Der Kreuzzugsplan Gregors X. und das Ringen um die Kaiserkrone


Dossier / Travail de Séminaire, 2014

27 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Grundlagen der gregorianischen Kreuzzugspolitik

3. Die Kreuzzugspolitik im Bezug auf Rudolf von Habsburg
3.1. Die Wahl Rudolfs von Habsburg zum römischen König
3.2. Offizielle Anerkennung Rudolfs durch Gregor X
3.3. Der Weg zur Kaiserkrönung

4. Die Kreuzzugspolitik im Bezug auf die Rivalen Rudolfs von Habsburg
4.1. Ottokar von Böhmen
4.2. Karl von Anjou

5. Fazit

6. Quellen- und Literaturverzeichnis
6.1. Quellen
6.2. Literatur
6.3. Internetquellen

1. Einleitung

Seit dem ersten Aufruf zum Kreuzzug durch Papst Urban II. im Jahre 1095 wurden in einem Zeitraum von etwa 200 Jahren insgesamt sieben Orientkreuzzüge unternommen, die das Heilige Land als Ziel hatten. Von diesen gilt nur der Erste als wirklich erfolgreich, da er die Eroberung Jerusalems und die Gründung von mehreren Kreuzfahrerstaaten zur Folge hatte. Wenn auch die Kreuzzüge stets äußerst populäre religiöse Unternehmungen blieben, so wurde mit der Zeit doch zunehmend die militärische Sinnlosigkeit deutlich, so weit entfernte Gebiete gegen einen so mächtigen Feind zu halten.

Aus heutiger Sicht markieren das Scheitern des siebten Kreuzzugs in den 1270er Jahren und die Eroberung der letzten Kreuzfahrerfestung Akkon 1291 durch die Moslems in der Geschichtswissenschaft das Ende der sogenannten Orientkreuzzüge ins Heilige Land. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein weiterer Kreuzzug nicht möglich gewesen wäre und vor allem nicht, dass es nicht Pläne für einen weiteren Kreuzzug gegeben hätte. Besonderen Anlass für derartige Gedankenspiele lieferte Papst Gregor X. (1271-1276), der in seiner vergleichsweise kurzen Amtszeit sein volles Engagement der Organisation eines weiteren Zuges ins Heilige Land gewidmet hatte. Dies lässt sich nicht nur anhand der Programmatik des von ihm in die Wege geleiteten 2. Konzils von Lyon1 feststellen, sondern auch am Umgang Gregors mit den weltlichen Fürsten seiner Zeit. Tatsächlich bemühte er sich nämlich nicht nur den von ihm als Anführer seiner geplanten Unternehmung auserkorenen Rudolf von Habsburg zu einem Kreuzzug zu bewegen, sondern auch dessen mächtigste Rivalen Ottokar von Böhmen und Karl von Anjou. Den de jure gewählten König Alfons von Kastilien möchte ich hierbei bewusst außenvorlassen, da er verglichen mit den anderen beteiligten eine eher passive und unbedeutende Rolle im Ringen um die Kaiserkrone gespielt hat.

Somit möchte ich im Folgenden die Kreuzzugspolitik Gregors X. zum Anlass nehmen, um seine Bemühungen zu erläutern und auch zu zeigen, warum sie letztendlich vergeblich waren. Dabei möchte ich außerdem auf das Ringen der beteiligten um die Kaiserkrone eingehen und zeigen, wie Gregor zum einen um die Anerkennung Rudolfs von Habsburg als römischen König bemüht war, zum anderen aber auch um seine Kreuzzugsplanung. Auch über das Verhältnis von Imperium und Papsttum in der damaligen Zeit möchte ich ein paar Worte verlieren. Da die Forschung zu Gregors Kreuzzugspolitik nach wie vor sehr zu wünschen übrig lässt, stütze ich mich in meiner Arbeit zum einen auf Herrschaftsbiographien der beteiligten Personen und zum anderen auf Briefwechsel der weltlichen Herrscher mit dem Papst. Neben Gregor X. soll Rudolf von Habsburg im Folgenden die Hauptrolle zukommen, da er als Anwärter für die Kaiserkrone am weitesten in die Planungen des Papstes eingebunden war. Darüber hinaus will ich zeigen, wie Papst Gregor durch sein Engagement auch für die Überwindung der langen Zeit des Interregnums im Reich gesorgt und indirekt das römische Königtum wiederhergestellt hat. Zunächst ist es jedoch notwendig einen Blick auf den Ursprung und die Zielsetzung der gregorianischen Kreuzzugspolitik zu werfen, da sie ein Erklärungsmuster für Gregors Verhalten gegenüber den weltlichen Fürsten liefert.

2. Die Grundlagen der gregorianischen Kreuzzugspolitik

Es bietet sich an, die vorliegende Untersuchung direkt 1271 mit der Wahl Gregors zum Papst zu beginnen, da sie die erste mit ihm verbundene einschneidende Zäsur darstellt und das aus mehreren Gründen. Zum einen beendete die Wahl Gregors X. eine fast dreijährige Sedisvakanz, die Karl von Anjou durch Druckausübung auf die von ihm abhängigen Kardinäle verursacht hatte.2 Dessen Ziel war es zu verhindern, dass ein neuer römisch-deutscher König zum Kaiser gekrönt wird, weshalb er versuchte einen Franzosen als Papst durchzusetzen. Die Wahl Gregors X. schob also trotz allen Umständen der blockierenden Politik Karls I. einen Riegel vor und befreite den Vatikan aus seiner lähmenden Handlungsunfähigkeit. Zum anderen wurde Gregor als Außenstehender zum Papst gewählt, das heißt er war vor seiner Wahl nicht nur nie Mitglied des Kardinalskollegiums, sondern überhaupt kein Priester.3 Als Erzdiakon von Lüttich musste er nachträglich zum Priester geweiht werden, weil er sonst nicht zum Papst hätte gewählt werden können. Überhaupt konnte er nur aufgrund einer Ausnahmeregelung gewählt werden, da sich die Kardinäle sonst nicht auf einen Kandidaten hätten einigen können. Als dritter Grund für die Zäsur ist zu nennen, dass Gregor X. sich zum Zeitpunkt seiner Wahl nicht in Rom, sondern auf einem Kreuzzug befand, er wurde also in Abwesenheit gewählt.4 Ironischerweise war er, der einen weiteren Kreuzzug organisieren wollte, damit Teilnehmer des siebten und letzten Orientkreuzzuges nach Palästina.

Gregors persönliche Teilnahme am Kreuzzug des englischen Prinzen Edward I. dürfte ausschlaggebend für sein weiteres starkes Engagement für die christliche Sache im Nahen Osten gewesen sein. Gregor war direkt vor Ort im Heiligen Land gewesen und kannte dadurch dessen Nöte und Bedürfnisse besser als jeder Kardinal in Rom, er wusste, wie dringend die dort verbliebenen christlichen Kräfte Verstärkung gegen die immer weiter vorstoßenden Araber brauchten. Insofern verwundert es wenig, dass Gregor X. sein Pontifikat der Rückeroberung des Heiligen Landes widmete. Niemand, der sich in der Forschung mit Gregor X. beschäftigt, bezweifelt den enormen Einfluss seiner Teilnahme am Kreuzzug auf seine spätere Politik. So schrieb bereits Albert Zisterer, die Hauptaufgabe, die sich Gregor während seines Pontifikates gestellt hatte, sei „die Wiedergewinnung des Heiligen Landes, für welche er […] durch seinen Pilgerzug nach Syrien persönlich tätig gewesen war“.5 Besonders deutlich zeigt sich seine Hingabe anhand des von ihm einberufenen 2. Konzils von Lyon, das als Agenda seiner Kreuzzugspolitik verstanden werden kann. Allein die Tatsache, dass er alles, was den Kreuzzug betrifft, direkt an den Anfang der Konstitutionen setzt, zeigt bereits dessen enorme Bedeutung für Gregor. Gleich im ersten Abschnitt der ersten Konstitution, seinem Dekret Zelus fidei, versucht er die Gläubigen mit leidenschaftlichen Appellen zu mobilisieren und nennt die Befreiung des Heiligen Landes eine Aufgabe, die alle Christen anbelange.6 Provokativ würden die Sarazenen fragen, ob Gott die Christen verlassen habe, weil er einfach so den Siegeszug der Moslems zulässt. Des Weiteren verbot Gregor den Handel mit den Sarazenen, insbesondere in Bezug auf Waffen und droht denjenigen, die dagegen verstoßen, mit Enteignung und Sklaverei.7 Was den Transport der Kreuzfahrer ins Heilige Land angeht, so wollte er sich auf die Flotten der Italienischen Handelsstädte stützen. Für das Jahr 1278 kündigte er einen gemeinsamen Kreuzzug mit den Mongolen an, die ebenfalls Gesandte nach Lyon geschickt hatten, um sich dort im Sinne einer Allianz mit den Christen taufen zu lassen.8 Finanziert werden sollte dieser Plan durch eine Kreuzzugssteuer mit sechsjähriger Laufzeit und durch das Vermögen reicher Kirchen, wodurch der Papst gleichzeitig noch gegen zu wohlhabende Kleriker vorgehen konnte.9 Es zeigt sich also, dass Gregor alle Register seines Organisationstalents, seiner Redegewandtheit und der verfügbaren Kräfte zog, um seine Unternehmung möglichst erfolgreich zu gestalten.

