Aimonts Gewissenskonflikt in Joachim II. von Simmerns "Die Haymonskinder" und dessen Umgehung

„vnd randt vunder seine kindt / als werent sie frembd vnd feindt gewesen.“


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

18 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Joachim II. von Simmern und sein Buch „Die Haymonskinder“

II. Die Haimondskinder
1.) Methodik
a) Rahmentheorie nach Goffman
b) Raumtheorie nach Löw
c) Zusammenfassung
2.) Kollektive
a) Definition und Merkmale
b) Die einzelne Figur in den Kollektiven
3.) Aimond und die Ardenienschlacht
4.) Zwischenfazit

III. Schlussbetrachtungen

IV. Literatur
1.) Primärliteratur
2. Sekundärliteratur

I. Joachim II. von Simmern und sein Buch „Die Haymonskinder“

Joachim II. von Simmerns Buch „Die Haymonskinder“ gehört zur Gattung der Empörergeste, da sich hierbei einige gegen die Herrschaft Karl des Großen auflehnen. Es gehört aber auch zu den Büchern, über die es kaum Forschungsliteratur gibt. Gerade mal ein gutes Dutzend an Sekundärliteratur findet man über die „Haymonskinder“ und der Großteil davon behandelt nur die Editonsgeschichte, nicht jedoch den eigentlich Text und genau an diesem Punkt setzt diese Hausarbeit an.

Ausgehend von der Methode der „Rahmentheorie“ Erving Goffmans und der „Raumtheorie“ Martina Löws, möchte ich folgender These nachgehen: Aymont steht außerhalb seines Kollektivs im Wald von Ardenien, weshalb er unfähig zum handeln ist. Hierbei werde ich seinen Gewissenskonflikt beschreiben, den er auf Grund seiner Zugehörigkeit zu verschiedenen, in Ardenien aufeinander prallenden Kollektiven hat beschreiben und wie er diesen umgehet.

Ich beziehe mich hierbei primär auf das Kapitel 27; für die Kollektive auf Kapitel 24 bis 28.

Zunächst werde ich die „Rahmentheorie“ und die „Raumtheorie“ erläutern und zeigen, wie ich gedenke diese auf den Text anzuwenden. Anschließend werde ich die verschiedenen Kollektive auflisten und zeigen, in welcher bzw. welchen Aymont zu finden ist, um abschließend zur Bearbeitung meiner oben genannten These zu kommen.

II. Die Haimondskinder

1.) Methodik

Im Folgenden werde ich nun auf die methodische Basis meiner Arbeit eingehen. Hierbei werde ich zunächst die „Rahmentheorie“ Ernest Goffmans und die „Raumtheorie“ Martina Löws erläutern. Anschließend werde ich beide Theorien zu einer eigenständigen Methode zusammenfassen, um diese auf den von mir behandelten Text anwenden zu können. [1]

a) Rahmentheorie nach Goffman

Ein Rahmen ist eine „soziologische Metapher zur Beschreibung von sozialen Sinnzusammenhängen“[2] die „sozial differenzierende und vereinheitlichende (identitätsstiftende) Grenzen beschreibt“.[3] Rahmen konstituieren und strukturieren also Welten zu bestimmten Verhältnissen und durch bestimmte Verhältnisse zur Umwelt. Ein Rahmen stellt somit eine Definition einer sozialen Situation dar.[4]

Sie zeugen von dem Gegenstand und von der ‚sozialen Tatsächlichkeit‘ des Gegenstandes, um den es Goffman geht: die strukturierten und strukturierenden Sinnimplikationen der Praxis als einem Geschehen, in dem ‚Normalität‘ von intuitiv wissenden Akteuren vorgestellt, unterstellt und dargestellt wird […].[5]

Rahmen dienen zur Identifizierung, Differenzierung und Relationierung von Kontexten[6], die die Serialität des sozialen Lebens erst ermöglichen.[7]

Der Rahmenbegriff zielt damit nicht nur auf Kontextbedingungen von Anwesenheit und in Anwesenheit, sondern auch auf das Verhältnis von Anwesenheit und Abwesenheit […]. Rahmen sind Sinntatsachen, die die Serialität des sozialen Lebens, die ‚Ketten‘ (Randal Collins) und Verkettungen von Handlungen und Interaktionen, ermöglichen und Strukturieren.[8]

