„Sieh ich bin einer, den alles verlassen hat. Keiner weiß in der Stadt von mir, Aussatz hat mich befallen.“ Dieser Ausschnitt eines Liedes von Rainer Maria Rilke steht sinnbildlich für die Situation der von Aussatz betroffenen Menschen in der Zeit zwischen 19. und 20. Jahrhundert. Die Reiseerzählung „Bei den Aussätzigen“ von Karl May greift diese Thematik auf und widmet ihr eine zentrale Rolle, was bereits in der Einleitung der Erzählung deutlich wird.
Zwar ist Lepra und die Thematik des Aussatzes in Europa an die Ränder des Kontinents verdrängt worden, die Literatur lässt diese jedoch gerne in kolonialen und exotischen Gebieten wieder auftauchen, welche Damaskus und Syrien zur damaligen Zeit zweifelsohne darstellen.
Wie in bereits zuvor erschienen Werken auch wirkt es jedoch nicht so, als sei es Karl Mays Anliegen, eine reine Abenteuergeschichte zur Unterhaltung zu entwerfen und zu verfassen. Viel mehr geht er auf religiöse Werte und auch Weltanschauungen ein, welche in Verbindung mit der Aussatz-Thematik Schwächen und Stärken des Islams sowie des Christentums offenbaren.
Die Wahl meiner Quelle lässt sich damit begründen, dass ich eine Abweichung zwischen der Intention des Autors und der tatsächlichen Wirkungs- und Aussagekraft seines Werkes sehe. So sehe ich in der Reiseerzählung Indizien für den Versuch eine Brücke zwischen den zwei Kulturen und Religionen des Islam und des Christentums zu konstruieren, wobei Karl May ein großes Fachwissen und Genauigkeit bezüglich seiner Schilderungen über die Kultur und Religion des Orients nachgesagt wird.
Im Verlaufe dieser Arbeit soll daher genauer untersucht werden inwieweit diese Indizien und die Intention des Autors zum Tragen gekommen sind und was für ein Bild der zwei verschiedenen Glaubens- und Kulturkreise er tatsächlich geschaffen hat. So sollen zunächst beide Religionen in ihrem Wesen und ihrer Wirkung auf die Menschen genauer beleuchtet werden, woraufhin der Fokus auf die jeweilige Art des Umgangs mit den Aussätzigen gelegt wird.
Diese Ergebnisse werden schließlich auf den vorliegenden Text bezogen und interpretiert, wodurch am Ende eine Beantwortung meiner Fragestellung, ob es dem Autor gelungen ist eine Brücke zwischen dem Islam und dem Christentum zu bilden, gewährleistet ist.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Interdependenz von Religion, Gesellschaft und Politik
- 2.1 Islam
- 2.2 Christentum
- 3. Die Aussatz-Thematik im intra- und interreligiösen Kontext zwischen Christentum und Islam
- 4. Die Intention Karl Mays und die Aussage seines Werkes
- 5. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit zielt darauf ab, die Interdependenz von Religion, Gesellschaft und Politik im Kontext der Aussatz-Thematik in Karl Mays Reiseerzählung „Bei den Aussätzigen“ zu untersuchen. Im Fokus stehen die Interaktion zwischen dem Islam und dem Christentum in der Darstellung der Krankheit sowie die Intention des Autors, eine Brücke zwischen beiden Kulturen zu schaffen.
- Die Verflechtung von Religion, Gesellschaft und Politik im Islam
- Die Rolle des Christentums im Umgang mit Aussätzigen
- Die Darstellung der Aussatz-Thematik in Karl Mays „Bei den Aussätzigen“
- Die Intention des Autors, die Brücke zwischen Islam und Christentum zu schlagen
- Die Wirkungs- und Aussagekraft des Werkes in Bezug auf die Beziehung zwischen den beiden Religionen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des Aussatzes in der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts ein und zeigt die zentrale Rolle, die dieser in Karl Mays Erzählung „Bei den Aussätzigen“ spielt. Die Arbeit stellt die These auf, dass May in seinem Werk eine Brücke zwischen Islam und Christentum zu konstruieren versucht.
Kapitel 2 analysiert die Verflechtungen von Religion, Gesellschaft und Politik im arabischen Islam und im europäischen Christentum. Dabei wird der Einfluss der Religion auf das gesellschaftliche und politische Geschehen in der jeweiligen Region im 19. und frühen 20. Jahrhundert betrachtet.
Kapitel 3 untersucht die Darstellung der Aussatz-Thematik im Kontext des Islams und des Christentums. Es geht um die unterschiedlichen Perspektiven auf Aussätzige in beiden Religionen und um die Frage, inwieweit Karl May diese Gegensätze in seiner Erzählung aufgreift.
Kapitel 4 befasst sich mit der Intention des Autors und der Aussagekraft seines Werkes. Es analysiert, inwieweit die Intention Mays, eine Brücke zwischen Islam und Christentum zu schlagen, in der Darstellung der Aussatz-Thematik zum Ausdruck kommt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Aussatz, Religion, Kultur, Islam, Christentum, Karl May, Reiseerzählung, Interdependenz, Gesellschaft, Politik, Brücke, Intention, Wirkungs- und Aussagekraft.
- Arbeit zitieren
- Jan Neusesser (Autor:in), 2013, Die Aussatz-Thematik in der Reiseerzählung „Bei den Aussätzigen“ von Karl May. Eine Brücke zwischen dem Christentum und dem Islam?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317993