Lernen in der modernen Personalentwicklung

Wohin geht die Reise?


Master's Thesis, 2015

158 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


INHALTSVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Methodik
1.4 Aufbau

2 Theoretische Grundlagen zur Personalentwicklung
2.1 Personalentwicklung als Teilbereich des Personalmanagements
2.2 Grundlagen der Personalentwicklung
2.3 Begriffsbestimmung
2.4 Inhalte der Personalentwicklung
2.4.1 Bildung
2.4.2 Förderung
2.4.3 Organisationsentwicklung
2.5 Ziele der Personalentwicklung
2.6 Funktionszyklus der Personalentwicklung
2.7 Instrumente der Personalentwicklung
2.8 Herausforderungen für die Personalentwicklung

3 Lehr- und lerntheoretische Hintergründe
3.1 Lernen und Lernebenen
3.2 Entwicklungen der Lerntheorien
3.2.1 Behaviorismus
3.2.2 Kognitivismus
3.2.3 Konstruktivismus
3.2.4 Konnektivismus
3.2.5 Gegenüberstellung der Hauptunterschiede
3.3 Lernkultur des 21. Jahrhunderts

4 Lernformen im digitalen Zeitalter
4.1 E-Learning
4.1.1 Begriffsbestimmung
4.1.2 Stärken und Schwächen
4.1.3 Wandel der Lernformen
4.1.3.1 Entwicklungsstufen
4.1.3.2 Formen des digitalen Lernens
4.1.4 Didaktisch-methodische Gestaltung
4.1.5 Ausblick
4.2 Begriffe zum E-Learning
4.2.1 Enterprise 2.0
4.2.2 Social Media Prism
4.2.3 TOP 100 Tools for Learning

5 Lernen in der Zukunft
5.1 Ergebnisse aus Studien
5.2 Entwicklungen im betrieblichen Lernen in naher Zukunft
5.2.1 Kompetenzaufbau
5.2.2 Lernkultur
5.2.2.1 Workplace Learning
5.2.2.2 Lernende Organisation
5.2.2.3 Open Educational Resources
5.2.2.4 MOOC
5.2.3 Lernen im Netz
5.2.4 Lerntechnologie
5.3 Ausblick: Lernen im Jahr 2025

6 Empirischer Teil
6.1 Konzeption
6.1.1 Methodik
6.1.2 Thematik
6.1.3 Suchstrategie
6.2. Durchführung
6.2.1 Social Learning
6.2.2 Blended Learning
6.2.3 Mobile Learning
6.2.4 Micro Learning
6.2.5 Game Based Learning
6.2.6 MOOCs
6.3 Ergebnisse
6.3.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
6.3.2 Kritische Reflexion der methodischen Vorgehensweise

7 Praktische Umsetzung in der Personalentwicklung
7.1 Kriterien und Erfolgsfaktoren für den Einsatz der Lernformen
7.2 Neue Rolle der Personalentwicklung

8 Fazit
8.1 Ergebnisse der Arbeit
8.2 Schlussfolgerungen
8.3 Persönliche Reflexion

Literaturverzeichnis

Anhang

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Ausgewählte Definitionen zur PE

Tabelle 2: Inhalte der PE

Tabelle 3: Gegenüberstellung von formellem und informellem Lernen

Tabelle 4: Stärken und Schwächen von E-Learning

Tabelle 5: Top 10 DER Lernwerkzeuge

Tabelle 6: Untersuchungskriterien mit jeweiligen Leitfragen

Tabelle 7: Übersicht der Suchbegriffe pro Lernform

Tabelle 8: Ein- und Ausschlusskriterien der Studien

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Aufbau der Arbeit

Abbildung 2: Werteentwicklung verschiedener Wissensarten

Abbildung 3: Funktionszyklus systematischer PE

Abbildung 4: Einteilung der Methoden der PE

Abbildung 5: Gegenüberstellung der Hauptunterschiede der Lerntheorien

Abbildung 6: 70:20:10-Modell des betrieblichen Lernens

Abbildung 7: Rahmenbedingungen des Lernens in der Zukunft

Abbildung 8: Entwicklungsstufen des E-Learning

Abbildung 9: Formen des digitalen Lernens

Abbildung 10: Didaktisch-methodischer Entwicklungskreislauf einer betrieblichen Lernkonzeption

Abbildung 11: Entwicklungen im betrieblichen Lernen

Abbildung 12: Stufen des Workplace Learning

Abbildung 13: Schritte einer systematischen Übersichtsarbeit

Abbildung 14: Blended Learning Phasen

1 EINLEITUNG

1.1 PROBLEMSTELLUNG

Die Zukunft der Personalentwicklung (PE) eines Unternehmens ist durch viele äu- ßere Einflüsse geprägt. In einschlägiger Fachliteratur und Fachzeitschriften häufen sich Textpassagen, in denen von Megatrends, wie z. B. der demografischen Ent- wicklung und der damit einhergehenden Alterung der Gesellschaft die Rede ist. Ebenso wird die rasante Entwicklung des Internets sowie die steigende Bedeutung der sozialen Medien und des Web 2.0 ständig thematisiert. Die Notwendigkeit von lebenslangem Lernen und einer Lernkultur, getrieben von den sogenannten digital natives1, bekommen einen immer größeren Stellenwert. Diese und weitere unzäh- lige Trends und Entwicklungen haben allesamt ein hohes Innovationspotenzial und sind daher für viele Bereiche von großer Wichtigkeit, unter anderem auch für die Arbeit der PE. Besonders die Globalisierung und der Einsatz neuer Technolo- gien beschleunigen diese Trends fortwährend, so dass das folgende Zitat weiter an Brisanz gewinnt:

Lernen ist wie Rudern gegen den Strom, wer aufhört, der treibt zurück (Hofmann und Regnet 2000, S. 13).

Da Wissen als wichtiger Wettbewerbsfaktor auf dem Markt gilt, wird es immer be- deutender, Antworten auf die Frage zu finden, wie dieses Wissen optimal weiter- gegeben bzw. genutzt werden kann. Im Zuge des aktuellen technologischen Wan- dels und der rasanten Entwicklungen haben sich auch die Angebote auf dem Wei- terbildungsmarkt spürbar geändert. Durch die dynamische Vielfalt an neuen Lern- möglichkeiten entsteht für den einen oder anderen Weiterbildungsanbieter ein un- übersichtliches Angebot an Maßnahmen. Angesichts dessen herrscht in manchen Unternehmen Unsicherheit bezüglich der optimalen Auswahl und des Einsatzes dieser weitgreifenden Möglichkeiten. Der Wandel im Lernen ist bereits in vollem Gange, muss von der PE eines Unternehmens jedoch im Alltag noch bestmöglich aufgegriffen werden. Diese Thematik fasst die vorliegende Arbeit auf und setzt sich zum Ziel, das Lernen in der PE in diesem Sinne zu untersuchen und zu ana- lysieren, wohin die zukünftige Reise gehen wird. Die Arbeit greift verschiedene Fragen auf, die durch die Digitalisierung der Lernbranche entstehen: Wie kann bzw. sollte ein modernes Lernsystem heutzutage aussehen? Wie wird heute überhaupt gelernt? Welche Veränderungen beeinflussen die Rolle der PE? Diese und weitere Fragen werden im Folgenden geklärt.

1.2 ZIELSETZUNG

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es also, das zukünftige Lernen und moderne Lernmethoden in der PE zu untersuchen. Eine zentrale Bedeutung für die Arbeit trägt die Leitforschungsfrage: „Lernen in der modernen Personalentwicklung - Wohin geht die Reise?“. Im Verlauf der Arbeit dienen die nachfolgenden zehn Teilforschungsfragen der Beantwortung dieser Leitforschungsfrage. In Kapitel 2 werden zunächst die bisher existierenden Lerninstrumente der PE dargestellt. Auf- tretende Herausforderungen der PE, welche durch die rasanten Entwicklungen unterschiedlichster Bereiche entstehen, sind zu berücksichtigen. Sie haben einen entscheidenden Einfluss auf das Lernen in der PE. Hierbei lassen sich zunächst folgende Forschungsfragen ableiten:

1. Welche Instrumente existieren in der PE bisher?

2. Welche Herausforderungen beeinflussen das Lernen in der modernen PE?

Um den Fokus auf das Thema „Lernen“ zu lenken, ist es nun notwendig, den Lernbegriff detailliert zu untersuchen sowie die Veränderungen des Lernens hinsichtlich der existierenden Lerntheorien darzustellen. Ziel ist die Untersuchung der gegenwärtigen Lernkultur. Dies geht aus folgender Forschungsfrage hervor, welche in Kapitel 3 beantwortet wird:

3. Durch welche Faktoren wird die gegenwärtige Lernkultur im Unternehmen gekennzeichnet?

Die nachfolgenden zwei Forschungsfragen zielen auf diejenigen Lernformen ab, welche durch die Digitalisierung im Unternehmen als Möglichkeit bestehen und fokussieren den derzeitigen Wandel der Lernlandschaft. Die Beantwortung der Fragen findet sich im vierten Kapitel der Arbeit.

4. Welche Lernformen bestehen im digitalen Zeitalter?

5. Wie hat sich die Lernlandschaft gewandelt?

Nachdem ein besseres Verständnis von bisherigen Lerninstrumenten und Metho- den der PE sowie der Begriff des Lernens und die Lernformen im digitalen Zeital- ter erarbeitet wurden, wird der Bick nun auf die Zukunft gerichtet. Um das Lernen in der modernen PE zu untersuchen, werden wichtige Entwicklungen für zukünfti- ge Lernkonzeptionen erläutert und moderne Lernumgebungen erforscht. Folgende Forschungsfragen, welche im fünften Kapitel beantwortet werden, greifen dies auf:

6. Welche Entwicklungen spielen in zukünftigen Lernkonzeptionen eine be- deutende Rolle?

7. Wie können moderne Lernumgebungen in Unternehmen und Organisatio- nen zukünftig aussehen?

Im daran anschließenden empirischen Teil bzw. im sechsten Kapitel der Arbeit werden mithilfe eines systematischen Reviews sechs Lernformen detailliert untersucht und deren zukünftige Rolle im betrieblichen Lernen ermittelt. Dies greift folgende Teilforschungsfrage auf:

8. Welche Rolle spielen die untersuchten Lernformen in der Zukunft?

Abschließend geht es um die praktische Umsetzung der Lernformen im Unternehmen. Hierbei werden Kriterien und Erfolgsfaktoren für den optimalen Einsatz der Technologien dargelegt und die zukünftige Rolle der PE erläutert. Die zwei nachfolgenden Forschungsfragen tragen hier bedeutende Relevanz. Die Beantwortung der Fragen findet sich in Kapitel 7.

