Zwischen moralischem Denken und moralischem Handeln. Das Happy-Victimizer-Phänomen als Erklärungsansatz für Korruption


Tesis de Máster, 2016

68 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Moral
2.1 Moralisches Denken und moralisches Handeln
2.1.1 Moralischer Konflikt und moralische Urteilsbildung
2.1.2 Zur Beziehung moralischen Denkens und moralischen Handelns
2.1.3 Kohlbergs Stufentheorie moralischer Entwicklung
2.1.4 Theorien zur moralischen Motivation
2.2 Das Happy-Victimizer-Phänomen
2.2.1 Der Ursprung des Happy-Victimizer-Phänomens
2.2.2 Das Happy-Victimizer-Phänomen im Erwachsenenalter
2.2.3 Der Happy Victimizer und alternative Urteilsmuster
2.2.4 Die Einordnung in Kohlbergs Entwicklungsstufenmodell
2.3 Korruption als moralischer Regelverstoß
2.3.1 Begriffsverständnis und Folgen
2.3.2 Einflussfaktoren und Rechtfertigungsstrategien
2.3.3 Strafrechtliche Verfolgung von Korruption in der Schweiz

3 Fallbeispiel: Fifa
3.1 Organisation und Aufbau des Weltfußballverbands Fifa
3.2 Überblick über Korruptionsvorwürfe der Fifa
3.3 Sepp Blatters Karriere bei der Fifa

4 Untersuchungsansätze zum Happy-Victimizer-Phänomen bei Sepp Blatter
4.1 Fallbeispiel
4.2 Untersuchung zum Happy-Victimizer-Phänomen
4.2.1 Bedingung 1: Der Regelübertritt
4.2.2 Bedingung 2: Das Regelwissen
4.2.3 Bedingung 3: Die Emotionsattribution
4.2.4 Situative Aspekte
4.2.5 Rationalisierungsstrategien nach Rabl (2009)
4.2.6 Mangelnde Glaubwürdigkeit
4.2.7 Kritische Auseinandersetzung mit dem Ergebnis
4.3 Alternativer Untersuchungsansatz über Kohlbergs Stufe

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Vier-Felder-Matrix zu Attributions- und Argumentationsmustern

Abb. 2: Rationalisierungsstrategien

Abb. 3: Mögliche Rationalisierungsstrategien von Sepp Blatter

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„Es gibt keine systematische Korruption in der FIFA.“[1] Das ist seit Jahren die offizielle Haltung des ehemaligen Präsidenten Joseph S. Blatter[2] zu den Korruptionsvorwürfen gegen die Fédération Internationale de Football Association (Fifa). Doch spätestens seit dem Bekanntwerden der Schmiergeldzahlungen im ISL-Skandal und weiteren späteren Fällen, in denen Fifa-Funktionären konkret korruptes Verhalten nachgewiesen wird, ist diese Aussage nicht mehr glaubwürdig.[3] Im aktuellen Korruptionsskandal[4] rund um den Fußball-Weltverband wird seit dem 24. September 2015 erstmals auch offiziell juristisch gegen den einst mächtigsten Fußball-Funktionär ermittelt. Im Raum steht der Verdacht „der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie - eventualiter - wegen Veruntreuung“.[5] Unter Sepp Blatters Präsidentschaft entwickelte sich der Begriff Fifa zum Synonym für Korruption.[6]

Korruption ist ein Verstoß gegen geltendes Gesetz, aber auch gegen ethisches Handeln.[7] Sie kann als „Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil“[8] definiert werden. Dieser Machtmissbrauch ist ein globales Phänomen, das weltweit auftritt. Allerdings variieren das Ausmaß und die Zahl der Korruptionsfälle zwischen den einzelnen Ländern erheblich.[9] Es existiert eine Vielzahl von Gründen, weshalb Korruption vor allem gesellschaftlich und volkswirtschaftlich betrachtet große Schäden anrichtet und unterbunden werden muss: Beispielhaft seien die Zerstörung des Wettbewerbs und vor allem der Verlust des Vertrauens in Amtsinhaber respektive Institutionen zu nennen.[10] Wird ein Korruptionsdelikt öffentlich bekannt, kann es außerdem eine Schädigung des Unternehmensimages bewirken und langfristig den Unternehmenserfolg gefährden.[11] Ebenso ist erwiesen, dass Korruption einen negativen Einfluss auf den gesamtwirtschaftlichen Erfolg einer Volkswirtschaft hat. Solange korruptes Handeln unentdeckt und unbestraft bleibt, ist es jedoch für die involvierten Akteure in den meisten Fällen von Vorteil.[12] Besonders kritisch wird das Phänomen Korruption entsprechend dadurch, dass es so schwer nachweisbar und strafrechtlich verfolgbar ist. Zwischen den Akteuren besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis und es fehlt das klassische Opfer , welches die Straftat zur Anzeige bringt.[13] Um Korruption dennoch aufdecken zu können sind interne Hinweisgeber unerlässlich. Als (ehemalige) Beteiligte, so genannte Whistle-Blower[14], stellen sie eine bedeutende Quelle wichtiger Informationen dar.[15]

Im Rahmen von Korruption befinden sich die Beteiligten in einer moralischen Konfliktsituation: Sollen sie sich für oder gegen das Einhalten einer moralischen und rechtlichen Regel entscheiden? Fällt die Entscheidung gegen die Einhaltung, liegt die Vermutung nahe, dass sie sich schlecht [16] fühlen. Ziehen sie aus der Missachtung allerdings einen persönlichen Vorteil, empfinden sie unter Umständen positive Gefühle. In der entwicklungs- und moralpsychologischen Forschung wurde ein entsprechendes Phänomen im Kindesalter von Nunner-Winkler und Sodian (1988) identifiziert, das so genannte Happy-Victimizer-Phänomen (HVP).[17] Gestützt auf eine moralkognitive Erklärung und eine Theorie zur situativen Nutzung moralkognitiver Strukturen erläutert es die interne Vermittlung situationsspezifischen Handelns.[18] Der Happy Victimizer (HV) kennt und akzeptiert eine moralische Regel[19], empfindet aber dennoch positive Emotionen[20], wenn er diese Regel in einer gegebenen Situation übertritt. Die moralische Regel unterliegt in diesem Fall dem individuellen Vorteilsdenken.[21] Das HVP setzt folglich genau an der Schnittstelle von moralischem Denken und moralischem Handeln[22] an. Neben dem HV existieren drei weitere Alternativen, die anhand von abweichenden Handlungsentscheidungen und Emotionsattributionen Urteilsstrukturen für das Befolgen von oder den Verstoß gegen moralische Regeln liefern. Zum einen der Happy Moralist (HM), der als Gegenpart des HV die Einhaltung der moralischen Regel über das individuelle Vorteilsdenken stellt und sich dabei wiederum gut fühlt. Zum anderen ergeben sich der Unhappy Victimizer (UV) und der Unhappy Moralist (UM). Beide empfinden beim jeweiligen Argumentationsmuster des Victimizers und des Moralisten negative Emotionen.[23]

Das intendierte Ziel dieser Arbeit ist, auf theoretischer Ebene die Frage zu untersuchen, mit welchen moralischen Urteilsstrukturen, unter einer entsprechenden Ethik eines Unternehmens, das Verhalten eines Korrumpierenden erklärbar ist. Die zuvor genannten Argumentationsmuster des HV, HM, UV und UM werden dazu als mögliche moralische Urteilsstrukturen herangezogen.

Mit dem Entscheidungsverhalten in moralischen Dilemmasituationen [24] hat sich Lawrence Kohlberg (1996), als der Begründer der modernen entwicklungspsychologischen Moralforschung, in seinen Arbeiten zur Entwicklung des moralischen Urteils befasst. Seine kognitive Entwicklungstheorie stellt eine Weiterentwicklung von Jean Piagets Theorie der Moralentwicklung dar.[25] Nach dem kognitivistischen Ansatz lässt sich das HVP als eine spezifische Form moralischen Denkens in eine bestimmte Unterform von Kohlbergs Stufe 2 einordnen.[26] Um diesen Zusammenhang näher zu erläutern, erfolgt im weiteren Verlauf dieser Arbeit zunächst eine Darstellung eben jenes Entwicklungsstufenmodells von Kohlberg (Kapitel 2.1.3), aber auch der neo-kohlbergschen Stufentaxonomie von Minnameier (2013) in Kapitel 2.2.4.

