Das 18. Jahrhundert markiert eine bedeutsame Entwicklung des deutschen Theaters. Während es zunächst vornehmlich der Belustigung und Entlastung des Publikums dient, ändert sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts allmählich seine Funktion. Im Zuge der Aufklärung und der Herausbildung eines neuen, vernunftorientierten Welt- und Menschenbildes wächst unter den Intellektuellen das Bewusstsein für das Theater und seine Möglichkeiten als öffentliches Medium. Angefangen mit den Reformbemühungen Johann Christoph Gottscheds, die Schauspielkunst enger an die Dramenvorlage zu binden, setzt sich immer mehr die Auffassung durch, dass das dramatische Werk seine Wirkung erst durch die Theatervorstellung vollends entfalten kann. In der Frühaufklärung sind Dramatik und Schauspielkunst in Deutschland noch stark der sich am französischen Klassizismus orientierenden Regelpoetik verhaftet. Um die Mitte des Jahrhunderts bricht dann eine Diskussion um den natürlichen schauspielerischen Ausdruck aus, der sich an einer empirischen Auslegung der Natur orientiert. So beschäftigen sich Theoretiker und Theaterinteressierte unter Heranziehung unterschiedlicher Gesichtspunkte mit der theatralischen Vorstellung. Sie alle haben ein Ziel vor Augen: Die Schauspielkunst von den Fesseln des französischen Klassizismus zu befreien, sie als eine die Natur nachahmende Kunstfertigkeit zu ergründen und ihr ein würdiges Ansehen zu verschaffen.
In Deutschland leistet allen voran Gotthold Ephraim Lessing mit seinen theoretischen Ansätzen einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung des Theaters. Inspiriert von den theoretischen Werken englischer, italienischer und französischer Autoren, setzt er sich in seinen Arbeiten mit verschiedenen Aspekten der Dramenproduktion und der Theaterpraxis auseinander. Sein Anliegen besteht zum einen darin, die Schauspielkunst im Sinne der empirischen Natürlichkeit neu zu definieren. Zum anderen bemüht er sich, das Theater als eine Institution zur Verbreitung aufklärerischer Ideen zu etablieren und ihm eine wichtige Stellung in der Gesellschaft zu verschaffen. Aufbauend auf den Reformbemühungen Gottscheds verfolgt Lessing die Idee der Literarisierung des Theaters weiter. Er geht davon aus, dass das Drama und die Theatervorstellung eine sich gegenseitig ergänzende Einheit bilden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Aufklärung und Theater
- Das Prinzip der Naturnachahmung
- Literarisierung des Theaters
- Systematisierung der Schauspielkunst
- Gotthold Ephraim Lessing und die Theorie der Schauspielkunst
- Literaturästhetische und wirkungsästhetische Aspekte
- Natur und Täuschung
- Das Schöne und das Hässliche
- Die Empfindung des Zuschauers
- Lessings Dramentheorie
- Die moralische Aussage
- Das bürgerliche Trauerspiel
- Das bürgerliche Lustspiel
- Das Individuelle und das Allgemeine der Charaktere
- Lessings Theorie des körpersprachlichen Ausdrucks
- Der Spielmodus
- Der selbstvergessene Schauspieler nach Pierre Rémond de Sainte-Albine
- Der Reflexionsschauspieler nach Francesco Riccoboni
- Schauspieler mit Empfindung und Verstand – Lessings Position
- Die Regeln der körperlichen Beredsamkeit
- Darstellung der Leidenschaften
- Schauspieler und Dichter
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Schauspieltheorie Gotthold Ephraim Lessings und stellt sie in Bezug zu seinen dramentheoretischen Ansichten. Ziel ist es, aus Lessings vielfältigen theatertheoretischen Ausführungen eine kohärente Theorie der Schauspielkunst zu filtern.
- Die Entwicklung des deutschen Theaters im 18. Jahrhundert
- Lessings Abgrenzung von der französischen Klassik und seine Betonung der Naturnachahmung
- Lessings Theorie des Schönen, der Wahrheit und der Täuschung des Zuschauers
- Die Rolle des dramatischen Textes in Lessings Schauspieltheorie
- Lessings Theorie des körpersprachlichen Ausdrucks und die Bedeutung von Empfindung und Verstand im Schauspiel
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den Kontext der deutschen Theaterentwicklung im 18. Jahrhundert skizziert und Lessings Bedeutung für die Weiterentwicklung der Schauspielkunst hervorhebt. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Situation des deutschen Theaters in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und beleuchtet die Theatertheorie Gottscheds. Das dritte Kapitel bietet eine kurze Einführung in Lessings theoretische Abhandlungen. Die folgenden Kapitel bilden den Hauptteil der Arbeit und erschließen Lessings Theorie der Schauspielkunst als ein System, das literaturästhetische, dramentheoretische und schauspielpraktische Elemente umfasst.
Schlüsselwörter
Gotthold Ephraim Lessing, Schauspielkunst, Theatertheorie, Dramentheorie, Naturnachahmung, Schönheit, Wahrheit, Täuschung, Empfindung, Verstand, Körperlicher Ausdruck, Französische Klassik, Aufklärung, Deutsches Theater.
- Arbeit zitieren
- Lenka Volmer (Autor:in), 2013, Von dem Stolze zur Zärtlichkeit und von der Zärtlichkeit zur Erbitterung. G. E. Lessing und die Theorie der Schauspielkunst, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/320713