Diese Arbeit stellt sich die Frage, welcher Autoritätsbegriff dem Milgram-Experiment zugrunde liegt, als wie fundiert er sich erweist und welche Voraussetzungen durch ihn mitschwingen. Um das zu leisten, schien es dem Verfasser am geeignetsten, das Milgram-Experiment vor dem Hintergrund einer ausführlichen theoretischen Abhandlung über das Phänomen der Autorität zu untersuchen, um aus der Konfrontation einer theorie- und einer eher empirie-geleiteten Untersuchung möglichst vielsagende Erkenntnisse ziehen zu können. Die theoretische Schablone für diese Arbeit bildet daher der von Max Horkheimer in den 1930er Jahren entwickelte Autoritätsbegriff, der im ersten Teil der Arbeit erörtert wird. Horkheimer scheint als Vertreter der Kritischen Theorie, die sich als Gegenentwurf zur traditionell-bürgerlichen Theoriekonzeption seit Descartes begreift, besonders geeignet.
Vor diesem Hintergrund wird im zweiten Teil der Arbeit das Milgram-Experiment auf Basis des von Milgram verfassten Werkes »Das Milgram-Experiment. Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autoritäten« betrachtet, um Differenzen zwischen beiden Ansätzen und eventuelle Probleme des milgramschen Autoritätsbegriffs offenzulegen, die eventuell auch Auswirkungen auf die Erkenntnisse der auf ihm basierenden Täterforschung erahnen lassen.
In den verschiedenen Phasen der bisherigen Forschung über die Täter des Nationalsozialismus ergaben sich zahlreiche Erklärungsansätze, die das Verhalten der in die Massenverbrechen der Shoah Involvierten ergründen sollten. Einer der weit verbreiteten und oft genannten Begründungszusammenhänge hängt mit der Rolle der Autorität sowie der Autoritätshörigkeit der Täter zusammen. Die über weite Strecken übereinstimmende Heranziehung dieses Ansatzes dürfte nicht zuletzt auf den Einfluss des vom US-amerikanischen Sozialpsychologen Stanley Milgram realisierten Milgram-Experiment zurückgehen. Selbiges fand in den 1960er Jahren zu einer Zeit statt, in der es zumindest in Deutschland noch kein allzu großes Interesse an der NS-Täterforschung gab, die wenn sie überhaupt praktiziert wurde, von Kriminalisierung, Diabolisierung oder Entpersonalisierung geprägt war.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Max Horkheimers Autoritätsbegriff am Beispiel der Studien über Autorität und Familie
- Autorität und Familie
- Der theoretische Rahmen
- Der Autoritätsbegriff
- Exkurs I: Die Sehnsucht nach traditioneller Autorität
- Exkurs II: Das Spannungsfeld zwischen Empirie und Theorie
- Familie: Zum Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem
- Anmerkungen zum Übergang von Horkheimer zu Milgram
- Das Milgram-Experiment
- Milgrams Autoritätsbegriff
- Die kybernetische Basis
- Defizite der Abstraktion
- Autorität und Familie
- Ende
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert den Autoritätsbegriff, der dem Milgram-Experiment zugrunde liegt, und setzt ihn in Beziehung zu Max Horkheimers theoretischen Ausführungen über Autorität. Dabei werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Ansätze untersucht, um die Fundierung des milgramschen Autoritätsbegriffs zu beleuchten und mögliche Auswirkungen auf die Täterforschung zu erörtern.
- Horkheimers Autoritätsbegriff im Kontext der Kritischen Theorie
- Die Rolle der Autorität in der gesellschaftlichen Dynamik
- Das Milgram-Experiment und die Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autoritäten
- Vergleich der beiden Autoritätskonzepte
- Relevanz für die Erforschung der Täter des Nationalsozialismus
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel befasst sich mit der Einleitung und dem historischen Kontext der Täterforschung im Nationalsozialismus. Es wird die Bedeutung des Milgram-Experiments für diese Forschung und die Frage nach der Autoritätshörigkeit der Täter aufgeworfen.
Das zweite Kapitel analysiert Horkheimers Autoritätsbegriff im Kontext seiner Studien über Autorität und Familie. Es werden die theoretischen Grundlagen der Kritischen Theorie, das dialektische Subjekt-Objekt-Verhältnis und die Rolle der Kultur für die gesellschaftliche Entwicklung beleuchtet.
Das dritte Kapitel widmet sich dem Milgram-Experiment und untersucht den Autoritätsbegriff, der dem Experiment zugrunde liegt. Es werden die kybernetische Basis des Experiments und die Kritik an der Abstraktion des milgramschen Autoritätsbegriffs erörtert.
Schlüsselwörter
Autorität, Gehorsam, Milgram-Experiment, Horkheimer, Kritische Theorie, Familie, Gesellschaft, Kultur, Täterforschung, Nationalsozialismus, Shoah
- Arbeit zitieren
- Stanley Baldauf (Autor:in), 2015, Der Autoritätsbegriff des Milgram-Experiments vor dem Hintergrund von Max Horkheimers »Autorität und Familie«, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/320774