Um mögliche moralische Urteilsstrukturen eines Korrumpierenden aufzudecken, wird in dieser Arbeit beispielhaft der Korruptionsskandal um den ehemaligen Fifa-Präsidenten Sepp Blatter näher untersucht. Der Aufdeckung und Bewertung der moralischen Urteilsstrukturen von Sepp Blatter geht eine Vorstellung des Weltfußballverbandes und seinen Strukturen bzw. der Karriere Sepp Blatters voran. Weiterhin wird der Korruptionsvorwurf gegen Sepp Blatter näher beleuchtet und es erfolgt eine zusammenfassende Darstellung seiner Äußerungen zu diesen Korruptionsvorwürfen in Interviews. Daraus soll im Anschluss einerseits abgeleitet werden, wie er sein Verhalten zu erklären versucht und andererseits festgestellt werden, welche Emotionen er mit seinem Handeln verknüpft. Ferner soll erarbeitet werden, welches Handeln Sepp Blatters den ethischen Grundsätzen der Fifa zuträglich gewesen wäre, falls er diese mit seinem Handeln tatsächlich nicht eingehalten hat.

Die Untersuchung der Begründungsstruktur von Sepp Blatter in Interviews dient dazu, sein Handeln mit möglichen moralischen Urteilsstrukturen zu verknüpfen. Desweiteren soll die Untersuchung des Urteils der Fifa-Ethikkommission aufzeigen, ob und wenn ja gegen welche ethischen Regeln der Fifa Sepp Blatter durch sein Handeln verstoßen hat.[27] Durch die Untersuchung weiterer HV-typischer Aspekte soll die vorherige Argumentation gestützt werden. Denn das Ergebnis dieser Arbeit soll wenn möglich eine gut begründete Vermutung des HVP im betrachteten Fall von Sepp Blatter liefern.

2 Moral

Das Konstrukt der Moral kann und soll in dieser Arbeit aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden. In der Psychologie werden die verschiedenen Theorien und Modelle zur Moral insbesondere der kognitiven, der situativen und der emotionalen Perspektive zugeordnet.[28] In dieser Arbeit wird unter dem Begriff der Moral die von einer „konkreten Gemeinschaft bzw. Gesellschaft eingelebten und gleichzeitig (..) die von einer Person internalisierten Verhaltensregeln“[29] gefasst. Besonders die kognitive Perspektive, also wie unser Denken unsere Moral beeinflusst, soll näher untersucht werden. Als Vertreter dieser Perspektive, stellt Kohlberg beispielsweise den Aspekt der Gerechtigkeit als signifikanten Bestandteil einer moralischen Entscheidung in den Fokus.[30] Kapitel 2 stellt somit einleitend mehrere Erklärungsansätze zum moralischen Denken und Handeln in den Fokus und nähert sich so dem Konstrukt der Moral. In diesem Kapitel werden weiterhin die theoretischen Grundlagen für den Versuch in Kapitel 4 geschaffen, das HVP als Erklärungsansatz für Korruption zu nutzen. Dazu wird beispielsweise in Kapitel 2.3 dargelegt, weshalb korruptes Handeln als ein moralischer Regelverstoß bewertet werden kann.

2.1 Moralisches Denken und moralisches Handeln

2.1.1 Moralischer Konflikt und moralische Urteilsbildung

Der Begriff der Moral wird auf das lateinische Wort „mos“ zurückgeführt, welches als Sitte, Brauch, Gewohnheit oder Charakter übersetzt werden kann. Wenn im Alltag bestimmtes Handeln als moralisch oder nicht moralisch gewertet wird, handelt es sich meist um einen normativen Moralbegriff, der sich auf den Vergleich mit als subjektiv wichtig erachteten Normen stützt. In der Moralpsychologie ist hingegen ein deskriptiver Moralbegriff weit verbreitet, sodass ein moralisches Urteil, wie es im Folgenden näher betrachtet wird, aus normativer Sicht auch als unmoralisch bezeichnet werden kann.[31]

Moralische Entscheidungen sind Konflikte, in denen nicht alle vertretenen Werte gleichzeitig eingehalten werden können. Es entsteht ein Dilemma, das implizit oder explizit auch immer andere Individuen betrifft.[32] Werte legitimieren Normen und die sich daraus ergebenden Sanktionen. Sie enthalten keine Anweisung wie gehandelt werden soll, sondern stellen sinnbildlich reale Präferenzmuster dar. Normen hingegen enthalten deutliche Anweisungen wie gehandelt werden soll, damit gewisse Werte in der Gesellschaft aufrechtgehalten werden. Sie sind somit auch „Maßstäbe für die Beurteilung einzelner Handlungen“[33].

Was als moralisch richtig empfunden wird, kann unter Umständen gesetzeswidrig sein. Es muss entsprechend gut abgewogen werden, ob das Risiko einer drohenden Strafe eingegangen werden soll. Je stärker ein Individuum [34] in die moralische Entscheidung persönlich involviert ist, desto größer ist für sie der Druck das Problem entsprechend ihrer Gerechtigkeitsvorstellung zu lösen. Weniger unmittelbar involvierte Personen können bestimmte Abwehrhaltungen einnehmen: Zum Einen das Bestreiten der Verantwortlichkeit für die gefallene Entscheidung oder zum anderen die Argumentation mit ihrer vermeintlich notwendigen Neutralitätsposition und der gleichzeitigen Hoffnung auf Verständnis. Nach Oser und Althof (1994) muss im Zuge des Problemlösungsprozesses einer stark involvierten Person einerseits das vorliegende Dilemma identifiziert und andererseits die Priorität der gegensätzlichen Werte bestimmt sowie begründet werden.[35] Das Ergebnis ist ein moralisches Urteil, das die Meinung repräsentiert, was in einer Situation für gerecht bzw. ungerecht erachtet wird, das personenabhängig variieren kann und das durch frühere Erfahrungen beeinflusst wird. Die gleiche Art zu Handeln kann unter diesem Gesichtspunkt folglich von verschiedenen Individuen nach unterschiedlichen Maßstäben als moralisch oder nicht moralisch bewertet werden.[36]

Eine weit verbreitete und weitgehend akzeptierte Theorie zum moralischen Urteil stammt vom 1987 verstorbenen Psychologen Lawrence Kohlberg. Ein moralisches Urteil gemäß der Theorie Kohlbergs kann als allgemeingültige, universalisierbare Verordnung verstanden werden, welche mitunter kognitiv auf die gerechte Lösung sozialer Konflikte abzielt.[37] Die Grundvoraussetzung der moralischen Urteilsbildung ist dabei die moralische Urteilskompetenz [38] . Mit ihr gehen folgende psychische Dispositionen einher, welche personenabhängig unterschiedlich stark ausgeprägt sind:[39]

(1) Auf der kognitiven Ebene die Fähigkeit soziale Perspektiven [40] wahrzunehmen sowie sein Urteil begründen zu können.
(2) Auf der perzeptiven Ebene die Fähigkeit eine moralische Konfliktsituation zu identifizieren und damit die Notwendigkeit eines moralischen Urteils zu erkennen. (3) Auf der affektiven Ebene die Fähigkeit mit den Implikationen und Folgen des gefällten moralischen Urteils umgehen zu können.

Kann ein Individuum ausnahmslos alle drei zuvor aufgezählten Fähigkeiten vorweisen, verfügt es über moralische Urteilskompetenz.[41]

2.1.2 Zur Beziehung moralischen Denkens und moralischen Handelns

Empirische Untersuchungen haben bereits früh in der moralischen Entwicklungsforschung gezeigt, dass Individuen, die ihre moralische Urteilskompetenz bereits unter Beweis gestellt haben, unter gewissen Umständen in bestimmten Situationen nicht moralisch handeln. Die Beziehung zwischen moralischem Denken und moralischem Handeln erscheint in solchen Fällen widersprüchlich.[42]

