Mit dem nahenden 500-jährigen Jubiläum der Veröffentlichung der 95 Thesen durch Martin Luther am 31. Oktober 1517 darf man gespannt sein, welche Aspekte des Lebens des Reformators hervorgehoben werden. Werden Ausrichter und Referenten den Reformator Luther nicht nur als den großen Intellektuellen seiner Zeit beschreiben, welchem nicht nur die Wiederentdeckung des Evangeliums in seiner Ausdruckskraft sowie tiefe theologische Überlegungen zum Verhältnis zwischen Mensch und Gott in Hinblick auf die Rechtfertigung des Sünders gelangen, sondern auch als jemanden, welchem eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung einer gemeinsamen deutschen Sprache zukam? Oder wird man dessen Bibelübersetzung in die Sprache der Deutschen als einschneidenden Akt in der Ausbildung einer neuen unabhängigeren Religiosität betonen? Sicherlich werden alle diese Aspekte (zurecht) zu würdigen sein. Allen gemeinsam ist, dass es sich bei ihnen um von der Nachwelt als positiv gewertete Ereignisse handelt.
Bei aller Würdigung, welche Luther, sicherlich zu Recht, auch verdient hat, wäre eine Beleuchtung dieses dargestellten Luther lediglich einseitig. Denn es gab auch den anderen Luther, denjenigen, welcher von antijüdischer Polemik strotzende Schriften wie "Von den Juden und ihren Lügen" verfasste und dessen Verhältnis zum jüdischen Volk bis heute immer wieder zu Debatten Anlass gibt.
Wurde die vermeintliche Veränderung in der Haltung Luthers zu den Juden zwischen seinem frühen und späten Wirken immer wieder in der gängigen Fachliteratur thematisiert, so wurde der missionarische Eifer des Reformators und auf welche Art und Weise er sich eine Mission (nicht nur) unter Juden vorstellte, primär als Nebenhandlung in einer Darstellung seines Verhältnisses zu den Juden angesprochen. Diese Arbeit verfolgt das Ziel, Luthers Konzeption einer Judenmission zu beleuchten. Dabei soll analysiert werden, mit welchen (theologischen) Argumenten er dies anzustreben versuchte.
Aus dem Inhalt:
- Kritische Überlegungen zu Martin Luthers Vermächtnis
- Luthers Argumentation und Konzeption einer Judenmission
- Historische Einordnung
- Textanalyse und Auswirkungen Luthers Konzepts
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1. Einleitung
- 2. Juden und Judenmission im ausgehenden Mittelalter
- 2.1. Die gesellschaftliche Situation der Juden im späten Mittelalter
- 2.1.1. Der gesellschaftliche Umbruch
- 2.1.2. Der ,,antisemitische“ Zeitgeist
- 2.2. Judenmission in Hoch- und Spätmittelalter
- 2.2.1. Die Anfänge der Judenmission
- 2.2.2. Das Religionsgespräch als Mittel der Judenmission
- 2.2.3. Hebräisch als missionarische Notwendigkeit
- 2.2.4. Zur Problematik der Zwangstaufe
- 2.3. Zwischenfazit
- 3. Martin Luther und die Judenmission
- 3.1. Vorbemerkungen
- 3.2. Judenmission am Vorabend der Reformation
- 3.3. Missionarische Argumentation
- 3.3.1. Keine Zwangsmissionierung unter Juden
- 3.3.2. Kein Unterschied zwischen Juden und Christen
- 3.3.3. Die Befreiung der Juden aus der Gefangenschaft des Gesetzes
- 3.3.4. Solidarität mit den Juden
- 3.3.5. Gott als Missionar unter den Juden
- 3.3.6. Die Bezeichnung des Messias als „,Gott“ bei Jeremia
- 3.3.7. Die Glaubenstaufe
- 4. Die,,Missionsschrift\" - Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei
- 4.1. Entstehungskontext und Einordnung
- 4.2. Die missionarische Argumentation der Schrift – Teil 1
