Der personenzentrierte Ansatz nach Carl Rogers und die feministische Beratung. Parallelen und Grenzen


Essay, 2012

12 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Perspektive der feministischen Beratung
2.1. Was bedeutet „feministisch“ beraten?
2.2 Solidarisierung und politische Positionierung vs. Anerkennung von Heterogenität?
2.3 Beratung als machtvolles Beziehungsverhältnis

3. Der personenzentrierte Ansatz Carl Rogers
3.1 Was bedeutet „Personenzentrierte Beratung“?
3.2 Das Menschenbild innerhalb der personenzentrierten Beratung
3.3 Die Relevanz einer wertschätzenden Beratungsbeziehung

4. Der personenzentrierte Ansatz und die feministische Beratung
4.1 Parallelen und Grenzen

5 Fazit

Literatur

1. Einleitung

Um beiden Geschlechtsformen gerecht zu werden, möchte ich im folgenden Verlauf die männliche und die weilbliche Form jeweils abwechselnd verwenden. Wobei in dem Teil zur feministischen Beratung die weibliche Form überwiegen wird, da in dem Bereich sowohl das Klientel als auch die Fachkräfte ausschließlich weiblich sind.

Mein Text befasst sich mit zwei verschiedenen Beratungskonzepten, die innerhalb der Beratung weite Verbreitung finden und auch weitere Beratungsfelder beeinflusst haben. Es handelt sich um die feministische und die personenzentrierte Beratung. Meine Anliegen ist es, diese beiden Perspektiven zunächst einzeln darzustellen, um anschließend zu betrachten, inwieweit sie übereinstimmen bzw. miteinander vereinbar sind oder wo sich Abgrenzungen und Widersprüche aufweisen lassen.

Dazu gehe ich im ersten Schritt näher auf die Perspektive der feministischen Beratung ein versuche diese Beratungsform zu umreißen. Im Anschluss werfe ich einen näheren Blick auf einen Wandel innerhalb der feministischen Beratung, der sich ausgehend von der Perspektive der Solidarisierung hin zu einer verstärkten Anerkennung von Vielfalt, vollzogen und die feministische Beratung und ihren Blick auf die Klientinnen nachhaltig beeinflusst hat. Danach folgt die Auseinandersetzung mit der Frage nach Macht und dem Umgang mit dieser innerhalb der feministischen Beratungsbeziehung. Der zweite Themenblock beinhaltet die Grundsätze der personenzentrierten Beratung, das darin vorherrschende Menschenbild bzw. den Blick auf den Klienten sowie die Art und Relevanz der Beratungsbeziehung. Abschließend verweise ich auf die Parallelen und jeweiligen Differenzen zwischen beiden Ansätzen und ziehe ein Fazit.

2. Die Perspektive der feministischen Beratung

2.1. Was bedeutet „feministisch“ beraten?

Laut Sickendiek (2008, S. 13) ist Beratung „[…] zunächst eine Interaktion zwischen zumindest zwei Beteiligten , bei der die beratende(n) Person(en) die Ratsuchende(n) – mit Einsatz von kommunikativen Mitteln – dabei unterstützen, in bezug auf eine Frage oder ein Problem mehr Wissen, Orientierung oder Lösungskompetenz zu gewinnen“.

Es geht also darum, der zu beratenden Person Unterstützung bei der Bearbeitung eines Problems zu bieten. Eine vollkommene Auflösung des Problems innerhalb der Beratung ist jedoch meist nicht möglich. So lassen sich beispielsweise gesellschaftliche Machthierarchien nicht allein mittels von Beratung auflösen – die Klientinnen bleiben weiterhin damit konfrontiert. Das Ziel ist vielmehr eine Milderung bzw. Besserung in Form von neuen Perspektiven und Handlungsalternativen aufseiten der Klientinnen (ebd.).