Es existieren verschiedene Ansätze, die eine Erklärung für moralisches Handeln liefern. Unter Vertretern der Moralpsychologie herrscht die weitverbreitete Auffassung, dass die moralische Urteilsbildung, das moralische Denken, eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für moralisches Handeln darstellt.[43] Der frühe Kohlberg geht in den sechziger Jahren davon aus, dass das Handeln durch das moralische Urteil bestimmt wird.[44] In späteren Arbeiten vermuten er und Candee (1999) eine lineare Beziehung, so dass mit jeweils höherer moralischer Stufe, moralisches Denken häufiger auch in moralisches Handeln überführt wird.[45] Diese kognitive These ließ sich jedoch nicht halten und bedurfte Zusatzannahmen und Unterstufen.[46] Aus behavioristischer Sicht, welche eine reine Beobachterperspektive einnimmt, ist moralisches Handeln einfach mit jenem Handeln gleichzusetzen, welches den Normen entspricht, wobei die Normen eingehalten werden um Strafe zu vermeiden oder um belohnt zu werden. Unmoralisches Handeln ist entsprechend Handeln, das von den Normen abweicht. Psychologischen Ansätzen genügt diese reine Beobachterperspektive nicht. Sie nehmen an, dass das moralische Urteil allein nicht ausreicht um moralisch zu handeln, sondern vor allem die Motive des jeweils handelnden Individuums entscheidenden Einfluss haben. Es herrscht allerdings keine Übereinstimmung darüber, welche Motive dem moralischen Handeln jeweils zugrunde liegen, da sie aus dem Handeln selbst meist nicht ablesbar sind.[47] Die moralische Motivation, welche in Kapitel 2.1.4 näher beleuchtet wird, spielt in diesem Kontext eine bedeutende und entscheidende Rolle für das Ausführen einer moralischen Regel und ist nicht wie bei Kohlberg mit dem moralischen Urteil gleichzusetzen.[48]

Den zahlreichen Untersuchungen zum Trotz kann die Beziehung zwischen moralischem Urteilen und moralischem Handeln bisher nicht vollständig geklärt werden. Zwar ist es möglich gewisse Zusammenhänge zwischen moralischem Denken und Handeln herzustellen, allerdings sind diese empirisch schwer zu messen und theoretisch sehr vielschichtig.[49] Im Bezug auf die späteren Ausführungen zum HVP, wird in dieser Arbeit von einer etwaigen Inkongruenz von moralischem Denken und moralischem Handeln ausgegangen, auf die bereits Foot (1972) hinweist.[50]

2.1.3 Kohlbergs Stufentheorie moralischer Entwicklung

Lawrence Kohlbergs Theorie zur Entwicklung der moralischen Urteilskompetenz gründet auf den Ansätzen Jean Piagets zu Prozessen des Denkens und der Erkenntnis.[51] Die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit erfolgt dabei stufenförmig in einer unumkehrbaren logischen Abfolge.[52] Die einzelnen Stufen sind das Resultat der Interaktion eines Individuums mit anderen und lassen sich nicht direkt als Fortentwicklung biologischer und neurologischer Strukturen interpretieren.[53]

Kohlberg definiert in Anlehnung an Piaget sechs Stufen, die sich an die prämoralische Phase (Stufe 0[54]) anschließen. Erst im Vorschulalter beginnt das moralische Denken im Sinne der Stufentheorie Kohlbergs.[55] Die ersten beiden Stufen werden der präkonventionellen, die Stufen 3 und 4 der konventionellen und die Stufen 5 und 6 der postkonventionellen Ebene zugeordnet.[56] Die einzelnen Stufen stellen Kategorien des Urteilens über eine bestimmte Situation dar und nicht der Persönlichkeit oder des Handelns.[57] Kohlberg legt fest, dass keine der Stufen übersprungen werden darf. Außerdem schließt die jeweils höhere Stufe die jeweils entwickelten Denk- und Urteilsmuster der vorhergegangenen Stufen ein. Es wird angenommen, dass ein Individuum, welches ein moralisches Urteil einer gewissen Stufe fällen kann, diese Fähigkeit kontinuierlich weiter anwenden wird. Zur Lösung sozialer Konflikte zieht ein Individuum entsprechend immer die höchste ihm verfügbare Urteilsstufe heran, ohne das ihn umgebende soziale Umfeld zu berücksichtigen. Die präkonventionelle Ebene ist geprägt von ich-bezogenen strategischen Denkweisen, sodass die moralische Entscheidungsfällung auf dieser Ebene besonders durch das Eigeninteresse gekennzeichnet ist.[58] Kulturelle Regeln und Einordnungen von richtig oder falsch bzw. gut und schlecht werden auf Basis ihrer Konsequenzen interpretiert und befolgt.[59]

Stufe 1 ist die Stufe der Orientierung an Strafe und Gehorsam. Das Individuum will auf dieser Stufe vorrangig mit seiner Handlungsentscheidung gehorsam zu sein, Strafe vermeiden.[60] Sein Handeln ist auf dieser Stufe folglich von den materiellen Konsequenzen abhängig, wobei der wahre Wert oder die Bedeutung dieser Konsequenzen für das Individuum unwichtig sind.[61] Es nimmt die Meinung anderer Individuen zwar wahr, deklariert sie jedoch als die eigene.[62]

Stufe 2 ist die Stufe der instrumentell-relativistischen Ordnung. Das Handeln auf dieser zweiten Stufe moralischer Entwicklung dient in erster Linie der Befriedigung der eigenen Interessen und Bedürfnisse. Die Vorstellung davon, was als fair und gerecht gilt, ist auf dieser Stufe immerhin ansatzweise entwickelt, wird jedoch zugunsten des Individuums ausgelegt. Für das Individuum gilt das ausgleichende Gerechtigkeitsgefühl „Wie du mir, so ich dir“[63]. Es ist auf dieser Stufe somit dazu befähigt die Perspektiven anderer Individuen einzunehmen, allerdings erfüllt es ihre Bedürfnisse in Konfliktsituationen nur im Zusammenspiel mit der Minimierung der eigenen benachteiligenden Folgen. Es erkennt, dass Individuen unterschiedliche Interessen verfolgen und verschiedene dahinterstehende Motive existieren können, es akzeptiert jedoch längst nicht alle Motive.[64] Das moralische Denken ist auf dieser Stufe vor allem durch fehlendes gemeinschaftliches und interessenübergreifendes Denkvermögen eingeschränkt.[65]

Auf der konventionellen Ebene werden mit dem moralischen Urteil der Erhalt, die Rechtfertigung und die Unterstützung der sozialen Gruppe angestrebt, ungeachtet der daraus resultierenden Folgen.[66]

Stufe 3 ist auf dieser Ebene die Stufe der „guter Junge, nettes Mädchen“-Orientierung.[67] Als gutes Handeln gilt auf dieser dritten moralischen Stufe, was die anderen Individuen als gut empfinden.[68] Das Individuum will mit seinem Handeln einerseits die Bedürfnisse und Interessen anderer Individuen befriedigen und andererseits eine Bestätigung seiner selbst erfahren. Grundlage dieser moralischen Stufe ist die Fähigkeit die Perspektive von anderen Individuen übernehmen zu können.[69]

Stufe 4 ist die Stufe der Orientierung an Gesetz und Ordnung. Dort orientiert sich das Individuum an festen Regeln, Autorität und dem Erhalt der sozialen Ordnung.[70] Das Individuum erkennt, dass Gesetze und Regeln existieren, damit eine Gesellschaft trotz verschiedener Interessen und Motive der einzelnen Akteure funktionieren kann. Nicht moralisches Handeln kann auf dieser vierten moralischen Entwicklungsstufe auftreten, wenn das System[71] beispielsweise mit den Menschenrechten in Konflikt steht: Dem System wird gefolgt und die eigenen individuellen Interessen werden denen des Systems untergeordnet.[72]

Mit dem Erreichen der postkonventionellen Ebene bewertet das Individuum sein und fremdes Handeln nach Maßstäben, die mit der Menschheit als Ganzer und an sich vereinbar sind.[73]

Stufe 5 ist auf dieser Ebene die Stufe der legalistischen Sozialvertrags-Orientierung. Auf dieser Stufe erkennt das Individuum, dass der Grundsatz der Achtung des Menschen nicht unbedingt mit der Einhaltung von Gesetzen einhergeht und so nimmt es ggf. Strafen für moralisches, aber gesetzbrechendes Handeln in Kauf.[74] Im Gegensatz zur Stufe 5 steht nicht der Erhalt, sondern die Evaluation eines Systems im Vordergrund.[75]

Die letzte Stufe 6 ist die Stufe der Orientierung an universellen ethischen Prinzipien.[76] Es handelt sich um die höchste Stufe moralischer Entwicklung, auf welcher das Individuum selbstständig im Konsens mit universellen Gerechtigkeitsprinzipien handelt.[77]

Kohlbergs Theorie der moralischen Entwicklung ist vielfach kritisiert worden.[78] Beispielhaft sei hier angeführt, dass Kohlbergs Stufentheorie unterstellt wird, keine haltbaren Erklärungsansätze zur moralischen Motivation liefern zu können.[79] Nunner-Winkler und Sodian (1988) belegen beispielsweise, dass Individuen bereits im präkonventionellen Alter ein Verständnis von Moral zeigen, in dem sie beispielsweise moralische, religiöse und konventionelle Regeln unterscheiden können.[80] Neuere Ansätze ergänzen Kohlbergs Erkenntnisse zur moralischen Urteilsbildung damit um die Perspektive, was Individuen motiviert moralische Regeln einzuhalten.[81] Im folgenden Abschnitt soll deshalb das Konstrukt der moralischen Motivation vorgestellt werden.

