Das dialogische Prinzip. Zugänge für die Soziale Arbeit mit psychisch erkrankten Erwachsenen


Hausarbeit, 2015

13 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2 .Die Ausgangsbedingungen für eine dialogisch orientierte Soziale Arbeit

3. Der Dialog als sozialpädagogische Intervention und Grundlage

4. Der anthroposophische Ansatz einer professionellen Beziehungsgestaltung

5. Der Dialog in der psychoanalytischen Sozialen Arbeit

6. Schluß

7. Literatur – und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

In der ambulanten psychosozialen Begleitung psychisch erkrankter Erwachsener, dominiert das Gespräch die Begegnung, die gemeinhin auch als „aufsuchende Soziale Arbeit bezeichnet wird, wodurch schon ein Motiv professionellen Handelns erkennbar wird. Der Sozialarbeiter wartet bei dieser Unterstützungsform nicht, bis das hilfebedürftige Klientel einen „Begegnungsbedarf“ reklamiert. In wöchentlichen oder – abhängig vom jeweils individuellen Hilfebedarf – auch intensiverem Turnus, findet diese Begegnung statt, zumeist im Wohnumfeld der KlientInnen.

Zum Verständnis der Begegnungs – und Beziehungsgestaltung zwischen Professionellen und AdressatInnen weisen Psychotherapie, Pädagogik und Soziale Arbeit zum Teil höchst unterschiedliche Auffassungen auf. Beispielhaft sei erwähnt, dass SozialarbeiterInnen mit sozialtherapeutischer Qualifizierung die AdressatInnen ihrer Arbeit als PatientInnen be-zeichnen. Das ohnehin kaum vermeidbare Beziehungsgefälle wird dadurch allein schon sprachlich zementiert. Nachfolgend soll daher genauer auf dasjenige geblickt werden, welche Anschauungsmöglichkeiten vom Wesen und der Bedeutung des dialogischen Geschehens einer Sozialen Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen bestehen. Dies soll anhand eines anthroposophischen und psychoanalytischen Ansatzes dargestellt werden, was sicherlich in sozialwissenschaftlicher Hinsicht willkürlich erscheint, aber hier aufgrund des vorgegebenen Umfanges der Ausarbeitung erfolgt. Beide Ansätze werden zunächst eingebettet in das professionelle Selbstverständnis Sozialer Arbeit, wobei der Blick aus einer Beurteilung gegenwärtiger Rahmenbedingungen Sozialer Arbeit heraus erfolgt. Dies ist notwendig, da diese spürbar bis in die Mikroebene der AdressatInnenbeziehung hinein-wirken. Zur Verdeutlichung sei auf die mittlerweile von Kostenträgern geforderte, fast minutiös zu erbringende Leistungsdokumentation im Rahmen des Persönlichen Budgets verwiesen.

Im Zuge dieser Ausarbeitung kann keine methodische Auseinandersetzung mit der Gesprächsführung an sich geleistet werden. Auch die detaillierte Darstellung des anthroposophischen und psychoanalytischen Menschenbildes muss aus vorgenannten Gründen entfallen. Dagegen soll ein jeweils prägnanter Fokus auf das dialogische Geschehen zur individuellen Vertiefung anregen. Die Autoren Stemmer-Lück, Dörr und Blomaard u.a. bilden hierzu die Grundlage mit ihren Veröffentlichungen, die natürlich weit über das hier Dargestellte hinausgehen.

2 .Die Ausgangsbedingungen für eine dialogisch orientierte Soziale Arbeit

Im Verhältnis westlicher Gesellschaften zu psychischen Erkrankungen und den von ihnen betroffenen Mit-Menschen, sind institutionell, sozialpolitisch, ökonomisch, medizinisch, rechtlich und sozialwissenschaftlich seit der 1975 auf den Weg gebrachten sog. „Psychiatriereform“, Brüche, Umbrüche, Fortschritte, Stagnationen, Frustrationen und vielfältigste Diskurse zu verzeichnen. Diese blieben und bleiben bis dato nicht ohne Einfluss auf die Soziale Arbeit mit psychisch erkrankten Erwachsenen. Ob das Ziel, „(…) den psychisch erkrankten, marginalisierten Menschen auf sozialpolitischer Ebene Gehör zu verschaffen und ihre vollen Menschenrechte als Individuum zu erstreiten, damit auch sie als vollwertige Mitglieder eines Gemeinwesens an deren institutioneller Ordnung gleichberechtigt partizipieren können(…)“ erreicht wurde, oder ob es je erreicht wird, muss bezweifelt werden.(Dörr 2015,1). Tatsache ist aber das Aufkommen einer Vielfalt von Verortungssystemen Sozialer Arbeit, psychiatrischen und psychotherapeutischen Handelns, je nach Zuordnung in Sozialpsychiatrie, Gemeindepsychiatrie, stationären, teilstationären und ambulanten Versorgungsleistungen.