Aber auch andere Themenkomplexe, die auf dem ersten Blick nicht viel mit einem Kreuzzug zu tun haben, lassen sich in dieses Schema einordnen. So sollten auf dem Konzil das Große Schisma von 1054 beendet und West- und Ostkirche wiedervereinigt werden, was für kurze Zeit auch gelang. Während Byzanz sich durch die Union Schutz vor Karl von Anjou versprach, wollte Gregor X. die beiden Kirchen vereinen, um Frieden zu schaffen und die gesamte Christenheit gegen den gemeinsamen Feind im Heiligen Land zu mobilisieren.10 Die Absicht des Papstes, einen Kreuzzug aller Christen zu realisieren, zeigt sich außerdem anhand von Gregors Reaktion auf ein Schreiben des französischen Königs Philipp III. Obwohl er darin gelobte, persönlich einen Kreuzzug nach Palästina zu unternehmen, wies Gregor sein Angebot zurück. Kennt man die politische Denkweise Gregors, so ist das jedoch keine Überraschung, denn „der Papst dachte sich den Kreuzzug, den er plante, als einen großen, allgemeinen“11, der Feldzug eines einzelnen Herrschers würde Palästina seiner Meinung nach keinen Nutzen bringen. „Das Konzil sollte die Kräfte sammeln, vor allem die Geldmittel; dann wollte die Kurie zu einer Zeit die gesamte Streitkraft Europas, von den Griechen unterstützt und im Bunde mit den Mongolen, auf die Sarazenen werfen“.12

Auch der aus der Erfahrung der langen Vakanz des Heiligen Stuhls entstammende Konzilsbeschluss, dass Kardinäle das Konklave nicht verlassen dürfen, bevor ein neuer Papst gewählt ist, kann im Sinne der Kreuzzugspolitik interpretiert werden. So bedarf ein erfolgreicher Kampf gegen die Ungläubigen einer entschlossenen geistlichen Führung, diese ist jedoch nicht gegeben, wenn die Kirche für so lange Zeit handlungsunfähig ist. In drei Jahren kann in der Welt der Diplomatie sehr viel passieren, insofern ist es nötig, dass so schnell wie möglich ein neuer Papst gewählt werden kann.

Die offizielle Anerkennung Rudolfs von Habsburg als römischen König auf dem Konzil passt ebenfalls in dieses Bild eines geplanten Kreuzzuges. Nachdem Gregor Rudolf nach dessen Wahl so lange auf seine Approbation hatte warten lassen, wirkt es alles andere als zufällig, dass er gerade auf diesem Konzil gekörnt wurde. Es ist also davon auszugehen, dass Gregor X. die Anerkennung Rudolfs von Habsburg als römischen König bewusst während des Konzil durchgeführt hat, um damit auszudrücken, dass er sich für ihn entschieden hat, nicht nur als König, sondern auch als Anführer des von ihm geplanten Kreuzzuges. Auch die Gesandten von Rudolfs Rivalen Alfons von Kastilien baten auf dem Konzil für ihren Herrn um die Krone und obwohl auch Rudolfs mächtiger Gegenspieler Ottokar von Böhmen Alfons Ansprüche unterstütze, wies der Papst seine Boten ab.13 Warum sonst sollte Gregor ihm den Vorzug vor all seinen anderen Kontrahenten geben und ihm auf seinem Kreuzzugskonzil diese Würde verleihen, wenn nicht, um ein Zeichen zu setzen? Er wollte die Christen in der Welt aufrufen, zusammen gegen den gemeinsamen Feind ins Heilige Land zu ziehen und ihnen mitteilen, dass Rudolf der von ihm und damit von Gott auserwählte Anführer dieser Unternehmung sein soll.

Es lässt sich also festhalten, dass schon allein die Wahl Gregors eine Sensation war, denn sie beendete nicht nur eine dreijährige Sedisvakanz, sondern er wurde auch noch als Außenstehender und in Abwesenheit gewählt. Außerdem zeigt sich, dass Gregor in seiner Kreuzzugspolitik um zwei Dinge bemüht war: Zum einen Frieden unter der gesamten Christenheit zu schaffen und zum anderen einen geeigneten Anführer für seinen Kreuzzug zu finden und wer sonst könnte dafür geeigneter sein als die höchste weltliche Autorität, der Schutzherr der Kirche, der römische Kaiser?14 Aus diesem Grund hatte der Papst großen Anteil daran, dass es zu einer Wiederherstellung des alten römischen Kaisertums kam. Im Folgenden wird sich zeigen, welches enorme Erklärungspotential diese Feststellungen für den Umgang Gregors mit Rudolf und seinen Rivalen haben.

3. Die Kreuzzugspolitik in Bezug auf Rudolf von Habsburg

3.1. Die Wahl Rudolfs von Habsburg zum römischen König

Die Tatsache, dass Gregor für seinen Kreuzzugsplan einen weltlichen Anführer mit dem größtmöglichen Ansehen benötigte, war nicht der einzige Grund für ihn, dem römisch- deutschen Kaisertum nach dem Ende der Staufer wieder Leben einzuhauchen. Viel mehr begann die Kaiserfrage zu einer ernsten Gefahr für sein Vorhaben zu werden, da das Rivalisieren um die Krone den Frieden unter den Christen und damit auch Gregors Kreuzzug im Weg stand.15 Er hatte also trotz der negativen Erfahrungen seiner Vorgänger mit den Staufern ein großes Interesse daran, dass möglichst bald wieder jemand das kaiserliche Diadem trägt. Dafür musste allerdings zuerst der vakante Königsthron besetzt werden und das am besten mit einem deutschen König, da sich die ausländischen Herrscher während des Interregnums als viel zu machtlos im Reich erwiesen hatten, um einen Kreuzzug organisieren zu können.

Es gilt als ziemlich sicher, dass Gregor zumindest zu Beginn seines Pontifikates noch nicht darauf fixiert war, unbedingt einen Deutschen auf dem römischen Thron zu haben oder überhaupt die Kaiserfrage allzu bald zu lösen. Für seinen Plan war sie zwar unverzichtbar, aber er selbst sah sich rechtlich nicht dazu befugt oder verpflichtet, für die legitime Wahl eines neuen Königs zu sorgen, das sei Sache der Kurfürsten, wie er zu betonen pflegte.16 Zu dieser Erkenntnis kam er erst im Jahre 1273, als er sich dem zunehmenden Druck Ottokars von Böhmen, Karls von Anjou und König Philipps III. von Frankreich ausgesetzt sah. Ottokar II. war angesichts seiner starken Stellung im Reich der Ansicht, dass es ihm als mächtigsten Kurfürsten zustünde, selbst das kaiserliche Diadem zu tragen.17 Um mit Ottokar fertig zu werden, stellte Gregor ihm jenes sogar in Aussicht, unter der Bedingung, dass er einstimmig von den anderen Kurfürsten gewählt wird und mit dem Wissen, dass das aufgrund ihrer Abneigung gegen den Böhmenkönig als Kandidaten ohnehin nie passieren würde.18 Mit dieser Einschätzung lag der Pontifex richtig, jedoch bemühten sich nun auch noch Karl und Philipp darum, Gregor ein französisches Kaisertum schmackhaft zu machen. Dabei hielten sie ihm geschickt vor Augen, wie gut es für einen Kreuzzug wäre, wenn der Anführer gleichzeitig französischer König und römischer Kaiser wäre.19 Obwohl sie damit unbestritten Recht hatten und Gregor im Prinzip genau das anboten, was er wollte, einen Kreuzzug und einen starken Anführer, lehnte er trotz allem mit der Begründung ab, Alfons von Kastilien habe einen legitimen Anspruch auf den Thron, den er nicht übergehen dürfe. Dies war jedoch nur eine Ausrede, denn tatsächlich hatte der Papst Alfons zu diesem Zeitpunkt schon längst eine Absage erteilt.20 Die Tatsache, dass Gregor Karl und Philipp belogen hat zeigt unmissverständlich, dass er nicht das ge-ringste Interesse an einem französischen Kaisertum hatte. Die Gründe dafür dürften sich von selbst erklären, denn zum einen würden die Franzosen viel zu mächtig und gefährlich für die Kirche werden, wenn sie neben ihrem ohnehin schon großen Einfluss in Italien auch noch die Kaiserkrone besäßen und zum anderen würden die deutschen Fürsten niemals freiwillig einen Franzosen zu ihrem Kaiser wählen. Dennoch, Gregor sah sich wie bereits erwähnt zunehmend unter Druck gesetzt in der Kaiserfrage tätig zu werden und dieser Druck dürfte der Grund dafür sein, dass er sich im Juli 1273 mit einem Schreiben an die Kurfürsten wandte21, sie mögen bis zu einer bestimmten Frist einen König wählen, ansonsten würde die Kurie einen bestimmen. Diese lediglich indirekte Ablehnung des französischen Angebots barg den Vorteil, dass Gregor den frommen König Ludwig nicht beleidigte, was ihn dessen Unterstützung bei einem Kreuzzug hätte kosten können.

