Cybermobbing als neue Form oder Ergänzung von traditionellem Mobbing. Verlagert sich Mobbing von der Schule aufs Internet?


Hausarbeit, 2016

48 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Theoretischer Hintergrund
1.1 Medienkompetenz und Mediensozialisation von Jugendlichen
1.2 Die Gewaltform Cybermobbing
1.2.1 Definition Mobbing und Cybermobbing
1.2.2 Auswirkungen von Cybermobbing
1.2.3 Intervention und Prävention von Cybermobbing mit Bezug zur Schulsozialarbeit
1.3 Fragestellung und Hypothesenbildung

2 Methodik
2.1 Erläuterung der quantitativen Forschungsmethode
2.2 Aufbau des Fragebogens
2.3 Stichprobenauswahl
2.4 Durchführung der Untersuchung

3 Ergebnisse der Datenerhebung
3.1 Allgemeine Informationen zur Stichprobe
3.2 Gegenüberstellung ausgewählter Ergebnisse
3.2.1 Medienkonsum und Umgang
3.2.2 Mobbingverhalten
3.2.3 Prävention und Intervention

4 Diskussion
4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
4.3 Reflexion des methodischen Vorgehens
4.2 Schlussfolgerung

Literaturverzeichnis

Anhang

Fragebogen

Grundauswertung

Einleitung

94% der Zwölf- 19-Jährigen sind in Besitz eines Smartphones und 90% haben Zugang zum Internet (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2015, S. 6f). Diese Tatsache beinhaltet einen soziologischen Wandel der aktuellen Jugendgeneration. Nachbarschaft, Vereine und Schulen bildeten früher soziale Netzwerke und formten Peergroups. Heute gewinnen Peergroups in sozialen Onlinenetzwerken immer mehr an Bedeutung (vgl. Bertsche 2014, S. 226).

Cybermobbing wird im Jahr 2016 nicht als neue Form von Mobbing behandelt, sondern, aufgrund der Mediensozialisation und dem akuten Medienkonsum der Jugendlichen sowie der fortschreitenden Technik, als immer größer werdende Ge- fahr angesehen. Fast alle Jugendlichen haben dauerhaften Zugriff auf die Online- welt und präsentieren sich auf sozialen Plattformen. Durch den leicht erreichbaren hohen Anonymitätsgrad im Internet ist es für Mobbingtäter1 somit ein leichtes das Schulmobbing im Internet fortzusetzen. Die meisten Smartphones sind mit Kame- ras ausgestattet und in wenigen Sekunden einsatzbereit. Somit bieten sie eine Cy- bermobbingwaffe, die es vor zehn Jahren noch nicht gegeben hat.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Wandel der Medienwelt und den damit verbundenen Folgen. Neben einer Analyse, inwieweit Cybermobbing als Er- gänzung zum klassischen Schulmobbing genutzt wird, soll sich besonders mit der Entwicklung von Cybermobbing in den letzten zehn Jahren sowie der Frage nach der thematischen Relevanz im heutigen Schulalltag auseinander gesetzt werden. Zunächst werden Medienkonsum und Medienkompetenz von Jugendlichen aufge- führt. Im Folgenden werden Kernbegriffe wie ÄMobbing“, ÄCybermobbing“, ÄBul- lying“ und ÄCyberspace“ erläutert und Auswirkungen und Folgen als auch vermei- dende Maßnahmen definiert. Fortan wird ein selbst entwickelter Fragebogen, wel- cher von 51 Jugendlichen ausgefüllt wurde, detailliert vorgestellt und anschließend schematisch dargestellt. Danach werden die zuvor aufgestellte Fragestellung und die dazugehörigen Hypothesen mit den Ergebnissen der Datenerhebung abgegli- chen.

1 Theoretischer Hintergrund

1.1 Medienkompetenz und Mediensozialisation von Jugendlichen

ÄZunächst ist festzuhalten, dass Besitz und intensive Nutzung von Computer und Mobiltelefonen sowie Internetnutzung und Online-Spiele zum selbstverständlichen Standard der Heranwachsenden gehören“ (Gasser et al. 2012, S. 7). Laut der JA- MES-Studie 2010 besitzen 99% aller Haushalte, in denen Minderjährige aufwach- sen, einen Computer. 95% verfügen des Weiteren über einen Internetzugang. Zu- sätzlich stellte diese Studie fest, dass Drei Viertel dieser Minderjährigen selbst über einen eigenen Computer mit Internetzugang verfügen (Willemse et al. 2010, S. 16).

