Der deutsche Staat stellte in den letzten Jahren in etwa 630 Mrd. Euro als Hilfen und Bürgschaften für Banken, 115 Mrd. Euro als Bürgschaften für Privatunternehmen und 84 Mrd. Euro für Konjunkturprogramme zur Verfügung. Dies alles als Beitrag, um den globalen Finanzmarkt vor einem sicheren Zusammenbruch zu bewahren, nachdem über diesen in den Jahren 2007 und 2008 eine der schwersten Krisen überhaupt hereingebrochen ist. Angesichts der Ausmaße stellen sich weltweit entscheidende Fragen: Handelte es sich um ein unvorhersehbares Ereignis, welches gleich einer Naturkatastrophe auftauchte oder lagen die Ursachen in menschlicher Hand? Sofern Letzteres der Fall war, stellt sich sogleich die Frage nach der Verantwortlichkeit. Entscheidend ist diesbezüglich nicht nur eine zivilrechtliche Perspektive, sondern es geht auch darum, ob bestimmte Personen für ihre, im Vorfeld der Finanzmarktkrise getätigten, Handlungen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.
Die aufgeworfenen Fragen sollen im Verlauf der vorliegenden Arbeit beantwortet werden. Dies macht jedoch zunächst eine ausführliche Auseinandersetzung mit den komplexen Umständen der Krise erforderlich. Die Arbeit gliedert sich daher zwangsläufig in drei Hauptteile:
Im ersten Schritt soll der, der späteren strafrechtlichen Würdigung zugrunde liegende, Sachverhalt deutlich gemacht werden. Hierfür werden die relevanten ökonomischen Rahmenbedingungen, Zusammenhänge und Ereignisverläufe geschildert. Zudem sollen die einschlägigen Finanzprodukte und Geschäftsmodelle in ihrer Struktur und Bedeutung dargestellt werden.
Im zweiten Schritt soll ein möglicher Zusammenhang zwischen der Komplexität internationaler Finanzmärkte und kriminogenem Verhalten am Kapitalmarkt untersucht werden.
Schließlich wird anhand der Untreue (§ 266 StGB) aufgezeigt, inwieweit sich Bankvorstände und andere Entscheidungsträger durch ihr Handeln strafbar gemacht haben könnten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Sachverhalt
- Die Entwicklung der Subprime-Krise
- Privathaushalte: Leben über die Verhältnisse
- Finanzmarkt: hohe Liquidität, niedriger Dollarkurs und niedrige Zinsen
- Immobilienmarkt: Steigende Preise und gesetzlich verordnete Darlehen
- Das Platzen der Immobilienblase
- Komplexität und Finanzmarktkrise
- Die Verbriefung der Kredite in ABS-Anleihen: Auslagerung des Risikos
- Die Definition von ABS-Anleihen
- Die kreditgebende Bank (Originator)
- Der Refinanzierungsmittler (Arranger)
- Die Zweckgesellschaft (SPV)
- Die Verbriefung (Securitisation)
- Die Risikobewertung der Anleihe (Rating)
- Die Weiterverbriefung der ABS-Anleihen in CDOs
- Die Weiterverbriefung der ABS-Anleihen in ABCP-Programmen
- Definition der ABCP-Programme
- Grundstruktur der ABCP-Programme
- Fristentransformation
- Die Garantieerklärungen der Banken
- Die Verbriefung der Kredite in ABS-Anleihen: Auslagerung des Risikos
- Die Beteiligung der deutschen Banken
- Die Motivation der Landesbanken
- Das deutsche Geschäftsmodell
- Der Zusammenbruch des Systems
- Die Entwicklung der Subprime-Krise
- Komplexität internationaler Finanzmärkte als Einfallstor kriminogener Verhaltensweisen an Kapitalmärkten
- Verleitung zum Börsenspekulationsgeschäft, §§ 49, 26 BörsG
- Betrug, § 263
- Untreue (§ 266 StGB) im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise
- Geschütztes Rechtsgut und Strafgrund
- Begehungsvarianten
- Vermögensbetreuungspflichten
- Gegenstand der Pflicht
- Täterkreis
- Pflichtwidrigkeit
- Außerstrafrechtliche Verstöße als Untergrenze der Strafbarkeit
- Gravierende Pflichtverletzung
- In Betracht kommende Pflichtverletzungen