Der päpstliche Wunsch nach einer baldigen Entscheidung der Kurfürsten wurde mit der Wahl Rudolfs von Habsburg zum römischen König am 1. Oktober 1273 schnell erfüllt. Wichtig war ihm, dass der Gewählte von allen anerkannt wird, sich zum Haupt seines Kreuzzuges macht und wenn möglich sogar noch ein Gegengewicht zu Karl von Anjou bildet.22 Bedenkt man die negativen Erfahrungen der Kirche mit den Staufern und die schwache Stellung und das geringe Ansehen der ausländischen „Herrscher“ im Reich, so dürfte Rudolf der perfekte Kaiserkandidat für Gregor gewesen sein. Als deutscher Fürst und Unterstützer Konradins23 hatte er zwar viel Ansehen bei der immer noch starken staufischen Partei im Reich, war aber als einfacher Graf nicht mächtig genug, um unabhängig von der Kurie eine unberechenbare Machtpolitik wie Friedrich II., Manfred oder gar Ottokar von Böhmen oder Karl von Anjou zu betreiben. Abgesehen davon stellte er sich der Kirche sehr bald freiwillig als Vollstrecker für Gregors Kreuzzugsplan zur Verfügung.

Die schwache Stellung Rudolfs und seine Abhängigkeit von der Kurie werden besonders in dem Mitteilungsschreiben deutlich, dass er direkt nach seiner Wahl an den Papst gesendet hat.24 Darin geht er zunächst auf die lange Vakanz des Imperiums ein, die nun endlich durch das Zusammenkommen der Kurfürsten und durch seine Wahl zum römischen König beendet wurde. Rudolfs weitere Ausführungen lassen keinen Zweifel darin bestehen, dass er sich seiner Abhängigkeit von der Gnade der Kurie mehr als bewusst war und zur Sicherung seiner Herrschaft und im Kampf gegen seine Rivalen auf deren Hilfe bauen musste. Dementsprechend sparte er auch nicht an großen Worten und feierlichen Versprechen, um dem Papst seine Ergebenheit kundzutun. Er würde sich unterwerfen in der Hoffnung auf die Unterstützung Gottes, der heiligen Mutter Kirche, der Fülle der apostolischen Gnade und die väterliche milde seiner Heiligkeit, um für Lob und Ehre Jesu Christi, die heilige Mutter Kirche und den katholischen Glauben tätig zu sein. Supplicando rogantes käme er und fragt, wie lange er Anwärter sein würde in assumpto negotio de benignitate, welches sich unzweifelhaft auf seine gewünschte Krönung zum Kaiser bezieht. Seine Sache sei eine Angelegenheit des gesamten Staates und er erhoffe dafür die Hilfe des Allmächtigen. Geschickt kommt Rudolf gleich auf den Punkt und erbittet vom Papst nos imperialis [...] diademate [...] insignire, also mit der Kaiserkrone ausgezeichnet zu werden, da er nur so erfolgreich im Sinne der Kirche handeln könne.

Den wichtigsten Satz in seinen Versprechungen stellt aber mit Abstand der letzte dar: Nos enim potentis et volentis animi armatura precingimur, quecunque nobis vos et alma mater ecclesia duxeritis imponenda. Sinngemäß verpflichtet sich Rudolf dadurch mit all seinem Willen und all seiner Macht die Aufgaben zu erfüllen, welche auch immer ihm vom Papst und von der Kirche auferlegt würden. Solch eine Ergebenheit hat selten einer seiner Vorgänger gegenüber der Kurie verlauten lassen, jedoch hatte Rudolf keine andere Wahl, wen er König bleiben oder es überhaupt erst offiziell werden wollte. Wie auch die weiteren Korrespondenzen zwischen Gregor und Rudolf sagt dieser Brief nämlich viel über das Verhältnis von Imperium und Papsttum im ausgehenden 13. Jahrhundert aus. Es ist deutlich geworden, dass der Papst die Königswahl an sich offensichtlich nicht als seinen Zuständigkeitsbereich betrachtet hat. Allerdings ist unverkennbar, dass er durchaus in der Lage gewesen zu sein schien, durch geschickte Diplomatie einen Kandidaten nach seinem Geschmack auf dem deutschen Thron durchzusetzen. Unabhängig von diesem asymmetrischen Machtverhältnis steht jedoch fest, dass beide ein ähnliches Ziel hatten: Rudolf wollte Kaiser werden und Gregor wollte Rudolf zum Kaiser machen. Die einstimmige Wahl Rudolfs durch die Kurfürsten machte ihn aber noch lange nicht zum allgemein anerkannten König, geschweige denn zum Kaiser, dazu bedurfte es noch einer formalen Anerkennung durch den Papst.

3.2. Offizielle Anerkennung Rudolfs durch Gregor X.

Im Ringen um die Gunst des Papstes, auf dessen Unterstützung er wie erwähnt angewiesen war, konnte Rudolf es nicht bei einem einzigen Schreiben belassen, sondern ließ noch weitere Zeichen seiner Ergebenheit folgen, um den obersten Kirchenherren endgültig auf seine Seite zu ziehen. So schickten abgesehen von ihm auch noch die Erzbischöfe von Köln und Mainz Briefe an Gregor, die in ihrer Stellung als Kurfürsten die Wahl des Habsburgers gegenüber dem Papst als legalen Akt bezeugten.25 Die zwei wichtigsten Geistlichen des Reichs auf seiner Seite zu haben brachte Rudolf beim Papst mit Sicherheit einen enormen Gewinn an Legitimität für sein Königtum, die er in seiner Situation bitter nötig hatte. Beide sparten nicht an Lob für die guten Eigenschaften des frisch gewählten Königs (rex est fide catholicus, ecclesiarum amator, etc. und versicherten Gregor, Rudolf werde allen Wünschen des Papstes nachkommen und ein Beschützer der Kirche sein.26 Dafür solle der Papst ihn jedoch ad imperialis fastigii diadema […] evocare, ihn also zur Kaiserkrönung berufen. Ob diese Bitte lediglich aus Gewohnheit erfolgt ist oder die Kurfürsten angesichts der verfahrenen Situation des Reichs ebenfalls ein starkes Interesse daran gehabt haben, dass es wieder eine kaiserliche Zentralgewalt gibt, ist eine spannende Frage, aber nicht Gegenstand dieser Untersuchung.

Zusätzlich zur Unterstützung der Kurfürsten schickte Rudolf noch Otto von Speyer als Gesandten nach Rom, um ihm die Bekundungen seiner Ergebenheit gegenüber der Kurie und sein Kreuzzugsgelübde persönlich zu überbringen. Aus dem darauffolgenden Antwortschreiben des Papstes geht hervor, dass er diesen Schritt sehr begrüßt und sich somit nach all den Bemühungen und Appellen Rudolfs endlich auch bei ihm gemeldet hat.27 Es ist durchaus anzunehmen, dass Gregor dabei bewusst abgewartet und getestet hat, wie viel Entgegenkommen er von Rudolf erwarten kann, um sicher zu gehen, dass er einen der Kirche ergebenen Anführer für seinen Kreuzzug gefunden hat. In seinem Brief schreibt der Papst, er habe Otto von Speyer mit Wohlwollen aufgenommen und dieser habe ihm versichert, dass Rudolf unter anderem bereit sei, die einzelnen Kirchen zu schützen, zu fördern und ihre Rechte zu erhalten. Darüber hinaus sei er bereit ad universalem orbis pacem [voluntarium] efficaci laborare studio, also sich mit großer Bemühung für den universalen Frieden einzusetzen und sich somit dem päpstlichen Kreuzzugsplan zu unterwerfen. Außerdem zeigte sich der Papst erfreut, dass Rudolfs Bote endlich seinem heißen Wunsch Ausdruck verliehen hat, ab olim ad terram illam […] possis visitare […] et ipsius terre necessitatibus […] subvenire, also das Heilige Land zu besuchen und sich selbst ein Bild von den dortigen Zuständen zu machen.28 Man kann also sagen, dass es gut aussah für den päpstlichen Kreuzzugsplan. Gregor hatte seinen ergebenen weltlichen Anführer gefunden und ihm einiges an Zugeständnissen und Unterwürfigkeit abgerungen, wodurch er nun endlich die Früchte der langen Auseinandersetzung mit den Staufern ernten konnte. Zudem hatte Rudolf ihm bereits von selbst einen Kreuzzug versprochen, der nun immer mehr Gestalt annahm. Aus Gregors Sicht galt es nun noch, die übrigen abendländischen Herrscher von Rudolfs Qualifikation für das höchste weltliche Amt zu überzeugen und möglichst bald seine Krönung vorzubereiten. Es ist wahrscheinlich, dass Gregor selbst aufgrund seines fortgeschrittenen Alters (er war bereits 63 Jahre alt) darauf drängte, in dem Wissen, dass ihm vermutlich nicht mehr allzu viel Zeit bleiben würde, seine Pläne zu verwirklichen.