Soziale Netzwerke wie beispielsweise Facebook, Google+ oder Instagram haben im privaten Bereich E-Mails und SMS abgelöst. Mittelpunkt ist die Kommunikation zwischen den Benutzern. Die Nutzung sozialer Netzwerke ist bei Jugendlichen un- ter 18 Jahren, aufgrund der vielzähligen Kommunikationsprozesse unter Freun- den, am größten. Sie verzeichnen die größte Mitgliederzahl als auch die längste Zeit, die in sozialen Netzwerken verbracht wird. Junge Erwachsene bis 30 Jahre sind zwar auch stark vertreten und haben eine hohe Anzahl an Kontakten in sozi- alen Netzwerken, allerdings ist ihre Freizeit stärker limitiert als bei Jugendlichen. Darüber hinaus nutzen alle älteren Altersgruppen soziale Netzwerke aufgrund ge- ringerer Onlinekontakte und somit auch geringerer medialer Kommunikationspro- zesse weniger als Jugendliche und junge Erwachsene (vgl. Ziegler 2015, S. 3f).

Jugendliche nutzen das Internet durchschnittlich zwei Stunden am Tag. Neben dem Pflegen von sozialen Kontakten spielt das Internet als Informations-, Gestal- tungs- und Austauschmedium eine wesentliche Rolle und trägt ausschlaggebend zur Identitätsbildung bei. Das Internet kann somit als Leitmedium der Jugendge- nerationen, die nach 1980 geboren wurden, angesehen werden (vgl. Gasser et al. 2012, S. 7).

Problematisch dabei ist, dass Kinder und Jugendliche die Onlinewelt größtenteils als halböffentlichen oder gar privaten Raum empfinden (vgl. Gasser et al. 2012, S. 8). Daraus kann geschlussfolgert werden, dass vielen Jugendlichen die Gefahren des Internets nicht präsent sind. Zudem geben laut der Bündnis gegen Cybermob- bing Studie 2013 52% der Eltern an, die Internetnutzung ihrer Kinder nicht zu kon- trollieren. Lediglich 10% blockieren ausgewählte Internetseiten und Programme. Dieser Fakt belegt, dass viele Kinder und Jugendliche den Tiefen des Internets ohne autoritäre Aufsicht ausgeliefert sind. Diese Problematik mag durch den Ge- nerationsunterschied entstehen. Die meisten Eltern sind mit dem Medium Internet überfordert und halten ihre Kinder für die ÄComputerprofis“ im Haus. 57% der El- tern bestätigen diesen Fakt. Jüngere Mütter hingegen kontrollieren wesentlich mehr die Internetnutzung ihrer Kinder (vgl. Bündnis gegen Cybermobbing 2013, S. 23f). Hinzu kommt die aus soziologischen Gründen immer höhere Relevanz für junge Menschen Zeit im Internet zu verbringen. ÄDie Ablösung Jugendlicher von ihren Eltern und das Streben nach Unabhängigkeit von der Erwachsenenwelt [ist] im Allgemeinen ein Kernprozess der Adoleszenz“ (Weber 2015, S. 27f). An zweiter Stelle nach den Eltern sind Peergroups in der Sozialisation von Jugendlichen von hoher Bedeutung. Meist setzen sie sich aus bis zu sieben Kindern oder Jugendli- chen auf freiwilliger Basis zusammen. Der wesentliche Unterschied zwischen Peergroups und beispielsweise der Familie als Gruppierung, ist die kaum vorhan- dene Hierarchie. Zudem grenzen sich Peergroups nach außen hin deutlich von der Erwachsenenwelt ab und verfügen über eine eigene Normvorstellung. Über di- verse Online-Videospiele und soziale Netzwerke werden die klassischen Schul- peergroups mit Onlinepeergroups erweitert. Bekanntschaften aus Chatrooms oder fiktiv gegründete ÄGilden“, wie beispielsweise bei ÄWorld of Warcraft“, werden zur neuen Sozialisationsgruppe, welche Normen und Werte vermitteln und als Vorbild- funktion fungieren. Für viele Internetuser stellen Bekanntschaften oder Freunde aus dem Internet eine ebenso wichtige Rolle wie beispielsweise die Schulfreunde dar (Katzer 2015, S. 141). Außerdem tragen Peergroups eine wichtige Rolle zur Identitätsbildung der Jugendlichen in persönlicher und sexueller Hinsicht bei. Be- steht eine Peergroup also aus Onlinekontakten, so stammt die von ihr ausgehende Beeinflussung nicht bloß aus der eigenen Schule, dem Dorf oder der Region, son- dern kommt aus anderen Städten, Ländern und sogar Kontinenten.