2.1.4 Theorien zur moralischen Motivation

In Kapitel 2.1.2 wurde bereits auf eine etwaige Kluft zwischen moralischem Denken und moralischem Handeln hingewiesen. Besonders häufig wird zur Begründung dieser Kluft das Konzept von Rest (1983) zur moralischen Motivation herangezogen. Moralische Motivation stellt bei Rest einen der vier internen Komponenten zur Bewältigung moralrelevanter Situationen, dar. Der Prozess der moralischen Motivation folgt dabei auf die moralische Sensibilität und das moralische Urteil. Dieser Prozess ist ausschlaggebend dafür, dass die Bereitschaft so zu handeln, dass bekannte und akzeptierte Normen eingehalten werden, größer ist, als die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse. Werden moralische Regeln nicht befolgt, wird dies auf einen Mangel moralischer Motivation zurückgeführt.[82]

Nunner-Winkler (1993) bestreitet Piagets und ebenso Kohlbergs Annahme eines kognitiv-affektiven Parallelismus, dass auf jeder Stufe moralischer Entwicklung die Gründe für die Geltung moralischer Normen und für die Motive ihrer Befolgung gleich sind. Sie unterstellt der moralischen Entwicklung anders als Kohlberg einen zweistufigen Lernprozess, indem sie die Entwicklung der moralischen Motivation noch weiter auch als Rest in den Fokus stellt. In diesem Lernprozess wird erstens in der Kindheit ein universell moralisches Wissen erworben und zweitens moralische Motivation in einem langwierigen und differentiellen Lernprozess aufgebaut. Dieser Aufbau moralischer Motivation variiert dabei individuell in seiner Schnelligkeit, seinem Inhalt und seiner Stärke.[83] Mit zunehmender moralischer Motivation lernt das Individuum seine spontanen Neigungen dahingehend prüfen zu können, ob sie moralisch rechtfertigbar sind. Nach Nunner-Winkler (1993) ist moralische Motivation ein sogenannter second-order desire [84] (ein Metabedürfnis), also eine Selbstverpflichtung sich an moralische Normen zu halten. Sie legt ihren Untersuchungen die kognitivistische Annahme zugrunde, dass Emotionsattributionen zu einem Übeltäter [85] als Indikator für moralische Motivation interpretiert werden können.[86] Emotionen interpretiert sie dabei als voreilig und universell gefällte kognitive Urteile, die sich auf Elemente einer Situation beziehen, die für das Individuum maßgeblich bedeutsam sind. Der kognitive Gehalt einer Situation bestimmt dann die zugeschriebenen Emotionen.[87]

Die Trennung der moralischen Motivation vom moralischen Urteil wird in Minnameier (2010) weitreichend kritisiert. Minnameier weist vor allem daraufhin, dass sich das Konzept der moralischen Motivation für ihn problematischer darstellt, als es mit der Theorie zum HVP und dem Vier-Komponenten-Modell von Rest dargestellt wird.[88] Er unterstützt den Ansatz einer Situationsspezifität des moralischen Urteils, wie sie bereits in mehreren Studien belegt wurde. Er nennt dazu die Studien von Beck (2000), Beck und Parche-Kawik (2004) sowie von Krebs und Denton (2005).[89] In den Ausführungen zum HVP in den Untersuchungen von Heinrichs et al. (2015) wird der Aspekt der Situationsspezifität des moralischen Urteils ebenso aufgegriffen.[90]

2.2 Das Happy-Victimizer-Phänomen

2.2.1 Der Ursprung des Happy-Victimizer-Phänomens

Das HVP geht auf die entwicklungs- und moralpsychologischen Forschungen von Nunner-Winkler und Sodian (1988) bei Kindern im Vorschulalter zurück. Danach bewerten und begründen Kinder einen moralischen Regelverstoß zwar als falsch, dennoch schreiben sie dem Übeltäter positive Emotionen zu, wobei sie auf die Befriedigung hedonistischer Motive abzielen.[91] Die Struktur des HVP kann wie folgt zusammenfassend dargestellt werden:

1) S beobachtet ein Individuum I, wie es eine Regel R bricht.
2) S lehnt den Regelbruch als „nicht in Ordnung“ ab.[92]
3) S schreibt I positive Emotionen zu.
4) S begründet die positiven Emotionen mit hedonistischen Motiven.[93]

In ihren Untersuchungen konfrontieren Nunner-Winkler und Sodian (1988) vier, sechs und acht Jahre alte Kinder mit moralischen Konflikten, in denen der persönliche Wunsch folglich nicht mit der moralischen Regel konform geht. Die Emotionszuschreibungen zu den Übeltätern zeigt, dass die Kinder die Befriedigung des persönlichen Wunsches und zeitgleich die Normabweichung bevorzugen. Die reine Erfüllung dessen, was der Übeltäter sich wünscht zu tun reicht den Kindern aus, um ihm positive Emotionen zuzuschreiben. Dies zeigte sich vor allem, in dem die Kinder dem Übeltäter selbst dann positive Emotionen zu schreiben, wenn dessen Wunsch lediglich die Beleidigung eines anderen Kindes ist.[94] In Bezug auf die Beziehung von moralischem Urteil und moralischem Handeln, wie sie in Kapitel 2.1.2 behandelt wurde, lässt sich feststellen, dass das moralische Urteil verbindlicher in moralisches Handeln umgesetzt wird, wenn es dem persönlichen Wunsch entspricht und somit Teil der Identität des Individuums geworden ist.[95] Der Anteil der Individuen, bei denen das HVP nachgewiesen werden kann, ist davon abhängig, ob die Versuchsperson sich selbst oder dem Protagonisten Emotionen bei einem Regelübertritt zuschreiben soll. Ebenso ist beispielsweise die Beschaffenheit des Konflikts entscheidend, ergo ob es sich um einen schwerwiegenden oder eher unbedeutenden Regelbruch handelt.[96] Nunner-Winkler und Sodian (1988) führen das vorgestellte Handlungs- und Attributionsmuster auf einen Mangel moralischer Motivation zurück.[97] Mit dem schrittweisen Aufbau moralischer Motivation in der späten Kindheit sollte das HVP ab dem Jugendalter entsprechend normalerweise nicht mehr nachweisbar sein. Es gibt allerdings Grund zur Annahme, dass das HVP in bestimmten Situationen auch bei Jugendlichen und im Erwachsenenalter auftritt.[98] Die Untersuchungen und Ergebnisse zum HVP im Erwachsenenalter stehen vor allem in Konflikt mit der Überzeugung Nunner-Winklers von einer monotonen Zunahme der moralischen Motivation in ihrem zweistufigen moralischen Entwicklungsprozess. Das Auftreten des HVP im Erwachsenenalter soll im folgenden Kapitel anhand der Untersuchungen von Heinrichs et al. (2015) näher untersucht werden.

2.2.2 Das Happy-Victimizer-Phänomen im Erwachsenenalter

Mit der Untersuchung von Heinrichs et al. (2015) existieren empirische Anhaltspunkte dafür, dass das HVP auch im Erwachsenenalter auftritt. Den Ausgangspunkt ihrer Untersuchung liefern verhaltensökonomische Experimente, die bereits auf ein ähnliches Handlungs- und Attributionsmuster vornehmlich im Kontext von Wirtschaft bei Erwachsenen hindeuten. Dort tritt ein dem HVP ähnliches Muster auf: Die Verknüpfung einer bestimmten Gerechtigkeitsvorstellung mit der Präferenz des eigenen subjektiven Vorteils bei gleichzeitigem Empfinden positiver Gefühle.[99] In der Arbeit von Heinrichs et al. aus dem Jahr 2015 werden die Ergebnisse von drei durchgeführten Studien präsentiert, wobei es sich um zwei auf vignettenbasierten[100] Interviews und eine Fragebogenstudie handelt. Es soll einerseits herausgefunden werden, ob die Versuchspersonen dem Regelübertritt konsequent rein positive Emotionen zuschreiben oder ob sie zeitgleich positive wie negative Emotionen attribuieren. Ebenso werden Anhaltspunkte für die Situationsspezifität des HVP gesucht. Die erwachsenen Versuchspersonen werden dazu in den Interviews zu Regelbrüchen in wirtschaftlichen Kontexten befragt. Sie geben dabei Auskunft über ihre Regelkenntnis sowie -akzeptanz und gleichzeitig über ihre Emotionsattribution. Die Studien unterscheiden sich insofern, als dass die Versuchspersonen in Studie 1 und 2 den Protagonisten Emotionen zuschreiben müssen und dagegen in Studie 3 sich selbst als Protagonist. Es werden jedoch bloß zwei charakteristische Merkmale des HVP untersucht: Die Ablehnung des Regelübertritts und die positive Emotionsattribution. Die Studien liefern somit keinen vollständigen Beweis, sondern nur Hinweise für das Auftreten des HVP. Zur Begründung der Wahl eines rein wirtschaftlichen Kontexts in den Untersuchungen führen die Autoren Forschungsergebnisse von Frank, Gilovich und Regan (1993) bzw. Ledyard (1995) an, die darauf hinweisen, dass Erwachsene besonders in wirtschaftlichen Kontexten verstärkt typische HV-Urteile und Emotionszuschreibungen zeigen und dies mit der eigenen Vorteilsnahme begründen. In verschiedenen vorgegebenen Situationen müssen die Versuchspersonen bei Heinrichs et al. (2015) zwischen dem Handeln des Übeltäters[101] und dem alternativen Handeln des Moralisten wählen und anschließend ihre Emotionen attribuieren.[102]

