Zur Rolle des mentalen Lexikons in der Sprachproduktion


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

13 Seiten, Note: 2,8

Helena Bergquell (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Entwicklung einer Fragestellung zur Abspeicherung von Wörtern im mentalen Lexikon.

2.) Die Speicherung von Wörtern im mentalen Lexikon
Hypothese 1: Flexionsendungen werden erst bei Bedarf an ihre Wörter gehängt
Hypothese 2: Derivationspräfixe und –suffixe sind bereits im mentalen Lexikon mit ihrem Stamm verknüpft

3.) Erörterung Hypothese 1: Flexionsendungen werden erst bei Bedarf an ihre Wörter gehängt Erörterung Hypothese 2: Derivationspräfixe und –suffixe sind bereits im mentalen Lexikon mit ihrem Stamm verknüpft

Literaturverzeichnis

1. Entwicklung einer Fragestellung zur Abspeicherung von Wörtern im mentalen Lexikon.

Unter einem Lexikon versteht man ein nach Stichwörtern alphabetisch geordnetes Nachschlagewerk für alle Wissensgebiete oder für ein bestimmtes Sachgebiet (vgl. http://www.duden.de/suchen/dudenonline/lexikon), auch Wörterbuch genannt. Der menschliche Wortspeicher wird in der Linguistik als mentales Lexikon bezeichnet und ist ein Modell des sprachlichen Wortschatzes. In der Psycholinguistik bezeichnet man einen sprachlichen Wissensbestand im Langzeitgedächtnis, in dem die Wörter einer Sprache mental repräsentiert sind, als mentales Lexikon (vgl. Raupach 1997:21). Das mentale Lexikon muss einem Sprecher für die Verwendung von Wörtern Informationen über die Lautform, über die orthografische Form, über die syntaktische sowie semantische Eigenschaften von Wörtern bereitstellen (vgl. Höhle 2010: 15).

Trotz der ähnlichen Bezeichnungen und auch inhaltlichen Überschneidungen gibt es organisatorische und inhaltliche Unterschiede zwischen dem Wörterbuch und dem mentalen Lexikon. Diese Unterschiede werden in der Psycholinguistik meist durch Versprecher erforscht. Die alphabetische Ordnung des Wörterbuches kann nicht auf das mentale Lexikon übertragen werden, da hierbei bei einem Versprecher ein alphabetisch benachbartes Wort gewählt würde. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass dies nicht der Fall ist. Dennoch besteht die Möglichkeit, dass die Wörter teilweise tatsächlich nach ihren Anlauten sortiert sind. Mitentscheidend sind aber auch andere Aspekte der Lautstruktur, wie der Auslaut, das Akzentmuster sowie der Vokal mit dem Hauptakzent.

An dem Versprecher Die Einwohner des Autos waren unverletzt sieht man, dass auch die Bedeutung der Wörter eine Rolle spielt.

Ebenfalls steht die Wandlungsfähigkeit und Flexibilität des mentalen Lexikons in scharfem Kontrast zum Inhalt des Wörterbuches. Der Inhalt des mentalen Lexikons ist im Gegensatz zum Wörterbuch nicht begrenzt. Unablässig werden während des Redens dem eigenen Wortschatz neue Wörter hinzugefügt sowie Aussprache und Bedeutung existierender Wörter verändert. So wurde z. B. die Aufforderung eines Fotografen Please do a Napoleon sofort verstanden und befolgt, obwohl der Ausdruck zuvor wahrscheinlich noch nie gehört wurde. Der Sprecher und die Zuhörer waren mit den besonderen Kennzeichen von Napoleon vertraut und wandten dieses Wissen neu an.

Auch die Suche eines Wortes funktioniert im mentalen Lexikon viel schneller als im Wörterbuch (vgl. Aitchison 1997: 13-18). Erwachsene haben, je nach Bildungsgrad 30000 bis 50000 Einträge in ihrem mentalen Lexikon, die sie tatsächlich aktiv benutzen. Für Studenten ergaben sich Schätzungen von 100000 bis 200000 Einträge, wenn Wörter wie gemein und Gemeinheit als unterschiedliche Einträge gezählt werden. Alle 200-250ms erkennen wir ein Wort, vier bis fünf Wörter pro Sekunde. Anhand dieser Fakten lässt sich ein gut strukturiertes mentales Lexikon vermuten (vgl. Zwitzerlood, Bölte 2008: 473).

Der größte Unterschied zwischen dem gedruckten Wörterbuch und dem mentalen Lexikon jedoch ist, dass das mentale Lexikon zu jedem Eintrag mit viel mehr Informationen aufwarten kann (vgl. Aitchison 1997: 13-19).

