Der spezielle Fall des Werner Höfer. Betrachtung medialer Skandalisierungsmechanismen am Beispiel von Werner Höfer


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

19 Seiten, Note: 2,0

Max Gerstenhuber (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Skandal und Skandalisierung
2.1 Klassischer Skandal-Begriff
2.2 Erfolgsfaktoren für Skandalierungen
2.3 Verteidigungsmöglichkeiten der Skandalierten

3. Entwicklung und Verlauf des Skandals um Werner Höfer
3.1 Karriere Werner Höfer
3.2 Versuche der Skandalisierung
3.3 Verlauf des Skandals
3.4 Berichterstattung während des Skandals

4. Höfers Verteidigungsstrategie

5. Faktoren der erfolgreichen Skandalisierung

6. Fazit

7. Literatur

Online-Quelle:

1. Einleitung

Der Fall des im Februar 2012 von seinem Amt des Bundespräsidenten zurückgetretenen CDU-Politikers Christian Wulff dürfte im Gedächtnis der meisten Deutschen noch präsent sein. Skandale wie dieser werden als Teil der Zeitgeschichte wahrgenommen und betreffen meistens Personen, von denen wegen ihrer Sonderstellung in der Bevölkerung eine vorbildliche Beachtung von Normen und Gesetzen erwartet wird (vgl. Rösgen 2007: 6 f.).

Der prominenteste Fall eines solchen durch Medien aufgedeckten Missstandes ist zweifelsohne die Watergate-Affäre aus den USA, welche nicht selten als „die Mutter aller Skandale“ bezeichnet wird. Sie steht wie kein zweiter Skandal für den Erfolg des investigativen Journalismus und brachte Mitte der siebziger Jahre massive Änderungen im internationalen Mediensystem mit sich. Die Medien gingen klar gestärkt daraus hervor und festigen seitdem den Eindruck einer vierten Gewalt im Staat. Journalisten begannen nun, selbst und auch gegen stärkste Widerstände aus gehobenen Positionen, nach Missständen zu forschen und diese, soweit vorhanden, auch aufzudecken. Es festigte sich ein neues Idealbild des investigativen Journalisten (vgl. Rösgen 2007: 6f.).

Eine Sonderstellung in der Reihe der politischen Skandale in Deutschland nimmt dabei der Fall des Journalisten Werner Höfer ein. Während beispielsweise nahezu alle Missstände im Bereich der Kirchen oder der Umwelt von den Medien aufgegriffen werden, bleiben die meisten Missstände im Bereich der Medien selbst unbeachtet. Zwischen den Medien und allen anderen Bereichen klafft in der Berichterstattung von Missständen damit eine große Lücke (vgl. Kepplinger 2009: 195 f.).

Trotz dieser Zurückhaltung bei der journalistischen Selbstkritik wurde 1987 in Folge eines achtseitigen Beitrags des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ über Werner Höfers Tätigkeit im dritten Reich eine öffentliche Diskussion über ihn entfacht. Im Zuge dessen trat Höfer, der nicht zuletzt als Moderator der Sendung „Der Internationale Frühschoppen“ zu einem der bekanntesten deutschen Fernsehjournalisten geworden war, als Moderator zurück (vgl. Eps/ Hartung/ Dahlem 1996: 105).

Diese Arbeit soll nun die Frage beantworten, wieso es im Jahr 1987 gelang, aus dem Missstand in der Vergangenheit Höfers einen Skandal werden zu lassen. Dazu werden in Punkt zwei zunächst die Bedingungen für die Entstehung eines Skandals beschrieben. Es folgen in Punkt drei eine kurze Beschreibung der Karriere Werner Höfers, die Entwicklung bis zum Skandal und der Verlauf dessen. Nach der Betrachtung von Höfers Verteidigungsstrategie in Punkt vier folgen im letzten Punkt mögliche Gründe für die erfolgreiche Skandalisierung des Missstandes.

2. Skandal und Skandalisierung

In diesem Abschnitt wird zunächst der Begriff „Skandal“ erläutert und aufgezeigt, was einen typischen Skandal auszeichnet. Es folgt eine Auflistung von Bedingungen, die eine erfolgreiche Skandalisierung wahrscheinlicher machen. Abschließend werden die Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, welche die Skandalierten zu ihrer Verteidigung ergreifen können.