1.2 Die Gewaltform Cybermobbing

1.2.1 Definition Mobbing und Cybermobbing

Der Begriff Mobbing ist eine Ableitung des internationalen Fachterminus ÄBullying“ und hat sich mittlerweile in Deutschland etabliert. Die Bullyingforschung beschäf- tigt sich mit aggressivem Verhalten zwischen Kinder und Jugendlichen im Schul- kontext (vgl. Bündnis gegen Cybermobbing 2013, S. 12). Traditionelles Mobbing zeichnet sich durch eine gezielte schädigende oder verletzende Handlung aus, welche über einen längeren Zeitraum ausgeführt wird. Es ist unerheblich wie viele Täter beteiligt sind. Ausschlaggebend ist jedoch ein bestehendes Machtgefälle zwischen Täter und Opfer. Involviert sind die Rollen der Täter, der ÄBystander“, welche den Täter unterstützen, der Opfer und der Zuschauer sowie ÄDulder“ (vgl. Katzer 2014, S. 58). Die Rollenverteilung kann im zeitlichen Verlauf variieren. So können beispielsweise ÄBystander“ zu Tätern werden, indem sie das Opfer direkt angreifen. Im Laufe der Zeit werden dann immer mehr Zuschauer zu ÄBystandern“ und ÄBystander“ zu Tätern. Folglich entsteht eine Tätergruppe (vgl. Bertsche et al. 2014, S. 225). Intention ist die Minderung des sozialen Ansehens beim Betroffe- nen. Beispiele für Mobbing sind Verleumdung, üble Nachrede, Vorenthalten von Informationen, Ausgrenzung, nicht ernst nehmen, Schikanen, Schlechtmachen, Nichtbeachten, in die Falle laufen lassen, Dinge verschwinden lassen, Weiterleiten von Fehlinformationen, Beleidigungen, sexuelle Belästigung und ungerechtfertigte Kritik (vgl. Werner 2013, S. 21).

Bei klassischem Mobbing kann zwischen psychischem, verbalem und physischem Mobbing differenziert werden. Mit psychischem Mobbing sind subtile Handlungen gemeint, welche das Opfer seelisch verletzen und eventuell auch traumatisieren. Ein Beispiel dafür ist Lästern, sowie negative Gerüchte in die Welt streuen oder Lügen. Beim verbalen Mobbing hingegen steht die direkte negative Ansprache des Opfers im Vordergrund. Hierzu zählen zum Beispiel Beleidigungen oder Erpres- sungen. Physisches Mobbing hingegen beschränkt sich auf körperlicher Gewalt in jeglicher Form (vgl. Katzer 2014, S. 58f).

Leymann (1993), teilte den Prozess von Mobbing, hier am Beispiel vom Mobbing am Arbeitsplatz, in vier Phasen auf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Mobbingverlauf nach Leymann (1993). (Quelle: Dietl 2015, S. 9)

Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, beginnt der Mobbingverlauf mit einer Konfliktphase. In ihr werden vom Täter eigene Fehler auf andere projiziert. Ein aggressiver Ton und Beschuldigungen erschweren das Arbeitsklima. Bei einer Auseinandersetzung unterliegt der Täter vorerst dem potentiellen Opfer. Er sucht Halt bei Mitläufern, die ihn in seiner Meinung bestärken und Stellung beziehen. Die Teamarbeit wird durch die Rivalität deutlich beeinträchtigt.

In der zweiten Phase ÄPsychoterror“ werden Situationen ausgenutzt, um den Betroffenen bloßzustellen und schlecht dastehen zu lassen. Es werden Gerüchte gestreut und das Opfer wird somit immer weiter isoliert. Die psychischen Folgen oder sogar Folgen von physischer Gewalt senken das Selbstwertgefühl des Opfers. Täter suchen gezielt Schwächen und suchen offene Konfrontationen. Der entstandene schlechte Stand des Opfers wird als Ursache für das Mobbing deklariert. Somit befindet sich das Opfer in einer Abwärtsspirale. Wird in diesem Schritt nicht interveniert ist der Prozess unaufhaltsam.