Jedoch müssen die Rahmen von den Akteuren gekannt und erkannt werden und deshalb müssen sie auch von ihnen als Rahmen definiert werden.[9] Die Akteure müssen daher erst mal selber den Rahmen feststellen und dessen Sinn muss erst noch erzeugt werden; es handelt sich hierbei um Sinn erzeugende Strukturen.[10] Diese Erzeugung gelingt nur durch Verbalität und Performativität.[11]

Mit Hilfe sozialer Darstellungsformen zeigen sich Interagierende gegenseitig an, in welchen Handlungszusammenhängen sie sich zu befinden glauben und zugleich, in welche sie ihre Interaktionspartner einordnen.[12]

b) Raumtheorie nach Löw

Für Martina Löw ist Raum „eine rationale (An)Ordnung von Lebewesen und sozialen Gütern“.[13] Die Elemente von Räumen sind hierbei Lebewesen (vor allem die Anordnung von Menschen, die man in einem Raum erblickt[14] ) und soziale Güter, die diesen Raum konstituieren.[15]

Jede Konstitution von Raum, […], ist bestimmt durch die sozialen Güter und Menschen […] einerseits und durch die Verknüpfung derselben andererseits. Nur wenn man beide Aspekte, […] zueinander kennt, kann die Konstitution von Raum analysiert werden.[16] […] Die Untersuchung von Räumen erfordert also, die Verknüpfung sowie die verknüpfenden Elemente zu betrachten.[17]

Dies bedeutet auch, dass Räume durch die Anordnung von Menschen zueinander entstehen.[18] Diese Anordnung muss aktiv durch den Menschen erzeugt werden[19], was zur Schlussfolgerung führt, dass Räume nur durch aktives Handeln entstehen können.[20]

Räume werden im Handeln geschaffen, indem Objekte und Menschen synthetisiert und rational angeordnet werden. Dabei findet der Handlungsvollzug in vorarrangierten Räumen statt und geschieht im alltäglichen Handeln im Rückgriff auf institutionalisierte (An)Ordnungen und räumliche Strukturen.[21]

Die Konstitution von Räumen bringt also systematisch Orte hervor, die wiederum Räume entstehen lassen:

Ein Ort bezeichnet einen Platz, eine Stelle, konkret benennbar, meist geographisch markiert. Orte werden durch die Plazierung von sozialer Güter oder Menschen kenntlich gemacht, verschwinden aber nicht mit den Gütern/Menschen, sondern stehen dann für andere Besetzungen zur Verfügung. Der Ort ist somit Ziel und Resultat der Plazierung und nicht wie Güter/Menschen selbst palziertes Element. Orte können allerdings als Ensemble sozialer Güter in Synthesen eingehen. Die Konstitution von Raum bringt systematisch Orte hervor, so wie Orte die Entstehung von Raum erst möglich machen.[22]

c) Zusammenfassung

Es dürfte ersichtlich geworden sein, dass der Mensch selber im aktiven Umgang mit anderen Menschen einen Raum erschafft, indem er seinen Rahmen und seine Rahmung gemäß Goffman definiert, diesen kennt und erkennt. Wenn man also nun Goffman und Löw zusammen nimmt, bedeutet das, dass die aktive Herstellung eines Ortes, der einen Raum erzeugt, diesen durch den Menschen mit einem Rahmen und einer Rahmung gefüttert werden muss, der den Raum und den Rahmen definiert. Dies bedeutet, dass man, wenn man zum Beispiel einen höfischen zu einem nicht höfischen Raum machen möchte, diesen durch das Umdefinieren des ihn bestimmenden Rahmens zu einem solchen machen muss. Durch das aktive Handeln der einen Raum konstituierenden Handelnden muss dieses Umdefinieren des Rahmens stattfinden und von den beteiligten Akteuren auch als eine solche Umdefinierung erkennbar sein.

Was das für die von mir behandelte Textstelle bedeutet soll im Folgenden behandelt werden.