- 4.2.1. Freundlichkeit und Unterweisung durch die Schrift
- 4.2.2. Die alttestamentlichen Propheten waren Christen
- 4.2.3. Brüderlichkeit mit den Juden als Verantwortung der Christen
- 4.2.4. Die Jungfräulichkeit Marias als Beweis der Messianität Jesu
- 4.3. Zwischenfazit
- 4.4. Die missionarische Argumentation der Schrift – Teil 2
- 4.4.1. Der Messias ist bereits gekommen
- 4.4.2. In Daniel 9 wird auf Christus hingewiesen
- 4.4.3. Christus als leiblicher Tempel
- 4.4.4. Mission in Einzelschritten – keine Überforderung der Juden
- 4.5. Zwischenfazit
- 5. Judenmission nach 1523 - Ein Ausblick
- 5.1. Missionarische Akzente in Luthers Brief an Josel von Rosheim
- 5.2. Missionarische Akzente in Luthers späten „Judenschriften“
- 5.3. Relevanz von Luthers Missionskonzept für die Nachwelt
- 6. Judenmission im 21. Jahrhundert
- 7. Auswertung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Martin Luthers Konzeption einer Judenmission. Sie untersucht, inwiefern Luthers Schriften zur Judenmission von den gängigen Darstellungen des Reformators abweichen und welche Auswirkungen sie auf die spätere Geschichte der Judenmission hatten. Ziel ist es, Luthers Missionsverständnis im Kontext der damaligen gesellschaftlichen Situation und den theologischen Debatten seiner Zeit zu analysieren und seine Argumentation kritisch zu betrachten.
- Luthers Verständnis von Judenmission im Kontext der Reformation
- Die Rolle des Alten Testaments in Luthers missionarischer Argumentation
- Die Verbindung von Glaube und Judentum in Luthers Schriften
- Die Rezeption von Luthers Judenschriften in der Folgezeit
- Die Relevanz von Luthers Missionskonzept für das 21. Jahrhundert
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Einleitung führt in die Thematik der Judenmission im Kontext von Luthers Leben und Werk ein. Kapitel 2 beleuchtet die gesellschaftliche Situation der Juden im späten Mittelalter und die Geschichte der Judenmission im Hoch- und Spätmittelalter. Dabei werden die Anfänge der Judenmission, das Religionsgespräch als Mittel der Judenmission, die Rolle des Hebräischen und die Problematik der Zwangstaufe thematisiert.
Kapitel 3 widmet sich Luthers eigener Konzeption einer Judenmission. Es werden seine missionarischen Argumente sowie seine Haltung gegenüber der Zwangsmissionierung untersucht. Kapitel 4 analysiert Luthers „Missionsschrift“ „Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei“. Die Argumentation der Schrift wird in zwei Teile gegliedert und die wichtigsten Punkte werden vorgestellt.
Kapitel 5 befasst sich mit der Rezeption von Luthers Judenschriften in der Folgezeit. Es werden die missionarischen Akzente in Luthers Brief an Josel von Rosheim sowie in seinen späteren „Judenschriften“ betrachtet. Außerdem wird die Relevanz von Luthers Missionskonzept für die Nachwelt untersucht.
Schlüsselwörter (Keywords)
Martin Luther, Judenmission, Reformation, Judentum, Christentum, Altes Testament, Neues Testament, Messias, Glaube, Taufe, Zwangstaufe, Solidarität, Brüderlichkeit, Antisemitismus, Gesellschaftliche Situation, Historischer Kontext, Rezeption, Nachwelt.
- Arbeit zitieren
- Florian Franz (Autor:in), 2015, Martin Luthers Konzeption einer Judenmission. Eine kritische Betrachtung des gängigen Luther-Bildes zum Jubiläum der Veröffentlichung der 95 Thesen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/318585