Die spanische Gesellschaft zwischen Franquismus und Demokratie in Bezug auf Frauen und Erotik in Almudena Grandes “Las Edades de Lulú“


Hausarbeit, 2014

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhalt

1. Einleitung

2. Das Werk

3. Die Rolle der Frau unter Franco
3.1 Politischer Hintergrund
3.2 Die Rolle der Frau unter Franco in „Las Edades de Lulú“

4. Die Veränderungen der Rolle der Frau während der „Transición“
4.1 Politischer Hintergrund
4.2. Die Rolle der Frau in der Transición in „Las Edades de Lulú“

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis
6.1 Bücher
6.2 Internetquellen

1. Einleitung

Der mit dem Spains Sonrisa Vertical Prize ausgezeichnete Roman „Las Edades de Lulú“ von der 1960 in Madrid geborenen Almudena Grandes, sorgt seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1989 für Diskussionen. Inhaltlich wird sowohl die erotische Literatur des post-franquistischen, als auch die Zeit der Transition von einer Diktatur zur Demokratie in Spanien und ihre „movida“ (Kulturbewegung der städtischen Jugend Madrids) behandelt.[1] Mit diesem Erotikroman betritt Almudena Grandes ein neues, in Spanien bislang den Männern vorbehaltendes Terrain: die Pornographie. Sie bricht mit diesem Thema sämtliche Tabus und greift Wertevorstellungen der katholisch-franquistisch geprägten Gesellschaft an.[2] Ihr Roman ist gleichzeitig eine Parodie auf die politische und moralische Entwicklung Spaniens.

Die Protagonistin verkörpert das Gegenstück der franquistischen „guten Frau“, in all ihrem Handeln und Gedanken. Sie ist die Parodie auf die Erwartungen, die an eine Frau unter Franco, aber auch noch in den 80er Jahren gestellt wurden.[3] Seit jeher negiert und verschweigt die Gesellschaft, nicht nur in Spanien, die Sexualität der Frau. Beispielhaft ist die Darstellung von Josef, Maria und Jesus in der Bibel. Schon hier wird die Frau als jungfräuliche Mutter gezeigt, die sich für ihre Familie aufopfert. Sexualität oder Lust gab es nur bei ausgegrenzten und verachteten Prostituierten.[4]

Diese literaturwissenschaftliche Arbeit befasst sich mit der in „Las Edades de Lulú“ dargestellten spanischen Gesellschaft zwischen Franquismus und Demokratie in Bezug auf Frauen und Erotik. Im Anschluss werde ich zunächst inhaltlich auf das Werk eingehen. Anschließend wird die Stellung der Frau während des Franquismus historisch beleuchtet und nachfolgend der Roman unter diesem Gesichtspunkt interpretiert. Es folgt eine Darstellung der politischen und gesellschaftlichen Veränderungen im Postfranquismus, die ebenfalls in Bezug auf das Buch herausgearbeitet wurden. Abschließend werde ich in einem Fazit Rückschlüsse aus meinen Herausarbeiten ziehen.

2. Das Werk

„Las Edades de Lulú“ ist ein Roman über Sexualität und Identitätsfindung. Die Geschichte spielt mitten in der spanischen Transición, der Zeit zwischen Franquismus, Movida und Demokratie. Eine bewegende Zeit, die ihren Anfang in den sechziger Jahren hat. Sie brachte viel Veränderungen- soziale, legale, moralische und politische. Man kann sagen, dass Spanien sich von einem katholisch geprägten, provinziellen und politisch und sexuell repressiven Land innerhalb kürzester Zeit zu einem weltoffenen, europäischen, sowie politisch und sexuell toleranten Land entwickelt hat.[5]

Der Roman handelt vom Leben der Protagonistin María Luisa Aurora Eugenia Ruiz-Poveda y Garcia de la Casa, kurz genannt Lulú. Der autodiegetisch verfasste Roman spiegelt in anti-chronologischer Reihenfolge insbesondere ihr Sexualleben wider. Anhand vieler Analepsen, Prolepsen und Fantasien malt die Erzählung ein Bild ihres Liebesleben und –leiden der vergangenen zwei Jahrzehnte.