In seinem Fortgang trägt der Brief Gregors jedoch noch eine weitere wichtige Aussage in sich: Rudolf solle sich verpflichten, alle kirchlichen Maßnahmen zu befolgen, die dazu dienen sollen, den Verdacht, der bei einigen gegen ihn besteht, aus dem Weg zu räumen.29 Um welchen Verdacht es sich dabei konkret handelt wird nicht gesagt, aber angesichts der erst vor wenigen Monaten erfolgten Wahl Rudolfs ist anzunehmen, dass sich diese Passage auf Rudolfs Opposition bestehend aus Alfons, Ottokar und Karl bezieht. Somit findet sich in diesem Schreiben von Januar 1274 bereits ein eindeutiges Bekenntnis des Papstes und der Kurie zu Rudolf von Habsburg. Zwar wollte der Papst in seiner Friedenspolitik erst Alfons und Ottokars Antworten zur Wahl Rudolfs abwarten, aber nachdem Ottokar ablehnte und Alfons gar nicht erst antwortete zögerte er nicht, Rudolf auch schriftlich anzuerkennen.30 Zuvor hatte er sich bereits auf dem Konzil von Lyon für Rudolf als römischen König ausgesprochen und dadurch die Gesandtschaft seines Rivalen Alfons von Kastilien übergangen.

Die offizielle schriftliche Anerkennung Rudolfs erfolgte in einem Brief31 vom 26. September 1274, in welchem Gregor sich zunächst dafür entschuldigt, dass er Rudolf auf diese so lange hatte warten lassen. Er argumentiert dabei, dass gut Ding eben Weile haben müsse. Bereits in der Anrede Rudolfs als regi Romanorum wird eine Veränderung deutlich, denn im vorherigen Brief hatte Gregor ihn noch als in Romanorum regem electo,also zum römischen König Gewählter, bezeichnet. Dies macht deutlich, dass er sich vorher noch nicht eindeutig für Rudolf entschieden hatte. Ziemlich schnell kommt der Papst auch auf die Kernaussage des Briefs zu sprechen, indem er Rudolf mitteilt, dass te regem Romanorum […] nominamus. Über die Bedeutung des Wortes nominare in diesem Schreiben ist in der Forschung häufig diskutiert worden, die einen übersetzen es mit „bezeichnen“, die andere mit „ernennen“. Die genaue Übersetzung ist für das Verständnis nicht gerade unwichtig, denn je nach gewählter Übersetzung entsteht ein anderer Sinn. So drückt „bezeichnen“ lediglich eine affirmative Handlung aus, die Mitteilung, dass der Papst Rudolf nun offiziell als römischen König adressiert. „Ernennen“ hingegen würde bedeuten, dass der Papst maßgeblich daran beteiligt ist zu bestimmen, wer an der Spitze des Reiches steht. Unabhängig davon zeigt sich jedoch, dass das Papsttum bei der Königs- und Kaiserkür deutlich an Gewicht gewonnen hat. Es ist unbestreitbar, dass es sich zu dieser Zeit auf einem Höhepunkt seiner Macht befand und die Handlungsfreiheit des römischen Königtums demgegenüber stark eingeschränkt war.

Anhand der bisherigen Untersuchung lässt sich sagen, dass die Antwort wohl irgendwo zwischen beiden Möglichkeiten steckt. Gregor hat sich sicherlich nicht das Recht herausgenommen, jemanden zum römischen König zu ernennen, sonst hätte er kaum die Kurfürsten damit beauftragt, eine Wahl zu veranstalten. Allerdings beweist allein die Tatsache, dass dieses päpstliche Schreiben existiert, dass Rudolf auf diese Approbation durch den Papst angewiesen war, um seine Herrschaft zu legitimieren. Demnach wäre es theoretisch denkbar gewesen, dass der Papst Rudolf die Anerkennung hätte verweigern können, wenn er mit dessen Handeln nicht zufrieden gewesen wäre. Rudolf selbst hatte nicht die Macht, sich alleine als römischer König durchzusetzen und genau das verdeutlicht sein Dilemma, denn es ist nicht so, dass er eine Wahl gehabt hätte, wenn er König und Kaiser werden wollte. Insofern macht Rudolfs unterwürfiges Verhalten deutlich, dass ihm ein Einvernehmen der Kurie in Bezug auf seine Krönung wichtiger war als ein erneuter Grundsatzkonflikt über das Verhältnis von Imperium und Sacerdotium.32

Im Zuge seiner Approbation der Königswahl stellte Gregor Rudolf nun auch zum ersten Mal die Kaiserkrone in Aussicht. So wies er ihn an dafür zu sorgen, dass es in dieser Angelegenheit ja keinen weiteren Aufschub geben möge und er sich vorbereiten solle ad unctionem, consecrationem et imperialis diadematis coronationem33, auf seine Salbung,seine Weihe und seine Krönung mit dem kaiserlichen Diadem. Außerdem ordnete Gregor Rudolf an Gesandte zu ihm zu schicken, um einen Krönungstag zu vereinbaren und Acht zu geben, dass er zu diesem Zeitpunkt auch ja in Rom sein würde. Nachdem er sich nun endgültig für Rudolf entschieden hatte wirkt es, als könne es Gregor gar nicht schnell genug gehen, ihn zum Kaiser zu krönen. Die letzten vorbereitenden Schritte dafür und zur Realisierung des geplanten Kreuzzuges offenbarten sich im folgenden Jahr 1275.

3.3. Der Weg zur Kaiserkrönung

Blickt man nach Italien, so wird schnell klar, wieso Gregor so viel daran gelegen hat, die Kaiserkrönung auf einmal möglichst bald stattfinden zu lassen. Der Kirchenstaat war umgeben von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Karl von Anjou und Alfons von Kastilien, die beide große Teile Italiens beherrschten und sich um die dortige Vorherrschaft stritten. Besonders heiß her ging es auch im Reichsgebiet Oberitalien, in dem die kaiserfreundlichen Ghibellinen und die kaiserfeindlichen Guelfen einander regelmäßig zusetzten. Selbst die päpstliche Vermittlung tat sich schwer, den Konflikt beizulegen und die Streitenden zu versöhnen und wie sollte ein Papst die Christen zum Kampf gegen die Muslime vereinen, wenn er nicht einmal im Herzen des Christentums für Frieden sorgen konnte? Es verwundert daher nicht, dass Gregor im Laufe der Zeit zunehmend auf Rudolfs Hilfe bei der Lösung des Konflikts angewiesen war und sich das asymmetrische Verhältnis zumindest ein wenig zugunsten von Rudolf relativierte. Dadurch, dass sich beinahe alle großen Mächte des Abendlandes in den Konflikt einmischten (selbst Ottokar ließ es sich zeitweise nicht nehmen, Oberitalien gegen Rudolf aufzubringen), ergab es sich zwangsläufig, dass der Papst und der designierte Kaiser immer näher zusammenrückten.

Gregor teilte Rudolf dann bald den kommenden Allerheiligentag des Jahres 1275 als Termin für seine Krönung mit, so wie es bereits bei vielen anderen Kaisern der Vergangenheit üblich war. Zudem bat er ihn um die Entsendung eines Truppenkontingents nach Oberitalien, um dort im Namen der Kirche den Frieden wiederherzustellen.34 Dieser Bitte des Papstes konnte Rudolf von Habsburg bei aller Ergebenheit jedoch auf gar keinen Fall nachkommen und somit ergab sich zum ersten Mal die Situation, dass Rudolf unabhängig vom Papst eine politische Entscheidung traf. Aufgrund der nach wie vor angespannten Situation mit Ottokar II. im Reich und seiner anhaltenden, nicht nur imperatorum et regum 3: 1273-1298. Hannover 1904, S. 55-56 finanziellen Unterlegenheit gegenüber dem „goldenen König“ war es ihm nicht möglich,auch nur ein paar Ritter zu entbehren. Trotz anfänglicher Proteste blieb Gregor letztendlich keine Wahl als Rudolfs Absage zu akzeptieren. Realistisch betrachtet konnte der Habsburger auch schlecht seine wacklige Königsherrschaft nördlich der Alpen nur für eine Intervention in Oberitalien riskieren. Das grundsätzliche Dilemma Rudolfs, aus Mangel an Geld und Durchsetzungskraft nicht nach Italien ziehen zu können, prägte auch sein Verhältnis zu Gregors Nachfolgern.

Zumindest versicherte Rudolf dem Papst, er habe durchaus die Absicht, nach Rom zu ziehen, er könne jedoch nicht die von ihm gewünschten Truppen zur Verfügung stellen.35 Tatsächlich musste der König aber auch noch um ein päpstliches Darlehn bitten und zusätzlich um einen Aufschub seiner Krönung auf Christi Himmelfahrt 1276. Das allein reicht aus um festzustellen, dass die Lage für Rudolf von Habsburg offenbar ziemlich problematisch gewesen ist. Ein römisch-deutscher König, der den Papst um Geld bitten muss und freiwillig seine Krönung verschieben will, der Traum aller antistaufischen Päpste. Allerdings stellte Rudolf durch seine schwache Stellung wiederum das andere Extrem dar, einen relativ machtlosen König, der sich zumindest in dieser Anfangsphase seiner Herrschaft nur schwer behaupten konnte. Gregor war über diese erneute Abfuhr Rudolfs alles andere als begeistert, er brauchte Rudolf nun für seinen Frieden in Italien und bemühte sich ihm klarzumachen, dass „durch die Lombardei der Weg zur Kaiserkrone“36 führe. Er machte ihm somit unmissverständlich klar, dass er nicht mit einer Krönung zu rechnen brauche, wenn er sich nicht persönlich mit einer Streitmacht durch Oberitalien auf den Weg nach Rom machen würde. Gregor schärfte Rudolf weiterhin ein, er möge sich für Allerheiligen bereithalten, musste diesen Termin aber letztendlich doch aufgeben.