Betrachtet man nun den Feminismusbegriff, muss man sich bewusst darüber sein, dass er unterschiedlich verstanden wird und dass auch innerhalb dieser Strömung verschiedene Perspektiven bestehen. Er geht jedoch stets mit dem politischen Anliegen einher, die bestehenden patriarchalen Herrschaftsstrukturen aufzubrechen, um eine Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen (vgl. Sickendiek 2004, S. 765).

Die feministische Beratung richtet sich folglich an Frauen als unterdrückte und diskriminierte gesellschaftliche Gruppe und versteht sich u.a. auch als parteiliche Vertretung von Fraueninteressen (vgl. dies. 2008, S. 78). Jedoch gibt es kein „allgemeines“ feministisches Beratungskonzept. Stattdessen werden die gängigen psychotherapeutischen Konzepte im Hinblick auf feministische Beratung modifiziert (vgl. dies. 2004, S. 768).

Ausgehend von der Frauenbewegung der 70er Jahre und den zu der Zeit entstehenden Frauenprojekten hat sich das Angebot an frauenspezifischer Beratung mittlerweile stark ausdifferenziert. Dazu gehören psychologische Frauenberatungsstellen, Beratung für Opfer häuslicher Gewalt, Notruftelefone für Vergewaltigungsopfer, Frauenbildungszentren etc. (vgl. dies. 2004, S. 766). Auch hat sich das Thema der Geschlechtszugehörigkeit und eine damit einhergehende Sensibilität für geschlechtsspezifische Themen auf weitere Beratungsfelder ausgeweitet (vgl. Großmaß 2010, S. 64f).

2.2 Solidarisierung und politische Positionierung vs. Anerkennung von Heterogenität?

Ausgehend von der Überlegung, dass innerhalb einer patriarchalen Gesellschaft im Grunde alle Frauen unterdrückt und diskriminiert werden, leitete man eine gemeinsame Betroffenheit aller Frauen ab. Dieser geteilte Opferstatus war auch als Ausgangspunkt und Verständigungsgrundlage innerhalb der Beziehung zwischen Klientin und Beraterin gedacht.

Das Ziel war es, solidarisch gegen männliche Gewalt bzw. Macht anzukämpfen[1] (vgl. Sickendiek 2008, S. 77). Dies war in der Praxis jedoch so nicht haltbar, denn es kam zu Differenzen innerhalb der Frauenszene und man musste sich schließlich eingestehen, dass auch innerhalb der weiblichen Geschlechtsgruppe Heterogenität besteht.

So hat sich mittlerweile die Perspektive einer gemeinsamen Betroffenheit von Klientin und Beraterin von Männergewalt gewandelt und ein Paradigmenwechsel von Gleichheit hin zu Vielfalt stattgefunden. Es wird zwar nach wie vor von einer allgemeinen strukturellen Benachteiligung von Frauen gesprochen, jedoch geht man nicht mehr allgemein von einem gleichen Opferstatus von Klientin und Beraterin aus und versucht der Heterogenität gerechter zu werden (vgl. dies. 2008, S. 79).

Allgemein ist ein kompetenter Umgang mit Heterogenität seitens der Beraterin von großer Bedeutung. Blickt man beispielsweise auf kulturelle Heterogenität, so können sowohl eine einseitige, auf der hegemonialen Kultur basierende Perspektive als auch eine stereotype Wahrnehmung von „Anderen“ zu Diskriminierung und Ausschluss führen (vgl. dies. 2008, S. 80). Dem sollten sich Beraterinnen bewusst sein und einen reflexiven Umgang mit solcherlei Machtmechanismen pflegen.