Zusammengefasst lassen sich die Ergebnisse wie folgt darstellen: Tatsächlich konnte das HVP in allen drei Studien bei einer Vielzahl von Versuchspersonen anhand zweier Merkmale nachgewiesen werden. Diese Befunde geben Grund zur Annahme, dass es sich beim HVP nicht allein um ein Phänomen im Kindesalter handelt, das im Erwachsenenalter gar nicht mehr bzw. nur noch selten auftritt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass das HVP personenabhängig variiert und situationsspezifisch auch nach dem Jugendalter abhängig vom situativen Anreiz noch auftreten kann. In den drei Studien haben die meisten Versuchspersonen weder konsequent ein und dieselbe Handlungsalternative gewählt, noch immer die gleichen Emotionen attribuiert. Dies impliziert ebenfalls, dass das HVP kein fundamentales Handlungsmuster ist, sondern dass es nur in bestimmten Situationen auftritt.[103] Es zeigt sich ferner, dass das HVP besonders häufig zu finden ist, wenn der potenziell Geschädigte der Versuchsperson fremd bzw. ihr unsympathisch ist oder wenn sich der Protagonist von dieser benachteiligt fühlt. In Bezug auf den wirtschaftlichen Kontext wird anhand der Ergebnisse der Studien vermutet, dass unfaires Handeln oder frühere Schädigungen das Auftreten des HVP fördern können. Es wird außerdem geschlussfolgert, dass das Auftreten des HVP von der Intensität einer moralischen Konfliktsituation abhängig ist.[104]

2.2.3 Der Happy Victimizer und alternative Urteilsmuster

Aus der Kombination der Handlungsentscheidungen mit den jeweils attribuierten Emotionen ergibt sich zur Unterscheidung der verschiedenen Attributions- und Handlungsmuster folgende Vier-Felder-Matrix:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Vier-Felder-Matrix zu Attributions- und Argumentationsmustern (Quelle: In Anlehnung an Heinrichs et al. (2015): 37)

Dem HV (oben rechts in der Vier-Felder-Matrix) wird als Regelbrecher trotz seines unmoralischen Verhaltens unterstellt mit sich selbst zufrieden zu sein.[105] Der Victimizer ist jedoch unhappy, wenn er entweder fürchtet durch den Regelbruch bestraft zu werden oder er sich schlecht fühlt, weil er mit dem Regelbruch einem anderen Individuum geschadet hat.[106] Das Gegenteil des Victimizers ist der Moralist. Dieser orientiert sich an Regeln und zieht die Regeleinhaltung den eigenen, möglicherweise regelabweichenden Interessen vor.[107] Der UM als komplementärer Gegenpart des HV ist unglücklich[108] aufgrund der Tatsache, dass er seine moralischen Werte nicht mit seiner Erfolgsorientierung in Einklang bringen kann und fühlt sich benachteiligt. In solchen Fällen korreliert die Zufriedenheit mit der erreichten Entscheidung nicht positiv mit der Einschätzung der Korrektheit des eigenen Handelns.[109] Der UM ist dennoch moralisch resilient, weshalb er situativ trotz internem und externem Druck an seinem moralischen Standpunkt festhält.[110] Der HM entscheidet sich bei der Wahl zwischen moralischem oder unmoralischem Handeln für das moralische Handeln und fühlt sich dabei gut.[111]

In den Untersuchungen zum HVP geht es, wie bereits aufgezeigt, auch um die Gefühle[112] eines Protagonisten, wenn dieser gegen eine Regel verstößt bzw. um die Gefühle, die dem Protagonisten dann zugeschrieben werden und nicht, wie in Kohlbergs Dilemma-Situationen, um den Konflikt zweier moralischer Regeln.[113] Damit der Leser eine Vorstellung davon bekommt, was jeweils unter positiven und negativen Gefühlen verstanden werden kann, sollen die Kategorien von Keller (2007) kurz vorgestellt werden. Ein Individuum, das einen moralischen Regelbruch begeht oder diesen beurteilen soll, kann widersprüchliche Emotionen empfinden. Beispielsweise entweder ein Gefühl des Erfolgs, da es seinen persönlichen Wunsch erfüllt hat oder vielleicht ein Gefühl der Scham und Schuld, eben weil es eine Regel gebrochen hat.[114] Keller (2007) unterscheidet verschiedene moralische Gefühle, welche sie fünf Kategorien zuordnet:

1. Empathie, Sympathie
2. Stolz, Zufriedenheit, Bewunderung
3. Ärger, Wut
4. Scham, Schuldgefühl
5. Empörung, Verachtung[115]

Die ersten beiden Kategorien umfassen positive moralische Gefühle. Die anderen drei Kategorien stellen negative moralische Gefühle dar.

2.2.4 Die Einordnung in Kohlbergs Entwicklungsstufenmodell

Bisher wurde das HVP in dieser Arbeit vorwiegend aus der motivationstheoretischen Perspektive betrachtet und begründet. Es existieren alternativ aber auch kognitive Erklärungen des HVP, in dem die moralische Motivation direkt mit dem moralischen Urteil verknüpft ist.[116] Wie bereits in der Einleitung erwähnt, kann das HVP unter Umständen der zweiten moralischen Stufe von Kohlbergs Entwicklungsstufenmodell zugeordnet werden. Minnameier (2013) ordnet es auf dieser Stufe, die allgemein mit der Gerechtigkeitsvorstellung: „Wie du mir, so ich dir“ assoziiert wird, ein.[117] In seiner neo-kohlbergschen Stufentaxonomie verändert er Kohlbergs ursprüngliche Stufentheorie im Aufbau und verfeinert sie durch die Unterteilung in Unterstufen. In Anlehnung an Piagets spätere Arbeiten zur Entwicklungstheorie schlägt Minnameier in seiner Arbeit als Alternative zu Kohlberg zu jeder der sechs Stufen jeweils drei Unterstufen vor, welche wie folgt anhand der Stufe 2 erläutert werden: Auf der Intra -Stufe (2A) orientiert sich das Individuum strikt an persönlichen Interessen. Es ist der Auffassung, dass jeder berechtigt und verpflichtet ist, seine persönlichen Interessen zu verfolgen. Auf der Inter -Stufe (2B) steht der intersubjektive wechselseitige Interessensausgleich im Fokus. Dieser wird entweder vertraglich oder durch reziproke Versprechen ausgehandelt. Die Trans -Stufe (2C) ist erreicht, wenn ein übergreifender intersubjektiver Ausgleich stattfindet, der durch die wechselseitige Rücksichtnahme auf jeweils persönliche Interessen ermöglicht wird. Das HVP vermutet Minnameier auf seiner entwickelten Stufe 2A. Er stellt ebenso die Behauptung auf, dass das HVP auch im Erwachsenenalter, besonders in wirtschaftlichen Kontexten mit strengen Wettbewerbsbedingungen, auftreten kann. Dann entspricht das HVP seiner Meinung nach dem Menschenbild des Homo Oeconomicus, welcher rücksichtslos auf seine eigenen Interessen fokussiert ist, dieses Verhalten jedoch auch allen anderen Individuen zugesteht und dessen Moral auf altruistische Emotionen begrenzt ist. Es muss an dieser Stelle jedoch betont werden, dass Minnameier mit der Stufe 2A kein generelles Menschenbild geschaffen hat, sondern eine spezielle moralische Perspektive respektive einen moralischen Entwicklungsschritt. Er rechtfertigt die Nutzung der moralischen Perspektive 2A im Erwachsenenalter mit Situationen, in denen z. B. harte Wettbewerbsbedingungen herrschen. Diese zwingen ein Individuum dazu gegen moralische Regeln zu handeln.[118]