In der dritten Phase ÄEskalation“ wird das Opfer gänzlich zum Außenseiter. Es vermeidet Kontakt zu sämtlichen Kollegen, schwänzt die Arbeit und gleitet somit weiter die Abwärtsspirale hinab. Außenstehende Kollegen dulden die Situation. Es kommt zu Abmahnungen sowie zu einer Bedrohung des Arbeitsplatzes, da sich das Opfer aufgrund der Leistungsabnahme und der Fehlzeiten arbeitstechnisch signifikant verschlechtert hat.

Zuletzt kommt es zur Ausschlussphase des Betroffenen. Die Übergriffe werden so massiv, dass ein Arbeitswechsel aus Eigenwunsch oder aufgrund der schlech- ten Arbeit unausweichlich ist. Das Opfer entflieht damit zwar dem Brennpunkt, trägt aber wesentliche psychische Beeinträchtigung mit sich (vgl. Dietl 2015, S. 9f)

Cybermobbing ist Mobbing mithilfe von elektronischen Medien. Der Begriff ÄCyber“ stammt vom Wort ÄKybernetik“ ab und umschreibt im Sinne vom ÄCyberspace“ ei- nen elektronischen Datenraum (vgl. Bertsche et al. 2014, S. 226). Die oben aufge- führte Definition und Struktur von Mobbing lässt sich analog auf Cybermobbing mit dem Hinblick auf ergänzende Punkte übertragen. Die mögliche Anonymität, wel- che von Tätern oftmals genutzt wird, um nicht erkannt zu werden und mit Fake- Profilen erreicht wird, bewirkt bei den Opfern ein Ohnmachtsgefühl. Dies ist zu- rückzuführen auf die Ängste, nicht beweisen zu können, wer die Täter sind. Zu- sätzlich kann Anonymität durch das verschleiern der IP-Adresse erreicht werden. Somit kann nicht nachverfolgt werden von welchem Computer die Täter agiert ha- ben. Neben dem Schutz vor Identifizierung eignet sich die Anonymität ebenfalls um potentielle Nachteile zu verstecken. So kann beispielsweise ein körperlich un- terlegenes Kind jemanden im Internet mobben, dem es im realen Leben niemals die Stirn bieten würde. Hinzukommt die unberechenbare Reichweite des Internets und die Tatsache, dass Inhalte langlebig gespeichert werden. Zuletzt entzieht Cy- bermobbing den Opfern jegliche Art von Schutzräumen, da sie via Handy, Com- puter und Co., ob zu Hause oder unterwegs, immer erreichbar sind (vgl. Katzer 2014, S. 60f.). Im Umkehrschluss haben Täter nur wenige Hürden zu überwinden. Eine Person muss nicht erst physisch angetroffen werden um sie mobben zu kön- nen; meist reichen wenige Klicks dazu bereits aus. Zudem wird das erzeugte ‚Leid‘ auf der Seite des Opfers oftmals durch die Distanz nicht sichtbar für Täter. Eine mögliche Empathie der Täter entfällt somit und die Hemmschwelle Cybermob- bingattacken auszuführen liegt somit deutlich geringer (vgl. Bertsche et al. 2014, S. 232). Durch diese neuen Faktoren wird die Brisanz von Cybermobbing besonders deutlich. Cybermobbing tritt Äin 80 - 90% der Fälle im Kontext von traditionellem Bullying auf“ (Bertsche et al. 2014, S. 230 nach Olweus 2013).

Es ist also festzuhalten, dass sich das Internet aufgrund seiner vielen Anonymi- tätsvorzüge als perfekter Tatort eignet. Letztendlich weiß man nie, welche Person sich am anderen Ende der Leitung verbirgt. Die dazu addierte unberechenbare Reichweite und die langlebige Speicherung machen das Internet zu einem gefähr- lichen Terrain (Bündnis gegen Cybermobbing 2013, S. 10).