Lulú, aufgewachsen in einer nach franquistischen Werten lebenden Großfamilie, bekommt in ihrem Elternhaus nicht die Aufmerksamkeit und Liebe, die sie sich von ihren Eltern und insbesondere von ihrer Mutter gewünscht hätte. Sie wird als siebentes von neun Kindern geboren. Ihre Mutter hält Lulú, auf Grund ihrer guten Noten in der Klosterschule und ihrer unauffälligen Art für selbstständig und vernünftig, also nicht so sehr auf sie angewiesen, wie es ihre jüngeren Geschwister zu sein scheinen. Lulú gilt als verhaltensunauffällig und gehorsam. Durch permanente Zurückweisung der Mutter und dem Desinteresse des Vaters, entfremdet sie sich immer mehr von ihren Eltern und nimmt ihren deutlich älteren Bruder Marcelo als Freund und Ersatzvater an. Er und sein bester Freund Pablo werden schnell zum Mittelpunkt in Lulús Leben. Sie verliebt sich in Pablo, dem sie nach und nach hörig wird. Durch ihn wird Lulú Sexualität nähergebracht und vermittelt. Sie idealisiert ihn, obwohl er ihr in ihren ersten beiden Liebesnächten Schmerzen zufügt und gegen ihren Willen handelt. Trotz aller Differenzen und Schwierigkeiten wird Pablo ihr späterer Ehemann und Vater ihrer Tochter sein.

Der Roman beginnt mit einer detaillierten Beschreibung einer erwachsenen Lulú, die sich einen homoerotischen pornographischen Film ansieht. Anschließend tauchen wir ein in das Familienleben der fünfzehnjährigen Lulú und lernen ihre spezielle Beziehung zu ihrem Bruder Marcelo und dessen siebenundzwanzigjährigen Freund Pablo kennen.

Lulú schlüpft bereits in frühester Kindheit in die Rolle einer fürsorgenden Mutter für die beiden. Sie schickt ihnen ihr gesamtes Taschengeld in das Gefängnis, in das sie wegen ihrer Auflehnung gegen das franquistische Regime eingesperrt sind. Besuche sind, so der regimekonforme Vater, untersagt. Nach der Freilassung begleitet Lulú Pablo auf ein in Katalanisch gesungenes Konzert und verliert in dieser Nacht ihre Jungfräulichkeit. Sie wartet später jahrelang auf die Rückkehr des in die USA ausgewanderten Pablo und findet kein ernsthaftes Interesse an anderen Männern in ihrem Alter. Nach seiner Heimkehr werden die beiden dann offiziell ein Paar und heiraten.

Vor und während ihrer Ehe ist Lulú sexuell sehr aufgeschlossen. Nachdem sie zunächst eine Abneigung gegenüber Transsexuellen zeigt, sie sogar mit dem Auto jagt, entwickelt sie eine spezielle Freundschaft zu Ely; einem Transvestiten. Lulú entwickelt ein besonderes Vergnügen daran, sich, vorzugsweise von homosexuellen Männern, beim Sex beobachten zu lassen oder selbst zu beobachten. Die Situation eskaliert, als Pablo sie gegen ihr Wissen und gegen ihren Willen mit ihrem Bruder schlafen lässt.

Nach der daraus folgenden Trennung läuft Lulús Leben aus dem Ruder. Sie hat sich nicht mehr unter Kontrolle. Um an homoerotischen Sexabendteuren teilnehmen zu dürfen, bezahlt sie sogar mit dem angesparten Schulgeld ihrer Tochter. Als ihr das Geld ausgeht überredet sie ein Freund sich der Prostitution hinzugeben. Sie gerät in eine sadomasochistische Orgie, die sie fast das Leben kostet. Im letzten Moment wird sie von Pablo gerettet, kehrt reumütig und unterwürfig zu ihm zurück.

3. Die Rolle der Frau unter Franco

Die gesellschaftliche Rolle und Stellung der Frau unter Franco war von einer beinahe vollständigen Entmündigung geprägt.

3.1 Politischer Hintergrund

Nach dem Bürgerkrieg im Jahre 1939 begann die „Franco-Ära“. Sie dauerte bis zu seinem Tod im Jahr 1975. Die in der II. Republik erlassenen Gesetze zur Gleichstellung der Frau auf sozialem, arbeitsrechtlichem, ökonomischem und politischem Gebiet, wurden durch Reformen und Gesetze umgehend abgeschafft oder unterbunden.[6] Das Wahlrecht wurde wieder aberkannt, die Zivilehe, sowie Scheidung und geregelte Abtreibung entlegalisiert, arbeitsrechtliche Gleichberechtigung gab es nicht mehr. Man fiel zurück auf traditionelle und katholische Werte und Strukturen.[7] Die Frauen wurden nicht nur ideologisch, sondern auch gesetzlich den Männern wieder untergeordnet. Man kehrte faktisch und juristisch zurück zum Jahr 1889 und dem „Código Civil“ (das Bürgerliche Gesetzbuch). Raum für individuelle Entfaltung innerhalb der Familie, in Politik oder Arbeit gab es nicht mehr. Eine Frau musste züchtig und jungfräulich in die Ehe gehen, die traditionelle Rollenverteilung und die absolute Herrschaftsgewalt des Ehegatten akzeptieren.[8]

