Der Philhellenismus in der deutschen Literatur der vorrevolutionären Zeit. Zum Griechenlandbild in Leopold Schefers Novelle "Palmerio"


Hausarbeit, 2015

17 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die philhellenische Bewegung in Deutschland
2.1. Die Phasen des Philhellenismus in Deutschland
2.2. Die Quellen des Philhellenismus
2.3. Ausdrucksformen und Vertreter des deutschen Philhellenismus

3. Leopold Schefer und sein Werk Palmerio
3.1. Kurze Biographie
3.2. Palmerio

4. Das Bild Griechenlands
4.1. Einleitung
4.2. Die Landschaftsbeschreibungen
4.3. Die vermischte Identität

5. Das Motiv der Bigamie

6. Schlusswort

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Philhellenismus war eine europäische Bewegung mit literarischen und politischen Ausprägungen, der mit dem griechischen Befreiungskampf gegen das osmanische Reich mit Ziel die Gründung eines Nationalstaates verbunden ist. Der Versuch der Zersplitterung des osmanischen Reichs durch die Gründung eines Nationalstaates war ein Unternehmen, das die europäischen konservativen Kreisen zunächst bekämpfen wollten, besonders weil die europäischen Vielvölkerstaaten (hauptsächlich Österreich-Ungarn) sich vor ähnlichen Aufständen auf ihren Territorien fürchteten. Entgegen dem politischen Willen dieser Kreise, die sich hauptsächlich um die sogenannte Heilige Allianz und deren Seele, den österreichischen Außenminister Klemens Fürst von Metternich, versammelten, entwickelte sich unter dem Volk, aber auch unter den höheren Schichten der Gesellschaft, der Philhellenismus, der einen Kreis zur Unterstützung der griechischen Revolution bildete.

Im Rahmen des Philhellenismus wurden im deutschsprachigen Raum wichtige literarische Werke geboren. Wichtigster Vertreter des deutschen Philhellenismus war zweifellos der Dichter Wilhelm Müller, der schon in seiner Zeit wegen seiner „Griechenlieder“ mit dem Beinamen „Griechen-Müller“ bekannt wurde. Weniger bekannt ist der Dichter, Autor und Komponist Gottlob Leopold Immanuel Schefer und seine Novelle "Palmerio", mit welcher die vorliegende Arbeit sich befasst. Dieses philhellenische Werk entstand zwar 1823, d.h. zwei Jahre nach dem Ausbruch des griechischen Befreiungskriegs, spielt sich aber in der vorrevolutionären Zeit ab und basiert sich auf persönlichen Erfahrungen des Schriftstellers aus dem vorrevolutionären Griechenland[1]. Dieses Interesse an das neugriechische Volk schon vor dem Jahr 1821 beweist die (jedenfalls selbstverständliche) Hypothese, dass der europäische und deutsche Philhellenismus nicht etwa aus einer Parthenogenese entstand (zumal weil auch der Befreiungskrieg selbst aus keiner Parthenogenese entstand), sondern dass der Samen dieser Bewegung schon in der vorrevolutionären Zeit offensichtlich präsent war.

Vorliegende Arbeit befasst sich zunächst mit der Geschichte des Philhellenismus und dessen Ausprägungen in der deutschen Literatur der vorrevolutionären Zeit und im Weiteren mit dem Werk "Palmerio" von Leopold Schefer, das Bild Griechenlands als Teil des Orients und den literarischen Topos der Bigamie, der den Schriftsteller inspiriert hat.

2. Die philhellenische Bewegung in Deutschland

Obwohl der deutsche Philhellenismus hauptsächlich mit dem Ausbruch des Freiheitskampfs der Griechen im Jahre 1821 verbunden wird, wird im vorliegenden Kapitel (wie schon erwähnt wurde) hauptsächlich mit der Vorgeschichte der philhellenischen Bewegung befasst.