9. Welche Kriterien und Erfolgsfaktoren bestehen beim Einsatz von Technologien und Lernformen in der modernen PE?

10. Welche Rolle nimmt die PE zukünftig ein?

1.3 METHODIK

Wichtige Informationsquellen zur Beantwortung der Forschungsfragen stellen na- tionale und internationale Fachliteratur sowie eine intensive Internetrecherche dar. Kapitel zwei bis fünf sowie das siebte Kapitel basieren auf Literaturrecherche und stellen daher theoretische Ausarbeitungen dar. Im sechsten Kapitel wird als For- schungsmethodik das systematische Review angewandt. An dieser Stelle werden unterschiedliche wissenschaftliche Studien hinsichtlich festgelegter Untersu- chungskriterien analysiert, zusammengefasst und abschließend bewertet. Eine detaillierte Beschreibung der angewandten Methodik des empirischen Teils der Arbeit findet sich in Kapitel 6.1. Ziel der theoretischen Forschung und der empiri- schen Untersuchung ist die Zusammenführung der Ergebnisse im Hinblick auf die Forschungsfrage sowie die Ableitung von praxisnahen Schlussfolgerungen für die PE.

1.4 AUFBAU

Die folgende Abbildung zeigt die Gliederung der Arbeit, welche der Erreichung der oben genannten Forschungsziele dienen soll:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNG 1: AUFBAU DER ARBEIT Eigene Darstellung

Nach der Einleitung werden zunächst im zweiten Kapitel die theoretischen Grund- lagen der PE dargelegt (Forschungsfrage 1 und 2). Das dritte Kapitel zielt auf lehr- und lerntheoretischen Hintergründe, welche für das weitere Verständnis der The- matik notwendig sind (Forschungsfrage 3). Über die Lernformen, welche im digita- len Zeitalter bestehen, handelt das vierte Kapitel (Forschungsfrage 4 und 5). Im fünften Kapitel wird daraufhin das Lernen in der Zukunft, im Hinblick auf die Ent- wicklungen im betrieblichen Lernen, betrachtet (Forschungsfrage 6 und 7). Das sechste Kapitel stellt den empirischen Anteil der Arbeit dar. Ausgewählte Lernfor- men werden auf ihre zukünftige Rolle im betrieblichen Lernen untersucht (For- schungsfrage 8). Nachdem die Lernformen und die auftretenden Veränderungen im zukünftigen, betrieblichen Lernen ausführlich dargestellt wurden, zielt das sieb- te Kapitel auf die optimale Umsetzung in der PE ab (Forschungsfrage 9 und 10). Auf Basis der theoretischen und empirischen Ergebnisse des systematischen Re- views können schließlich im achten Kapitel die Ergebnisse der Arbeit zusammen- gefasst und Schlussfolgerungen abgeleitet werden.

2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN ZUR PERSONALENTWICKLUNG

Dieses Kapitel zielt darauf ab, eine umfassende Einführung in die theoretischen Grundlagen der PE zu geben. Anfangs wird die PE als Teilbereich des Personalmanagements eingeordnet, die Grundlagen werden dargestellt und der Begriff systematisch definiert. Weiterhin werden die Inhalte der PE sowie deren Ziele erläutert. Im Anschluss folgt die Beschreibung des Funktionszyklus der PE, die Betrachtung von ausgewählten, existierenden Instrumenten sowie abschließend die Untersuchung gegenwärtiger Herausforderungen für die PE.

Das zweite Kapitel trägt zur Beantwortung folgender Forschungsfragen bei:

1. Welche Instrumente existieren in der PE bisher?
2. Welche Herausforderungen beeinflussen das Lernen in der modernen PE?

2.1 PERSONALENTWICKLUNG ALS TEILBEREICH DES PERSONALMANAGEMENTS

Nach dem Verständnis des Autors Stock-Homburg konzentriert sich das Perso- nalmanagement auf drei Aufgabenbereiche: die Gestaltung der Personalmanage- ment-Systeme, die Führung von Mitarbeitern2 und Teams und den Umgang mit den Herausforderungen des Personalmanagements3. Der erste Gegenstandsbe- reich, die Gestaltung der Personalmanagement-Systeme, wird auch als Perso- nalmanagement auf Makroebene bezeichnet, da die jeweiligen Aktivitäten die Un- ternehmensebene betreffen. Der hier weit verbreitete Harvard-Ansatz systemati- siert die Personalmanagement-Systeme weitergehend in Mitarbeiterflusssysteme und Belohnungssysteme. Der Teilbereich PE ist in die Mitarbeiterflusssysteme einzuordnen. Diese „bilden Bewegungen in der Mitarbeiterstruktur eines Unter- nehmens ab“ (Stock-Homburg 2013, S. 17). Weitere Bestandteile der Mitarbeiter- flusssysteme sind die Personalbedarfsplanung, die Personalgewinnung sowie die Personalfreisetzung. Die Belohnungssysteme „konzentrieren sich darauf, Leis- tungsanreize für Führungskräfte und Mitarbeiter zu schaffen“ (ebd., S. 17). We- sentliche Bestandteile hierbei sind die Personalbeurteilung und -vergütung. Der zweite Gegenstandsbereich des Personalmanagements, die Führung von Mitar- beitern, findet auf Mikroebene statt. Im Mittelpunkt stehen die einzelnen Mitarbei- ter und die Beeinflussung von Einstellung und Verhaltensweisen durch die Füh- rungsperson. Die neuen Herausforderungen und Themenbereiche, wie z. B. der Umgang mit immer älter werdenden Führungskräften und Mitarbeitern oder dem Gesundheitsmanagement, stellen den dritten Gegenstandsbereich des Personal- managements dar. Die Makro- und die Mikroebene ergänzen sich gegenseitig, nehmen jedoch auch unterschiedliche Aufgaben wahr und sind im Hinblick auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens abzustimmen (vgl. ebd., S. 18). Die Bedeutung der PE als wissenschaftliche Teildisziplin des Personalmanagements hat sich in den letzten Jahren sehr stark entwickelt, was durch eine Vielzahl an Publikationen und Forschungen deutlich wird (vgl. Becker 2013, S. 151; Sonntag 2006, S. 19). Sie bezieht ihr Wissen nicht nur aus betriebswirtschaftlichen For- schungen und Entwicklungen, vielmehr werden Erkenntnisse auch aus der Psy- chologie, der Pädagogik, der Rechtswissenschaft und der Soziologie mit einbezo- gen (vgl. Müller-Vorbrüggen 2010, S. 6).

2.2 GRUNDLAGEN DER PERSONALENTWICKLUNG

Unternehmen agieren heutzutage in einem sehr dynamischen Umfeld. Nicht nur die allgemein wachsende Dynamik sondern auch die zunehmende Komplexität und eine daraus resultierende Unsicherheit bedürfen einer systematischen PE (vgl. Becker 2013, S. 3). Die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens hängt immer mehr von qualifizierten Führungskräften und Mitarbeitern ab. Aufgrund der Prob- lematik des Führungs- und Fachkräftemangels setzen Unternehmen verstärkt da- rauf, ihr beschäftigtes Personal zu binden und gezielt weiterzuentwickeln. Die PE trägt daher in bedeutendem Maße zum Unternehmenserfolg bei (vgl. Stock- Homburg 2013, S. 202). Aufgrund der Globalisierung, den veränderten Wettbe- werbsbedingungen, den technologischen Entwicklungen und dem enormen Zu- wachs an Informationen wird die Halbwertszeit von Wissen4 kontinuierlich kürzer. Das lebenslange Lernen wird an dieser Stelle unverzichtbar, da heutzutage eine einmal erworbene Qualifikation nicht mehr für das ganze Berufsleben ausreicht (vgl. ebd., S. 202; Nicolai 2014, S. 335). In folgender Abbildung wird die Wertent- wicklung verschiedener Wissensarten im Zeitverlauf dargestellt. Dabei wird deut- lich, dass berufliches Fachwissen, Technologiewissen und EDV-Fachwissen be- sonders schnell veralten. Berufliches Wissen trägt eine Halbwertszeit von fünf Jahren, Technologiewissen hingegen halbiert sich nach drei Jahren und EDVFachwissen beispielsweise nach einem Jahr (vgl. Scholz 2014a, S. 269). Diese Zahlen verdeutlichen die besonders große Bedeutung der Personalentwicklungsmaßnahmen (PEMn) in Bezug darauf neues Wissen zu erschließen, Spezialwissen zu aktualisieren und die Mitarbeiter eines Unternehmens regelmäßig zu schulen, um die ständig wachsenden Anforderungen an den Lernenden zu erfüllen und notwendige Kompetenzen auszubilden (vgl. Abicht und Dubiel 2003, S. 155; Stock-Homburg 2013, S. 202). Nur so können Unternehmen langfristig wettbewerbsfähig bleiben, denn der Erfolg wie auch die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens hängen zunehmend von den Fähigkeiten seiner Beschäftigten ab (vgl. Nicolai 2014, S. 336; Stock-Homburg 2013, S. 202).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNG 2: WERTEENTWICKLUNG VERSCHIEDENER WISSENSARTEN Darstellung in Anlehnung an Scholz 2014a, S. 269

Ein weiterer zu berücksichtigender Aspekt ist die branchenspezifische Wissensre- levanzzeit5. In einigen Branchen muss Wissen viel stärker durch Entwicklungs- maßnahmen aktualisiert werden, um wertschöpfungsrelevant zu bleiben. Bei- spielsweise beträgt die Wissensrelevanzzeit im öffentlichen Dienst zehn Jahre, in der IT-Branche hingegen zwei Jahre6. Dies verdeutlicht die erhöhte Notwendigkeit von Weiterbildungsmaßnahmen in bestimmten Branchen, um den neusten Entwicklungen standhalten zu können (vgl. Scholz 2014a, S. 270).

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kam in einer Studie7 zu dem Ergebnis, dass in der BRD jährlich 4,5 Mrd. Euro an zusätzlicher Wertschöpfung durch fehlende Weiterbildung verloren gehen. Deutschland liegt bei der Weiterbil- dungsbeteiligung im europäischen Vergleich auf den Schlussplätzen. Die berufli- che Qualifizierung hat nicht nur beachtliche Auswirkungen auf die Gesamtwirt- schaft, sondern auch auf den Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Durch Investitionen im Personalbereich werden Grundsteine für den zukünftigen wirtschaftlichen und beruflichen Erfolg gelegt (vgl. o. A. 2008). Es wird deutlich, dass der Stellenwert der PE enorm ist. Je umfassender diese betrieben wird, desto wertvoller ist der hieraus entstehende Nutzen für das Unternehmen. Innovationen hinsichtlich Pro- dukten, Technik und Management setzen eine systematische Weiterentwicklung des Personals voraus (vgl. Berthel und Becker 2013, S. 426).