Nachdem Rudolfs Krönung für ihn an der Unmöglichkeit gescheitert war nach Rom zu ziehen, vereinbarten Papst und König zusammen mit weiteren Persönlichkeiten ein Treffen im nicht ganz so weit entfernten Lausanne, das im Oktober 1275 stattfand.37 In der Bischofsstadt bot sich Gregor die Gelegenheit, Rudolf von Angesicht zu Angesicht nochmal einige nicht unbedeutende Zugeständnisse abzuringen, um sich nach den jüngsten Ereignissen der Ergebenheit der Habsburgers zu vergewissern. Diese Versprechungen Rudolfs in Lausanne sind gut dokumentiert.38 So leistet Rudolf am 20. Oktober 1275 den Schwur, dass er omnes possessiones, honores et iura Romane ecclesie, also alle Besitzungen, Ehren und das Recht der Kirche, achten werde und alles, was sie zurückerhalten hat in Frieden und in Ruhe lassen werde. Außerdem werde er alles, was in seine Hände gerät, ohne Schwierigkeiten zurückgeben, was von ihm mehrfach schriftlich bestätigt wird, um dem Papst ja seine Loyalität zu demonstrieren. Explizit erwähnt er das zur Zeit der Staufer so umkämpfte Königreich Sizilien: Adiutor eciam ero ad retinendum et defendendum ecclesie Romane regnum Sicilie, er werde der römischen Kirche ein Helfer sein bei der Bewahrung und Verteidigung des Königreichs Sizilien. Auch dieser Schwur wird noch weitere Male und auch in abgeänderter Form, zum Beispiel Sardinien und Korsika einschließen, geleistet. Somit war es Rudolf, der nach dem langen Ringen um Sizilien schließlich im Namen des Reichs für immer auf das einstige päpstliche Lehen verzichtete und es Karl von Anjou als Besitz garantierte. Dies kann als endgültiger Friedensschluss zwischen Papsttum und Kaisertum betrachtet werden. Was Reichsprivilegien in Bezug auf die Kirche angeht, zeigt sich Rudolf ebenfalls äußerst großzügig.39 Darüber hinaus gelobte er diese Eide nach seiner Salbung, Weihe und Kaiserkrönung in Rom zu erneuern. Der Termin dazu wurde auf Mariä Lichtmess, den 2. Februar des Jahres 1276 festgelegt, Rudolf solle dafür mit 2000 Mann nach Rom kommen.40 Außerdem erfüllten Rudolf und seine Gefolgschaft Gregors lang ersehnten Wunsch und nahmen das Kreuz aus seiner Hand („rex accepit crucem“) als Zeichen dafür, dass sie sich ins Heilige Land aufmachen werden.41 Es sah also sehr gut aus für Gregor: Rudolf hatte ihm alles bestätigt, was er hören wollte und nicht nur er, sondern auch Karl von Anjou erklärte sich bereit, bald einen Kreuzzug zur Befreiung Jerusalems zu unternehmen.42 Der Papst ermahnte Rudolf aufgrund der vorherigen Erfahrungen auch ja rechtzeitig zur Krönung in Rom zu erscheinen und leitete noch alles mögliche Organisatorische für seinen Plan in die Wege, doch gerade, als er kurz vor der Erfüllung seines Wunsches stand, schlug das Schicksal erneut zu. Gregor X. starb am 12. Januar 1276 in Arezzo, knapp drei Wochen vor Rudolfs Kaiserkrönung. Theologisch gesehen ist es Ironie des Schicksals, dass Gott seinen obersten Hirten nach der ganzen Arbeit für seinen Kreuzzug so kurz vor dessen Realisierung zu sich geholt hat. Auch für Rudolf hat dieses unglückliche Ereignis einen bitteren Beigeschmack, denn er hat durch seine Fülle an Zugeständnissen einen hohen Preis für eine Krone bezahlt, die er letztendlich nicht bekommen hat und auch während seiner weiteren Regierung nicht bekommen wird. Auch bei Gregors unzähligen Nachfolgern scheiterte die Kaiserkrönung immer wieder an plötzlichen Todesfällen oder der Tatsache, dass Rudolf es einfach nicht schaffte nach Rom zu reisen, um dort sein Diadem entgegenzunehmen. Dadurch blieb Rudolf von Habsburg im Endeffekt der „ewig Ungekrönte“ und der Kreuzzugsplan Gregors spielte nach seinem Tod keine Rolle mehr. Dennoch, er hatte nicht nur versucht, den von ihm aufgebauten römischen König ins Heilige Land zu schicken, sondern auch dessen stärkste Widersacher Ottokar von Böhmen und Karl von Anjou. Diese Bemühungen sollen im Folgenden noch genauer erörtert werden, um ein schlüssiges Gesamtbild von Gregors Konzept zu erhalten.

4. Die Kreuzzugspolitik in Bezug auf die Rivalen Rudolfs von Habsburg

4.1. Ottokar von Böhmen

Beschäftigt man sich mit Rudolf von Habsburg, so wird man abgesehen von Gregor X. um eine Person mit Sicherheit nicht herumkommen, nämlich um Ottokar II. von Böhmen. Wie ein Bilderbuch Erzfeind und Gegenspieler zum Protagonisten macht er Rudolf lange Zeit die Herrschaft und das Leben schwer, weshalb seine Rezeption in den Quellen und in der Forschung tendenziell eher negativ ausfällt. Genau aus diesem Grund möchte ich die Geschichte Ottokars nicht in die eben geschilderte von Rudolf einflechten, sondern sie gesondert und möglichst vorurteilsfrei betrachten, um seiner Person gerecht zu werden. Dabei werden sich gewisse Überschneidungen mit dem bereits Erörterten nicht vermeiden lassen, wenn ich auch versuchen will, sie so gering wie möglich zu halten und das Hauptaugenmerk auf Ottokar und Gregor zu richten.

Aufgrund seiner sehr forschen Antworten an Papst Gregor im Rahmen der Streitigkeiten mit Rudolf wirkt es, als hätte der böhmische König nie eine besonders starke Bindung zum Vatikan gehabt. Dieser Eindruck täuscht allerdings. Tatsächlich existierte zuvor sogar ein enges Zusammenwirken zwischen ihm und der Kurie. So unterstützte er die Kirche zum Beispiel bei der Christianisierung Nordosteuropas und unternahm bereits 1254 einen Kreuzzug gegen die. Ganz ohne Eigennutz tat Ottokar das aber nicht, denn von der Kooperation mit der Kirche versprach er sich deren Unterstützung bei seinen hochgesteckten Ambitionen. Seine Vorstellung war es, ein langgezogenes Reich von der Adria bis an die Ostsee zu schaffen und mit einem Blick auf die Karte wird deutlich, dass er diesem Ziel sehr nahegekommen ist.43 Als mit Abstand mächtigster Reichsfürst sah er sich außerdem dazu berufen König und auch Kaiser und dadurch wird klar, wieso er für Rudolf so unglaublich gefährlich war. Ottokar hatte drei Dinge, die Rudolf nicht hatte, nämlich Reichtum, viel Territorialbesitz und damit einhergehend große Macht. Ironischerweise führte aber gerade dies in Kombination mit seiner blockierenden Haltung als Kurfürst dazu, dass nicht er, sondern der Habsburger in seiner Abwesenheit zum römischen König gewählt wurde.44

Nachdem der Böhmenkönig also seines Stimmrechts beraubt wurde und es ihm nicht gelungen war, selbst den Thron zu besteigen oder zumindest Neuwahlen zu verhindern, setzte er alles daran, den Papst von der Nichtanerkennung der Wahl zu überzeugen und eine Konsolidierung von Rudolfs Königtum mit allen Mitteln zu verhindern. In einem Schreiben wandte er sich an den Pontifex, beschwerte sich, dass er bei der Wahl übergangen worden sei und sprach Rudolf die Eignung für das höchste weltliche Amt ab.45 Er sei „arm an Macht und arm an Geld“46, ein treuer Anhänger der Staufer und überhaupt sei die Wahl aufgrund seiner Abwesenheit sowieso ungültig. Die Verachtung für Rudolf und seine eigene Selbstüberschätzung war eines der größten Probleme Ottokars und genau das wurde ihm letztendlich zum Verhängnis. Diese Eigenschaft wird anhand einer zeitgenössischen Lobrede deutlich, auf die er mit wenig Bescheidenheit reagiert und in der er als rex invictissime et excellentissime tituliert wird. Deus in coelis regnat, tu in terris ex permissione eius […] et non est qui resistat tuae voluntati47, Gott herrsche im Himmel und Ottokar von seinen Gnaden auf Erden und nichts könne seinem Willen widerstehen. Ganz richtig ist das nicht, denn tatsächlich konnte Gregor das sehr gut. Trotz der Widerspenstigkeit Ottokars und der Weigerung, sich seines päpstlichen Schiedsspruches zu unterwerfen, bemühte er sich darum, mit ihm auf einen grünen Zweig zu kommen. Die unzähligen Kreuzzugsangebote, mit denen der Böhmenkönig ihn ködern wollte wies er gekonnt zurück und entgegnet, es sei im Sinne des Heiligen Landes ein starkes, allgemein anerkanntes Kaisertum zu haben.48

Dennoch, Ottokar ließ nicht locker und auch der Bischof Bruno von Olmütz sprach sich für ihn als geeigneteren Kandidaten aus. Mit Rudolf seien die Lähmung der Reichspolitik und die Gefährdung der Christenheit nicht zu überwinden, „allein der mächtige Böhmenkönig sei in der Lage, gegen Ketzerei und Unglaube wirkungsvoll einzuschreiten und den vom Papst so sehnlichst gewünschten Kreuzzug gegen die Häretiker in Palästina durchzuführen“.49 Mit Blick auf dessen bereits absolvierten Kreuzzug gegen die Prussen fügte der Bischof hinzu, dass „solo regno Boemiae imminere videtur in partibus nostris defensio christianae“50, nur der böhmische König scheint im Abendland zur Verteidigung des Christentums in der Lage zu sein. Offensichtlich wusste Ottokar also genau das zu sagen, was der Papst hören wollte. Der Versuch, Gregor mit seinem eigenen Kreuzzugsplan zu ködern und ihm seine Teilnahme schmackhaft zu machen war taktisch an sich kein schlechter. Letztendlich scheiterte er vermutlich an des Königs Hochmut, da er darauf bestanden hätte, selbst der dafür designierte Anführer zu sein, was im Hinblick auf Gregors längst gefallene Entscheidung für den nicht so unberechenbaren Grafen Rudolf jedoch unmöglich war.

