Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Implizite Einstellungen Vorteile und Nutzen der Messung
3 Implizite Einstellungen gegenüber Homosexualität
3.1 Vorteile und Nutzen der Messung
3.2 Aktueller Stand der Forschung
4 Implizite Einstellungen gegenüber Homosexualität - Messung mit Hilfe des IAT
4.1 Beschreibung
4.2 Durchführung
4.3 Auswertung
4.4 Alternative Auswertungen
5 Einschätzung der Machbarkeit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Anhang
Kurzfassung
Diese wissenschaftliche Arbeit untersucht die impliziten Einstellungen von Männern und Frauen gegenüber Homosexualität. Ist die artikulierte Einstellung wahr? Oder wird nach sozialer Erwünschtheit geantwortet? Es soll aufgezeigt werden, dass implizite von expliziten Einstellungen abweichen können (Hypothese). Hierfür wird der Implizite Assoziationstest (kurz IAT) genutzt, eine indirekte reaktionszeitbasierte Messmethode. Der von Greenwald et al. entwickelte Test wird in fünf Testdurchläufen an einem PC durchgeführt - Dauer ca. 5 Minuten. Die vorliegende Arbeit setzt sich kritisch mit den Ergebnissen auseinander und zeigt alternative Bewertungsansätze auf. Abschließend wird die Umsetzung und deren Sinnhaftigkeit diskutiert.
Abstract
This research paper examines the implicit attitudes of men and women towards homosexuality. Is the explicit attitude veritable? Or is it answered by social desirability? It should be pointed out that implicit purpose and explicit attitudes may vary (hypothesis). For this purpose, the Implicit Association Test (IAT) is used: an indirect response-time-based method. This test, which is developed by Greenwald et al., is conducted in five test runs on a PC and it takes about 5 minutes. This paper critically examines the results and shows alternative valuation approaches. Finally, the implementation and its usefulness is discussed.
1 Einleitung
„ Jeder Mensch hat Erinnerungen, die er niemandem außer seinen engsten Freunden erz ä hlt. Er hat Gedanken, die er nicht einmal seinen Freunden, sondern nur sich selbst offenbart. Darüber hinaus gibt es Dinge, bei denen man sich nicht einmal traut, sie sich selbst einzugestehen. Jeder normale Mensch h ä lt eine Vielzahl solcher Dinge in seinem Kopf verborgen. “
[Fjodor Dostojewski]
Dostojewksi beschrieb vor 150 Jahren eindrücklich jene Intention, die heutigen, indirekten Messverfahren zugrunde liegt. Diese sollen die impliziten Einstellungen von Personen aufzeigen, also jene, die „im Kopf verborgen sind“. Asendorpf (2009) beschreibt Einstellungen als individualtypische Bewertungen von Objekten der Wahrnehmung oder Vorstellung, die positiv oder negativ sein können.
Implizite Einstellungen sind unbewusst und nicht steuerbar.
Der reaktionszeitbasierte Implizite Assoziationstest „IAT“ (Greenwald, McGhee, & Schwartz, 1998) ist einer der populärsten Tests zur Messung impliziter Einstellungen. Sigmund Freud nahm bereits vor gut 100 Jahren an, dass unbewusste Prozesse durch schnelles und freies Assoziieren bewusst gemacht werden könnten (Asendorpf, 2009). Nichts anderes macht der IAT.
Im Gegenteil dazu sind explizite Einstellungen bewusst und kontrollierbar und z.B. anhand einer direkten Befragung messbar. Diese Messmethode kann jedoch zu verzerrten Ergebnissen führen, wenn die Befragten versuchen, sozialer Erwünschtheit zu entsprechen.
Indirekte Messmethoden minimieren diesen Effekt, in dem sie den Befragten zu einer spontanen Äußerung zwingen, die keine Zeit lässt, um Konformität abzuwägen.
Bis zu 2,7% der Männer und bis zu 1,3% der Frauen in Deutschland sind „wahrscheinlich ausschließlich homosexuell“ (Dannecker, 2000). Die Zahlen dazu variieren stark. Ein Hinweis darauf, dass Homosexualität in Deutschland nach wie vor nicht vollständig akzeptiert ist.
„Dat ist mir ejal, solange er misch nit anpackt“ so Konrad Adenauer über Heinrich von Brentanos Homosexualität (Sack, 2004). Was hätte wohl die indirekte Messung seiner Einstellung gegenüber Homosexuellen ergeben?
In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, inwieweit die implizite Einstellung gegenüber Homosexualität mithilfe von indirekten Testverfahren, wie dem IAT gemessen werden kann.