2.3 Korruption als moralischer Regelverstoß

2.3.1 Begriffsverständnis und Folgen

Eine einheitliche und legale Definition des Begriffs der Korruption existiert nicht.[119] In vielen Definitionen tauchen jedoch die Aspekte des Machtmissbrauchs und der Vorteilnahme auf. So auch in der einleitend erwähnten Definition von Transparency International, wonach Korruption der „Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil“[120] ist. In der kriminologischen Forschung finden diese Aspekte ebenso bei Karstedt (2003) Anwendung. Korruption wird dort als „eine Transaktion, bei der beide Partner illegitime Vorteile zu Lasten anderer, einer Organisation oder der Allgemeinheit erhalten, und die den Missbrauch von Macht einschließt, ebenso wie einen Interessenausgleich zwischen den involvierten Partnern unter Ausschluss und zum Nachteil Dritter“[121] definiert.

Unter moralischem Gesichtspunkt, kann korruptes Handeln als jenes Handeln bezeichnet werden, bei dem sich Individuen „mit öffentlichen oder privaten Aufgaben auf Kosten der Allgemeinheit als unangemessen bewertete Vorteile verschaffen“[122]. Korruption gilt dabei nicht als bestimmte Persönlichkeitseigenschaft, sondern als die Bewertung des Handelns eines Individuums vor dem Hintergrund der kulturellen Werte einer Gesellschaft.[123] Der Bruch mit den Werten einer Gesellschaft durch korruptes Handeln kann mit Bezug auch auf die Ausführungen zu Beginn des Kapitels 2 als moralischer Regelverstoß gewertet werden. Somit kann von Korruption gesprochen werden, wenn entweder ein rechtswidriges Handeln vorliegt und/oder gegen eine moralische Regel verstoßen wird.

Korruption unterliegt von Anfang an und selbst nach ihrer Aufdeckung dem Versuch der beteiligten Akteure sie zu verheimlichen. Sie wird deshalb als Heimlichkeitsdelikt bezeichnet.[124] Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen den einzelnen Akteuren erschwert zudem ihren Nachweis. Die beteiligten Akteure ziehen meist alle einen Vorteil aus dem korrupten Handeln, sodass häufig das Opfer fehlt, das die Tat anzeigt und eine strafrechtliche Ahndung ermöglicht.[125] Einen Nutzen aus diesen Taten ziehen nur wenige Individuen, im Verhältnis zu der Zahl an Individuen gesetzt, die durch diese Taten geschädigt werden, nämlich häufig die gesamte Gesellschaft.[126] Denn Korruption führt zur Bevorteilung Einzelner, zu Wettbewerbsverzerrungen und somit zur Schädigung gesamter Volkswirtschaften. Das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und Politik wird zerstört, sodass durch die korrupte Umgebung auch die Motivation nachlässt, die eigenen moralischen Prinzipien weiterhin einzuhalten. Es entsteht ein „Teufelskreis der Korruption“.[127]

Bei Korruptionsstraftaten wird allgemein zwischen struktureller und situativer Korruption unterschieden. Strukturelle Korruption basiert auf geplanten und vorbereiteten Beziehungen zwischen den einzelnen korrupten Akteuren, die längerfristig[128] ausgerichtet sind. Zu der viel seltener auftretenden situativen Korruption entschließen sich die korrupten Akteure hingegen spontan. Untreue- bzw. Betrugshandlungen oder Strafvereitelung etc. zählen zu den Begleitdelikten [129] der Korruption.[130]

2.3.2 Einflussfaktoren und Rechtfertigungsstrategien

Der Auslöser korrupten Handelns ist nicht allein der Wunsch oder der Wille ein berufliches oder privates Ziel zu erreichen. Dies zeigt auch das Modell von Rabl (2008) bzw.

[...]


[1] Blatter (2010).

[2] Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird statt Joseph S. der Rufname Sepp Blatter verwendet.

[3] Vgl. Kistner (2012): 16f. Beispielhaft sei hier der Fall Chuck Blazer zu nennen. Vgl. Handelszeitung (2015).

[4] Für eine ausführliche Übersicht und Darstellung des aktuellen Korruptionsskandals bei der FIFA siehe: http://www.spiegel.de/thema/FIFA_skandal/.

[5] Spiegel online (2015a).

[6] Vgl. Kistner (2012): 13.

[7] Vgl. Rabl (2008): 29. Eine ausführliche Erklärung des Begriffs ethisch und seine Abgrenzung von dem Begriff moralisch erfolgt in Kapitel 2.

[8] Transparency International (2015a).

[9] Vgl. Thum (2004): 2. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International veröffentlicht jedes Jahr ein tabellarisches Ranking, den so genannten Korruptionswahrnehmungsindex. Die Länder werden dort nach dem Grad der bei Politikern und Beamten wahrgenommenen Korruption aufgelistet. Vgl. Transparency International (2015b).

[10] Vgl. Beck/Nagel (2012): 36; Lambsdorff/Beck (2009): 21.

[11] Vgl. Greaff/Grieger (2012): 161; Litzcke et al. (2012): 2-3. Das jeweilige Ausmaß der Folgeschäden ist dabei nicht genau quantifizierbar.

[12] Vgl. Beck/Nagel (2012): 36f.; Thum (2004): 8.

[13] Vgl. Litzcke et al. (2012): 1f., 37.

[14] Ein Whistle-Blower deckt korrupte, nicht moralische oder illegale Strukturen auf bzw. äußert seine Vermutung, jedoch ohne einen persönlichen Vorteil daraus ziehen zu wollen. In modernen Unternehmen werden dazu zunehmend sogenannte Whistle-Blowing-Systeme eingerichtet. Es gilt die Angst vor negativen Konsequenzen bei einer Aussage zu nehmen. Vgl. Rabl (2009): 32.

[15] Vgl. Beck/Nagel (2012): 37.

[16] Der Begriff schlecht kann beispielsweise für Schuld- oder Schamgefühle stehen. Vgl. Minnameier (2012): 125.

[17] Vgl. Nunner-Winkler/Sodian (1988).

[18] Vgl. Minnameier (2013): 119.

[19] Moralische Regeln gelten als „uneingeschränkt universal“, das heißt sie geben vor, welches Handeln erlaubt bzw. welches zu unterlassen ist und gelten unabhängig von Ort, Zeit, Gruppe und Person. Sie sollten von allen rationalen Menschen befolgt werden. Vgl. Gert (1983): 103.

[20] Emotionen sind eine bestimmte Form von Gefühlen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie, beispielsweise im Gegensatz zu Stimmungen, auftreten, wenn ein Individuum mit etwas Bestimmten konfrontiert wird. Vgl. Voss (2004): 12.

[21] Vgl. Heinrichs et al. (2015): 33.

[22] In dieser Arbeit wird vorzugsweise der Begriff des Handelns statt dem Begriff des Verhaltens verwendet. Als Handeln wird dabei menschliches Verhalten bezeichnet, das auch hätte unterlassen oder anders ausgestaltet sein können. Das Handeln wird u. a. durch die Interessen, Werte und Normen beeinflusst, von denen sich das Individuum leiten lässt. Vgl. Düwell/Hübenthal/Werner (2006): 474.

[23] Vgl. Heinrichs et al. (2015): 36f. Eine detaillierte Darstellung des HVP und der alternativen Urteilsstrukturen erfolgt in Kapitel 2.3.

[24] Bei einem moralischen Dilemma stehen zwei universelle Normen in Konflikt miteinander. Vgl. Nunner-Winkler (2013): 268. Kohlberg erarbeitete für seine Untersuchungen das berühmte Heinz-Dilemma. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden die Ausdrücke moralische Konfliktsituation und moralische Dilemmasituation synonym verwendet.

[25] Vgl. Beck (2000): 22; Keller (2007): 17.

[26] Vgl. Minnameier (2013): 126.

[27] Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die Ethik eines Unternehmens eigens von dem Unternehmen selbst festgeschrieben wird. Vgl. Albach (2006): 50.

[28] Vgl. Heidbrink (2008): 14.

[29] Gisbertz/Kruip/Tolksdorf (2010): 216.