2.3 BEGRIFFSBESTIMMUNG

In der Literatur existieren verschiedenste Definitionen von PE, welche unterschied- lich weit gefasst sind. Dies zeigt, dass der Begriff von Heterogenität und Unschär- fe gekennzeichnet ist (vgl. Becker 2013, S. 3). Zur weitergehenden Information werden in folgender Tabelle ausgewählte Definitionen chronologisch vorgestellt, wodurch die PE eingegrenzt wird und abschließend allgemeine, wesentliche Merkmale formuliert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

TABELLE 1: AUSGEWÄHLTE DEFINITIONEN ZUR PE Eigene Darstellung

In älteren Definitionen findet sich fast durchgängig die Begrifflichkeit der Qualifika- tion der Mitarbeiter wieder (siehe Definition von Conradi in Tab. 1). Dabei umfas- sen Qualifikationen die Kenntnisse (explizites und implizites Wissen), Fähigkeiten (kognitive, psychische und physische Basis für Handlungen) und Fertigkeiten (er- lernbares Können) der Mitarbeiter (vgl. Becker 2013, S. 6f.). In aktueller Literatur wird der Begriff der Qualifikation häufig durch den Begriff der Kompetenz abgelöst (siehe Definition von Solga, Ryschka und Mattenklott in Tab.1). Kompetenzen be- inhalten dabei die Fähigkeit, komplexe und neuartige Aufgaben selbstorganisiert zu bewältigen. Die Weiterentwicklung der PE zeichnet sich somit auch in den De- finitionen ab: es wird ein erweitertes Verständnis zugrunde gelegt, in dem PE nicht nur die Verbesserung von Qualifikationen, sondern auch die Entwicklung von Kompetenzen umfasst (vgl. Widmann 2008, S. 79). Des Weiteren lässt sich die Entwicklung der PE in der Verwendung der Begrifflichkeiten Bildung und Förde- rung ablesen. Sowohl Homburg als auch Becker sehen die Bildung und die Förderung als zentrale Inhalte der PE. Becker bezieht zusätzlich eine dritte Säule, die Maßnahmen zur Organisationsentwicklung (OE), mit ein. Festzuhalten ist somit, dass die PE drei Säulen beinhaltet: Bildung, Förderung und OE8. PE und OE sind eng miteinander verknüpft und trotzdem zu unterscheiden. Die OE fokussiert das ganze System und dessen Veränderungs-prozesse. Die PE hingegen sieht den Menschen im Vordergrund. OE und PE-Aktivitäten müssen miteinander koordiniert werden und dürfen nicht gegenläufig wirken.

Zusammenfassend wird die PE im Wesentlichen durch folgende Merkmale charakterisiert:

- Individuelle Bildung und Förderung
- Erweiterung von Qualifikationen und Kompetenzen
- Beachtung der Interessen der Mitarbeiter
- Interventionen auf Ebene der gesamten Organisation

2.4 INHALTE DER PERSONALENTWICKLUNG

Die PE beschäftigt sich mit Maßnahmen der Bildung (PE im engen Sinn), der Förderung (PE im erweiterten Sinn) und der OE (PE im weiten Sinn). Folgende Tabelle listet die unterschiedlichen Inhalte der PE auf. Angesichts des immensen Umfangs der einzelnen Bereiche ist es an dieser Stelle nicht zielführend, jeden Bereich detailliert zu erläutern. In den Unterkapiteln 2.4.1, 2.4.2 und 2.4.3 werden die wichtigsten Inhalte kurz dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

TABELLE 2: INHALTE DER PE Eigene Darstellung in Anlehnung an Becker 2013, S. 4

Festzuhalten ist, dass das Ziel aller PEMn die Vermittlung, Förderung, Erhaltung und Aktualisierung von Kompetenzen ist (vgl. Sonntag 2002, S. 62). Von großer Bedeutung ist an dieser Stelle die Erhöhung der Handlungskompetenz von einzel- nen Mitarbeitern. Diese setzt sich aus folgenden drei Komponenten zusammen:

- Fachliche Kompetenz: Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche für die fachli- che Bewältigung bestimmter Berufsaufgaben benötigt wird (vgl. Berthel und Becker 2013, S. 420; Scholz 2014a, S. 267).
- Soziale Kompetenz: Generelle Verhaltensregeln und Verhaltensweisen zur Befähigung einer Tätigkeit in Gruppen unterschiedlicher Struktur. Die soziale Kompetenz dient als Voraussetzung für einen erfolgreichen Um- gang mit Führungskräften, Kollegen und Kunden (vgl. Berthel und Becker 2013, S. 420; Scholz 2014a, S. 267)
- Methodische Kompetenz: Wissen und Fähigkeiten, systematische Vorge- hensweisen und Arbeits- und Managementmethoden gezielt einsetzen, so- dass Ziele umfassend erreicht werden. Als Einzelfähigkeiten werden hier z. B. kritisches, analytisches und vernetztes Denken sowie eine Lernfähigkeit verstanden (vgl. Berthel und Becker 2013, S. 420; Scholz 2014a, S. 267).

Wenn alle drei Bereiche berücksichtigt werden, spricht man von einer ganzheitlichen Qualifikation. So gilt ein Mitarbeiter als kompetent, wenn er über Fertigkeiten und Fähigkeiten in allen Kompetenzfeldern verfügt. PEMn sollten sich nicht nur auf einen Bereich konzentrieren, sondern immer alle drei Teilbereiche und Fähigkeiten mit einbeziehen (vgl. Scholz 2014a, S. 268).

2.4.1 BILDUNG

Die Bildung ist der traditionelle Bereich der PE. Kernbereiche sind die Berufsausbildung, die Berufsausbildungsvorbereitung, die berufliche Weiterbildung und die berufliche Umschulung. An dieser Stelle werden die für das weitere Verständnis der Arbeit notwendigen Begriffe definiert.

- Berufsausbildung: Darunter versteht man Maßnahmen, welche zielgerich- tet und methodisch geplant werden. Mit der Realisierung und Evaluierung der Maßnahmen führt dies schließlich zu einer anerkannten Ausbildung (vgl. Becker 2013, S. 265).
- Führungsbildung: „Führungsbildung umfasst alle Maßnahmen der indivi- duellen, beruflichen Entwicklung von Führungskräften und Führungsnach- wuchskräften, die von einer Person oder Organisation zielbezogen und sys- tematisch durchgeführt und evaluiert werden. Führungsbildung dient der Si- cherung des Führungsnachwuchses und der Verwirklichung der Karriere- ziele aufstiegsorientierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ (ebd., S. 338).
- Berufliche Weiterbildung: Nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) wer- den darunter alle Aktivitäten verstanden, welche der „Erhaltung, Erweite- rung und Anpassung beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten dienen und es ermöglichen, beruflich aufzusteigen (§1 BBiG)“ (ebd., S. 306).

Unter den Überbegriff „Weiterbildung“ fallen zusätzlich die Begriffe Fortbildung und Umschulung.

- Fortbildung: Hierbei handelt es sich um eine Vertiefung von Wissen und Können, welches nach abgeschlossener Berufsausbildung auf einer glei- chen beruflichen Ebene erfolgt (vgl. ebd., S. 307).
- Umschulung: Die Umschulung hingegen zielt auf das Erlernen einer ande- ren als die zuvor ausgeübte Tätigkeit bzw. Berufs ab (vgl. ebd., S. 307).

An dieser Stelle wird das Kapitel Bildung auf die wichtigsten Definitionen be- schränkt. Im weiteren Teil der Arbeit werden der derzeitige Wandel der Weiterbil- dungslandschaft, ausgelöst durch ökonomische, technologische und soziale As- pekte, und die neuen Anforderungen an moderne Weiterbildungsmaßnahmen detailliert erläutert9.

2.4.2 FÖRDERUNG

Die PE im erweiterten Sinne umfasst neben der Bildung die Förderung, welche Becker wie folgt bestimmt:

Förderung umfasst alle Maßnahmen, die von einer Person oder Organisation zur Stabilisierung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit und zur beruflichen Entwicklung zielgerichtet, systematisch und methodisch geplant, realisiert und evaluiert werden (Becker 2013, S. 447).

Wie bereits erläutert, ändern sich die Anforderungen an die Beschäftigten durch einige externe Effekte, wie z. B. die Globalisierung oder dem technischen und so- zialen Wandel, ständig. Eine gezielte Förderung des Personals ist unabdingbar. Die Förderung wird zum Boom-Bereich der PE, da der Erfolg dynamischer Unter- nehmen in starkem Maß von den Leistungen und den Verhaltensweisen der Leis- tungsträger abhängt. Aufgabenbereiche der Förderung sind unter anderem die Potenziale der Mitarbeiter zu ermitteln, Anforderungen zu bestimmen, Leistung und Verhalten in Mitarbeitergesprächen zu erheben und zu beurteilen. Als Instru- mente dienen hierfür z. B. Coaching, Mentoring und Betreuung sowie die Beratung von Auslandseinsätzen (vgl. ebd., S. 447). Durch die Maßnahme der Förderung sollen die Mitarbeiter bei der Bewältigung ihrer Aufgaben in einer immer komple- xer werdenden Arbeits- und Berufswelt unterstützt werden (vgl. ebd., S. 448).

2.4.3 ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Die Organisationsentwicklung ist Teilgebiet der PE, da die drei Bereiche Bildung, Förderung und OE als PE im weiten Sinne definiert werden.

Organisationentwicklung soll verstanden werden als dauerhafter, managementgelei- teter zielbezogener Prozess der Veränderung von Strukturen, Prozessen, Personen und Beziehungen, die eine Organisation systematisch plant, realisiert und evaluiert. OE ist ein Konzept des übergreifenden ganzheitlichen und geplanten Wandels (Be- cker 2013, S. 722).

Fokussiert auf die zielorientierte Gestaltung und Entwicklung von Organisationen, stellt die OE sicher, dass personale und prozessuale Aspekte den Anforderungen der Unternehmen entsprechen (vgl. ebd., S. 719).