2.1. Die Phasen des Philhellenismus in Deutschland

Der Anfang des modernen Philhellenismus kann schon in 16. Jahrhundert auf Martin Crusius zurückgeführt werden. Ursprung dieser ersten Phase war die Zuneigung für die Griechen als Mitchristen, die unter das osmanische Joch lebten. Die zweite Phase dieses Frühphilhellenismus wird durch die Klassik ausgedrückt und basiert sich auf die Annahme, dass das Altgriechische mit dem Deutschen eine geistige innere Verwandtschaft hat, zumal nach Walter Rehm „Über das Griechische gelangen wir zu uns selber“[2].

Ausgangspunkt für den eigentlichen Philhellenismus in Europa und insbesondere in Deutschland war der erste bemerkenswerte Aufstand[3] der Griechen gegen die Türken im Jahr 1770, der im Rahmen der russischen Politik von Katharina II. ausgebrochen hat. Die russische Flotte besiegte die türkische bei Çeşme, aber die Türken unterdruckten den Aufstand in Peloponnes, da zum einen die Griechen nicht gut bewaffnet waren[4] und zum anderen nur ein Geschwader seitens der Russen zur Hilfe kam. Während der Philhellenismus der vorigen Perioden idealistisch und hauptsächlich antikenbezogen war, bezieht sich der Philhellenismus nach 1770 auf das zeitgenössische Griechenland und hat realistischen Inhalt[5]. Repräsentatives Werk dieser Periode und Markstein des Anfangs des eigentlichen Philhellenismus in Deutschland ist „Hyperion oder der Eremit in Griechenland“ von Friedrich Hölderlin. Weiterhin werden griechische Volkslieder über ihre französische Übersetzung durch Claude Fauriel bekannt und zwischen anderen auch von Goethe ins Deutsche übersetzt.

Mit dem Ausbruch des Befreiungskampfes der Griechen im Frühjahr 1821 löste sich die bedeutendste und dynamischste Phase des Philhellenismus aus, der zum einen von den Erfolgen der Griechen gegen die Türken in den Jahren 1821-1822 und zum anderen von den Gräueltäten der Türken gegen die griechische Bevölkerung, wie zum Beispiel der Massaker in Chios, verstärkt wurde. Der Begeisterung am Anfang der Revolution folgte eine Enttäuschung mehrerer Philhellenen, die nach Griechenland, um den griechischen Freiheitskampf zu unterstützen, reisten und dort sich mit der Realität konfrontierten, die fast nichts mit dem idealisierten Bild Griechenlands zu tun hatte. Das philhellenische Interesse war aber in Deutschland immer lebendig und wurde durch zahlreiche Artikel und Nachrichten über den griechischen Kampf unterstützt.

2.2. Die Quellen des Philhellenismus

Als erste Quelle des Philhellenismus gilt zweifellos die griechische Antike als Fundament der gesamten europäischen Kultur. Dementsprechend würde die Befreiung Griechenlands die Wiedergeburt des antiken Geistes bedeuten. Außerdem sah man im von Stadtstaaten bestehenden antiken Griechenland das Spiegelbild des in kleineren Staaten geteilten Deutschlands und zugleich eine klare Differenzierung vom Nationalfeind Frankreich, das sein Vorbild im Römischen Reich hatte[6].

Darüber hinaus trugen religiöse Gründe zur Entstehung der philhellenischen Bewegung bei. Der Kampf der Griechen gegen die Türken galt somit als Kampf des Christentums gegen das Islam, was in der philhellenischen Literatur offensichtlich ist. Dieser Aspekt war sehr wichtig und bat Nährboden für die Entwicklung des Philhellenismus, zumal auch noch die konservativen Mächte der Heiligen Allianz nicht ignorieren konnten, dass die Osmanen ein christliches Volk unterdrückten.

Das Ideal der Freiheit funktionierte schließlich als die dritte wichtige Quelle der philhellenischen Bewegung. Die liberal Gesinnten Deutschen, die sich in ihrer Heimat der Restauration nicht frei ausdrücken konnten, unterstützten mit allen ihren Kräften den griechischen Freiheitskampf als ihren eigenen Kampf gegen die autoritären Regimes.