Eine Frau hatte keinen Wert ohne ihren Ehemann bzw. ihre Familie. Das selbstaufopfernde und selbstlose Dienen der Frau wurde zu einem der Grundsätze in der franquistisch geprägten Ehe. Es wurde ein neues „ideal feminino“ (weibliches Idealbild) geschaffen, an dem sich die spanische Gesellschaft orientieren sollte. Um die Einhaltung sicherzustellen wurden zahlreiche staatliche und kirchliche Institutionen geschaffen, unter anderem die „Delegación Nacional de la Sección Feminina“ (Nationales Amt für Frauenangelegenheiten) oder die „Religiosas de Jesús“ (Ordensschwestern Jesu).[9] Mit deren Leitspruch „casa, cocina, calceta“ wurden die drei wichtigsten Aspekte im Leben einer Frau definiert. Die Kindererziehung, das Kochen und der regelmäßige Kirchgang. Berufstätigkeit wurde auf wenige speziell für Frauen geeignete Gebiete beschränkt und bedurfte der Zustimmung des Ehegatten.[10] Zur Begründung dieser drastischen Ungleichbehandlung wurden vermeintlich biologisch bedingte Differenzen herangezogen, die zu bedeutenden Auswirkungen auf Intelligenz, Handlungsweisen und Gefühlsleben bei dem weiblichen Geschlecht führen würden.[11] Die Frauen wurden nahezu vollständig entmündigt. Durch antifeministische

Gesetze wurde die Frau lebenslang als minderjährig degradiert[12] und befand sich rechtlich auf der Stufe von Taubstummen und „Irren“. Sie hatten keinerlei Erb- oder Eigentumsrechte, konnten ohne die Zustimmung ihres Ehemannes kein Bankkonto eröffnen oder Verträge abschließen. Sie waren der Willkür des Gatten vollkommen ausgeliefert.[13]

Frauen sollten heiraten und Kinder bekommen.[14] Um eine Frau auf ihre zukünftige Rolle vorzubereiten, wurden Ideale und gewünschtes Verhalten in Schule und Freizeit „gelehrt“. Eine Institution, die sich dieser Aufgabe annahm, war, wie bereits erwähnt, war die „Sección Feminina“ der Partei „Falange“ unter der Leitung von Pilar Primo de Rivera, Tochter des vor der II. Republik regierenden Diktators Miguel Primo de Rivera. Es wurden Benimm-Bücher, Broschüren und Merkblätter verfasst, die nicht nur das öffentliche, sondern auch das Privatleben tangierten. So war es der Ehefrau untersagt, ihren Gatten mit Nichtigkeiten, die nicht die Autorität des Hausherrn berührten, zu konsultieren.[15] Um die Ehre der Ehe- und Jungfrau zu verteidigen und nicht in Frage zu stellen, wurden zahlreiche Geh- und Sitzordnungen erlassen. Des Weiteren wurde darauf geachtet, das „natürliche Schamgefühl“ der Frauen zu fördern.[16] Die patriarchalische Familie war einer der Stützfeiler und somit eines der höchsten Güter der Gesellschaft zu Zeiten Francos. Um diese Ideale durchsetzen zu können, wurden kinderreiche Familien und verheiratete Frauen, die zugunsten der Familienplanung ihren Beruf aufgaben, mit zahlreichen Prämien belohnt. So gab es unter anderem Heiratsdarlehen, Jahresprämien für Familien mit vier oder mehr Kindern, Familienhilfe, sowie etliche arbeitstechnische Bevorzugung der Ehemänner in Großfamilien.[17]

Sexualität war ein delikates Thema und strafbehaftet. Sexueller Kontakt zwischen Männern und Frauen war nur der biologischen Reproduktion vorbehalten. Drei Straftaten wurden besonders hervorgehoben: die Abtreibung, der Ehebruch und der Gebrauch von Verhütungsmitteln.