2.5 ZIELE DER PERSONALENTWICKLUNG

Das grundsätzliche Ziel der PE ist die Sicherstellung der Übereinstimmung von arbeitsplatzbezogenen Anforderungen und personenbezogenen Qualifikationen. Letztere sollen aufgebaut werden und entsprechend ein Qualifikationsabbau ver- mieden werden (vgl. Berthel und Becker 2013, S. 396). Daran anknüpfend lassen sich nach den Interessenten differenzierte Zielsetzungen des Unternehmens, der Mitarbeiter und der Gesellschaft unterscheiden, welche nachfolgend stichpunktar- tig dargelegt werden (vgl. Stock-Homburg 2013, S. 209f.; Nicolai 2014, S. 343f.; Scherm und Süß 2010, S. 97; Treier 2009, S. 149f.; Berthel und Becker 2013, S. 422ff.). Ziele der PE aus Unternehmenssicht leiten sich aus dem strategischen Zielsystem des Unternehmens ab, denn die PE soll dazu beitragen, diese Ziele langfristig zu erreichen (vgl. Nicolai 2014, S. 343). Die Ziele der Beschäftigten sind aufgrund unterschiedlicher Erwartungen, Normen, Motiven und Werten jedoch sehr individuell. Eine abschließende Aufzählung ist daher nicht möglich (vgl. Ber- thel und Becker 2013, S. 424).

Ziele der PE aus Sicht des Unternehmens

- Steigerung der Effizienz und der Effektivität von Führungskräften bzw. Mit- arbeitern
- Sicherung des Bestandes an Führungskräften bzw. Mitarbeitern in qualitati- ver und quantitativer Hinsicht
- Erhöhung der Flexibilität im Personaleinsatz
- Erhöhung der Anpassungsfähigkeit der Führungskräfte bzw. der Mitarbeiter hinsichtlich neuer Anforderungen
- Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt
- Imageverbesserung auf dem externen und internen Arbeitsmarkt
- Steigerung des Commitments10, der Motivation und der Arbeitszufriedenheit von Führungskräften und Mitarbeitern
- Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit
- Umgang mit dem Fachkräftemangel und dem demographischen Wandel o Umgang mit kultureller Diversität

Ziele der PE aus Sicht der Beschäftigten

- Steigerung der Motivation und der Arbeitszufriedenheit
- Gewährleistung von Möglichkeiten zur Verbesserung persönlicher und fach- licher Qualifikationen
- Schaffung von Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung
- Stabilisierung und Erhaltung des eigenen Arbeitsplatzes
- Steigerung der individuellen Mobilität auf dem Arbeitsmarkt
- Verbesserung der Karriere- und Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb und au- ßerhalb eines Unternehmens
- Sicherung der beruflichen und gesellschaftlichen Stellung
- Verbesserung des Einkommens

Über die Ziele aus Sicht des Unternehmens und der Beschäftigten, lassen sich auch solche aus gesellschaftlicher Sicht formulieren.

Ziele der PE aus Sicht der Gesellschaft

- Erhalt und Förderung von gesellschaftlichem Humankapital
- Verringerung der Arbeitslosigkeit
- Senkung der Sozialkosten
- Humanisierung des Arbeitslebens
- Freie Persönlichkeitsentfaltung
- Sicherung des Standortes

2.6 FUNKTIONSZYKLUS DER PERSONALENTWICKLUNG

Zur optimalen Gestaltung von PE dient als ein ganzheitlicher Prozess der soge- nannte Funktionszyklus, welcher im folgenden Kapitel vorgestellt wird. Unter diesem Begriff versteht man ein „aufeinander abgestimmtes systematisches Verfahren zur Planung, Realisierung, Steuerung und Kontrolle der Personalent- wicklung“ (Becker 2011, S. 19). Die einzelnen Phasen können als Systemelemen- te gesehen werden, welche zusammen das System Funktionszyklus bilden (vgl. ebd., S. 21). Der Funktionszyklus umfasst, wie in Abbildung 3 dargestellt, die Be- darfsanalyse, die Zielsetzung, das kreative Gestalten, die Durchführung, die Er- folgskontrolle und abschließend die Transfersicherung. Die in Kapitel 2.4 vorge- stellten Inhalte der PE (Bildung, Förderung und OE) klären die Handlungsfelder der PE. Im Funktionszyklus wird die „effiziente und effektive Verfahrensweise zur systematischen Realisierung der Personalentwicklung“ erläutert (ebd., S. 22). Das methodische Konzept ist die Voraussetzung zur Erzielung der Effektivität und Effi- zienz der PE. Des Weiteren werden durch den Einsatz des Funktionszyklus die erforderlichen Ressourcen der PE gesichert und die notwendige Akzeptanz geschaffen (vgl. Becker 2013, S. 824).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNG 3: FUNKTIONSZYKLUS SYSTEMATISCHER PE Eigene Darstellung in Anlehnung an Becker 2011, S. 19

Im Folgenden werden die einzelnen Phasen kurz vorgestellt11 (vgl. Becker 2011, S. 20f.):

- Bedarfsanalyse: Hierzu zählen unterschiedliche Analysen zu Beginn eines Prozesses: die Anforderungs-, die Adressaten- und die Ursachenanalyse. Zunächst werden im Rahmen der Anforderungsanalyse gegenwärtige und zukünftige Tätigkeiten und Anforderungen ermittelt. Die Adressatenanalyse untersucht im nächsten Schritt die Ist-Befähigung der Mitarbeiter, d. h. ihre Qualifikation und Motivation sowie das vorhandene Potenzial, also die Leis- tungs- und Verhaltensreserven der Mitarbeiter. Das Ergebnis aus diesen beiden ersten Analysen zeigt, inwiefern die Mitarbeiter den Anforderungen entsprechend qualifiziert, bzw. unter- oder überqualifiziert sind. Weiterge- hend wird festgestellt, ob sie eine für die Aufgaben und die Zusammenar- beit notwendige Motivation zeigen. Zur Bedarfsanalyse zählt abschließend die Durchführung der Ursachenanalyse, welche herausfinden soll, ob even- tuell festgestellte Mängel begründet sind.
- Ziele setzen: Diese Phase ist von hoher Bedeutung und schließt direkt an die Bedarfsanalyse an. Hier wird die Reichweite der PE festgelegt, indem betriebliche und persönliche Ziele bestimmt werden, welche mit der PE erreicht werden sollen.
- Kreative Gestaltung: In dieser Phase wird die Infrastruktur - zeitlich, sach- lich und personell - der PE festgelegt. Konkret versteht sich darunter das optimale Festlegen von geeigneten Maßnahmen, den verantwortlichen Personen (Teilnehmern und Referenten) sowie der finanziellen Kostenplanung. Weitergehend geht es in der dritten Phase um die gezielte Lernorganisation und die zeitliche Abfolge der Maßnahmen.
- Durchführung: Die vierte Phase des Funktionszyklus ist schließlich die Durchführung und Realisierung der geplanten PEMn mit unterschiedlichem Arbeitsplatzbezug12.
- Erfolgskontrolle: In der fünften Phase werden die durchgeführten Maß- nahmen im Rahmen einer Erfolgskontrolle hinsichtlich pädagogischen und wirtschaftlichen Erfolges gemessen und bewertet. Diese Phase schließt die Aktivitäten im Lernfeld ab.
- Transfersicherung: Es wird überprüft, ob mithilfe der Maßnahmen die Mit- arbeiter dazu befähigt werden konnten, das Gelernte optimal in die Praxis umzusetzen.

2.7 INSTRUMENTE DER PERSONALENTWICKLUNG

Im Rahmen der Durchführungsphase (vierte Phase des Funktionszyklus) der ge- planten PEMn existiert eine Vielzahl an möglichen Instrumenten, um die Maß- nahmen umzusetzen. Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit können allerdings nicht alle davon detailliert erläutert werden. Die Ausführungen begren- zen sich hier auf kurze Beschreibungen einer Reihe der bekanntesten Instrumente. Das Prinzip der methodischen Ausgestaltung der PEM ist nicht nach bestimmten pädagogischen Prinzipien festgelegt. „Allerdings gilt - nach dem Primat der Didak- tik - dass die Methodenwahl von den Lehr- und Lernzielen und den Lehr- und Lerninhalten vorbestimmt ist“ (Becker 2011, S. 158). Darüber hinaus können ver- schiedene Entscheidungskriterien für die Wahl eines geeigneten Instruments in Betracht gezogen werden. Zu beurteilen sind hierbei das Entwicklungs- und För- derungsziel, die Persönlichkeit der zu fördernden Personen sowie das zur Verfü- gung stehende Budget (vgl. Krämer 2012, S. 53). Zusätzlich spielen situative Ein- flüsse, wie z. B. die konjunkturelle Situation eines Unternehmens, welche die fi- nanziellen Möglichkeiten eines Unternehmens, aber auch die derzeitige Auslastung der Mitarbeiter betreffen, sowie individuelle Präferenzen der Mitarbeiter weitere Entscheidungskriterien (vgl. Scherm und Süß 2010, S. 150). Denkbar ist in der Praxis auch eine Kombination von einzelnen Methoden13 (vgl. Krämer 2012, S. 53). Dieses Kapitel setzt sich zum Ziel, in Form eines Glossars, einen fundierten Überblick über gängige Instrumente und Basistechniken der PE zu geben, stets mit dem Blick auf das Thema „Lernen in der modernen PE“. Abschließend werden mögliche Kategorisierungen von PEMn vorgestellt.