Insofern verwundert es nicht, dass auch das darauffolgende Angebot aus Böhmen in Rom wenig Beachtung fand, vor allem, da Ottokar im Vergleich zu vorher ungewöhnlich forsche Bedingungen stellte. So würde er zwar einen Kreuzzug durchführen, allerdings erst in vier Jahren. Der päpstlichen Vermittlung im Konflikt mit Rudolf wolle er sich stellen, jedoch erst nach dem Kreuzzug und wenn ihm sein Besitz garantiert würde.51 Es ist offensichtlich, dass der Böhme damit Zeit schinden wollte, weil das Eis für ihn langsam dünner zu werden drohte. Gregor ließ sich davon nicht beeindrucken, er wollte weder einen Einzelkreuzzug noch dem widerspenstigen Böhmen seinen Besitz garantieren. Somit entgegnete er, in dem Schreiben sei nichts Neues enthalten und Ottokar solle sich hüten, gegen Reichsgesetze zu verstoßen und er möge Gesandte entsenden, um zu einer Einigung zu kommen.52 Man merkt, dass dem Papst langsam die Geduld abhanden ging, sich weiter mit dem böhmischen König auseinanderzusetzen. Nachdem er sich auf dem Augsburger Reichstag weiterhin trotzig gab, reichte es Gregor endgültig und die beiden schrieben sich nie wieder. Der Papst musste einsehen, dass Ottokar nicht ernsthaft einen tragfähigen Ausgleich anstrebte und ließ ihn deshalb trotz seiner Pläne fallen.53 Rudolf hingegen hatte sich bemüht, allen Ansprüchen des Heiligen Stuhls gerecht zu werden und wurde dafür belohnt.

Der Streit zwischen Ottokar von Böhmen und Rudolf von Habsburg gilt als der einzige Konflikt, den Gregor X. nicht zu lösen im Stande war. Er endete in einer blutigen Auseinandersetzung zwischen den beiden Fürsten und mit dem Tod Ottokars auf dem Schlachtfeld. Die Lösung des Konflikts scheiterte auch nicht nur an der Uneinsichtigkeit Ottokars, sondern an mehreren Faktoren. Grundsätzlicher Streitpunkt zwischen ihm und Rudolf war nicht primär die Königswahl, sondern die Lehensvergabe. Allerdings basierte dieser Streit indirekt auf der Wahl Rudolfs. Ottokar hätte symbolisch zu ihm ziehen müssen, um sein Lehen bestätigt zu kriegen, so wie bei jedem Königswechsel üblich, ansonsten erlischt das Lehen und es wird eingezogen. Ganz so klar war die rechtliche Lage jedoch nicht, denn aus Ottokars Sicht war Rudolf eigentlich nicht rechtmäßig und einstimmig gewählt worden, da seine Stimme durch die von Herzog Heinrich von Niederbayern ersetzt wurde.

Es ist also festzuhalten, dass Ottokars Engagement für Gregors Kreuzzugsidee lediglich im Kontext seiner Auseinandersetzung mit Rudolf steht und dahinter keinerlei ehrliche Ambitionen für einen Zug ins Heilige Land steckten. Wenn überhaupt hätte er diesen in seiner Eitelkeit nur als Anführer unternommen. Auch ist nochmals an die bereits erwähnte Äußerung des Papstes zu erinnern, er würde Ottokar zum Kaiser krönen, wenn er von den Kurfürsten einstimmig gewählt wird.54 Eine derart fixe Zusage von einem taktierenden und abwartenden Papst wie Gregor verdeutlicht, wie absolut unrealistisch eine Kaiserkrönung des Böhmenkönigs war und somit auch seine Beteiligung an einem Kreuzzug.

4.2. Karl von Anjou

Auch der machthungrige Karl von Anjou bemühte sich stets um ein gutes Verhältnis zur römischen Kurie, sofern das seinen hochgesteckten Ambitionen nicht entgegenwirkte. Im Folgenden soll ersichtlich werden, dass für den sizilianischen König die Kooperation mit Papst und Kirche ohne persönlichen Vorteil nur schwer vorstellbar war. Besonders deutlich wird sich dies anhand der von Gregor initiierten Vereinigung von Ost- und Westkirche zeigen.

Wie Ottokar von Böhmen hatte auch Karl I. in seinem Leben bereits den ein oder anderen Kreuzzug miterlebt, bevor Gregor X. zum Papst gewählt wurde. 1248 nahm er an einem zunächst erfolgreichen Kreuzzug nach Ägypten teil, geriet jedoch wie sein Bruder, der französische König Ludwig IX., in muslimische Gefangenschaft.55 Eine Anekdote aus dieser Zeit spiegelt dabei den Charakter des angovinischen Stammvaters perfekt wider: Nachdem er und sein Bruder wieder freigelassen worden waren, befanden sie sich auf einem Schiff in die Heimat. Während der König erschüttert war über das Scheitern der Unternehmung und den Tod ihres Bruder Robert, spielte Karl teilnahmslos Glücksspiele mit Würfeln. König Ludwig konnte das angesichts der jüngeren Ereignisse nicht nachvollziehen, verlor irgendwann die Fassung und warf die Würfel samt Spielbrett über Bord.56 Offensichtlich lagen Welten zwischen der Religiosität des frommen Ludwig und der dazu im krassen Gegensatz stehenden Gleichgültigkeit seines Bruders Karl. Diese Geschichte soll verdeutlichen, dass Karls Engagement für Kreuzzüge weniger religiöser Natur war, sondern eher auf persönlichen Ambitionen beruhte und er somit nicht unbedingt ein geeigneter Ansprechpartner für den Papst war. Gregor dürfte das auch gewusst haben, als er ihm bezüglich des französischen Kaisertums eine nicht ausgesprochene, aber deutliche Absage erteilte.

Ein weiteres Beispiel für diese Unterordnung der Kreuzzugsidee unter persönliche Interessen ist der sechste Kreuzzug von 1270.57 Dabei begleitete Karl seinen Bruder Ludwig erneut nach Afrika, dieses Mal allerdings nach Tunis. Hintergrund dieser Unternehmung war für Karl, dass der dort herrschende Kalif mit dem Tod Konradins von seiner Tributpflicht gegenüber Sizilien entbunden wurde. Dieses hatte Karl dem Staufer mit Waffengewalt abgenommen und war dafür vom Papst mit dem sizilianischen Lehen belohnt worden, jedoch weigerte sich der tunesische Kalif nun, jenen Tribut auch an Karl von Anjou zu entrichten. Ludwig starb kurz nach der Ankunft, Karl nahm aber dennoch den Kampf gegen den Kalifen auf, besiegte ihn und setzte die Tributzahlungen wieder durch. Trotz der religiösen Motivation seines Bruders kann diese Unternehmung also nur bedingt als Kreuzzug bezeichnet werden, da es hauptsächlich um die Durchsetzung der persönlichen Interessen des Anjous ging.

Zur Annäherung der Kurie an Karl kam es aus mehreren für Gregors Kreuzzugsplan relevanten Gründen.58 Das Fehlen des starken staufischen Kaisertums hatte die oberitalienischen Gebiete destabilisiert und es drohte dort eine Auseinandersetzung zwischen dem Anjou und Alfons von Kastilien. Auch hielten einige Städte in dieser Region noch an den Staufern fest und weigerten sich, sich dem Papst zu unterwerfen. Die dortigen Stadtstaaten, vor allem Venedig, Genua und Pisa, waren aufgrund ihrer enormen Bedeutung für die Schifffahrt aber unverzichtbar für einen Zug ins Heilige Land. Irgendwie mussten die Ritter ja dort hinkommen und das geschah meistens durch Verschiffung von italienischen Häfen nach Zypern, Byzanz oder direkt nach Palästina. Durch seinen wachsenden Einfluss in Italien sorgte Karl von Anjou für Frieden, indem er die rebellierenden oberitalienischen Städte, die an den Staufern festhielten, unterwarf.59 Dafür war ihm der Papst gewissermaßen zu Dank verpflichtet und er wurde ein unverzichtbarer Partner für eine erfolgreiche Unternehmung ins Heilige Land. Dieser Hauch von Abhängigkeit erklärt auch, wieso Gregor in seinem Umgang mit Karl von Anjou weitaus feinfühliger vorging als das bei Ottokar der Fall war, obwohl auch Karl zeitweise in Opposition zu Rudolf von Habsburg stand.

