Das Konzept des menschlichen Naturzustandes gilt als eines der wesentlichen Charaktermerkmale der staatsphilosophischen Theorien des 17. Jahrhunderts. Der Naturzustand bildet den Ausgangspunkt der Argumentation für ein Gesellschaftsmodell und fungiert als gedankliches Fundament für viele Staatstheorien. Thomas Hobbes hat den Begriff „Naturzustand“ wesentlich geprägt und endgültig in die philosophische Diskussion eingeführt, die von Autoren, wie Hugo Grotius, Samuel Putendorf, John Locke und Baruch de Spinoza fortgeführt wurde.
Im Allgemeinen versteht man unter dem Naturzustand die gedankliche Fiktion eines apolitischen Zustands: „Der Staat wird in die ihn konstruierenden, im Gedankenexperiment aber als isoliert (…) gedachten Einzelsubjekte zerlegt, und es wird gefragt, was ein solcher »status naturae« für diese Einzelsubjekte bedeuten würde.“ Bei genauerer Betrachtung entwerfen die Autoren, trotz Anwendung derselben naturwissenschaftlichen Methode, sehr unterschiedliche Naturzustandskonzeptionen. Grund dafür sind unterschiedliche Menschenbilder: Die Anthropologie eines Thomas Hobbes geht von einem von Grund auf egoistischen, nach Macht und Herrschaft strebenden Menschenbild aus, wogegen ein John Locke den Menschen nicht als grundlegend böse und gesellschaftsunfähig einstuft.
In der vorliegenden Arbeit werde ich die Naturzustandskonzeptionen dieser beiden Philosophen in einer vergleichenden Analyse genauer darstellen. Die jeweilige Naturzustandsbeschreibung wird in eine kurze Einführung in Leben, Philosophie und den jeweils bestehenden Gesellschaftskontext eingebettet, denn sowohl bei Hobbes als auch bei Locke bedingen sich diese drei Elemente wechselseitig: Hobbes absolutistisches Herrschaftsmodell ist sicherlich durch das Miterleben der chaotischen Zustände des Englischen Bürgerkrieges von 1642-1649 zunehmende geprägt worden. Und Locke wäre bestimmt nicht zum Verteidiger der Freiheits- und Bürgerrechte gegen eine übermäßige Staatsgewalt geworden, wenn er nicht selber aus dem Bürgertum stammen würde. Beide Denker adaptieren die in der Neuzeit erstarkende Methodik der Naturwissenschaften und wenden sie in revolutionärer Weise auf das Feld der Staatstheorie an. Durch die neuartige Anwendung der sogenannten geometrischen Methode (more geometrico) wird die auf der Aristotelischen Tradition aufbauende Scholastik endgültig überwunden, was sich auch in einem modernen, weitestgehend auf Bibelzitate verzichtenden, gut verständlichen Schreibstil niederschlägt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Bruch mit der Aristotelischen Tradition
- Thomas Hobbes' Leben und Philosophie
- Der Naturzustand bei Thomas Hobbes
- Objektive und subjektive Bedingungen des Naturzustandes
- Der Naturzustand als Kriegszustand
- Natürliches Recht und natürliche Gesetze
- John Lockes Leben und Philosophie
- Der Naturzustand bei Locke im Vergleich zum Hobbesschen Naturzustand
- Der Naturzustand als Friedenszustand
- Selbstjustiz im Naturzustand
- Das Verhältnis von Naturzustand und Kriegszustand
- Eigentum im Naturzustand
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Konzept des Naturzustands, einem zentralen Element der staatsphilosophischen Theorien des 17. Jahrhunderts. Die Arbeit analysiert die unterschiedlichen Naturzustandskonzeptionen von Thomas Hobbes und John Locke im Vergleich. Dabei werden die jeweiligen Lebensläufe und philosophischen Ansätze der beiden Denker beleuchtet, um die Entstehung ihrer Theorien im Kontext ihrer Zeit zu verstehen.
- Der Naturzustand als Ausgangspunkt der Argumentation für ein Gesellschaftsmodell
- Die unterschiedlichen Menschenbilder von Hobbes und Locke
- Die Rolle der Angst in Hobbes' Naturzustandstheorie
- Die Bedeutung von natürlichem Recht und natürlichen Gesetzen
- Der Einfluss des Englischen Bürgerkriegs auf Hobbes' Denken
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt in das Konzept des Naturzustands ein und erläutert dessen Bedeutung für die Staatsphilosophie des 17. Jahrhunderts. Sie stellt die beiden Hauptfiguren der Arbeit, Thomas Hobbes und John Locke, vor und benennt den Fokus auf die vergleichende Analyse ihrer Naturzustandskonzeptionen.
- Bruch mit der Aristotelischen Tradition: Dieses Kapitel beleuchtet das klassische, bis ins Mittelalter reichende Politikverständnis, das maßgeblich von Aristoteles' Werk „Politik“ beeinflusst wurde. Es zeigt, wie sich die Naturzustandstheorien von Hobbes und Locke von diesem traditionellen Verständnis abgrenzen und eine neue Grundlage für die politische Philosophie schaffen.
- Thomas Hobbes' Leben und Philosophie: Dieser Abschnitt beleuchtet Hobbes' Leben und Philosophie, die geprägt von der Angst und dem Erleben des Englischen Bürgerkriegs ist. Es werden seine Werke „Element of Law“ und „De Cive“ erwähnt und seine Maxime der klaren analytischen und kompositorischen Methode hervorgehoben.
- Der Naturzustand bei Thomas Hobbes: Dieses Kapitel befasst sich mit Hobbes' Naturzustandskonzeption. Es untersucht die objektiven und subjektiven Bedingungen des Naturzustandes, beschreibt diesen als Kriegszustand und beleuchtet die Bedeutung von natürlichem Recht und natürlichen Gesetzen in Hobbes' Philosophie.
- John Lockes Leben und Philosophie: Dieser Abschnitt zeichnet Lockes Leben und Philosophie nach und stellt ihn als Vertreter des Bürgertums dar. Es betont seinen Einfluss auf die Entwicklung von Freiheits- und Bürgerrechten.
- Der Naturzustand bei Locke im Vergleich zum Hobbesschen Naturzustand: Dieses Kapitel vergleicht Lockes Naturzustandskonzeption mit der von Hobbes. Es beschreibt den Naturzustand bei Locke als Friedenszustand, untersucht die Bedeutung der Selbstjustiz und das Verhältnis von Naturzustand und Kriegszustand sowie die Rolle des Eigentums im Naturzustand.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Begriffen der politischen Philosophie, wie dem Naturzustand, dem Menschenbild, dem natürlichen Recht und dem Staat. Die beiden Hauptautoren der Arbeit, Thomas Hobbes und John Locke, prägen die Diskussion mit ihren unterschiedlichen Ansätzen und Theorien. Weitere wichtige Themen sind der Englische Bürgerkrieg, das klassische Politikverständnis und die Bedeutung der geometrischen Methode.
- Quote paper
- Ansgar Ruppert (Author), 2012, Über die Naturzustände bei Thomas Hobbes und John Locke. Eine vergleichende Analyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/318749