- Assessment Center: eignungsdiagnostisches Verfahren, welches streng systematisch durchgeführt wird und der Rekrutierung externer und interner Bewerber dient. Fähigkeiten und Verhaltensweisen der Teilnehmer werden in wechselnden Situationen ermittelt, beurteilt und anschließend wird der am besten geeignete Kandidat ausgewählt (vgl. Grieger 2010a, S. 83f.; Becker 2013, S. 916).
- Auslandsentsendung: zeitlich begrenzter und beruflich bedingter Auslandsaufenthalt, meist von Fach- und Führungskräften. Diese wechseln auf eine bestimmte Position im Ausland und werden hier für den Entsender tätig (vgl. Spieß 2010, S. 98; Becker 2013, S. 916).
- Berufsausbildung: erstmaliger, systematischer Erwerb beruflicher Kenntnisse und Fähig- keiten, die den Berufstätigen in die Lage versetzt, seinen Beruf auszuführen. Die gesetzliche Grundlage dafür bildet das BBiG14 (vgl. Holtbrügge 2013, S. 135).
- Coaching Führungskräfte (Coachee) werden durch einen Berater (Coach) begleitet (vgl. Berthel und Becker 2013, S. 502). Im Vordergrund steht das kritische Überprüfen und Weiterentwickeln des eigenen Verhaltens (vgl. Remdisch 2010, S. 195).
- Corporate Universities: firmeneigene Weiterbildungszentren, die eine neuere Methode der PE darstellen. Ziel ist die konkrete Ausrichtung der Lerninhalte auf die Bedürfnisse des Unternehmens und die Vermittlung von unternehmensspezifischem Wissen (vgl. Holtbrüg- ge 2013, S. 139). Große Unternehmen wie z. B. Thyssen Krupp oder DaimlerChrysler ha- ben eigene Corporate Universities gegründet und betreiben hier Weiterbildung auf hohem Niveau (vgl. Krämer 2012, S. 65f.). Corporate Universities orientieren sich am Modell der Hochschulen, bspw. vergeben sie Zertifikate, welche akademischen Abschlüssen entspre- chen. Dabei sind sie stets an den Strategien der Organisation ausgerichtet (vgl. Seufert 2008, S. 280f.).
- E-Learning15: Lernform, bei der digitale Medien für die Präsentation und Distribution von Lernmaterialien eingesetzt werden. Der individuelle Lernprozess wird durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie unterstützt. Bei dieser Lernmethodik kann der Lernende Zeit, Dauer, Ort und Tempo des Lernprozesses selbst bestimmen (vgl. Berthel und Becker 2013, S. 514).
- Fallstudie: didaktisches Hilfsmittel, welches einen realen oder fiktiven betrieblichen Zu- sammenhang simuliert und ein konkretes Problem aufwirft. Ziel ist das Finden einer Lö- sung durch die Versetzung der Qualifizierenden in diese konkrete Situation (vgl. Scholz 2014a, S. 276).
- Feedback: bezeichnet in der Kommunikation eine besondere Form der Rückmeldung, bei der ein wahrgenommenes Verhalten einer Person rückwirkend beurteilt wird und das Ziel verfolgt, die Motivation und Leistung der Mitarbeiter langfristig zu steigern. Die Rückmel- dung sollte konstruktiv, konkret und verhaltensbezogen formuliert werden (vgl. Becker 2013, S. 922).
- Fortbildung: alle Maßnahmen, welche der Qualifikation am Arbeitsplatz dienen. Das BBiG definiert Fortbildung als „Vertiefung und Anpassung des in der Berufsausbildung erworbe- nen Wissens und Könnens“ (Becker 2013, S. 923). Die berufliche Weiterbildung wird oft als Synonym zur Fortbildung verwendet. Diese ist allerdings breiter gefasst und umfasst z. B. auch Umschulungen und betriebliche Weiterbildungen16 (vgl. ebd., S. 923).
- Job Enlargement: quantitative Erweiterung der Arbeitsaufgaben, d. h. der Aufgabenbe- reich wird um vor- und/oder nachgelagerte Aufgaben vergrößert (vgl. Berthel und Becker 2013, S. 470; Stock-Homburg 2013, S. 242).
- Job Enrichment: Übernahme von zusätzlichen Tätigkeiten durch eine Person, welche sich qualitativ von den bisherigen Aufgaben dieser Person unterscheiden. Im Idealfall führt diese Aufgabenbereicherung mit erhöhten Anforderungen zu einer Steigerung der Motivation (vgl. Berthel und Becker 2013, S. 471; Stock-Homburg 2013, S. 242).
- Job Rotation: planmäßiger Wechsel von Arbeitsplätzen, mit dem Ziel, Führungskräfte und Mitarbeiter individuell zu qualifizieren und weiterzubilden (vgl. Berthel und Becker 2013, S. 474; Stock-Homburg 2013, S. 243).
- Lernstatt: Kleingruppe von Arbeitern, welche sich freiwillig und selbstorganisiert in regel- mäßigen Abständen treffen, um ihr Grundwissen und ihre Erfahrungen über betriebliche Zusammenhänge und Tätigkeiten auszutauschen (vgl. Stock-Homburg 2013, S. 247; Berthel und Becker 2013, S. 509).
- Mediation: Beteiligung von Dritten zur Regelung von Konflikten und Problemen. Der Me- diator beteiligt sich in neutraler Weise mit dem Ziel der Einigung. Die PE kann in vielfältiger Art und Weise als Mediator auftreten, z. B. bei der Durchsetzung von Weiterbildungswünschen der Mitarbeiter gegenüber den Führungskräften (vgl. Becker 2013, S. 931).
- Mentoring: Betreuungsprozess, in welchem eine erfahrene Person, der sogenannte Men- tor (z. B. eine Führungsperson oder ein Mitarbeiter) eine andere Person, den sogenannten Mentee, in beruflichen Fragen unterstützt (vgl. Stock-Homburg 2013, S. 257).
- Mitarbeiterbefragung: sensibles Instrument des Personalmanagements, bei der durch standardisierte Fragebögen Informationen über die Einstellungen, Erwartungen und Be- dürfnisse der Mitarbeiter, über Qualität und Zufriedenheit mit der Führung und der Zusam- menarbeit, und über das betriebliche Arbeitsumfeld und die Umwelt erhoben werden. Ziel ist die Feststellung der Stärken und Schwächen in diesen Bereichen, um Korrekturen und Veränderungen einleiten zu können (vgl. Becker 2013, S. 931; Berthel und Becker 2010, S. 413).
- Outdoor-Training: geleitete Trainings in der freien Natur, welche die sozialen Fähigkeiten von Mitarbeitern durch erlebnistherapeutische Konzepte optimieren sollen. Die Teilnehmer eines solchen Trainings werden durch psychische oder physische Grenzerfahrungen geschult und lernen diese zu bewältigen. Ziel ist eine nachhaltige Verhaltensmodifikation der Teilnehmer (vgl. Huber 2010, S. 160).
- Outplacement: Unterstützungs- und Beratungsprozesse für Beschäftige, welche ihr Ar- beitsverhältnis aufgeben müssen (vgl. Bröckermann 2010, S. 832f.).
- Planspiele: komplexe Simulationen von realen Unternehmensprozessen, welche meistens mithilfe von Computern oder seltener auch mit Papier und Bleistift ablaufen (vgl. Scholz 2014a, S. 277f.).
- Praktikum: zeitlich begrenzte Tätigkeit, die den Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfah- rungen in einem Unternehmen zum Ziel hat (vgl. Bürkle 2010, S. 944f.).
- Projektarbeit: gruppenorientierte Form der PE. Für eine exakt definierte Fragestellung wird eine Projektgruppe zur Problemlösung sowie späteren Implementierung beauftragt. Neben der Bildung neuer Einstellungen steht auch die Entwicklung sozialer Fähigkeiten im Vordergrund (vgl. Holtbrügge 2013, S. 136f.).
- Qualitätszirkel: Kleingruppen von Mitarbeitern eines Arbeitsbereichs, welche sich auf freiwilliger Basis regelmäßig treffen, um Probleme und Konflikte in der Zusammenarbeit zu erörtern, Lösungen zu erarbeiten und zum Ziel haben, diese in Abstimmung mit dem Vorgesetzten umzusetzen. Hierdurch soll ein Motivationseffekt erzielt und die Qualifikation einzelner Mitarbeiter sowie der Gruppe als Ganzes gefördert werden (vgl. Berthel und Becker 2013, S. 509; Scherm und Süß 2010, S. 102).
- Rollenspiele: In realitätsnahen Rollen werden berufliche Situationen durch die Mitarbeiter nachgestellt. Rollenspiele dienen der Wissensvermittlung, vermehrt jedoch zur Einübung zwischenmenschlicher Fähigkeiten (vgl. Huber 2010, S. 159; Stock-Homburg 2013, S. 230f.).
- Trainee-Programm: spezielle betriebliche Einarbeitungsprogramme, in dessen Mittelpunkt die Einarbeitung sowie berufliche Vorbereitung von Absolventen aus Universitäten bzw. Fachhochschulen bezüglich zukünftiger Tätigkeitsbereiche im Unternehmen stehen. Ein Trainee-Programm dauert meist sechs bis 24 Monate (vgl. Berthel und Becker 2013, S. 453; Stock-Homburg 2013, S. 220).
- Workshop: Austausch von Teilnehmern einer Gruppe zu einem speziellen Thema. Ziel des Workshops ist es, Erfahrungen zu besprechen und Problemlösungsansätze zu erar- beiten (vgl. Krämer 2012, S. 62).

In der Literatur haben sich unterschiedliche Einteilungsmöglichkeiten der möglichen PE-Instrumente durchgesetzt. Krämer teilt die vielfältigen Methoden beispielsweise nach dem jeweiligen Fokus - auf das Individuum bzw. auf die Zusammenarbeit im Team - ein17 (vgl. Krämer 2012, S. 63f.). Die Methoden der PE lassen sich auch hinsichtlich des Ortes, der Zeit und dem Zweck, zu dem sie durchgeführt werden, unterscheiden (vgl. Scholz 2014a, S. 279). Abbildung 4 zeigt diese Einteilung mit beispielhaften Maßnahmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNG 4: EINTEILUNG DER METHODEN DER PE Eigene Darstellung in Anlehnung an Huber 2010, S. 159

PEMn into the job führen zu neuen Tätigkeiten und Aufgaben hin und dienen dem Erwerb von allgemeinen oder beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten (vgl. Scholz 2014a, S. 279; Huber 2010, S. 157). Unter PEMn on the job werden all jene Methoden inbegriffen, welche direkt am Arbeitsplatz im Vollzug der Arbeit realisiert werden (vgl. Scholz 2014a, S. 279). Die Methoden out of the job sollen den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand erleichtern und bereiten auf das Verlassen aus dem Unternehmen und das Outplacement vor (vgl. Scholz 2014a, S. 279; Huber 2010, S. 161). Personalentwicklungsmethoden near the job bestehen aus einem arbeitsplatznahen Training, meist sind diese zeitlich befristet (vgl. Huber 2010, S. 159), wohingegen Maßnahmen along the job einen systema- tischen Wechsel von Arbeitsplätzen anstreben, d. h. eine Karriere- und Laufbahn- planung. Außerhalb des Arbeitsplatzes stattfindende Weiterbildungs-maßnahmen werden unter Instrumenten off the job zusammengefasst. Hier wurden in den letz- ten Jahren auch zahlreiche neue Lernformen entwickelt, zusammengefasst unter dem Stichwort „E-Learning“18. Die PE orientiert sich an den Veränderungen der gegenwärtigen Zeit und ist dazu aufgefordert, neue Methoden aufzugreifen, um stetig innovativ zu bleiben. Jedoch muss natürlich fortwährend geprüft werden, ob die Methoden zum Bedarf und zum jeweiligen Ziel passen.

2.8 HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE PERSONALENTWICKLUNG

Die PE agiert in einem sehr dynamischen Spannungsfeld und wird von treibenden Kräften beeinflusst, welche auf das Lernen in der modernen PE sowie dem ge- samten Unternehmenskontext einen starken Einfluss haben. Aufkommende Ent- wicklungstrends sowie Signale der Veränderungen sind durch die Verantwortli- chen der PE stetig zu beobachten, um rechtzeitig darauf reagieren zu können, deren Wirkung auf die Arbeit der PE zu erkennen und das Unternehmen durch die Handlungsfelder Bildung, Förderung und OE zukunftsfest zu gestalten.