Nach Vandebosch, H./van Cleemput, K. (2009, S. 1351f) werden alle Formen von Mobbing in direkte oder indirekte Handlungen klassifiziert. Im Vergleich zu Cyber- mobbing stehen sich als direkte Handlungen zum Beispiel jemanden schlagen und jemandem einem Virus zuschicken gegenüber. Verbale als auch nonverbale Handlungen gelten ebenfalls als direkt. Indirekte Handlungen sind hingegen bei- spielsweise Gerüchte verbreiten oder Vertrauensbruch, welche sich sowohl im klassischen Schulmobbing als auch im Internet wiederfinden. Des Weiteren zählen das Täuschen via Fake-Account oder das Eindringen in die Privatsphäre anderer mittels Hacken eines Passwortes zu indirekten Handlungen. Entgegen der An- nahme, dass die primäre Cybermobbingform, aufgrund der erhöhten Anonymität im Internet, indirekte Handlungen sind, finden die meisten Cyberattacken genau wie beim klassischem Schulmobbing direkt statt. Beleidigungen und Drohungen übers Internet und Handy finden am haufigsten statt.

Im Jahr 2005 wurden Cybermobbingattacken meist über Email, Blogs, Websites oder Chatroomportale wie beispielsweise Knuddels praktiziert. Die Anzahl der Tat- orte hat sich in den letzten Jahren aufgrund der sich immer weiter entwickelnden Kommunikationstools stark erhöht. Haupttatorte heute sind soziale Netzwerke (z.B. Facebook), Videoplattformen (z.B. Youtube) und Fotodienste (z.B. Insta- gram) (vgl. Katzer 2014, S. 65). Laut der Bündnis gegen Cybermobbingstudie (2013) sind soziale Netzwerke mit durchschnittlich 89,5% am häufigsten Tatort von Cybermobbingattacken. Chatrooms stehen mit 46,6% an zweiter Stelle. Bis 2005 wurde das Thema Cybermobbing in Deutschland ignoriert, was zur Folge hatte, das erste Studien in dieser Richtung erst dato begannen.

ÄRund ein Drittel aller 10- bis 18-Jährigen in Deutschland sind mittlerweile von ext- remen Cybermobbing betroffen“ (Katzer 2014, S. 69). Am häufigsten tritt Cyber- mobbing bei Haupt- und Realschulen auf. Die Differenz zu allen anderen Schulfor- men ist jedoch nicht sehr groß. Selbst Grundschulen sind von der Thematik betrof- fen. Zudem gibt es eine ungleiche Verteilung von Cybermobbing auf die Bundes- länder. In Bundesländern mit präsenten Präventionsprogrammen sind die Zahlen deutlich geringer.

Bei der Erörterung, welche Motive hinter Cyberattacken stecken, muss vorerst zwi- schen Tätern, die in der Schule und im Internet mobben und denen, die ausschließ- lich im Internet mobben, unterschieden werden. 80% der Jugendlichen die in der Schule mobben, mobben ebenfalls im Internet. 20% der Cybermobber sind somit in der Schule unauffällig. Während sich die Motive bei Cybermobbern der ersten Kategorie oftmals mit klassischem Schulmobbing gleichsetzen lassen, sehen die Motive von Cybermobbern der zweiten Kategorie ganz anders aus. Oftmals sind Spaß, Langeweile, Trophäenjagd, Anerkennung und das Austesten der eigenen Leistungsfähigkeit Motive für diese Gruppierung (vgl. Katzer 2014, S. 82f).