- Verletzung der bankeneigenen Satzungen und allgemeiner Grundsätze des öffentlichen Rechts
- Die Landesbanken
- Privatbanken mit satzungsmäßiger Zweckbindung (am Beispiel der IKB AG)
- Verletzung bankenaufsichts- und gesellschaftsrechtlicher Pflichten, insbesondere Gefährdung oder Vernichtung der Existenz einer Gesellschaft
- Erwerb von ABS-Anleihen und CDOs
- Auslagerung von Krediten in Zweckgesellschaften
- Fristentransformation als solche
- Garantieerklärungen für fristentransformierende Conduits
- Verletzung der bankeneigenen Satzungen und allgemeiner Grundsätze des öffentlichen Rechts
- Vermögensnachteil
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz bezüglich Pflichtwidrigkeit
- Vorsatz bezüglich Vermögensschaden
- Wegfall des staatlichen Strafanspruchs oder Strafbarkeit der Bankenaufseher und Politiker
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die strafrechtliche Relevanz des Handelns von Akteuren der Finanzmarktkrise. Sie analysiert die komplexen Ursachen und Abläufe der Krise, um herauszufinden, ob und inwieweit strafrechtliche Verantwortlichkeiten bestehen. Der Fokus liegt auf der Frage, ob das Verhalten von Bankvorständen und anderen Entscheidungsträgern unter dem Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) fällt.
- Die ökonomischen Ursachen der Finanzmarktkrise
- Die Rolle komplexer Finanzprodukte (ABS, CDOs, ABCP)
- Der Zusammenhang zwischen Marktkomplexität und kriminogenem Verhalten
- Die strafrechtliche Prüfung des Verhaltens von Bankmanagern im Hinblick auf Untreue
- Die Grenzen der Strafverfolgung im Kontext staatlicher Interventionen
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung beschreibt den Kontext der Arbeit: die Finanzmarktkrise 2007/2008 und die damit verbundenen staatlichen Rettungsaktionen. Sie stellt die Forschungsfrage nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der beteiligten Akteure und skizziert den Aufbau der Arbeit, der sich in die Analyse des Sachverhalts, die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Marktkomplexität und Kriminalität sowie die strafrechtliche Würdigung des Verhaltens unter dem Aspekt der Untreue gliedert.
Sachverhalt: Dieses Kapitel analysiert die Entwicklung der Subprime-Krise. Es beleuchtet die niedrige Sparquote amerikanischer Haushalte, die expansive Geldpolitik, den boomenden Immobilienmarkt und das Aufkommen komplexer Finanzprodukte wie ABS-Anleihen und CDOs, die zur Auslagerung von Risiken führten. Der Fokus liegt auf der Darstellung der ökonomischen Rahmenbedingungen und der Entstehung der Krise, um den Kontext für die spätere strafrechtliche Betrachtung zu liefern.
Komplexität internationaler Finanzmärkte als Einfallstor kriminogener Verhaltensweisen an Kapitalmärkten: Dieses Kapitel untersucht potenzielle strafrechtliche Delikte im Zusammenhang mit der Krise, wie z.B. Verleitung zum Börsenspekulationsgeschäft und Betrug. Es legt den Grundstein für die spätere Analyse der Untreue, indem es zeigt, wie die Komplexität des Finanzmarktes kriminelles Handeln begünstigen kann.
Untreue (§ 266 StGB) im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise: Dieses Kapitel ist das Kernstück der Arbeit. Es analysiert den Tatbestand der Untreue im Kontext der Finanzmarktkrise, indem es die geschützten Rechtsgüter, Begehungsvarianten und die Vermögensbetreuungspflichten von Bankmanagern untersucht. Es differenziert zwischen verschiedenen Formen von Pflichtverletzungen und analysiert den Vorsatz der Täter sowie den entstandenen Vermögensschaden. Es wird besonders auf die Handlungen von Landesbanken und Privatbanken eingegangen.