Würde sich die Personalentwicklung nicht auf neue Anforderungen einstellen, dann wäre sie nicht anschlussfähig, sie würde in einer wenig leistungsfähigen Pfadabhängigkeit steckenbleiben, Ansehen verlieren und ihre Leistungsfähigkeit würde schrumpfen (Becker 2013, S. 153).

Technologische Innovationen nehmen in Deutschland stark zu (vgl. ebd., S. 912). Durch diese hohe Technologiedynamik werden die bereits erläuterte Halbwerts- zeit des technologischen Wissens sowie die Produktionszyklen immer kürzer und Unternehmen und ihre Mitarbeiter stehen vor neuen Herausforderungen (vgl. Scholz 2014b, S. 11). In erster Linie wirkt die Informationstechnologie als verän- dernde Kraft. Der Wandel von Web 1.0, als anbieterzentrierte Informationsplatt- form, über Web 2.0, als benutzerorientiertes soziales Netzwerk mit unterschied- lichsten Communities wie facebook oder YouTube, bis hin zu Web 3.0, verstanden als ein semantik-unterstütztes Netzwerk mit einer 24h-Individualvernetzung über alle Bereiche, zeigt, dass sich eine ganz neue informationstechnische bzw. digitale Welt öffnet. Zum anderen entsteht durch WLAN und mobiles Breitbandinternet eine fast unbegrenzte Nutzungs- und Zugangsmöglichkeit des Internets (vgl. ebd., S. 11f.). Diese neuen Informationstechnologien dienen einerseits der Unterstüt- zung und Vereinfachung von organisatorischen Abläufen und andererseits dem Ausbau von Wettbewerbsvorteilen. Die Schlüsseltechnologien bringen jedoch auch neue Anforderungen im Bereich der PE mit sich und sind dahingehend bestmöglich zu beherrschen (vgl. ebd., S. 11). Ein weiterer Einflussfaktor auf die PE ist die steigende Marktdynamik. Zu beobachten ist, dass sich der Wettbewerb auf nahezu allen Märkten drastisch verschärft. Im Zuge dessen treten neue Kon- kurrenten mit neuen Innovationen auf den Markt und bereits errungene Wettbe- werbsvorteile werden aufgeholt (vgl. ebd., S. 14). Neben der dynamischen Ent- wicklung von Technologien und Märkten, sind auch die Unternehmens- organisationen von einem Wandel betroffen. „Business Reengineering, Lean Ma- nagement und Downsizing brechen Strukturen in Unternehmen auf“ (ebd., S. 19). Einen besonderen Einfluss sowie neue Anforderungen an die Arbeit der PE haben die sich stark wandelnden Werte19 der unterschiedlichen Generationen (vgl. ebd., S. 25). Im Üblichen werden in der Literatur vier Generationenkonzepte zur Eintei- lung der Werte verwendet20. Als derzeitige große Herausforderung steht die Gene- ration Y im Fokus der Personalmanager, welche mit ihren veränderten Wertvor- stellungen eine Anpassung des Personalmanagements verlangt21. Durch die fort- schreitende Globalisierung und der damit einhergehenden Internationalisierung von Unternehmen werden Kompetenzen, wie z. B. Sprachkenntnisse oder das Verständnis für fremde Kulturen unerlässlich, um auf internationalen Arbeitsmärk- ten handlungs- und wettbewerbsfähig zu sein. Die PE trägt für die Kompetenzent- wicklung eine ganz entscheidende Rolle (vgl. Schiersmann 2007, S. 17). Hinsicht- lich des Globalisierungsdrucks ist es von entscheidender Relevanz, dass die Lernangebote eines Unternehmens weltweit zugänglich gemacht werden (vgl. Vernau und Hauptmann 2014, S. 3). Mit der Globalisierung einhergehend sind durch global verteilte Standorte auch global verteilte Mitarbeiter. Unterschiedlichs- te Herkunftsländer und Bildungshistorien führen zu einer hohen Diversität unter den Arbeitnehmern. Verschiedene Präferenzen hinsichtlich Lernformaten und un- terschiedliche Lernbereitschaften sind von der PE zu beachten (vgl. ebd., S. 5). Auch durch den demographischen Wandel wird die PE einen höheren Stellen- wert annehmen. Die immer älter werdende Bevölkerung und daraus resultierende starke Engpässe auf dem Arbeitsmarkt sowie ein großer Mangel an qualifizierten Fach- und Führungskräften, führen zu einem radikalen Umdenken in der PE (vgl. Flato und Reinbold-Scheible 2006, Vorwort). Für die vorliegende Arbeit von be- sonderer Bedeutung sind die beiden folgenden Einflussfaktoren. Die zunehmende Digitalisierung verändert die (Weiter-)Bildungslandschaft enorm. Durch die digita- len Medien entstehen gänzlich neue Lehr- und Lernmethoden, welche ver- schiedenste Einsatzmöglichkeiten bieten. Die technologischen Entwicklungen ha- ben vermehrt internet- bzw. intranet- basierte Weiterbildungsmaßnahmen hervor- gebracht (vgl. Scherm und Süß 2010, S. 103). Zu erwähnen sind an dieser Stelle auch die digital natives, welche durch ihre hohe technologische Affinität, die sozia- le Online-Vernetzung und die Gewohnheit, Wissen immer und überall verfügbar zu haben, gekennzeichnet sind. Das geänderte Lernverhalten nehmen sie mit in die Arbeitswelt, was für die PE zur großen Herausforderung wird22 (vgl. Vernau und Hauptmann 2014, S. 5). Durch die erhöhte Komplexität der Arbeitsprozesse, die Globalisierung und den technologischen Wandel werden zunehmend methodische Innovationen im Weiterbildungsbereich gefordert. Themen wie ganzheitliches Ler- nen, lebenslanges Lernen und selbstgesteuertes Lernen nehmen in der PE eine bedeutende Rolle ein (vgl. Treier 2009, S. 157; Scherm und Süß 2010, S. 103; Böhler et al. 2011, S. 2). Die genannten Einflussfaktoren stellen Herausforderun- gen für die PE dar, sind an dieser Stelle jedoch nicht abschließend erfasst, son- dern nur insoweit, wie sie für die weitere Arbeit von Bedeutung sind. Es gilt mit dieser schnellen Entwicklung Schritt zu halten und sie weiter voranzutreiben.

3 LEHR- UND LERNTHEORETISCHE HINTERGRÜNDE

Nachdem die theoretischen Grundlagen der PE behandelt wurden, wird das Thema Lernen nun grundlegend abgesteckt, um ein gemeinsames Verständnis in Bezug auf die vorliegende Arbeit zu entwickeln. Im folgenden Grundlagenkapitel werden lehr- und lerntheoretische Hintergründe aufgezeigt. Zunächst beschäftigt sich das Kapitel mit dem Begriff „Lernen“ und den bestehenden Lernformen. Anschließend werden die Lerntheorien, welche sich in den letzten Jahrzehnten bis Jahrhunderten herauskristallisiert haben, erläutert. Wie sich das Lernen in den letzten Jahren gewandelt hat und welche Entwicklungen hierfür von entscheidender Bedeutung sind, führt das Unterkapitel 3.3 auf.

Das dritte Kapitel trägt damit zur Beantwortung der folgenden Forschungsfragen bei:

3. Durch welche Faktoren wird die gegenwärtige Lernkultur im Unternehmen gekennzeichnet?

3.1 LERNEN UND LERNEBENEN

Um einen strukturierten Einstieg in das Themengebiet Lernen zu ermöglichen, wird zunächst an dieser Stelle der Begriff des Lernens definiert und die unter- schiedlichen Lernebenen vorgestellt. In der Literatur finden sich zahlreiche Defini- tionen zu diesem Thema, welche nach dem darauf bezogenen Kontext variieren. In der Psychologie beispielsweise wird darunter ein Prozess der Veränderung ver- standen, welcher zum Ziel hat, das Verhalten dauerhaft zu ändern (vgl. Kiesel und Koch 2012, S. 11). Unter pädagogischer Betrachtung wird Lernen auf den Erwerb von Wissen und Fertigkeiten bezogen (vgl. Schrader 2008, S. 203). Grundsätzlich gilt, dass Lernen im Leben eines jeden Menschen stattfindet. Dies geschieht meist unbewusst und beiläufig (inzidentell), häufig aber auch gezielt und absichtlich (in- tentionell). Lernen kann auf verschiedene Weise, wie z. B. durch Übung oder durch Beobachtung erfolgen (vgl. Hasselhorn und Gold 2009, S. 35). Für das wei- tere Verständnis dient die Definition von Hasselhorn und Gold, welche auf einer sehr allgemeinen Ebene den essenziellen Kern des Begriffs identifiziert.

Lernen ist ein Prozess, bei dem es zu überdauernden Änderungen im Verhaltenspotenzial als Folge von Erfahrung kommt (Hasselhorn und Gold 2009, S. 35).

In der Theorie und Praxis wird Lernen mit einer Vielzahl von Adjektiven verbunden. Lernen kann formell, informell oder non-formell erfolgen. Beim formellen Lernen handelt es sich um ein zielgerichtetes, geplantes Lernen mit festgelegten Lernin- halten, -zielen und -zeiten (vgl. Behringer und Schönfeld 2014, S. 4). Das formelle Lernen ist organisiert und findet in einem institutionell abgesicherten Rahmen statt, z. B. in Schulen, Bildungseinrichtungen oder Kursen und kann darüber hinaus mit einem Zertifikat abgeschlossen werden (vgl. ebd., S. 4; Dehnbostel 2007, S. 49). Nach Behringer und Schönfeld versteht man unter informellem Lernen das spon- tane, meist ungeplante Lernen außerhalb des formalen Bildungswesens (vgl. ebd., S. 4). Im Gegensatz zum formellen Lernen ist das informelle Lernen nicht instituti- onell organisiert und erfolgt beispielsweise durch Arbeitskollegen, Freunde oder Familie (vgl. Straka 2000, S. 23). Es findet am Arbeitsplatz, im Alltag, im Familien- kreis oder in der Freizeit statt. Cross betont, dass informelles Lernen weitaus ef- fektiver ist als formelles Lernen, da es selber initiiert wurde, persönlich ist und die Lernenden in der Aufnahme neuen Wissens motiviert. Nach der 80/20 Regel wird in Organisationen zu 80 % auf informellen und zu 20 % auf formellen Wegen ge- lernt. Trotz diesem Prinzip werden die Aufwendungen zur Unterstützung des in- formellen Lernens erstaunlich gering gehalten (vgl. Cross 2015). Eine mögliche Erklärung ist, dass informelles Lernen kaum nachprüfbar bzw. messbar ist und die meisten Unternehmen, nicht zuletzt durch ihre Shareholder, Wert auf messbare Größen legen. Diese beiden Lernformen - das formelle und das informelle Lernen - sind nicht getrennt voneinander zu betrachten, sondern eng miteinander verbunden. Die Herausforderung besteht darin, sie optimal miteinander zu kombinieren, um den größtmöglichen Lernerfolg für die Teilnehmer zu generieren. Die Hauptunterschiede der beiden Lernformen können zur besseren Übersicht der folgenden Tabelle entnommen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

TABELLE 3: GEGENÜBERSTELLUNG VON FORMELLEM UND INFORMELLEM LERNEN Eigene Darstellung in Anlehnung an Dehnbostel 2007, S. 50

Zwischen diesen beiden existiert eine Mischform, das sogenannte non-formelle Lernen. Darunter werden berufliche Bildungsangebote verstanden, welche außer- halb von Unternehmen, Organisationen oder sonstigen gemeinnützigen Trägern durchgeführt werden. Die Lernprozesse des non-formellen Lernens sind zielge- richtet und systematisch strukturiert (vgl. Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH 2014). Sie führen üblicherweise zu keiner Zertifizie- rung (vgl. Frank 2012, S. 134).