2.1 Klassischer Skandal-Begriff

Heutzutage versteht man unter einem Skandal allgemein ein Ärgernis oder Vorkommnis, das für Aufsehen sorgt. An dieser Stelle wird schon deutlich, dass ein Ärgernis alleine für einen Skandal nicht ausreicht und erst die öffentlich entgegengebrachte Aufmerksamkeit den Fall zu einem Skandal macht (vgl. Orlamünder 2008: 57 f.)

Konkret gibt es mehrere konstituierende Faktoren für einen Skandal. Zunächst einmal muss ein Akteur oder eine Gruppe von Akteuren aus niederen Zielen einen Normbruch begehen oder vermeintlich begangen haben, eine moralische Verfehlung. Als nächster Schritt folgt die absichtliche Aufdeckung dieses vermeintlichen oder tatsächlichen Sachverhalts, welche in modernen Gesellschaften dabei meist durch die Massenmedien vorgenommen wird. Erst die Anprangerung im öffentlichen Raum „lässt Missstände in den Augen der Bevölkerung als nicht tolerierbar und damit änderungsbedürftig erscheinen“ (Kepplinger 2009: 191). Dazu muss ein etabliertes Publikationsorgan den Fall aufgreifen. Man könnte also sagen, dass das Mediensystem als Ganzes zum großen Teil über den Erfolg oder Misserfolg einer Skandalisierung entscheidet. Der dritte Schritt ist die öffentliche Empörung darüber. Nur, wenn sich der Enthüllung der Verfehlung eine kollektive Entrüstung anschließt, kann man von einem Skandal sprechen. Und dies geschieht nur, wenn sich die durch den Skandalierer vorgenommene moralische Bewertung der Verfehlung durchsetzt und führende Publikationsorgane unterschiedlicher politischer Lager gleichzeitig an der Publikation des Missstands beteiligt sind (vgl. Hartung 2009: 11 ff.; Hondrich 2002: 15 f.; Oehmer 2011: 157; Orlamünder 2008: 58 f.).

Dem schließt sich eine meist kontroverse Diskussion um den Tatbestand an, die durch eine umfangreiche Medienberichterstattung gekennzeichnet ist. Dabei können mindestens die Rollen der Skandalierer, der Skandalierten und der Skandalrezipienten unterschieden werden. Oft dreht sich diese Diskussion um die Frage, ob ein Beschuldigter zurücktreten soll, was in den meisten Fällen dessen Amtsniederlegung und einen allgemeinen Verlust des guten Rufes zur Folge hat. Nach einem Rücktritt klingen Skandale oft schnell wieder ab (vgl. Hartung 2009: 51 ff.; Orlamünder 2008: 57 f.).

Skandale laufen dabei zyklisch ab und weisen eine hohe zeitliche Dynamik auf. Somit setzt jede Skandalisierung die Skandalierten unter enormen Entscheidungs- und Handlungsdruck, um die eigene Ehre und das Ansehen bewahren zu können. Und da Skandale sich fast immer gegen Personen in herausgehobenen Stellungen richten, haben diese auch ein besonderes Interesse an der Wahrung dessen (vgl. Hartung 2009: 48 f.; Orlamünder 2008: 59).

Insgesamt kann ein Skandal folglich als ein Kommunikationsmuster betrachtet werden, das durch eine typische Ausgangslage, typische Rollenverteilungen und Handlungsweisen sowie typische Resultate gekennzeichnet ist. Skandale sind dabei eine Möglichkeit der Öffentlichkeit, normwidriges Verhalten insbesondere der Eliten zu ahnden und normkonformes Verhalten zu erzwingen. Wenn die normalen Kontrollmechanismen der Wahl und der parlamentarischen Opposition nicht ausreichen, erfüllt der Skandal also eine wichtige soziale Funktion (vgl. Hartung 2009: 12; Hondrich 2002: 31; Kepplinger 2009: 191 f.).

2.2 Erfolgsfaktoren für Skandalierungen

Bei weitem nicht jeder Skandalisierungsversuch führt auch zu einem Skandal. Vielmehr lassen sich mehrere Faktoren ausmachen, die bei den meisten Skandalen gegeben sind und somit eine erfolgreiche Skandalierung wahrscheinlicher machen:

1. Die Art der monierten moralischen Verfehlung, da Skandale immer wieder von den gleichen Arten von Missständen handeln, die sich länderspezifisch unterscheiden. In Deutschland sind beispielsweise Auseinandersetzungen mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und ihren Verbrechen eine häufig skandalisierte moralische Verfehlung. (vgl. Hondrich 2002: 13.; Rösgen 2007: 6).
2. Die Personalisierbarkeit von Normbrüchen, da nicht mit konkreten Personen in Verbindung gebrachte Verstöße meist scheitern (vgl. Hartung 2009: 68).
3. Die Ahndung der Normverstöße, also die juristische Verfolgung und Verurteilung der Vergehen. Bei einer eindeutigen Rechtslage und der Bestrafung durch ein Gericht kommt es selten zu einem Skandal. Wenn die Handlungsinitiative jedoch weniger auf der institutionellen Ebene liegt, steigen die Erfolgsaussichten für eine Skandalierung (vgl. Hartung 2009: 68 f.).
4. Die Komplexität des Falls und damit seine Erzählbarkeit und Stimmigkeit in der Gesellschaft. Der Sinn der Empörung über die verletzten Normen und Werte sollte klar erkennbar sein. Der Erzählstoff weist im besten Fall eine mittlere Komplexität auf, da sie einerseits nicht zu schnell langweilig werden darf. Andererseits darf sie auch nicht zu unverständlich sein, da die Gesellschaft dem Verlauf des Skandals sonst nicht folgen kann. Nicht zu unterschätzen ist zudem noch der Spannungsfaktor und die Jähheit eines Skandals (vgl. Hartung 2009: 70 f.).
5. Der soziale Ort, in dem der Skandalisierungsversuch auftritt. Am ehesten greifen die Medien Missstände im Bereich der Kirchen auf. Eine Sonderrolle nehmen Missstände in den Medien selbst ein, die sich mit Abstand am seltensten zu Skandalen entwickeln (vgl. Kepplinger 2009: 195 f.).

2.3 Verteidigungsmöglichkeiten der Skandalierten

Der Skandalierte hat mehrere Möglichkeiten, sich gegen die ihm zur Last gelegten Vorwürfe zu wehren. Zum einen kann er vor Gericht ziehen und so eventuell eine weitere Verbreitung der Vorwürfe verhindern. Für diese Arbeit wichtiger sind jedoch die rhetorischen Strategien, die den Skandalierten zur Verfügung stehen (vgl. Hartung 2009: 90).

Hier werden nun zunächst die wichtigsten möglichen Maßnahmen für eine Verteidigung kurz genannt. Die Reihenfolge entspricht einer qualitativen Abschwächung der Verteidigungsstufen. Mit jeder Stufe macht der Skandalierte somit mehr Zugeständnisse. Alle sieben Punkte beziehen sich dabei auf die nachfolgenden Quellen (vgl. Eps 1992: 126 ff.; Hartung 2009: 90 ff.):

1. Leugnen der vorgeworfenen moralischen Verfehlung.
2. Umdeuten der moralischen Verfehlung, um diese nicht als Missstand erscheinen zu lassen. Das Leugnen ist nicht mehr möglich.
3. Verantwortung für den Missstand von sich zu weisen. Das Umdeuten der Verfehlung ist nicht mehr möglich.
4. Rechtfertigung für den Missstand, indem man ihn als unausweichlich, nützlich oder erforderlich darstellt. Die Verantwortung für den Missstand ist nicht mehr zu bestreiten.
5. Die Kontrollfähigkeit der Verfehlung bestreiten, da nicht beeinflussbare Umstände die Tat begünstigt haben.
6. Instrumentelle Aktualisierung, wenn auch die Kontrolle während der Verfehlung beim Skandalierten lag. Er kann versuchen, eine Gegebenheit, die im Zusammenhang mit dem zentralen Konfliktgegenstand steht, in den Vordergrund zu rücken.
7. Um Verzeihung bitten ist der letzte Schritt, der einem Skandalierten bleibt und kommt einem Schuldgeständnis gleich. Meist mit dem Rücktritt aus einem Amt verbunden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der spezielle Fall des Werner Höfer. Betrachtung medialer Skandalisierungsmechanismen am Beispiel von Werner Höfer
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Publizistik)
Veranstaltung
Politische Kommunikation
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
19
Katalognummer
V318977
ISBN (eBook)
9783668181205
ISBN (Buch)
9783668181212
Dateigröße
448 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
fall, werner, höfer, betrachtung, skandalisierungsmechanismen, beispiel
Arbeit zitieren
Max Gerstenhuber (Autor:in), 2012, Der spezielle Fall des Werner Höfer. Betrachtung medialer Skandalisierungsmechanismen am Beispiel von Werner Höfer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/318977

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