Schlüsselwörter
Finanzmarktkrise, Subprime-Krise, ABS-Anleihen, CDOs, ABCP-Programme, Untreue (§ 266 StGB), Vermögensbetreuungspflicht, Risikoauslagerung, Börsenspekulation, Betrug, Landesbanken, Strafrecht, Wirtschaftsstrafrecht.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Analyse der Finanzmarktkrise und strafrechtlicher Relevanz
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die strafrechtliche Relevanz des Handelns von Akteuren der Finanzmarktkrise 2007/2008, insbesondere im Hinblick auf den Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB). Sie analysiert die komplexen Ursachen und Abläufe der Krise und prüft, ob und inwieweit strafrechtliche Verantwortlichkeiten bestehen, mit einem Fokus auf das Verhalten von Bankvorständen und Entscheidungsträgern.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die ökonomischen Ursachen der Finanzmarktkrise, die Rolle komplexer Finanzprodukte (ABS, CDOs, ABCP), den Zusammenhang zwischen Marktkomplexität und kriminogenem Verhalten, die strafrechtliche Prüfung des Verhaltens von Bankmanagern im Hinblick auf Untreue und die Grenzen der Strafverfolgung im Kontext staatlicher Interventionen. Die Entwicklung der Subprime-Krise, die Beteiligung deutscher Banken (insbesondere Landesbanken) und der Zusammenbruch des Systems werden detailliert beschrieben.
Welche konkreten strafrechtlichen Delikte werden betrachtet?
Die Arbeit untersucht insbesondere den Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise. Zusätzlich werden potenzielle Delikte wie Verleitung zum Börsenspekulationsgeschäft (§§ 49, 26 BörsG) und Betrug (§ 263 StGB) angesprochen.
Wie wird der Tatbestand der Untreue analysiert?
Die Analyse des Tatbestands der Untreue umfasst die Untersuchung der geschützten Rechtsgüter, Begehungsvarianten und Vermögensbetreuungspflichten von Bankmanagern. Es werden verschiedene Formen von Pflichtverletzungen differenziert, der Vorsatz der Täter analysiert und der entstandene Vermögensschaden bewertet. Besondere Aufmerksamkeit wird den Handlungen von Landesbanken und Privatbanken gewidmet.
Welche Rolle spielen komplexe Finanzprodukte?
Die Arbeit beleuchtet die Rolle komplexer Finanzprodukte wie ABS-Anleihen, CDOs und ABCP-Programme. Es wird erklärt, wie diese Produkte zur Auslagerung von Risiken beitrugen und die Komplexität des Finanzmarktes erhöhten, was kriminelles Handeln begünstigt haben könnte.
Wie ist die Arbeit aufgebaut?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, die den Kontext der Finanzmarktkrise und die Forschungsfrage darstellt; ein Kapitel zum Sachverhalt, das die Entwicklung der Subprime-Krise analysiert; ein Kapitel zum Zusammenhang zwischen Marktkomplexität und Kriminalität; und ein Kernkapitel zur strafrechtlichen Würdigung des Verhaltens unter dem Aspekt der Untreue (§ 266 StGB).
Welche Schlüsselwörter sind relevant?
Schlüsselwörter sind: Finanzmarktkrise, Subprime-Krise, ABS-Anleihen, CDOs, ABCP-Programme, Untreue (§ 266 StGB), Vermögensbetreuungspflicht, Risikoauslagerung, Börsenspekulation, Betrug, Landesbanken, Strafrecht, Wirtschaftsstrafrecht.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit richtet sich an Personen, die sich akademisch mit der Finanzmarktkrise und ihren strafrechtlichen Implikationen auseinandersetzen möchten. Sie ist für Studierende, Wissenschaftler und alle Interessierten geeignet, die ein tiefes Verständnis der komplexen Zusammenhänge zwischen der Finanzmarktkrise und dem Strafrecht suchen.
- Citation du texte
- Dipl.-jur. Robert Wilkens (Auteur), 2012, Facetten des Wirtschaftsstrafrechts. Die Finanzmarktkrise und das Strafrecht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/318873