[30] Ausführlichere Darstellungen von Kohlbergs Thesen erfolgen in den Kapiteln 2.1.1 bis 2.1.3.

[31] Vgl. Heidbrink (2008): 13. In der Literatur wird der Begriff der Moral häufig gleichbedeutend mit dem Begriff Ethik verwendet, da es einer sprachlichen Grundlage entbehrt, die beide Begriffe klar voneinander unterscheidet. Vgl. Andersen (2005): 2. Ethik kann jedoch als wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Moral bezeichnet werden, indem sie als Gegenstand die Moral hat. Sie ist somit begrifflich weiter gefasst als der Begriff der Moral. Vgl. Pichl (2012): 37; Düwell/Hübenthal/Werner (2006): 25.

[32] Vgl. Oser/Althof (1994): 35. Moralisch neutrale Entscheidungen kennzeichnen sich hingegen durch strategische Überlegungen auf Basis z. B. von Kriterien der Nützlichkeit. Bei Bedarf können Kompromisse in der Erfüllung einzelner, nicht gleichzeitig umsetzbarer Ziele als Lösung dienen, in dem sie beispielsweise zeitlich nacheinander realisiert werden.

[33] Vgl. Düwell/Hübenthaler/Werner (2006): 474f., 478; Lempert (1993): 7f. Als Werte gelten beispielsweise Gesundheit, Glück oder Frieden.

[34] Der geschlechtsneutrale Begriff des Individuums wird synonym für die Begriffe Person oder Mensch verwendet.

[35] Vgl. Oser/Althof (1994): 36.

[36] Vgl. Bienengräber (2002): 1; Oser/Althof (1994): 37.

[37] Vgl. Bienengräber (2002): 23.

[38] Der Begriff der moralischen Urteilskompetenz entspricht in dieser Arbeit der Begrifflichkeit des moralischen Denkens, das nach Kohlbergs Theorie abhängig von der Entwicklung des logischen Denkens ist. Kohlberg unterstellt eine parallele kognitive und moralische Entwicklung des Individuums. Die einzelnen Stufen moralischen Denkens bzw. moralischen Urteilens setzen dabei einen gewissen kognitiven Entwicklungsstand voraus. Vgl. Bienengräber (2002): 17-19. Zur obigen synonymen Begriffsverwendung und Übersetzungsproblematik im Zusammenhang mit Kohlbergs Ausführungen siehe Bienengräber (2002): 13-19.

[39] Die angeführten Kompetenzen sind aus den Kriterien abgeleitet, denen ein moralisches Urteil entsprechen muss. Vgl. Bienengräber (2010): 306.

[40] Mit sozialen Perspektiven sind an dieser Stelle die Perspektiven anderer beteiligter Individuen gemeint.

[41] Vgl. Bienengräber (2010): 306-308.

[42] Vgl. Kohlberg/Candee (1999): 13f. Bei den Individuen handelte es sich um Studierende und Erwachsene.

[43] Vgl. Kohlberg/Candee (1999): 16; Peltzer (1986): 94. Aristoteles und John Dewey vertreten beispielsweise unter verantwortungsethischem Aspekt die Sicht, dass das moralische Urteilen lediglich notwendige Bedingung für moralisches Handeln ist.

[44] Vgl. Oser/Althof (1994): 226.

[45] Vgl. Kohlberg/Candee (1999): 19f; Oser/Althof (1994): 226.

[46] Vgl. Keller (2007): 22.

[47] Vgl. Nunner-Winkler (1993): 288-290. Beispielhaft werden bei Nunner-Winkler (1993) in diesem Zusammenhang u. a. die Ansätze von Keller/Edelstein (1986), Blasi (1984) und Hoffman (1982) angeführt.

[48] Kohlberg/Candee (1999) verweisen später auf einen kognitiv-affektiven Parallelismus. Vgl. Kohlberg/Candee (1999): 20. Weitere Ausführungen dazu in Kapitel 2.1.4.

[49] Vgl. Heidbrink (2008): 142; Oser/Althof (1994): 225. Für weitere Ansätze zum Urteil-Handlungs-Zusammenhang siehe Oser/Althof (1994): 234-255.

[50] Vgl. Minnameier (2013): 121.

[51] Vgl. Oser/Althof (1994): 41.

[52] Vgl. Bienengräber (2010): 303; Keller (2007): 22.

[53] Vgl. Kohlberg (1996): 31. Über die Grundlagen der moralischen Urteilskompetenz verfügt ein Individuum bereits bei der Geburt. Abhängig von der Ausgestaltung der sozialen Interaktion entwickelt sich diese psychische Kompetenz diskontinuierlich weiter. Vgl. Bienengräber (2010): 303f.; Bienengräber (2000): 1.

[54] Auf dieser sogenannten Stufe 0 moralischer Entwicklung urteilen Kinder mit dem Fokus auf ihren eigenen Bedürfnissen und Wünschen. Sie sind egozentrisch und urteilen nur nach der eigenen sozialen Perspektive, vor allem wenn ihre Wünsche im Konflikt mit den Wünschen anderer Personen stehen.

[55] Vgl. Oser/Althof (1994): 52.

[56] Vgl. Kohlberg (1996): 126. Die drei aufgeführten Ebenen können alternativ auf Basis der jeweiligen Urteilsorientierung ebenso als egozentrische, soziozentrische und universalistische Ebene bezeichnet werden. Vgl. Bienengräber (1999): 2.

[57] Vgl. Oser/Althof (1994): 49f. Die folgende Beschreibung der einzelnen Ebenen und Stufen ist eine kurze zusammenfassende Darstellung und umfasst nicht alle Aspekte der jeweiligen Urteilsstrukturen. Die Bezeichnungen der einzelnen Stufen entsprechen in weiten Teilen jenen Ausführungen in Kohlberg (1996).

[58] Vgl. Bienengräber (2000): 2; Bienengräber (2010): 304.

[59] Vgl. Kohlberg (1996): 51.

[60] Vgl. Oser/Althof (1994): 54.

[61] Vgl. Kohlberg (1996): 51.

[62] Vgl. Bienengräber (2002): 45.

[63] Kohlberg (1996): 51.

[64] Vgl. Bienengräber (2002): 47; Heidbrink (2008): 76.

[65] Vgl. Oser/Althof (1994): 56. Auf Stufe 2 verharrt ein Individuum häufig, im Vergleich zu den anderen Stufen, über einen längeren Zeitraum.

[66] Vgl. Bienengräber (2010): 304; Kohlberg (1996): 52. Der Begriff konventionell meint nach Kohlberg das Einhalten von Konventionen, Regeln und Erwartungen einer Respektperson oder der Gesellschaft, eben weil es Erwartungen, Regeln und Konventionen der Gesellschaft sind. Vgl. Kohlberg (1996): 127.

[67] Kohlbergs Benennung dieser Stufe lautet ausführlich: Orientierung an zwischenmenschlicher Harmonie oder am Bild des „guten Jungen“ bzw. des „netten Mädchens“. Vgl. Kohlberg (1996): 52.

[68] Vgl. Kohlberg (1996): 52.

[69] Vgl. Heidbrink (2008): 76.

[70] Vgl. Kohlberg (1996): 52.

[71] Der Begriff System kann die Gesellschaft, aber auch verschiedene soziale Systeme, wie beispielsweise die Familie, Freunde oder eine Firma, umfassen. Vgl. Bienengräber (2002): 49.

[72] Vgl. Oser/Althof (1994): 58f.

[73] Vgl. Bienengräber (2010): 304.

[74] Vgl. Oser/Althof (1994): 61. Die empirische Forschung zeigt, dass die fünfte Stufe erst im Erwachsenenalter erreicht werden kann, wobei nur wenige Individuen diese Stufe auch tatsächlich erreichen.

[75] Vgl. Bienengräber (2002): 51.

[76] Prinzipien sind Grundsätze, die zur Beurteilung der Gültigkeit von Normen herangezogen werden können. Vgl. Düwell/Hübenthal/Werner (2006): 475. Sie gelten im Unterschied zu Regeln als „universelle Leitlinien für moralische Entscheidungen“. Vgl. Oser/Althof (1994): 60.

[77] Vgl. Heidbrink (2008): 81. Kohlberg konnte diese Stufe nie endgültig ausarbeiten oder empirisch belegen. Er hat sie selbst in Colby/Kohlberg (1987) als „for theoretical completeness“ bezeichnet. Vgl. Bienengräber (2002): 52. Desweiteren taucht diese Stufe in Kohlbergs späteren Interviewverfahren nicht mehr auf. Vgl. Heidbrink (2008): 81f.