Papst Gregor war stets darum bemüht, ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Karl und Rudolf zu schaffen, da er sie beide für seinen Kreuzzugsplan brauchte. Aufgrund der Vergangenheit war das aber zunächst nicht einfach. Karl hatte die heftigen Auseinandersetzung der Staufer mit dem Papsttum miterlebt und ihre Macht kennengelernt, er selbst war es ja, der den letzten Staufer Konradin besiegte und enthaupten ließ. Seine Macht beruhte vor allem auf der Inbesitznahme Siziliens, deshalb konnte er ein wiedererstarkendes Heiliges Römisches Reich mit Kaiser an der Spitze, wie von Gregor beabsichtigt, nur fürchten und keines Falls dulden, weil es seiner eigenen Position gefährlich werden könnte.

Insofern verwundert es nicht, dass er vor Rudolfs Wahl zum römischen König darum bemüht war, eine solche zu verhindern oder zumindest einen Kandidaten nach seinem Geschmack durchzusetzen. Dies brachte ihn auf die Idee, die Kaiserkrone für sein Haus zu holen. Nicht für sich selbst, das war aufgrund des Lehensvertrags mit der Kurie nicht möglich, aber für seinen Neffen, den französischen König Philipp III.60 Seine Chancen dafür standen gar nicht schlecht, immerhin erhielten seine Truppen ja die Autorität der Kirche in der rebellierenden Lombardei und in der Toskana aufrecht. In seiner Position als päpstlicher Vollstrecker in Italien konnte er Gregor genau das bieten was er wollte, einen Kaiser als Anführer für seinen Kreuzzug. Wie bereits eingangs erwähnt versuchteer Gregor ein französisches Königtum in Personalunion mit dem römischen Kaisertum schmackhaft zu machen, da dieses enormes Ansehen und die nötige Macht für einen Kreuzzug besitzen würde.61 Gregor redete sich mit der Begründung raus, er könne Alfons nicht übergehen, das zeigte jedoch, dass er eine französische Kandidatur nicht wünschte, da er den kastilischen König längst hatte abblitzen lassen. Die Gründe dafür stellen gleichzeitig auch die Gründe dafür dar, weshalb Karl kein geeigneter Anführer für einen Kreuzzug war. Abgesehen davon, dass der Papst die alte Verbindung der Kirche mit dem deutschen Königtum nicht lösen wollte und die Kurfürsten niemals einen französischen König geduldet hätten, wären die Franzosen zu bedrohlich gewesen, wenn sie neben Frankreich und Sizilien auch noch die Kaiserkrone besessen hätten.62 Im Prinzip hätten sie dadurch das Erbe der Staufer angetreten, die alten Probleme des Papsttums wären in neuer Gestalt wiedergekommen und zahlreiche Machtkämpfe wären im Abendland entbrannt und gerade das wollte Gregor ja nicht. „Der Wunsch des Papstes, den Frieden mit aller Macht zu sichern, trug den Sieg selbst über die verlockendsten Aussichten davon.“63 Es zeigt sich also, dass die persönlichen Ambitionen Karls seine Tauglichkeit für einen Kreuzzug immer wieder in Frage gestellt haben.

Nichtsdestotrotz hatte er „gegen den vom Papst propagierten Kreuzzug […] nichts einzuwenden, nur sollte er unter seiner Leitung stehen und seinen Zielen dienen“.64 Dabei war sein oberstes Ziel genau das, welches den Papst am meisten in Opposition zu ihm stellte. Wie seine Vorgänger in Sizilien hatte er die Politik der normannischen Könige wiederaufgenommen, die auf die Beherrschung des Ostens, nämlich Byzanz und Jerusalem, zielte.65 Daran hätte sich wohl auch ein König Rudolf beteiligt, bei einem Kaiser hätte das jedoch ganz anders ausgesehen, denn allein aus religiösen Gründen hätte er die Leitung über solch ein Unternehmen gehabt. An sich war das zwar im Interesse des Papstes, aber speziell Karls Bestrebungen in Richtung einer Herrschaft über Byzanz torpedierten dessen Bemühungen um die Einigung der beiden Kirchen und die Unterstützung der Griechen.66 Dass der Papst die Pläne Karls nicht tolerierte, ist mehr als offensichtlich: „Die größten Hindernisse stelle jedoch der neue Papst der angovinischen Expansion nach Byzanz in den Weg.“67 Die Unvereinbarkeit von Gregors Unions-und Friedenspolitik mit der Aggressionspolitik Karls war also letztendlich der Hauptgrund einer Reihe von Aktionen zur persönlichen Bereicherung, die gegen eine Schlüsselrolle Karls bei einem Kreuzzug sprachen.

5. Fazit

Leopold von Ranke nannte die Kreuzzugspolitik Gregors „einen zwar sehr idealen, aber an sich großen Gedanken“68. In seiner Feststellung schwingt bereits der Ton mit, dass die Kreuzzugsbegeisterung zu Gregors Zeit längst nicht mehr so stark war, wie zu Beginn der Kreuzfahrten im 11. Jahrhundert. Dahingehend schien es eine Divergenz zwischen den weltlichen Herrschern und den Päpsten zu geben, es wirkt, als wollten Letztere diese Entwicklung lange nicht wahrhaben und das Heilige Land nicht aufgeben.

Der allmähliche Untergang der Kreuzzugsidee wird auch daran deutlich, wie leichtfertig und inflationär insbesondere Ottokar Pilgerfahrten ins Heilige Land versprochen, aber nie angetreten und dies wohl auch nie beabsichtigt hat. Karl von Anjou hingegen unternahm zwar einige Kreuzzüge und erbte sogar den Titel König von Jerusalem, jedoch zog er nicht primär ins Heilige Land und er zweckentfremdete die religiösen Unternehmungen zum persönlichen Machtgewinn. Rudolf von Habsburg möchte ich keinen Leichtsinn und keine Unaufrichtigkeit bei seinem Gelöbnis unterstellen, jedoch ist davon auszugehen, dass er es, wie viele Könige vor ihm, vor allem mit Blick auf die erhoffte Kaiserkrönung gegeben hat.

Was Gregor betrifft, so ist es schon eine Tragödie, dass er so kurz vor der Erreichung seines Ziels sterben musste und nun nur spekuliert werden kann, was geschehen wäre, wenn er noch lange genug gelebt hätte, um Rudolf zu krönen und seine Pläne zu verwirklichen. Es ist wohl nicht davon auszugehen, dass der Kreuzzug, wenn es denn trotz Kaiserkrönung überhaupt dazu gekommen wäre, etwas Grundlegendes an der Situation im Heiligen Land geändert hätte. Allerdings wäre es durchaus denkbar, dass die weitere Vorbereitung, insbesondere die Kaiserkrönung, vielleicht zu einer Erholung der kaiserlichen Macht und Autorität im Reich geführt hätte. Das Schicksal wusste diese Wendung der Geschichte, ein Kaisertum, dass von einem Papst wieder aufgebaut wird, zu verhindern.

Zu würdigen ist Gregor dennoch, insbesondere für drei Errungenschaften während seines vergleichsweise kurzen Pontifikats. Er schaffte es zumindest für eine gewisse Zeit, die beiden zerstrittenen Kirchen wieder zusammenzuführen. Er war es, der die königslose Zeit im Reich beendet hat und es war auch er, der endlichen Frieden mit dem Kaisertum geschlossen hat und bereit war, es zusammen mit Rudolf von Habsburg wiederaufzubauen. Nicht zu vergessen ist außerdem, dass die Idee der Befreiung des Heiligen Landes trotz ihrer fehlenden Durchführung dennoch als sehr idealer Gedanke eines engagierten Papstes zu würdigen ist.

6. Quellen- und Literaturverzeichnis

6.1. Quellen

MGH: Annales Basileenses, in: Pertz, Georg Heinrich (Hrsg.): Scriptores (in Folio) 17: Annales aevi Suevici. Stuttgart, 1861.

MGH: Canonicorum Pragensium Contin. Cosmae., in: Pertz, Georg Heinrich (Hrsg.): Scriptores (in Folio) 9: Chronica et annales aevi Salici. Hannover 1851.

MGH: Rudolfi I. Regis Constitutiones, in: Pertz, Georg Heinrich (Hrsg.): Constitutiones et acta publica imperatorum et regum 2: 1273-1298. Hannover 1837.

MGH: Rudolfi I. Regis Constitutiones, in: Pertz, Georg Heinrich (Hrsg.): Leges (in Folio) 2: Supplementa tomi I. Constitutiones regum Germaniae. Hannover, 1873.

MGH: Rudolfi I. Regis Constitutiones, in: Schwalm, Jakob (Hrsg.): Constitutiones et acta publica imperatorum et regum 3: 1273-1298. Hannover 1904.

6.2. Literatur

Erkens, Franz-Reiner: Zwischen staufischer Tradition und dynastischer Orientierung.: Das Königtum Rudolfs von Habsburg, in: Boshof, Egon/ Erkens, Franz-Reiner (Hrsg.) Rudolf von Habsburg 1273-1291. Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel, Köln u.a. 1993, S. 33-58.