2 Implizite Einstellungen - Vorteile und Nutzen der Messung
Einstellungen werden definiert als „mentaler und neuraler Bereitschaftszustand, der durch die Erfahrung strukturiert ist und einen steuernden Einfluss ausübt auf die Reaktionen des Individuums gegenüber allen Situationen und Objekten, mit denen dieses Individuum eine Beziehung eingeht.“ (Triandis, 1975, S. 4) Asendorpf (2009, S. 22) führt aus, dass implizite Einstellungen als „dem Bewusstsein nicht oder nur schwer zugänglich“ beschrieben werden können, im Gegenteil dazu können explizite Einstellungen artikuliert werden. Scheier und Held (2008) zeichnen das Bild von Pilot und Autopilot:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Pilot und Autopilot (Scheier & Held, 2008)
Harvard-Professor Gerald Zaltman (2003) statuiert, dass 95% aller Kognitionen unterbewusst ablaufen. Das zeigt drastisch, wie wichtig die Kenntnis über unbewusste (implizite) Einstellungen ist. In der neueren Forschung wird das „implizit“ immer häufiger gegen „unbewusst“ getauscht - ein Phänomen, dass Hans-Georg Häusel (2011) dem reformbedürften Ansatz der Dual-Prozess-Theorie zuschreibt, welche u.a. davon ausgeht, dass bewusste Prozesse den unbewussten überlegen sind. Das Gegenteil scheint der Fall.
Kann aus Einstellungen Verhalten abgeleitet werden? Das ist eine der zentralen Fragen der Einstellungsforschung. LaPiere (1934) befragte 250 Gastronomen und Hoteliers, ob sie chinesische Gäste bedienen würden (gegenüber Chinesen herrschten damals in den USA starke Vorurteile). 92% verneinten dies. Zuvor besuchte er mit einem chinesischen Paar alle Unternehmen und erfuhr in 249 Etablissements Bedienung. Dieser Test bewies, dass aus expliziten Einstellungen kein Verhalten abgeleitet werden kann, sie seien hoch-situationsspezifisch (Mischel, 1968). Neuere Metaanalysen zeigen jedoch, dass die gemittelten Korrelationen zwischen Einstellungen und Verhalten zu .36 korrelieren (Six & Eckes, 1996). Unter den expliziten Einstellungen ermöglichen noch am ehesten starke Einstellungen Vorhersagen tatsächlichen Verhaltens (Asendorpf, 2009).
Daher rückt die Messung impliziter Einstellungen in den Fokus der aktuellen Forschung. Nach dem Einstellungs-Verhaltens-Modell (MODE) von Fazio (1990) sagen implizite Einstellungen eher spontanes Verhalten vorher. Asendorpf (2009) fasst zusammen, dass implizite Einstellungen in der Regel bei wenig konktrollierbarem und sozial stark un-/erwünschtem Verhalten eine valide Verhaltensvorhersage bieten. In Kapitel 3.2 werden verschiedene Studien zum Thema beleuchtet.
Es gibt eine Vielzahl von Tests und Verfahren, um implizite Einstellungen zu messen. Sie sind in drei Bereiche kategorisierbar, von denen die quantitativen Verfahren am häufigsten Anwendung finden:
- IAT, Implicit Association Test (Greenwald, McGhee, & Schwartz, 1998)
- EAST, Extrinsic Affective Simon Task (De Houwer, 2003)
- GNAT, Go/No-go Association Task (Nosek & Banaji, 2001)
- EMA, Evaluative Movement Assessment (Brendl, Markman, & Messer, 2005)
- Affektives/Evaluiertes Priming (Fazio, Jackson, Dunton, & Williams, 1995)
- Affect Misattribution Procedure
(Payne, Cheng, Govorun, & Stewart, 2005)
Neben den aufgezählten Verfahren, gibt es qualitative Verfahren, wie das Picture Sorting, Collage-Techniken und tiefen- psychologische Interviews (Lorenz & Heisen, 2011) sowie die apparativen Verfahren, zu denen das Eye-Tracking (Scheier, 2006) und die funktionelle Magnetresonanztomographie (Scarabis & Heinsen, 2009) zählen.
Wichtig ist auch die Unterscheidung der Begrifflichkeiten: während die Einstellungen selbst als implizit bezeichnet werden, gilt deren Messmethode als indirekt, da sie nur eine Sammlung von Anwendungsregeln darstellt (De Houwer, 2007).
3 Implizite Einstellungen gegenüber Homosexualität
Wie einleitend aufgeführt, berichtet Dannecker (2000) über eine Minderheit, die sich in Deutschland als homosexuell „outet“.
Einer Umfrage zufolge outeten sich 2008 nur 3% der 20- bis 35- jährigen zur Homosexualität, immerhin 7% haben Erfahrungen mit Homosexualität:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Sexuelle Orientierung 20- bis 35-Jähriger (Neon Magazin, via Statista, 2015) http://de.statista.com/statistik/daten/studie/2338/umfrage/sexualitaet-eigene- sexuelle-orientierung/
Befragungen zur Einstellung gegenüber Homosexualität ergeben ein gemischtes Ergebnis: einerseits sind 87% der Deutschen für eine Akzeptanz von Homosexualität, andererseits empfindet die Hälfte der Jugendlichen Homosexualität als nicht nachvollziehbar:
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