1.2.2 Auswirkungen von Cybermobbing

Die primäre Auswirkung auf der Opferseite von Cybermobbing ist die beginnende Schockphase. Die Betroffenen erfahren von der meist öffentlichen Beschämung und sind schockiert über die Skrupellosigkeit der Täter. Darauffolgend realisieren sie das Ausmaß der Schikane durch die Reichweite des Internets. Aus Angst da- vor, jeder auf der Straße könnte Bescheid wissen, verlassen sie ungern das Haus und meiden die Schule, der Raum wo der Großteil der Sozialisation stattfindet (vgl. Kater 2015, S. 102). ÄIch bekomme wenig Unterstützung! Ich bin nichts wert!“ (Wer- ner 2013, S. 11). Dies sind Erfahrungen, die Mobbing- und Cybermobbingopfer feststellen müssen. Betroffene stehen unter ständigem physischem als auch psy- chischem Stress, der durch das dauerhafte Aushalten der Belastungen entsteht. Die am häufigsten verwendete Verteidigungsstrategie ist das Erdulden der Be- schämung. Betroffene versuchen sich unsichtbar zu machen, da der Wille zur Ge- genwehr gebrochen ist. Häufig zweifeln sie an sich selbst und geben sich die Schuld für die Demütigung (vgl. Werner 2013, S. 11). Folgen von Cybermobbing auf der Opferseite sind häufig depressive Symptome, Angst, Einsamkeit und Scham. Durch die Isolation schwänzen sie häufig wie bereits erwähnt die Schule, was wiederum schlechte Schulnoten zur Folge hat. Somit geraten sie in eine Ab- wärtsspirale, welche in den Phasen des Mobbingverlaufs beschrieben wurde. Ebenfalls spielen Suizidgedanken und Suizid sowie Amoklaufdrohungen bzw. Amokläufe eine Rolle (vgl. Pieschl/Porsch 2012, S. 31). Im Jahr 2012 beispiels- weise begann die junge Amanda Todd aus Canada Suizid. Sie stellt seit jeher den populärsten Cybermobbingfall dar (vgl. Bündnis gegen Cybermobbing 2013, S. 14). Langzeitfolgen sind soziale Schwierigkeiten wie zum Beispiel Freunde zu fin- den oder sowohl im Berufs- als auch im Privatleben soziale Beziehungen zu ge- stalten (vgl. Willemse et al. 2010, S. 66). Daneben spielen psychosomatische Fak- toren ebenfalls eine Rolle. Kopf- und Bauchschmerzen sowie Erbrechen vor der Schule sind keine Seltenheit (vgl. Werner 2013, S. 12). 20% der Betroffenen leiden dauerhaft unter den Erlebnissen und haben Schwierigkeiten diese zu vergessen.

Da die Forschung noch am Anfang steht, gibt es noch keine Ergebnisse von Langzeitstudien (vgl. Bündnis gegen Cybermobbing 2013, S. 13f).

Auf der anderen Seite hat Cybermobbing ebenfalls negative Auswirkungen auf die Täter. Zum einen steigt die Wahrscheinlichkeit, aufgrund in der Jugendphase erfolgreich gelernter Lösungsstrategien, dass Cybermobbingtäter im späteren Leben auf diese Lösungsstrategien zurückgreifen und ebenfalls wieder aggressives Verhalten anderen Menschen gegenüber zeigen. Zum anderen fördert ein gewaltverharmlosendes Milieu aggressives Verhalten und Jugenddelinquenz. Eine Schule oder das Internet, in dem fortlaufend Mobbing stattfindet, kann als gewaltverharmlosendes Milieu angesehen werden. Darüber hinaus gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen gewaltbereiten Eltern und ihren Kindern, welche als Mobbingtäter eingestuft werden. (vgl. Katzer 2013, S. 87).

Letztlich können Cybermobbingattacken, obwohl es bislang kein explizites Gesetzt gegen Cybermobbing gibt, rechtlich geahndet werden. Viele Attacken fallen unter eine der folgenden aufgeführten Straftaten, welche im StGB verfasst sind. Als ÄEh- renschutzdelikte“ gelten beispielsweise üble Nachrede oder Verleumdung. Sie sind in §§ 185, 187 StGB verfasst. Des Weiteren können Cybermobbingattacken unter Beleidigungen, Bedrohung, Nötigung, Gewaltdarstellung oder unter peinli- che, unangenehme Fotos oder Videos zugeordnet werden. Letzteres ist sowohl im StGB als auch im KunstUrhG geregelt. Jugendliche sind in Deutschland ab einem Alter von 14 Jahren strafmündig. Somit können sie für eine der eben aufgeführten Straftaten belangt werden. Für sie wird das Strafgesetzbuch in Verbindung mit dem Jugendgerichtsgesetzt (JGG) angewandt, was zu Folge hat, dass die Strafen milder ausfallen als bei erwachsenen Tätern.

