Dietrich, Seeliger 2012: 42-43) Die erste Veröffentlichung, welche man als Gangsta Rap bezeichnen kann, war die schon zuvor erwähnte Platte „Direkt aus Rödelheim“ vom Rödelheim Hartreim Projekt um Moses Pelham. Jedoch zeichnete sich das Album zwar durch eine nie dagewesene Härte aus und Slang-Begriffe wurden ausgiebig benutzt, jedoch wurde nicht die eigene Lebensrealität als Gangster-Dasein beschrieben. (vgl. Dietrich, Seeliger 2012: 45) Das erste Lied in Deutschland, welches auch diesen Aspekt erfüllte, war „Mein Leben“ von Charnell Taylor im Jahre 1997. „Taylor […] erzählte so nachvollziehbar, unpeinlich und anschaulich aus dem Leben eines sozial benachteiligten Großstadtkindes, dass jede Zurschaustellung typischer Gangster-Härte daneben überflüssig schien.“ (Dietrich, Seeliger 2012: 46) Er griff hier auf, wie seine amerikanischen Vorbilder das Leben im Ghetto beschrieben und übertrug dies auf seine eigene (ähnliche) Lebenswelt. „Zuhause seh ich nur Streit, seh meine Mama high, seh sie weinen und seh ihr Leid“ (Charnell – Mein Leben)

[...]

Fin de l'extrait de 72 pages

Résumé des informations

Titre
Sexismus im Hip Hop. Wie äußert sich Sexismus im deutschen Rap?
Université
University of Koblenz-Landau
Note
1,7
Auteur
Année
2015
Pages
72
N° de catalogue
V317274
ISBN (ebook)
9783668203310
ISBN (Livre)
9783946458586
Taille d'un fichier
749 KB
Langue
allemand
Mots clés
Sexismus, HipHop, Rap, Deutschrap, Identität, Sequenzanalyse, Hip Hop, Genderthematik, Gender, Frauen, Gangsta, Analyse, Songtext
Citation du texte
Sören Mandel (Auteur), 2015, Sexismus im Hip Hop. Wie äußert sich Sexismus im deutschen Rap?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317274

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