Die Menge detaillierter Informationen […], die mit einer lexikalischen Einheit verknüpfbar ist, ist nach allem, was wir wissen, unbegrenzt. Die existierenden Wörterbücher, selbst die großen, definieren die lexikalischen Einheiten nur unvollständig. (Hudson 1984: 74)

In einem Wörterbuch finden wir folgende Erklärung zu dem Wort paint: cover surface of (object). Doch wenn man einen Farbeimer umwirft und die Farbe auf den Boden fließt, hat man noch lange nicht den Boden angestrichen. Im Duden Universalwörterbuch wird das Wort glitschig und das Wort glatt gleichgesetzt. Das heißt, es wäre in beliebigen Sätzen austauschbar. Unser mentales Lexikon weiß es jedoch besser; es gibt Dinge, die glitschig sind und nicht glatt, und es gibt Dinge, die glatt sind, aber nicht glitschig.

Ebenfalls werden die Wörter im Wörterbuch meist isoliert betrachtet und nicht in Beziehung zu verwandten Wörtern gesehen. Im Duden Universalwörterbuch finden wir die Beschreibung eine verhältnismäßig hohe Temperatur haben zu dem Wort warm. Um die Bedeutung des Wortes warm aber vollständig erfassen zu können, muss man die Relation zu den Wörtern kalt, lau oder heiß auf der Temperaturskala kennen.

Ein Wörterbuch liefert uns auch nur statische Informationen ohne jegliche Rangfolge. Hingegen ist das mentale Lexikon in der Lage, einen Spatz vogeliger als einen Flamingo einzustufen. Weder die Gebräuchlichkeit der Wörter, noch die syntaktischen Muster sind im Wörterbuch verzeichnet.

Das Wort beliebt und das Wort ehemalig sind im Wörterbuch beide als Adjektive verzeichnet, doch woher wissen wir dann, dass man sagen kann Der Bürgermeister ist beliebt, aber nicht Der Bürgermeister ist ehemalig ?

Beim Wort umlaufen fehlt der Hinweis, dass die betonte Vorsilbe abgetrennt werden darf, während die zweite Bedeutung mit der unbetonten Vorsilbe nur als Ganzes auftreten darf. Im Bereich der Lautung wird im Wörterbuch nur eine Variante der Aussprache angegeben, unser mentales Lexikon hingegen kennt mehrere Aussprachevarianten wie z. B. Handbremse und ['hamp,bʁɛmsə].

Bei der Erforschung des mentalen Lexikons konzentrieren sich Linguisten sowie alle anderen Sprecher einer Sprache zwangsläufig auf das Wort. Dieses nimmt im sozialen System der Kommunikation die zentrale Rolle ein. Sprachwissenschaftler messen den Wörtern eine besondere Rolle bei. Doch was genau ist im Wortgedächtnis gespeichert und wie sind Wörter im mentalen Lexikon organisiert? Liegen die Wörter als Ganzes oder in ihren Morphemen vor? Dieser Frage möchte ich im Folgenden nachgehen.

2.) Die Speicherung von Wörtern im mentalen Lexikon.

Um herauszufinden, wie Wörter im mentalen Lexikon gespeichert sind, werden nun folgende Thesen erläutert:

Hypothese 1: Flexionsendungen werden erst bei Bedarf an ihre Wörter gehängt .

Flexion ist neben der Wortbildung ein Teilbereich der Morphologie. Wörter der flektierenden Wortarten Nomen, Adjektiv, Verb, Artikel und Pronomen werden als verschiedene Wortformen realisiert. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Flexion und bilden zusammen das Paradigma eines Wortes. Die Wortformen Hut, Hutes, Hute, Hüte, Hüten bilden zusammen das Paradigma Hut. Flexionsmittel sind im Deutschen Affixe (Hut-es, leb-test, ge-leb-t, grün-e, mein-em) und Veränderungen des Stammes wie Ablaut und Umlaut (sah, schläf-st, Häus-er, hoh-e). Bei der Flexion des Verbs (Konjugation) wird nach Numerus, Person, Tempus, Verbmodus und Genus Verbi flektiert (konjugiert). Nomina flektieren nach Numerus und Kasus. Adjektive, Pronomina und Artikel flektieren nach Numerus, Genus und Kasus, teilweise auch nach Person. Die Flexion von Nomina, Adjektiven, Artikeln und Pronomina, die anders als beim Verb auch den Kasus betrifft, bezeichnet man als Deklination. Die einzelnen Flexionsmittel bringen dabei immer mehrere Kategorien gleichzeitig zum Ausdruck: mit dem Flexionsaffix -st wird die Verbform Du lebst als 2. Person Singular Präsens Indikativ Aktiv gekennzeichnet. Auch die Komparation beim Adjektiv lässt sich als Flexion bezeichnen (vgl. Meibauer 2002: 21).

[...]

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Zur Rolle des mentalen Lexikons in der Sprachproduktion
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Note
2,8
Autor
Jahr
2015
Seiten
13
Katalognummer
V317955
ISBN (eBook)
9783668171749
ISBN (Buch)
9783668171756
Dateigröße
795 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rolle, lexikons, sprachproduktion
Arbeit zitieren
Helena Bergquell (Autor:in), 2015, Zur Rolle des mentalen Lexikons in der Sprachproduktion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317955

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