Zur Forderung der philhellenischen Bewegung in Deutschland und allgemein in Europa trugen auch entscheidend die Griechen der Diaspora, durch ihre persönliche Beziehungen und berufliche Tätigkeiten im Ausland bei, während die Gräueltaten der Türken zum Aktion an der Seite der Griechen vorantrieben.

2.3. Ausdrucksformen und Vertreter des deutschen Philhellenismus

Die Initiative für die philhellenische Mobilisierung führt in der ersten Linie auf die Universitäten zurück, die schon früher eine führende Rolle im Befreiungskampf der Deutschen gegen Napoleon gespielt hatten. Liberal gesinnte Professoren hatten schon eine verhältnismäßige politische Macht und hinreichende Erfahrung gemacht, um einerseits die Volksmeinung zu beeinflussen und gestalten und zudem Spenden zu organisieren. Herausragende Rolle zwischen Anderen spielten B. Niebuhr in Berlin, F. W. Thiersch in München, W.T. Krug in Leipzig, die sich öffentlich für den griechischen Kampf äußerten. W.T. Krug verteidigte als erster Gelehrte schon zu Ostern 1821 die griechischen Rechte und nahm eine positive Stellung gegen das Thema der Legalität des griechischen Kampfes, während F.W. Thiersch in enger Verbindung mit Adamantios Korais und Ioannis Kapodistrias stand[7]. Darüber hinaus spielte die Presse mit Zeitungs- und Zeitschriftartikeln und durch andauerndem Nachrichtenfluss eine sehr wichtige Rolle in der Ausbreitung des Philhellenismus, obwohl sie oft Probleme mit der Zensur hatte.

Neben den politischen Schriften entwickelte sich eine sehr große literarische Produktion. Wesentliche Erscheinung der philhellenischen Lyrik sind die Übersetzungen ins Deutsch von zahlreichen griechischen Volksliedern, die, nebst der Verbindung mit dem griechischen Volksgeist nach Herders Ansicht, die Kontinuität zwischen Alt- und Neugriechen aufzeige[8]. Zur Bekanntschaft mit dem zeitgenössischen Land und Leute trägt ebenfalls die auf tatsächliche oder fantastische Reise nach Griechenland basierende Reiseliteratur bei.

Die Griechenlandreisen hatten schon seit dem 17. Jahrhundert als Ziel die Entdeckung des antiken Griechenlands durch den Besuch von antiken Stätten. Dabei wurde aber allen Reisenden klar, dass das zeitgenössische Bild von Griechenland geringe sogar auch keine Gemeinsamkeiten mit dem antiken ruhmvollen Bild des Landes aufwies. Entgegen dieser Auffassung, die allgemein vertreten wurde, stand das Werk vom französischen Reisenden Pierre Augustin Guys "Voyage littéraire de la Grèce" (1771), der die zeitgenössischen Griechen als Nachfolger der antiken Vorfahren anerkannte. Die meisten Werken der Reiseliteratur dieser Zeit (Ende des 18. - Anfang des 19. Jahrhunderts) mit Thema Griechenland stammen aus französischen Autoren und umfassen nicht nur Werke in der Form eines Reiseberichtes, sondern auch Werke, die als Thema fiktive Reisen haben (vgl. Abbé Jean-Jacques Barthélemy: Voyage du Jeune Anacharsis en Grèce)[9]. Zu dieser letzten Kategorie gehört auch das Werk Palmerio von Leopold Schefer.

Der Ausbruch der Revolution hatte eine enorme Resonanz in Deutschland. Gedichte für den griechischen Kampf werden in Zeitungen, Zeitschriften und Lyriksammlungen eingegliedert und haben eine enorme Wirkung auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung. Gustav Schwab, Hoffmann von Fallersleben, Wilhelm Müller, Adalbert von Chamisso, Wilhelm Waiblinger, Friederike Brun, Amalie von Helwig schrieben zahlreiche philhellenische Gedichte[10]. Thematisch sind diese Gedichte mit Ereignissen im Kampfplatz in Griechenland relevant und widerspiegeln den Eindruck und die Auswirkung von diesen Ereignissen.

[...]