Frenz, Thomas: Das „Kaisertum“ Rudolfs von Habsburg aus italienischer Sicht, in: Boshof, Egon/ Erkens, Franz-Reiner (Hrsg.) Rudolf von Habsburg 1273-1291. Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel, Köln u.a. 1993, S. 87-102.

Gatto, Ludovico: Il Pontificato di Gregorio X. (1271-1276), 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Neapel 2007.

Herde, Peter: Karl I. von Anjou, Stuttgart u.a. 1979.

Hoensch, Jörg: Premysl Ottokar II. von Böhmen. Der goldene König, Graz 1989.

Walter, Fritz: Die Politik der Kurie unter Gregor X., Berlin 1894.

Zisterer, Albert: Gregor X. und Rudolf von Habsburg in ihren beiderseitigen Beziehungen, Freiburg 1891.

6.3. Internetquellen

o.A.:http://web.archive.org/web/20050612094106/http://www.geocities.com/Heartland/ Valley/8920/churchcouncils/Ecum14.htm#%3Ch3%3ECONSTITUTIONS%3C/h3%3E, abgerufen am 14.06.2014.

[...]


1 Vgl. Zisterer, Albert: Gregor X. und Rudolf von Habsburg in ihren beiderseitigen Beziehungen, Freiburg 1891, S. 11.

2 Vgl. Herde, Peter: Karl I. von Anjou, Stuttgart u.a. 1979, S. 83.

3 Vgl. Zisterer: Gregor X und Rudolf von Habsburg, 1891, S. 4.

4 Vgl. Walter, Fritz: Die Politik der Kurie unter Gregor X., Berlin 1894, S. 24.

5 Vgl. Zister: Gregor und Rudolf von Habsburg, 1891, S. 11.

6 Vgl.o.A.:http://web.archive.org/web/20050612094106/http://www.geocities.com/Heartland/Valley/8920/churchcouncil s/Ecum14.htm#%3Ch3%3ECONSTITUTIONS%3C/h3%3E, abgerufen am 14.06.2014.

7 Vgl. Ebd.

8 Vgl. Walter: Die Politik der Kurie unter Gregor X., 1894, S. 80.

9 Vgl. Ebd: S. 78.

10 Vgl. Gatto, Ludovico: Il Pontificato di Gregorio X. (1271-1276), 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Neapel 2007, S. 273.

11 Walter: Die Politik der Kurie unter Gregor X., 1894, S. 56.

12 Ebd: S. 57.

13 Vgl. Walter: Die Politik der Kurie unter Gregor X., S. 81 ff.

14 Vgl. Zisterer: Gregor X. und Rudolf von Habsburg, 1891, S. 12.

15 Vgl. Walter: Die Politik der Kurie unter Gregor X., 1894, S. 56. 7

16 Vgl. Zisterer: Gregor X. und Rudolf von Habsburg, 1891, S. 61.

17 Vgl. Hoensch, Jörg: Premysl Ottokar II. von Böhmen. Der goldene König, Graz 1989, S. 74.

18 Vgl. Gatto: Il Pontificato di Gregorio X., 2007, S. 364.

19 Vgl. Walter: Die Politik der Kurie unter Gregor X., 1894, S. 62.

20 Vgl. Ebd: S. 56.

21 Vgl. Gatto: Il Pontificato di Gregorio X., 2007, S. 371.

22 Vgl. Ebd: S. 355.

23 Vgl. Erkens, Franz-Reiner: Zwischen staufischer Tradition und dynastischer Orientierung.: Das Königtum Rudolfs von Habsburg, in: Boshof, Egon/ Erkens, Franz-Reiner (Hrsg.) Rudolf von Habsburg 1273-1291. Eine Königsherr- schaft zwischen Tradition und Wandel, Köln u.a. 1993, S. 33-58, S. 37.

24 Vgl. MGH: Rudolfi I. Regis Constitutiones, in: Pertz, Georg Heinrich (Hrsg.): Constitutiones et acta publica imperatorum et regum 2: 1273-1298. Hannover 1837, S. 383-384.

25 Vgl. MGH: Rudolfi I. Regis Constitutiones, in: Pertz, Georg Heinrich (Hrsg.): Leges (in Folio) 2: Supplementa tomi I. Constitutiones regum Germaniae. Hannover, 1873, S. 393.

26 Vgl. Ebd.

27 Vgl. MGH: Rudolfi I. Regis Constitutiones, in: Schwalm, Jakob (Hrsg.): Constitutiones et acta publica imperatorum et regum 3: 1273-1298. Hannover 1904, S. 26-27.

28 Ebd.

29 Ebd.

30 Vgl. Walter: Die Politik der Kurie unter Gregor X., 1894, S. 92.

31 Vgl. MGH: Rudolfi I. Regis Constitutiones, in: Schwalm, Jakob (Hrsg.): Constitutiones et acta publica imperatorum et regum 3: 1273-1298. Hannover 1904, S. 55-56.

32 Vgl. Erkens, Franz-Reiner: Das Königtum Rudolfs von Habsburg, 1993, S. 33-58, S. 55. 3313

33 Vgl. MGH: Rudolfi I. Regis Constitutiones, in: Schwalm, Jakob (Hrsg.): Constitutiones et acta publica

34 Vgl. Walter: Die Politik der Kurie unter Gregor X., 1894, S. 98. 14

35 Vgl. Ebd: S. 104.

36 Ebd: S, 106.

37 Vgl. MGH: Annales Basileenses, in: Pertz, Georg Heinrich (Hrsg.): Scriptores (in Folio) 17: Annales aevi Suevici. Stuttgart, 1861, S. 197-198.

38 MGH; Rudolfi I. Regis Constitutiones, in: Schwalm, Jakob (Hrsg.): Constitutiones et acta publica imperatorum et regum 3: 1273-1298. Hannover 1904, S. 80-85.

39 Vgl. Ebd.

40 Vgl. MGH: Annales Basileenses, 1861, S. 197-198.

41 Ebd.

42 Vgl. Walter: Die Politik der Kurie unter Gregor X., 1894, S. 105. 16

43 Vgl. Hoensch: Premysl Ottokar II., 1989, S. 74.

44 Vgl. Ebd: S. 204.

45 Vgl. MGH: Rudolfi I. Regis Constitutiones in: Schwalm, Jakob (Hrsg.): Constitutiones et acta publica imperatorum et regum 3: 1273-1298. Hannover 1904, S. 19-20.

46 Vgl. Hoensch: Premysl Ottokar II., 1989, S. 206.

47 MGH: Canonicorum Pragensium Contin. Cosmae., in: Pertz, Georg Heinrich (Hrsg.): Scriptores (in Folio) 9: Chronica et annales aevi Salici. Hannover 1851, S. 189-190.

48 Walter: Die Politik der Kurie unter Gregor X., 1894, S. 93.

49 Hoensch: Premysl Ottokar II., 1989, S. 207.

50 Ebd: S. 207.

51 Ebd: S. 210.

52 Vgl. Walter: Die Politik der Kurie unter Gregor X., 1894, S. 99. 19

53 Vgl. Hoensch: Premysl Ottokar II., 1989, S. 218.

54 Vgl. Gatto: Il Pontificato di Gregorio X., 2007, S. 364.

55 Vgl. Herde, Peter: Karl I. von Anjou, Stuttgart u.a. 1979, S. 30ff.

56 Vgl. Ebd: S. 30.

57 Vgl. Ebd: S. 86.

58 Vgl. Walter: Die Politik der Kurie unter Gregor X., 1894, S. 51ff.

59 Vgl. Ebd: S. 54ff.

60 Vgl. Walter: Die Politik der Kurie unter Gregor X.,1894, S. 60. 22

61 Vgl. Ebd: S. 62.

62 Vgl. Ebd: S. 64.

63 Ebd: S. 64.

64 Frenz, Thomas: Das „Kaisertum“ Rudolfs von Habsburg aus italienischer Sicht, in: Boshof, Egon/ Erkens, Franz-Reiner (Hrsg.) Rudolf von Habsburg 1273-1291. Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel, Köln u.a. 1993, S. 87-102, S. 95.

65 Vgl. Ebd: S. 95.

66 Vgl. Walter: Die Politik der Kurie unter Gregor X., 1894, S. 68. 23

67 Herde: Karl I. von Anjou, 1979, S. 88.

68 Walter: Die Politik der Kurie unter Gregor X., 1894, S. 6.

Fin de l'extrait de 27 pages

Résumé des informations

Titre
Der Kreuzzugsplan Gregors X. und das Ringen um die Kaiserkrone
Université
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg  (Institut für Geschichte)
Cours
Hauptseminar Rudolf von Habsburg
Note
1,7
Auteur
Année
2014
Pages
27
N° de catalogue
V317720
ISBN (ebook)
9783668169388
ISBN (Livre)
9783668169395
Taille d'un fichier
656 KB
Langue
allemand
Mots clés
Rudolf von Habsburg, Heiliges Römisches Reich, Papst Gregor X., Karl von Anjou, Ottokar II. von Böhmen, Mittelalterliche Geschichte, Geschichte 13. Jahrhundert, Kreuzzüge, Habsburger
Citation du texte
B.A. Peter Zimmermann (Auteur), 2014, Der Kreuzzugsplan Gregors X. und das Ringen um die Kaiserkrone, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317720

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