3.2 ENTWICKLUNGEN DER LERNTHEORIEN

Im Rahmen des Themas Lernen haben sich in den letzten Jahrzehnten bis Jahr- hunderten vier Lerntheorien herauskristallisiert. Dieses Kapitel gibt einen kurzen Überblick über bestehende lerntheoretische Modelle und deren wesentliche Merkmale. Die meisten lernsystematischen Ansätze orientieren sich an drei ele- mentarischen Positionen: der behavioristischen, der kognitivistischen und der kon- struktivistischen Lerntheorie. In jüngster Vergangenheit kam eine neue Lerntheorie, der Konnektivismus, auf.

3.2.1 BEHAVIORISMUS

Der Behaviorismus ist die älteste der Lerntheorien, bei der Lernen eine beobacht- bare Verhaltensänderung darstellt, die als Reaktion auf die Umwelteinflüsse er- folgt. Wichtige Vertreter dieser Lerntheorie sind John B. Watson und Burrhus F. Skinner. Das grundlegende Paradigma des Behaviorismus ist das Reiz-Reaktions- Modell (auch S-R - bzw. Stimulus-Response Modell genannt). Bestimmte Reize (Stimuli) rufen bestimmte Verhaltensweisen (Response) hervor, z. B. führt der Reiz „Hunger“ zur Reaktion „Speichelfluss“. Das Gehirn wird in dieser Lerntheorie als eine Art Black-Box angesehen, die trainiert bzw. konditioniert werden kann, auf einen bestimmten Reiz automatisch mit einer angelernten Reaktion zu antworten. Gegenstand der Forschung sind allerdings nur beobachtbare Prozesse; innerpsy- chische Prozesse (z. B. denken, fühlen, etc.) werden nicht analysiert. Das Lernen wird als Verstärkung und Abschwächung von Verhaltensweisen aufgefasst, da auf erwünschte Reaktionen entsprechende Belohnungen erfolgen und im Gegenzug auf unerwünschte Reaktionen die Belohnung ausbleibt. Beispiele für diese Lern- theorie sind die klassischen Lehrveranstaltungen in Schulen oder Hochschulen, bei denen die Lehrenden die Lernenden während des gesamten Lernprozesses dazu befähigen, ein gewünschtes Verhalten zu zeigen, d. h. Lehrende vermitteln relativ abstraktes Faktenwissen („Know that“) und Lernende müssen dies aufneh- men und die richtigen Lösungswege finden bzw. wissen. Während des Lernvor- gangs besteht meistens eine klare Rollenverteilung mit einer einseitigen Sender- Empfänger-Beziehung zwischen dem Lehrenden und dem Lernenden. Kritisiert wird der behavioristische Ansatz dahingehend, dass er Motivationen und Emotio- nen des einzelnen Lerners unbeachtet lässt. Es wird lediglich das Ergebnis erklärt und die Entstehung neuen Verhaltens bleibt unbeachtet (vgl. Thiele 2004, S. 9; Grieger 2010b, S. 113; Erpenbeck und Sauter 2013, S. 37; Becker 2013, S. 139f.; Treumann et al. 2012, S. 39).

3.2.2 KOGNITIVISMUS

Der Kognitivismus erklärt menschliches Verhalten nicht durch Bedingungen in der Umwelt, sondern über kognitive Prozesse. Innere Prozesse des Menschen, wie z. B. Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung, Problemlösung etc., sind in dieser Theorie Gegenstand der Forschung. Das Lernen im Kognitivismus erfolgt durch einen viel aktiveren Prozess als beim Behaviorismus. Das eigene Wahrnehmen, Erfahren und Erleben rückt in den Mittelpunkt. Im kognitivistischen Grundmodell wird Lernen als ein Prozess der Informationsverarbeitung gesehen, bei dem Denk,- Wahrnehmungs- und Gedächtnisprozesse mit berücksichtigt wer- den. Der Lernende verfolgt gewisse Lernziele, welche auf vorhandenem Wissen aufbauen. Er entwickelt durch die Nutzung bereits erlernter Methoden und Verfah- ren seine eigenen Problemlösungsstrategien. Anders als im Behaviorismus geht es hier nicht um das Abspeichern von Informationen innerhalb eines kurzen Zeit- raums, sondern vielmehr um die gezielte Auseinandersetzung mit dem Lerninhalt und dem Finden von Lösungen. Dies unterstreicht die aktivere Rolle des Lernen- den. Die Lehrenden sind Lernbegleiter, welche die Lernenden individuell begleiten und unterstützen und die Rolle eines Tutors übernehmen. Durch sinnvollen Input und regelmäßiges Feedback wird der Lernende unterstützt. Die Kommunikation zwischen Lehrendem und Lernendem ist hier deutlich interaktiver. Anzumerken ist, dass sich sowohl der Behaviorismus als auch der Kognitivismus auf die objektive Wahrnehmung der Wirklichkeit, den Objektivismus23, stützen (vgl. Thiele 2004, S. 10; Scholz 2010, S. 589f.; Erpenbeck und Sauter 2013, S. 38f.; Becker 2013, S. 140f.; Rey 2009, S. 32f.; Erpenbeck und Sauter 2007, S. 155f.).

3.2.3 KONSTRUKTIVISMUS

In dieser Lerntheorie wird Lernen als ein aktiver Konstruktionsprozess definiert, bei dem sich der Lernende seine eigene Wirklichkeit subjektiv konstruiert. Dem Konstruktivismus liegt der sogenannte Subjektivismus24 zugrunde, d. h. dass jedes Individuum seine eigenen Urteile und Begriffe subjektiv bestimmt und prägt. Die Individuen reagieren nicht auf Reize aus einer objektiven Welt, sondern erzeugen eine subjektive Realität, die in starkem Maße von der individuellen Prägung, dem Wissensschatz und den Erfahrungen des Individuums abhängt.

Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken (Galileo Galilei) (Wehrle 2011).

Dieses Zitat von Galileo Galilei spiegelt die Leitidee des Konstruktivismus sehr gut wider. Das Lernen erfolgt beim Konstruktivismus durch einen individuellen, aktiven und selbstorganisierten Prozess, bei dem Wissen dynamisch in einem persönli- chen Akt des Erkennens und Erfahrens generiert und nicht fest gespeichert, son- dern ad-hoc konstruiert wird. Die Weitergabe des Wissens ist hier schwierig, da es nicht von einer Person auf die andere übertragen werden kann, sondern von je- dem Menschen neu konstruiert werden muss. Bei der konstruktivistischen Lern- theorie steht das Vorwissen einer Person im Mittelpunkt, da neues Wissen immer nur in Bezug auf dieses hinzugefügt werden kann. Jeder Lernende interpretiert und transformiert neue Informationen auf Basis des bereits vorhandenen Wissens, um die eigene Wissensbasis zu erweitern. Lernen ist hier ein aktives Konstruieren und kein passives Speichern von Wissen. Der Lehrende unterstützt den Lernpro- zess durch ein ausgewogenes Maß an Instruktion und wird hier als eine Art Coach oder Trainer betrachtet. Lehrende und Lernende kommunizieren gleichberechtig und im Wechsel (vgl. Thiele 2004, S. 11; Scholz 2010, S. 615ff.; Becker 2013, S. 142f.; Erpenbeck und Sauter 2007, S. 156-159; Kuhlmann und Sauter 2008, S. 46f.; Falk 2007, S. 34-35).

3.2.4 KONNEKTIVISMUS

Der Konnektivismus ist eine noch junge Lerntheorie, welche im Jahr 2004 von George Siemens begründet wurde. Die Lerntheorie bezieht sich auf das Lernen im digitalen Zeitalter und passt sich somit an die Trends im Umgang mit den neuen Medien, den rasanten technologischen Entwicklungen, der enormen Informations- flut und der damit einhergehenden, weltweit fortschreitenden Vernetzung von Sys- temen, an. In seinen Prinzipien greift der Konnektivismus über die konventionellen Lerntheorien hinaus. Diese neue Lerntheorie kann als eine Erweiterung der bisher vorgestellten gesehen werden. Der Mensch wird nicht als isoliertes, sondern als vernetztes Individuum gesehen. Vor allem die digital natives nutzen diese neue Form des Lernens. Beim Konnektivismus findet die zunehmende Tendenz hin zum informellen, vernetzten und elektronischen Lernen eine besondere Berücksichti- gung. Es geht hier nicht nur um die Bildung von Netzwerken, sondern um die ge- zielte Nutzung neuer Technologien zur optimierten Netzwerkbildung, -pflege und - nutzung. Aufgrund des schneller werdenden Wandels und der geringeren Halb- wertszeit von Wissen ist es heutzutage nicht mehr möglich, sämtliche Erfahrungen selbst zu machen. Von Bedeutung ist die Fähigkeit, schnell an aktuelles Wissen zu gelangen, d. h. diese Fähigkeit wird wichtiger, als das persönliche Wissen einer Person. Dies spiegelt ein Zitat von George Siemens wider:

Know-how and know-what is being supplemented with know-where (the understanding of where to find knowledge needed) (Siemens 2004).

