Die Frage nach dem Ursprung und der Entwicklung des gesellschaftlichen Zusammenlebens der ersten Menschen ist infolge des Fehlens jeglicher schriftlicher oder bildnerischer Zeugnisse schwierig zu beantworten. Die Sozialwissenschaftler, die sich der Frage annehmen, orientieren sich daher zunächst an den Erkenntnissen der entsprechenden Naturwissenschaften, Paläontologie und Biologie.
Insbesondere die moderne Paläoanthropologie hat auf der Grundlage der Evolutionstheorie gesicherte Erkenntnisse über die Entstehung des Menschen und der Entwicklung seiner anatomischen und funktionalen Merkmale geliefert. Diese bilden in Kombination mit Erkenntnissen über die geologischen und klimatischen Bedingungen der Frühzeit sowie Ergebnissen der modernen Verhaltensforschung eine gute Grundlage für eine Untersuchung der gesellschaftlichen Anfänge. Die gesellschaftlichen Verhältnisse der frühen Menschen dienten naturgemäß der Bewältigung dreier Lebensnotwendigkeiten: „die Gewinnung des Lebensunterhalts, [...] die Sorge für die Nachkommenschaft und [...] die Erhaltung des Lebensraumes.“ . „[...] alle drei Lebenserfordernisse bilden wesentliche Dimensionen gesellschaftlicher Reproduktion in allen menschlichen Gesellschaften“ und werden „als subsistenzielle, familiale und politische Aktivitäten“1 bezeichnet.
Mittels dieser Kriterien versuchen Lambrecht, Tjaden und Tjaden-Steinhauer, das Entstehen frühmenschlicher Gesellschaft zu erklären. Entgegen früherer Behauptungen in Verbindung mit der Subsistenzstrategie, der Urme nsch habe bevorzugt Jagd auf Tiere gemacht, bestehen heute kaum mehr Zweifel, daß „die pflanzliche Nahrung einen sehr großen [...] Anteil der frühmenschlichen Ernährung ausmachte und daß die tierische Nahrung zu großen Teilen aus Aas bestand“. Daraus folgern Lambrecht, Tjaden und Tjaden-Steinhauer, daß u.a. eine hierarchische Ordnung der Jagdgruppen vorhanden war sowie „Heimstätten, in denen die frühen Menschen auf der Grundlage geschlechtlicher Arbeitsteilung die Nahrung geteilt und gesellschaftliches Leben entfaltet haben sollen.“ Lambrecht, Tjaden und Tjaden Steinhauer schreiben, daß „paläontologische Befunde [...] eindeutig darauf hin [weisen], daß die hominiden und speziell die humanen Lebewesen von Anfang an gesellig gelebt haben. (Lethmate 1994, 22; Schrenk 1997, 45)“ Daraus folgern sie, daß es „menschliche Gesellschaften gibt [...], seit es Menschen gibt.“
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Erkenntnisse der Paläoanthropologie
- Die Australopithecinen
- Homo rudolfensis und Homo habilis
- Erkenntnisse der Biologie/Verhaltensforschung
- Beobachtungen an heutigen Schimpansenpopulationen
- Die „physiologische Frühgeburt“
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieses Textfragment beschäftigt sich mit der Entstehung des gesellschaftlichen Zusammenlebens der ersten Menschen, einer Frage, die aufgrund des Mangels an schriftlichen oder bildnerischen Zeugnissen schwer zu beantworten ist. Der Fokus liegt auf der Analyse von Erkenntnissen aus der Paläoanthropologie und der Biologie, um ein besseres Verständnis der frühen Menschheitsgeschichte zu gewinnen.
- Die Entwicklung des Menschen und seiner anatomischen sowie funktionalen Merkmale im Kontext der Evolutionstheorie
- Die Bedeutung geologischer und klimatischer Bedingungen der Frühzeit für die Entstehung von Gesellschaften
- Die Rolle von Subsistenz, Familienstruktur und politischer Organisation in frühen Menschengesellschaften
- Die Entwicklung von Sozialverhalten und Kommunikation in frühen Menschengesellschaften
- Die Herausforderungen der Rekonstruktion der Menschheitsgeschichte anhand fossiler Funde
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung erläutert die Schwierigkeit, den Ursprung und die Entwicklung des menschlichen Zusammenlebens zu erforschen und führt die relevanten wissenschaftlichen Disziplinen ein. Es wird hervorgehoben, dass Erkenntnisse aus der Paläoanthropologie und der Biologie wichtige Einblicke in die Frühgeschichte der Menschheit liefern können.
Das Kapitel über die Erkenntnisse der Paläoanthropologie beleuchtet die Entstehung des Menschen aus der Perspektive fossiler Funde und analysiert die Herausforderungen bei der Rekonstruktion von sozialen Verhaltensweisen und Traditionen aufgrund der begrenzten Möglichkeiten der Fossilienanalyse.
Der Abschnitt über die Australopithecinen behandelt die Lebensweise und das Sozialverhalten von Australopithecus anamensis und Australopithecus afarensis. Es wird die Bedeutung des aufrechten Ganges, die Entwicklung von Nahrungssuchstrategien und die Notwendigkeit von Kommunikation in frühen Menschengesellschaften hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Die Kernthemen des Textfragments sind die Entstehung des Menschen, die Evolution des Sozialverhaltens, die Rekonstruktion der Menschheitsgeschichte durch Paläoanthropologie und die Bedeutung von fossilen Funden. Die Schlüsselbegriffe umfassen Australopithecinen, Homo rudolfensis, Homo habilis, Evolutionstheorie, Sozialverhalten, Kommunikation, Subsistenz, Familienstruktur, Paläoanthropologie und Fossilienanalyse.
- Quote paper
- Sabine Heil (Author), 2000, Vom Ursprung gesellschaftlichen Zusammenlebens der Menschen und den Selbsttäuschungen der Anthropologen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32147