1.2.3 Intervention und Prävention von Cybermobbing mit Bezug zur Schulsozialar- beit

Da Jugendliche sich meist ohne autoritäre Aufsicht im Cyberspace aufhalten, blei- ben Cybermobbingattacken für Familienangehörige sowie Lehrer und Sozialarbei- ter meist unentdeckt. Durch die starke Erniedrigung des Selbstbewusstseins den- ken Opfer häufig, dass es keine Hilfe sei, sich Autoritätspersonen anzuvertrauen. Suchen sich Betroffene nicht von selbst Hilfe, können oftmals folgende Symptome bei ihnen festgestellt werden: Zum einen gibt es einen rapiden Einbruch der Inter netnutzung, meist in Bezug auf alle Medien. So werden soziale Netzwerke gemie den und eingehende Nachrichten auf dem Smartphone können beispielsweise Erschrecken und Angst sowie Niedergeschlagenheit auslösen. Zudem tritt wie zuvor erwähnt eine soziale Isolation auf. Betroffene ziehen sich generell zurück und meiden den Kontakt zu Familienangehörigen, Freunden und meist besonders zur Schule (vgl. Bertsche et al. 2014, S. 237).

Generell gibt es keine pauschale Lösungsstrategie als Intervention bei Cybermobbing. Je nach Kontext können verschiedene Bewältigungsstrategien in Frage kommen und helfen. Im Folgenden werden nach Pieschl und Porsch (2012, S. 36ff) einige davon aufgezählt.

Ignorieren ist eine häufig angewandte aber allgemein nicht zu empfehlende Me- thode. Insofern eine Cybermobbingattacke eine psychische Belastung beim Opfer impliziert, soll immer externe Hilfe hinzugezogen werden. Hilfe holen ist eine Me- thode zu der fast alle Jugendlichen raten, Betroffene aber tatsächlich viel seltener nutzen. Am Häufigsten wenden sich Cybermobbingopfer an ihre Freunde, gefolgt von Eltern und Lehrern. Sich Hilfe zu holen ist durchweg eine positive Bewälti- gungsstrategie. Beim Mitteilen kann psychische Belastung abgebaut werden und Hinzugezogene verfügen des Weiteren über weitere Bewältigungsstrategien oder stehen bei technischen Hilfen zur Verfügung. Parallel zum Mitteilen an Freunde wird geraten, sich immer noch einer erwachsenen Person anzuvertrauen. Sie ent- scheidet meist rationaler, welche Folgeschritte notwendig sind. Zu psychiatrischer Unterstützung wird lediglich bei der Beeinträchtigung der Psyche geraten. Die Po- lizei sollte nur beim Vorliegen einer Straftat hinzugezogen werden. Technische Strategien machen Sinn, wenn die Cybermobbingattacken keine Spuren im Inter- net hinterlassen. Zu ihnen gehören beispielsweise die ÄMelden“-Funktion, welche auf vielen sozialen Netzwerken anzutreffen ist oder das Blockieren von Nutzern sowie das Ändern der eigenen Nutzungsdaten. Zuletzt gibt es noch eine aktive Methode, die sich direkt gegen die Täter richtet. Hierbei kritisiert das Opfer die Handlungen des Täters und hinterfragt sie. Des Weiteren kann Kontakt zu den Eltern des Täters hergestellt werden. Grundsätzlich ist diese Methode zu empfeh- len. In Ausnahmesituationen kann sie allerdings zu mehr Mobbing führen.

42% der deutschen Schüler bekommen im Unterricht Präventionsstrategien gegen Cybermobbing vermittelt (vgl. Bündnis gegen Cybermobbing 2013, S. 33). Häufig genutzt in der Schulsozialarbeit sind Interventionsprogramme, die sich evaluieren lassen. Das ÄOlweus-Programm“ zum Beispiel ist ursprünglich für das klassische

[...]


1 Soweit im Folgenden Berufs- Gruppen- und/oder Personenbezeichnungen Verwendung finden, ist auch stets die jeweils weibliche Form gemeint. Der Verf. sieht daher bewusst von einer genderneutralen Ausdrucksweise ab.

Ende der Leseprobe aus 48 Seiten

Details

Titel
Cybermobbing als neue Form oder Ergänzung von traditionellem Mobbing. Verlagert sich Mobbing von der Schule aufs Internet?
Hochschule
Fachhochschule Dortmund
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
48
Katalognummer
V319409
ISBN (eBook)
9783668230637
ISBN (Buch)
9783668230644
Dateigröße
1824 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
cybermobbing, form, ergänzung, mobbing, inwiefern, mediensozialisation, schule, internet
Arbeit zitieren
Florian Lente (Autor:in), 2016, Cybermobbing als neue Form oder Ergänzung von traditionellem Mobbing. Verlagert sich Mobbing von der Schule aufs Internet?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319409

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