2.3 Beratung als machtvolles Beziehungsverhältnis

Das Thema Macht steht immer mit im Zentrum des feministischen Diskurses, v.a. im Hinblick auf die machtvolle gesellschaftliche Hierarchie zwischen Mann und Frau. Doch sind Machtverhältnisse auch innerhalb der Beratungsbeziehung gegeben. So verfügt die Beraterin über eine gewisse „Macht der Expertin“ und damit auch durchaus über ein manipulatives Potenzial (vgl. Sickendiek 2004, S. 773). Ein zentrales Ziel innerhalb feministischer Beratungskonzepte ist daher ein weitestgehendes Aufbrechen der Hierarchie zwischen Beraterin und Klientin. Dies soll gleichzeitig als Gegenmodell zu den Hierarchien stehen, die innerhalb der Gesellschaft wirken und das Individuum einschränken. Diese Hierarchie innerhalb der Beratungsbeziehung lässt sich zwar nicht völlig auflösen, da sie durch die Beratungssituation an sich bedingt ist, jedoch kann sie durch einen reflexiven Umgang mit diesem Machtgefälle reduziert werden.

Dazu gehören sowohl die Thematisierung und Reflexion des Machtproblems innerhalb der Beratungssituation, als auch das gemeinsame Aushandeln und Kooperieren mit der Klientin und ein allgemeiner sensibler Umgang mit Macht und Unterordnung. Dies soll dazu führen, dass die Klientin auch in ihren alltäglichen Beziehungen sensibler bzw. aufmerksamer für Machtmechanismen wird (vgl. Sickendiek 2008, S. 78). Eine völlige Auflösung des Machtgefälles zwischen Beraterin und Klientin ist jedoch auch nicht unbedingt wünschenswert – v.a. wenn man Macht nicht pauschal als schlecht oder gefährlich einstuft. So kann sie innerhalb der Beratungsbeziehung auch durchaus nützlich sein und für die Klientin Geborgenheit und Halt bedeuten (vgl. dies. 2004, S. 773). Eine reflektierte und begrenzte Form von Macht scheint also durchaus legitim. Trotzdem bleibt die „Selbstbemächtigung“ der Klientin das Ziel bestehen und soll in Form einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ erreicht werden.

3. Der personenzentrierte Ansatz Carl Rogers

3.1 Was bedeutet „Personenzentrierte Beratung“?

Seit den 60er Jahren hat sich die von Carl Rogers begründete „Personenzentrierte Beratung“ in die bundesdeutsche Beratungslandschaft etabliert (vgl. Straumann 2004, S. 641). Synonym zur „Personenzentrierten Beratung“ wird auch der Begriff der „Klientenzentrierten Beratung“ verwendet. Wobei die Betonung bei „Klientenzentrierter Beratung“ vor allem auf dem Verhältnis zwischen Berater und Klient liegt, die Person also in einer Beratungsbeziehung steht. Der Begriff der Personenzentriertheit hingegen hebt vor allem das Individuum als Person hervor und stellt es in den Mittelpunkt des Beratungsgeschehens (vgl. Sander 2004, S 332). Da Rogers Ansatz sich stark am jeweiligen Subjekt orientiert, verwende ich die Bezeichnung „Personenzentrierte Beratung“.

Desweiteren wird häufig nicht klar zwischen personenbezogener Beratung und personenbezogener Therapie differenziert. Auch Rogers selbst verwendet beide Bezeichnungen synonym. Für ihn steht das Ziel der Persönlichkeitsentfaltung im Vordergrund, während das jeweilige Setting und die genauen Vorgehensweisen eine untergeordnete Rolle einnehmen. Dabei plädiert er für Flexibilität und Anpassung an den jeweiligen Kontext (vgl. Sander 2004, S. 334).

[...]


[1] in der Literatur findet sich keine Differenzierung zwischen den Begriffen „Macht“ und „Gewalt“

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Der personenzentrierte Ansatz nach Carl Rogers und die feministische Beratung. Parallelen und Grenzen
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
12
Katalognummer
V318022
ISBN (eBook)
9783668179905
ISBN (Buch)
9783668179912
Dateigröße
520 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Personenzentrierte Beratung, Carl Rogers, Klientenzentrierte Beratung, Feministische Beratung, Feminismus, Beratungsbeziehung
Arbeit zitieren
Christina Motz (Autor:in), 2012, Der personenzentrierte Ansatz nach Carl Rogers und die feministische Beratung. Parallelen und Grenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/318022

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