[78] Eine kritische Auseinandersetzung mit Kohlbergs Theorie siehe z. B. bei Peltzer (1986): 56-66. Einige Autoren verweisen in ihren Arbeiten in diesem Zusammenhang vor allem auf Modgil/Modgil (1986).

[79] Vgl. Keller (2007): 22.

[80] Vgl. Nunner-Winkler (2013): 268.

[81] Vgl. Reemtsma-Theis (1998): 105.

[82] Vgl. Minnameier (2011): 111. Die moralische Sensibilität dient dem Anstoß eines moralischen Reflexionsprozesses.

[83] Vgl. Nunner-Winkler (1993): 278-287, 296-298. Es lassen sich demnach drei Typen moralisch motivierter Individuen unterscheiden: Der Soziopath, der Minimalmoralist und der moralische Virtuose. Nähere Erläuterungen dazu siehe Nunner-Winkler (1993): 298f.

[84] Als first-order desires gelten hingegen z. B. egoistische Bedürfnisse oder altruistische Anreize. Werden die spontanen Bedürfnisse befriedigt, löst dies ein Wohlgefühl beim Individuum aus, ungeachtet der Einhaltung moralischer Vorstellungen. Vgl. Nunner-Winkler (1993): 296.

[85] Als Übeltäter oder Missetäter, engl. Victimizer oder wrongdoer, wird in der Literatur der Entwicklungs- und Moralpsychologie der Protagonist bezeichnet, der eine moralische Regel verletzt. Die vier Begriffe werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

[86] Zur Kritik an dieser Annahme siehe z. B. Krettenauer (2012).

[87] Vgl. Nunner-Winkler (1993): 282. Als Beispiel wird eine Situation der Eifersucht angeführt: Ich bin eifersüchtig, wenn mein Freund den Arm um ein anderes Mädchen legt. Erfahre ich jedoch, dass es sich um seine Schwester handelt, verändern sich meine Emotionen und ich bin nicht mehr eifersüchtig.

[88] Vgl. Minnameier (2010): 57.

[89] Vgl. Minnameier (2013): 124.

[90] Vgl. Heinrichs et al. (2015): 33.

[91] Vgl. Heinrichs et al. (2015): 33.

[92] Die Ablehnung des Regelbruchs wird als Regelwissen interpretiert, also als die Kenntnis bzw. die Akzeptanz einer moralischen Regel. Vgl. Heinrichs et al. (2015): 33f.

[93] Vgl. Heinrichs et al. (2015): 33f. Die Kennzeichnungen S und I sind willkürlich gewählt und dienen lediglich der Unterscheidung der beiden Individuen. Hedonismus bedeutet, dass als höchstes ethisches Prinzip die dauerhafte Realisierung der persönlichen Lust angesehen wird. Quelle: Duden online (o. J.a).

[94] Vgl. Nunner-Winkler (2013): 269.

[95] Vgl. Reemtsma-Theis (1998): 132.

[96] Vgl. Nunner-Winkler (2013): 271. Die Begriffe Regelübertritt und Regelbruch werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

[97] Vgl. Nunner-Winkler/Sodian (1988): 1337.

[98] Vgl. Heinrichs et al. (2015): 35; Nunner-Winkler (2007): 410-412.

[99] Vgl. Heinrichs et al. (2015): 31-33. Besonders die Untersuchung von Konow (2000) liefert Grund zur Annahme, dass das HVP auch im Erwachsenenalter weit verbreitet ist. Auf eine zusammenfassende Darstellung von Konows Untersuchung wird an dieser Stelle verzichtet, siehe dazu. Heinrichs et al. (2015): 31f. Weitere Hinweise auf das HVP, allerdings in verschärfter Form, zeigen beispielsweise auch Untersuchungen von Krettenauer/Eichler (2006), Döring (2013) sowie Malti/Buchmann (2010). Vgl. Heinrichs et al. (2015): 35.

[100] Bei Vignetten handelt es sich um stimulierende Ausgangssituationen (Personen- bzw. Situationsbeschreibungen oder Kurzgeschichten), die eine Beurteilung der Situation anregen sollen. Vgl. Steiner/Atzmüller: 117.

[101] An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Begriffe Übeltäter, Missetäter, Victimizer und Wrongdoer synonym verwendet werden.

[102] Vgl. Heinrichs et al. (2015): 36, 43.

[103] Heinrichs et al. (2015) präsentieren zur situationsspezifischen Moral zwei Argumentationsstränge, die unter dem Begriff der Beck-Zabeck-Kontroverse diskutiert werden. Vgl. Heinrichs et al. (2015): 33.

[104] Vgl. Heinrichs et al. (2015): 45-47. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Bedeutung dieser Befunde noch nicht vollständig geklärt werden kann. Beispielsweise könnten die in der Studie festgestellten instabilen Handlungs- und Attributionsmuster der einzelnen Versuchspersonen als Indikator für eine Regression des HVP im Erwachsenenalter gelesen werden oder eine unvollständige Überwindung des HVP im Kindesalter bedeuten. Die Fußnote gilt für den gesamten Absatz.

[105] Vgl. Kruip/Winkler (2010): 22.

[106] Vgl. Keller et al. (2003): 2. Letzteres taucht in Studien häufiger als Begründung auf und wird als tatsächliche moralische Begründung verstanden.

[107] Vgl. Heinrichs et al. (2015): 36f.

[108] Dieser Begriff ist eine freie Übersetzung des Ausdrucks unhappy.

[109] Vgl. Heinrichs et al. (2015): 37; Oser/Reichenbach (2000): 219-221.

[110] Vgl. Oser/Reichenbach (2000): 204f., 221. Moralische Resilienz entspricht dem Verhindern einer unmoralischen Handlung. Ein moralisches Urteil tatsächlich umzusetzen, wird nach Oser/Reichenbach hingegen als moralischer Mut bezeichnet.

[111] Vgl. Heinrichs et al. (2015): 37.

[112] Als moralische Gefühle werden jene Gefühle bezeichnet, die auf das Vorhandensein moralischer Normen hindeuten. Vgl. Montada (1993): 261.

[113] Vgl. Pichl (2012): 92.

[114] Vgl. Nunner-Winkler/Sodian (1988): 1323.

[115] Vgl. Keller (2007): 26.

[116] Minnameier (2013) verweist in diesem Zusammenhang auf Blasi (1999). Vgl. Minnameier (2013): 126.

[117] Eine ausführliche Darstellung von Kohlbergs Stufe 2 ist bereits in Kapitel 2.1.3 erfolgt.

[118] Vgl. Minnameier (2013): 126-128.

[119] Vgl. Rabl (2009): 26; Vogt (1997): 258.

[120] Transparency International (2015a).

[121] Karstedt (2003): 390.

[122] Bannenberg/Schaupensteiner (2004): 27.

[123] Vgl. Giannakopoulos/Tänzler (2009): 14.

[124] Vgl. Bannenberg/Schaupensteiner (2004): 38.

[125] Vgl. Beck/Nagel (2012): 36f.; Litzcke et al. (2012): 1f., 37.

[126] Vgl. Bannenberg/Schaupensteiner (2004): 39; Beck/Nagel (2012): 36f.

[127] Vgl. Transparency International (2013): 14f.

[128] Bei der Hälfte der Straftaten im Bereich Korruption bestand die Beziehung zwischen den Akteuren mindestens drei Jahre. Vgl. Bundeskriminalamt (2014): 3.

[129] Begleitdelikte hängen direkt mit Korruptionsdelikten zusammen. Vgl. Bundeskriminalamt (2014): 4.

[130] Vgl. Bundeskriminalamt (2014): 3. Die strukturelle Korruption macht laut Bundeskriminalamt im Jahr 2014 dabei 98% aller Korruptionsstraftaten aus, der Anteil situativer Korruption beträgt lediglich 2%.

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Detalles

Título
Zwischen moralischem Denken und moralischem Handeln. Das Happy-Victimizer-Phänomen als Erklärungsansatz für Korruption
Universidad
University of Duisburg-Essen
Curso
BWL - Didaktik, Wirtschaftspädagogik
Calificación
1,0
Autor
Año
2016
Páginas
68
No. de catálogo
V320938
ISBN (Ebook)
9783668202962
ISBN (Libro)
9783668202979
Tamaño de fichero
802 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Korruption, Happy-Victimizer-Phänomen, Moral
Citar trabajo
Mona Wichmann (Autor), 2016, Zwischen moralischem Denken und moralischem Handeln. Das Happy-Victimizer-Phänomen als Erklärungsansatz für Korruption, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/320938

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