Max Weber, der berühmte deutsche Soziologe, der von 1864 bis 1920 lebte, erfährt auch heute noch eine große akademische und gesellschaftliche Rezeption. Er ist heute keinem Studenten der Sozial-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften auch über 80 Jahre nach seinem Tod unbekannt. Als Begründer der modernen Herrschaftssoziologie gilt er neben Karl Marx als der wohl bedeutendste deutsche Gesellschaftstheoretiker.
Der Historiker Wolfgang Mommsen, der am elften August 2004 im Alter von 73 Jahren bei einem Badeunfall in der Ostsee ums Leben kam, widmete einen beträchtlichen Teil seines akademischen Lebens dem großen deutschen Soziologen Weber. Seine Dissertation mit dem Titel „Max Weber und die deutsche Politik, 1890-1920“ hatte der Historiker 1958 in Köln bei Theodor Schieder verfasst. Seitdem erschien das Werk in mehreren Neuauflagen und Übersetzungen.
Mit ihr schaffte es der Historiker, eine komplexe und hoch kontroverse Diskussion auszulösen, indem er nicht nur einen der großen Denker der deutschen Geistesgeschichte kritisch hinterfragte, sondern ihm auch eine Mitschuld unterstellte, die geistige Infrastruktur für den Nationalsozialismus mitbereitet zu haben. Für die Identitätssuche der jungen Bundesrepublik war dies ohne Zweifel von großer Bedeutung.
In den 1950er Jahren suchte man politische und wissenschaftliche Anknüpfungspunkte für die demokratischen Traditionen in Deutschland, an welchen die junge Bundesrepublik im Jahre 1949 anknüpfen konnte. Zudem war man bemüht, einen „Gegenpol“ zu dem in der Deutschen Demokratischen Republik gefeierten Karl Marx zu finden. Diese Bemühungen, Max Weber als eine Art geistige Identifikationsfigur für Westdeutschland zu etablieren, waren allerdings mit Mommsens Analyse von zentralen Aspekten in Max Webers politischem Denken kaum mehr möglich.
Inhaltsverzeichnis
- Deutsche Politik und problematische Ahnenschaft: Max Weber bei Wolfgang J. Mommsen
- Mommsens Kritik an Max Webers politischem Denken
- Max Webers Theorie der charismatischen Herrschaft
- Max Webers Kritik am politischen System des Deutschen Kaiserreiches
- Max Webers Modell der plebiszitären Führerdemokratie
- Die Frage nach den Auswirkungen von Max Webers Lehre
- Hitler als charismatischer Führer?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay beleuchtet die Dissertation Wolfgang Mommsens „Max Weber und die deutsche Politik, 1890-1920“ und seine Rezeption von Max Weber im Hinblick auf den Begriff der charismatischen Herrschaft. Dabei geht er insbesondere auf Mommsens kritische These ein, dass Webers Lehre von der charismatischen Führerschaft einen Beitrag zur geistigen Infrastruktur des Nationalsozialismus geleistet hat.
- Mommsens Kritik an Max Webers politischem Denken und die Frage nach dessen möglicher Mitschuld am Aufstieg des Nationalsozialismus.
- Max Webers Theorie der charismatischen Herrschaft und ihre Relevanz für die deutsche Politik.
- Die Rezeption von Max Webers Werk in der deutschen Gesellschaft und die Debatte um seine Rolle im Kontext des Nationalsozialismus.
- Die Bedeutung von Max Webers Werk für die Analyse von Machtstrukturen und Führungspersonen in der Geschichte.
- Die Frage nach der Rolle von Charisma in der Politik und der Gefahr von plebiszitären Führungsformen.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel behandelt die Dissertation Wolfgang Mommsens „Max Weber und die deutsche Politik, 1890-1920“ und die kontroverse Diskussion, die sie ausgelöst hat. Es stellt Mommsens These vor, dass Max Webers Werk eine Mitschuld am Aufstieg des Nationalsozialismus trägt.
Das zweite Kapitel beleuchtet Max Webers Theorie der charismatischen Herrschaft und ihre Bedeutung für die Analyse von Machtstrukturen und Führungspersonen in der Geschichte. Es behandelt Webers Definition von Herrschaft und die drei Typen der legitimen Herrschaft: traditionelle, legale und charismatische Herrschaft.
Das dritte Kapitel geht auf Max Webers Kritik am politischen System des Deutschen Kaiserreiches ein. Es behandelt Webers Kritik an der Machtlosigkeit der Parlamente und der grenzenlosen Herrschaft der Bürokratie.
Das vierte Kapitel erläutert Max Webers Modell der plebiszitären Führerdemokratie. Es behandelt die Rolle von charismatischen Führern in einer direkten Demokratie und die Gefahr von emotionalisierter und entgrenzter Politik.
Schlüsselwörter
Max Weber, charismatische Herrschaft, plebiszitäre Demokratie, Nationalsozialismus, Wolfgang J. Mommsen, deutsche Politik, Geschichte, Machtstrukturen, Führungspersonen, Weimarer Republik, Reichsverfassung.
- Quote paper
- Christian Rucker (Author), 2015, Deutsche Politik und problematische Ahnenschaft. Max Weber bei Wolfgang J. Mommsen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319976