[1] Mit dem Begriff "Griechenland" wird in vorliegender Arbeit nicht der neugriechische Staat gemeint, der 1822 mit der ersten griechischen Nationalversammlung gegründet wurde und ein bestimmtes Territorium und Anerkennung erst im Jahre 1830 erhielt. Vielmehr handelt es sich um dieses Territorium des Osmanischen Reichs, das vorwiegend von einer griechischsprachigen / christlich-orthodoxen Bevölkerung bewohnt wurde und in einem späteren Zeitpunkt größtenteils zum ersten griechischen Nationalstaat eingegliedert wurde.

[2] Rehm, Walter: Griechentum und Goethezeit. Bern 1938, S.17f, zitiert nach Mygdalis, Lambros: Der Philhellenismus in Deutschland. In: Europäischer Philhellenismus. Die europäische philhellenische Literatur bis zur 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hrsg. von Evangelos Konstantinou. Franfurt/M: Peter Lang 1992 (=Philhellenische Studien, B.2). S. 64

[3] Es gaben noch früher welche unbedeutenden Aufstände der Griechen, die sehr schnell von den Türken unterdrückt wurden, weil sie spontan und nicht organisiert waren.

[4] Sie verwendeten Hölzer, Steine, Harken und andere Bauerwerkzeuge als Waffen. Während dieses Aufstandes ist Theodoros Kolokotronis, einer der wichtigsten Anführer der 1821 Revolution, unter eine Kermeseiche von seiner verfolgten Mutter ins Leben gekommen, wie er selbst in seinen Memoiren erwähnt.

[5] Vgl. Mygdalis 1992: S. 64f.

[6] Vgl. Hess, Gilbert; Agazzi, Elena; Décultot, Elisabeth (2009): Vorwort. In: Graecomania. Der europäische Philhellenismus. Hrsg von Hess, Gilbert; Agazzi, Elena; Décultot, Elisabeth (2009). Berlin, New York: W. de Gruyter (Klassizistisch-romantische Kunst(t)räume, Bd. 1). S. XII

[7] Vgl. Δρούλια, Λ.: Ο φιλελληνισμός από το 1821 ως το 1823. Στο: Ιστορία του Ελληνικού Έθνους. Η Ελληνική Επανάσταση και η ιδρυση του Ελληνικού Κράτους. Εκδοτική Αθηνών. Τ. ΙΒ΄. S. 319 und Mygdalis 1992: 67f.

[8] Vgl. Maufroy, Sandrine: Die „Stimme des griechischen Volkes“: Sammlungen neugriechischer Volkslieder in Deutschland und Frankreich. In: Hess,G et al.: 2009, S. 350.

[9] Konstantinou, Evangelos: "Griechenlandbegeisterung und Philhellenismus". http://ieg-ego.eu/de/threads/modelle-und-stereotypen/griechenlandbegeisterung-und-philhellenismus#EuropischeGriechenlandreisendeundihreReiseberichte

[10] Scheitler, I. listet die wichtigsten Sammlungen auf in ihrem Aufsatz: Scheitler, Irmgard: Deutsche Philhellenenlyrik. Dichter, Veröffentlichungsformen, Motive. In: Evangelos Konstantinou (Hrsg): Ausdrucksformen des europäischen und internationalen Philhellenismus von 17-19. Jahthundert. Frankfurt/M: Peter Lang 2007. (=Philhellenische Studien Band 13).

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Details

Titel
Der Philhellenismus in der deutschen Literatur der vorrevolutionären Zeit. Zum Griechenlandbild in Leopold Schefers Novelle "Palmerio"
Autor
Jahr
2015
Seiten
17
Katalognummer
V321639
ISBN (eBook)
9783668210936
ISBN (Buch)
9783668210943
Dateigröße
1125 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
philhellenismus, literatur, zeit, griechenlandbild, leopold, schefers, novelle, palmerio
Arbeit zitieren
Efthymios Foivos Georgopoulos (Autor:in), 2015, Der Philhellenismus in der deutschen Literatur der vorrevolutionären Zeit. Zum Griechenlandbild in Leopold Schefers Novelle "Palmerio", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/321639

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