2.) Kollektive

Frühneuzeitliches Leben spielte sich weit mehr als heute kollektiv, in Gruppen und Verbände ab. Eine ausschließlich auf sich gestellte Existenz war kaum möglich.[23]

Im Folgenden werde ich nun die Merkmale diese das Leben regelnden[24] weiteren „Kreise der Sozialität“[25], die die „familiäre Existenz“ ergänzen,[26] beschreiben und die Rolle des „Individuums“ in diesen Kollektiven näher beleuchten.

a) Definition und Merkmale

Kollektive sind, zu mindestens in den Haimonskindern, eine Gruppe von Figuren, die durch erkennbare triuwe miteinander verbunden sind. Diese „erkennbare triuwe “ beruht primär auf drei Merkmalen, die im Text selber immer wieder auftauchen:

1. Merkmal: Kollektive ermöglichen eine friedliche Kommunikation. Im Kollektiv wird Rat gehalten und dieser wird ohne Widerspruch befolgt:

Der Keyer ber F ft die sein vnd sprach: Lieben herrn / last vns von dem nacheilen auffh = ren / es bedunckt mich vnuerfengklich sein / dann ich sehen wol vnsedre pferd seindt erl ( gen vnd fast m F d / lassent sie vor den teuffel hinreiten / dann wann Reynhardt schon mit der schwartzen kunst k F ndt / m = cht er nit meher volnbringen / dann er th G t. […] Allergnedigster Keyer srachen die F F rsten vnnd Herren: Was ewer Maiestat gebeut / das w = llen wir volnziehen.[27]

2. Merkmal: Kollektive erzeugen bzw. definieren Räume, von denen sie abhängig sind. Das Kollektiv errichtet aktiv einen Raum, in dem es seiner eigenen Definition gemäß so handeln darf, wie sie den Raum erschaffen haben.

[…] jr halt euch in welden / gleich wilden thieren das euch got eyn b = s jar gebe / […] [28]

3. Merkmal: Kollektive geben Handlungsoptionen und Handlungsanweisungen für den Einzelnen vor.

Da Reynhart sahe / das daß L ( ger auf was / ber F ft er zwentzig Ritter / vnd beualch jnen / den Troß eilents on lengern verzugk hinzuf F ren. Sie sprachen: Wir w = llen wie jr vns geheyssen haben th G n / […].[29]

[...]


[1] Hierbei werde ich nach der Zusammenfassung der Goffmanschen Theorie durch Herbert Willems vorgehen.

[2] s. Willems, Goffman, 30.

[3] s. Willems, Goffman, 31.

[4] vgl. Hufnagel, Helbrecht, 214.

[5] s. Willems, Goffman, 30.

[6] vgl. Willems, Goffman, 33.

[7] vgl. Willems, Goffman, 35.

[8] ebd.

[9] vgl. Willems, Goffman, 40.

[10] vgl. Hufnagel, Helmbrecht, 215.

[11] vgl. Hufnagel, Helmbrecht, 216.

[12] ebd.

[13] s. Löw, 154.

[14] ebd.

[15] vgl. Löw, 157.

[16] s. Löw, 155.

[17] s. Löw, 157

[18] vgl. Löw, 154.

[19] vgl. Löw, 158.

[20] vgl. Löw, 167.

[21] s. Löw, 204.

[22] s. Löw, 225.

[23] s. Münch, 273.

[24] vgl. Münch, 275.

[25] ebd.

[26] ebd.

[27] s. Haimonskinder, 89, 11-20.

[28] s. Haimonskinder, 93, 20-21; aber auch: Haimonskinder 89, 20-25.

[29] s. Haimonskinder, 87, 10-13; aber auch: Haimonskinder 85, 13-21; 86, 22-26; 89, 11-20.

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Details

Titel
Aimonts Gewissenskonflikt in Joachim II. von Simmerns "Die Haymonskinder" und dessen Umgehung
Untertitel
„vnd randt vunder seine kindt / als werent sie frembd vnd feindt gewesen.“
Hochschule
Universität Bayreuth
Autor
Jahr
2009
Seiten
18
Katalognummer
V321607
ISBN (eBook)
9783668210073
ISBN (Buch)
9783668210080
Dateigröße
745 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
aimonts, gewissenskonflikt, joachim, simmerns, haymonskinder, umgehung
Arbeit zitieren
Alexander Hinz (Autor:in), 2009, Aimonts Gewissenskonflikt in Joachim II. von Simmerns "Die Haymonskinder" und dessen Umgehung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/321607

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