Außerehelicher Geschlechtsverkehr wurde mit Gefängnisstrafen vergolten, wobei die vermeintliche „Missetäterin“ ohne strafrechtliche Verfolgung getötet werden durfte. Allerdings genügten schon anrüchige Blicke, um eine Frau als Ehebrecherin anklagen zu können. Männer musste man hingegen in flagranti erwischen. Der Gebrauch von Verhütungsmitteln und selbst beidseitig einvernehmlicher Sex mit einer Minderjährigen, damals eine Frau unter fünfundzwanzig Jahren, wurden mit empfindlichen Geldstrafen geahndet.[18] In der franquistischen Familienideologie gab es darüber hinaus keine Akzeptanz von Homosexualität, weder zwischen Frauen, noch zwischen Männern. Entsprechendes Verhalten wurde mit hohen Geld- oder Gefängnisstrafen belegt.[19] Dennoch gab es bereits zum Ende der diktatorischen Herrschaft Francos einige Veränderungen, die die Rechte der Frauen betrafen. So wurde 1962 ein Gesetz erlassen, das Frauen arbeitsrechtlich Gleichberechtigung zusichern sollte.

[...]


[1] Vgl. Mayock, Ellen (2004), Anales de la literatura española contemporánea, Volume 29, Issue 1, S. 235.

[2] Vgl. Storch, Anna-Lena, Analyse von Almudena Grandes Roman: Las Edades de Lulú (2006), Norderstedt, S. 5.

[3] Vgl. Rodríguez Mayo, Carolina (2013), in: Del fantoche y la transgresión del sujeto sexual , URL [http://desvariodeunasonadora.bligoo.cl/del-fantoche-y-la-transgresion-del-sujeto-sexual], S.1, (Stand: 20.08.2013).

[4] Vgl. Etxebarria, Luncía (2009), in: Lo que los hombres no saben _ El sexo contado por las mujeres , URL [www.laeroticabooket.com/usuaris/bibliografia/arxius/26_1_Loqueloshombresnosaben.pdf] , S. 27 (Stand: 09.11.2014).

[5] Vgl. Gilkison, Jean (1999), From Taboos to Transgressions: Textual Strategies in Woman-Authored Spanish Erotic Fiction, Modern Humanities Research Association, S. 1.

[6] Vgl. Bernecker, Walther L. (2002), Spanische Geschichte von der Reconquista bis heute, Darmstadt, S. 150.

[7] Vgl. ebd. S. 177.

[8] Vgl. Valentino, Rodolfo (2010), Ehe, Familie und andere Lebensgemeinschaften in Spanien – Die Familie als sozio-emotionaler Stabilisator und intergenerationeller Konfliktherd, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn, S. 30

[9] Vgl. ebd. S. 32.

[10] Vgl. Benería, Lourdes (1977), Mujer, economía patricarcado durante la España franquista, Barcelona, S. 23.

[11] Vgl. Truxa, Sylvia (1982), Die Frau im spanischen Roman nach dem Bürgerkrieg, Frankfurt, S. 20.

[12] Vgl. Johnson, Roberta und Zubiaurre (2012), Antología del pensamiento feminista espaňol 1726-2011, Ediciones Cátedra, Madrid, S. 303.

[13] Vgl. Valentino, Rodolfo (2010), Ehe, Familie und andere Lebensgemeinschaften in Spanien , S. 30.

[14] Vgl. Johnson, Roberta und Zubiaurre (2012), Antología del pensamiento feminista espaňol 1726-2011, Ediciones Cátedra, Madrid, S. 303.

[15] Vgl. Valentino, Rodolfo (2010), Ehe, Familie und andere Lebensgemeinschaften in Spanien , S.32.

[16] Vgl. ebd. S. 33f.

[17] Vgl. ebd. S. 36.

[18] Vgl. Valentino, Rudolfo (2010), Ehe, Familie und andere Lebensgemeinschaften in Spanien , S.30.

[19] Vgl. ebd. S. 38.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die spanische Gesellschaft zwischen Franquismus und Demokratie in Bezug auf Frauen und Erotik in Almudena Grandes “Las Edades de Lulú“
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Romanistik)
Veranstaltung
Literatura - compromiso - mercado: la obra literaria de Almudena Grandes
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
17
Katalognummer
V317580
ISBN (eBook)
9783668166691
ISBN (Buch)
9783668166707
Dateigröße
1012 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Mit spanischen Zitaten aus dem Buch "Las Edades de Lulú".
Schlagworte
gesellschaft, franquismus, demokratie, bezug, frauen, erotik, almudena, grandes, edades, lulú
Arbeit zitieren
Leonie Schwedek (Autor:in), 2014, Die spanische Gesellschaft zwischen Franquismus und Demokratie in Bezug auf Frauen und Erotik in Almudena Grandes “Las Edades de Lulú“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317580

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