Lernen hat in der heutigen Zeit keinen Anfangs- bzw. Endpunkt, sondern wird zur lebenslangen Notwendigkeit. Im konnektivistischen Lernsystem erfolgt das Lernen im Wechselspiel zwischen dem Individuum und seiner Umwelt. Der Lehrende übernimmt die Rolle eines Mentors. Er hört aktiv zu, beobachtet und gibt konstruk- tives Feedback. Zwischen dem Lernenden und dem Lehrenden kann es hier zu einer kollegialen Beratung kommen, bei der sich die Beteiligten auf Augenhöhe begegnen. Im Zuge des Konnektivismus spielen neue Lernmethoden und Instru- mente eine immer wichtigere Rolle, um den Anforderungen der veränderten Lern- kultur des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden25 (vgl. Erpenbeck und Sauter 2013, S. 41-43; Kuhlmann und Sauter 2008, S. 47-50; Kinzelmann 2014, S. 3; Bernhardt und Kirchner 2007, S. 36-40)

3.2.5 GEGENÜBERSTELLUNG DER HAUPTUNTERSCHIEDE

Folgende Abbildung zeigt die Hauptunterschiede der oben vorgestellten Lerntheorien als Übersicht. Diese sollen, wie auch schon die in Kapitel 3.1 vorgestellten Lernformen, nicht getrennt voneinander angewendet, sondern optimal kombiniert werden, sodass die Lernenden in dem Lernprozess optimal unterstützt werden (vgl. Höbarth 2010, S. 30f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNG 5: GEGENÜBERSTELLUNG DER HAUPTUNTERSCHIEDE DER LERNTHEORIEN Eigene Darstellung in Anlehnung an Kuhlmann und Sauter 2008, S. 43; Erpenbeck und Sauter 2013, S. 40

3.3 LERNKULTUR DES 21. JAHRHUNDERTS

Durch die globalisierte Welt, die hohe Veränderungsdynamik, die verstärkte Informationsflut und die hohe Komplexität, befindet sich die Lernkultur des 21. Jahrhunderts in einem gravierenden Wandel.

Nichts ist so beständig wie der Wandel! (Zinsmeister 2010).

Obiges Zitat von Heraklit von Ephesus (etwa 540 - 480 v. Chr.) trägt heute mehr Bedeutung denn je. Im folgenden Abschnitt wird der Frage nachgegangen, wie der Prozess des Lernens heutzutage aussieht und welche Entwicklungen die gegen- wärtige Lernkultur kennzeichnen. Zunächst ist anzumerken, dass Lernkonzepte die gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen widerspiegeln und die sich veränderten Rahmenbedingungen in den Lernsystemen niederschla- gen sollten (vgl. Schiersmann 2007, S. 249; Kuhlmann und Sauter 2008, S. 14). Ein Blick auf das Lernen heute liefert nach Erpenbeck und Sauter folgende Merk- male: gegenwärtig wird der Wissenserwerb meist in definierten Curricula vorgege- ben und die Lernprozesse sind hierbei sehr stark fremdgesteuert und formell. Das informelle Lernen spielt lediglich eine Nebenrolle. Des Weiteren ist das Einzeller- nen stark verbreitet und Lernpartnerschaften entstehen nur zufällig (vgl. Erpen- beck und Sauter 2015, S. 31). Im Zusammenhang mit den Lernaktivitäten wird häufig das 70:20:10-Modell zitiert. Demnach beruhen 70 % des betrieblichen Ler- nens auf eigenen Erfahrungen im Prozess der Arbeit, 20 % werden durch den Austausch mit anderen (z. B. Lernpartner, Führungskräfte, Coaches und Mentoren) initiiert und lediglich 10 % erfolgen durch klassisches, formales Training (vgl. ebd., S. 15f.). Folgende Abbildung 6 zeigt das 70:20:10-Modell mit jeweiligen Lernbei- spielen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNG 6: 70:20:10-MODELL DES BETRIEBLICHEN LERNENS Eigene Darstellung in Anlehnung an Erpenbeck und Sauter 2015, S. 16

Das Festhalten an alten Bildungs- oder Trainingsmodellen, d. h. formelles Lernen durch bieder wirkenden Frontalunterricht, verhindert eine optimale Lernunterstüt- zung. Formale Strukturen sowie feste Curricula decken sich längst nicht mehr mit den Dynamiken der Kompetenzanforderungen im privaten und im beruflichen Be- reich (vgl. Arnold und Rohs 2014, S. 23). Die betriebliche Bildung benötigt ein grundlegendes Umdenken (vgl. Kuhlmann und Sauter 2008, Vorwort). Das infor- melle Lernen, in der Literatur auch unter dem Begriff Lernen 2.0 zu finden, be- kommt heutzutage eine immer größere Bedeutung (vgl. Belliger und Krieger 2012, S. 238). Gerade im Zuge der vielen Möglichkeiten, Instrumente und Lernplattfor- men im Web 2.0 rückt der Begriff Lernen 2.0 ins Zentrum der Aufmerksamkeit der PE (vgl. Trost 2010, S. 8). Der Arbeitsplatz ist zu einem Ort des Lernens zu gestal- ten, weswegen die PE das Ziel verfolgt, einen geeigneten Rahmen zu schaffen, durch neue, innovative Lerntechnologien das informelle Lernen zu ermöglichen und zu integrieren. Zum richtigen Mix für die optimale Entwicklung der Mitarbeiter eines Unternehmens zählen nach diesem Modell allerdings auch das Lernen im Netzwerk sowie die formale Bildung (vgl. Doll 2015). Eine repräsentative Studie zum Weiterbildungsbewusstsein der deutschen Bevölkerung zeigt, dass die Be- deutung des informellen Lernens in Betrieben oft unterschätzt wird. Nur 14 % der Befragten im erwerbsfähigen Alter geben an, dass sie formalisiertes Lernen im Lernkontext als wichtig erachten. Dahingegen sind für 87 % der Befragten andere Lernkontexte, insbesondere das „arbeitsbegleitende Lernen“ mit 58 %, wichtiger (vgl. Baethge et al. 2004, S. 43). Koch kritisiert das 70:20:10 Modell in seinem Bei- trag mit dem Titel „Das 70-20-10-Wunschdenken“ in der Zeitschrift wirt- schaft+weiterbildung (05/2015). Damit das beschriebene Modell funktioniert, „braucht es einen selbstverantwortlichen, selbstgesteuerten, lernwilligen, motivier- ten und transferstarken Mitarbeiter im Unternehmen“ (Koch 2015, S. 22). Dieser existiert in der Praxis jedoch in den seltensten Fällen. Seiner Meinung nach stellt die 70:20:10-Formel in Verbindung mit der Digitalisierung ein attraktives Ge- schäftsfeld dar, was jedoch nicht den optimalen Lernerfolg unterstützt. Er plädiert für die Unterstützung der Lernprozesse durch den Menschen als Begleiter und nicht durch die Technik (vgl. ebd., S. 22)26. Geprägt wird die Lernkultur des 21. Jahrhunderts vor allem von der Generation Y, welche in der Fachliteratur unter vielen Namen firmiert, wie z. B. Net Generation, Generation @ oder auch digital natives (vgl. Kuhlmann und Sauter 2008, S. 8). Vertreter dieser Generation sind zwischen den Jahren 1980 und 2000 geboren und zählten somit im Zeitraum von etwa 1990 bis 2010 zu den Teenagern (vgl. Domsch und Ladwig 2015, S. 11). Durch ihr Aufwachsen mit den digitalen Medien und dem daraus resultierenden gebildeten Medienverhalten, prägen die digital natives nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern auch die Schul- bzw. Hochschullandschaft enorm.

[...]


1 „Person, die mit digitalen Technologien aufgewachsen ist und in ihrer Benutzung geübt ist“ (o. A. 2015e).

2 Die in dieser Arbeit verwendeten Personenbezeichnungen sind, auch wenn sie nur in einer Form auftreten, gleichwertig für beide Geschlechter zu verstehen.

3 vgl. dazu Anhang 1.

4 Zeitraum, in dem die Hälfte der Wissensinhalte veraltet (vgl. Scholz 2014a, S. 269).

5 „Zeitdauer in Jahren, in der aktuelles Fachwissen ohne weitere Auffrischung nicht mehr für die Wertschöpfung relevant ist“ (Scholz 2014a, S. 270).

6 vgl. dazu Anhang 2.

7 Die Studie wurde im Auftrag der Initiative IT-Fitness von Microsoft Deutschland und Partnern im November 2008 durchgeführt (vgl. o. A. 2008).

8 vgl. dazu Kapitel 2.4.

9 vgl. dazu Kapitel 3-5.

10 Bindung an oder die Verbundenheit mit einer Organisation (vgl. Becker 2013, S. 919).

11 Einen fundierten Überblick über den Funktionszyklus der systematischen PE geben Becker 2011 und Kanning 2014.

12 die unterschiedlichen Formen der PEM werden auszugsweise in Kapitel 2.7 erläutert.

13 vgl. dazu Kapitel 7.1.

14 vgl. dazu Kapitel 2.4.1.

15 vgl. dazu Kapitel 4.

16 vgl. dazu Kapitel 2.4.1.

17 vgl. dazu Anhang 3.

18 vgl. dazu Kapitel 4.1.

19 Werte sind kognitive Präferenzstrukturen, die als Entscheidungsregel fungieren und so das Verhalten steuern (vgl. Scholz 2014b, S. 21).

20 vgl. dazu Anhang 4.

21 vgl. dazu Kapitel 3.3.

22 vgl. dazu Kapitel 3.3.

23 „Erkenntnistheoretische Denkrichtung, die davon ausgeht, dass es vom erkennenden und wertenden Subjekt unabhängige Wahrheiten und Werte gibt“ (o. A. o. J.).

24 „Philosophische Anschauung, nach der es keine objektive Erkenntnis gibt, sondern alle Erkenntnisse in Wahrheit Schöpfungen des subjektiven Bewusstseins sind“ (o. A. o. J.).

25 vgl. dazu Kapitel 3.3.

26 Einen detaillierten Überblick über die kritische Betrachtung der 70:20:10-Formel gibt Koch 2015.

Excerpt out of 158 pages

Details

Title
Lernen in der modernen Personalentwicklung
Subtitle
Wohin geht die Reise?
College
Leipzig University of Applied Sciences  (Wirtschaftswissenschaften)
Grade
1,7
Author
Year
2015
Pages
158
Catalog Number
V317581
ISBN (eBook)
9783656989790
ISBN (Book)
9783656989806
File size
4786 KB
Language
German
Keywords
E-Learning, Personalmanagement, Web 2.0, Social Learning, MOOCs, Blended Learning, Micro Learning, Mobile Learning, Game Based Learning, Lernen der Zukunft
Quote paper
Sarah Hantl (Author), 2015, Lernen in der modernen Personalentwicklung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317581

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Title: Lernen in der modernen Personalentwicklung



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