Dörr sieht darin eine „Gefährdung sozialpsychiatrischer Denkweisen“, denn: „(…) War schon in ihren Anfängen (der Sozialpsychiatrie / Anm. d. Verf.) die Ausweitung der teilstationären und ambulanten Versorgung vor allem der für sie günstigen „Nutzen-Kosten-Evaluation“ (Ciompi, 1985) geschuldet, so wird der Ruf nach weiteren angeblich Kosten sparenden Maßnahmen deutlich lauter, auf den die biologisch einäugige Psychiatrie erneut bereitwillig als „Retterin“ reagiert, was einen tendenziellen Rückfall in das alte sozialdarwinistische psychiatrische (Selektions-) Denken nach sich zu ziehen droht(…)“(ebd.,3).

Und sie verweist auf Dörner, der das größte Defizit darin sehe, „(…) dass die ambulanten und stationären Angebote noch immer nicht hinreichend verzahnt sind und die Elemente des medizinischen und soziale Teilsystems der Versorgung nicht zuletzt aufgrund unterschiedlicher Traditionen und Denkweisen oder gar konkurrierender Eigeninteressen sich weiterhin „gegenseitig fremdgeblieben“ seien und konstatiert: „(…) Die Sozialpsychiatrie ist nicht bis in die Lebenswelt jedes einzelnen Patienten durchgeschlagen, sie ist nicht hinreichend praktisch geworden (Dörner,2010)(…)“ (ebd.,5). Gleichwohl bieten sich Chancen mit der zunehmenden Ambulantisierung vormals ausschließlich im stationär - institutionellen Kontext erbrachter „Fürsorgeleistungen“, die nunmehr als Teilhabeleistungen für behinderte Menschen erbracht werden. Sozialpolitisch – und rechtlich kam dies u.a. mit der Neuordnung des Sozialrechts vom BSHG zum SGB XII und der darin enthaltenen Eingliederungshilfe zum Ausdruck, in dem Schütte zum einen „(…) das Resultat einer langen Entwicklung in Deutschland(…)“ sieht, „(…) die eine rechtlich gesteuerte Intervention bei benachteiligenden, also „hilfe-bedürftigen“ Lebenslagen in den Kreis nun selbstverständlicher Staatsaufgaben hineinwachsen ließ(…)“ (Schütte 2011, 20ff.). Selbstbestimmte Lebensführung, das Erheben des Anspruchs auf Teilhabe, die Verwirklichung einer „inklusiven“ Gesellschaft, prägen die – wie Dörr es nennt: Verfassheit des Sozialen: „(…) Und doch ist es gerade „das Soziale“ selbst, das zu einer großen Herausforderung für die Sozialpsychiatrie und gleichlaufend auch für die Soziale Arbeit wird(…): Denn, die sich derzeit potenzierende Dynamisierung gesellschaftlicher Verhältnisse (zwecks Kapitalakkumulation und – zirkulation) hat zu einer Beschleunigung des sozialen Wandels und damit zu einer rasanten Veränderung von Werten, Lebensstilen und Beziehungen in einer Weise geführt, dass systematisch gelingendes, menschliches Leben erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht wird(…)“(Dörr 2015, 5). Der einzelne Mensch würde, so Dörr weiter, „(…)als Zurechnungspunkt seiner Lebensgeschichte vermehrt zur Verantwortung gezogen, was sich semantisch in der Zunahme des Gebrauchs des Präfix – „Selbst“- Management, „Selbst“-Optimierung, „Ich“-AG etc.(…) ausdrückt – dies aber ohne (das/Erg: d. Verf.)) sozialstrukturelle Problem der Freisetzung – im Sinne der sozialen Einbettung und des sozialen Ausgesetztseins (Giddens, 1995) zu thematisieren und die soziostrukturellen, kultur-, milieuspezifischen und individuellen Voraussetzungen zur Ermöglichung von „Selbststeuerung“ und „Selbstkontrolle“ hinreichend zur Verfügung zu stellen. Stattdessen wird die/der Einzelne mit der Forderung konfrontiert, sich als biografisch flexibles, veränderungsbereites Subjekt zu präsentieren, um beruflich oder gesellschaftlich Erfolg haben zu können(…)“(ebd., 6). Dabei würde der Mensch als Subjekt zur permanenten Auseinandersetzung mit sich selbst gezwungen, durch prekäre Arbeits – und Lebensbedingungen und den daraus folgenden Konsequenzen unter Spannung gesetzt, an denen er schließlich zu scheitern drohe. Jeder, der nicht auf diejenigen Ressourcen zugreifen kann, die ihn zu einer Bewältigung dieser Lebensrealitäten befähigen, wird an diesen scheitern, erfährt Exklusion statt Integration, „(…)dem wird die Aufforderung, eigene Initiative zu ergreifen und vom eigenen Können Gebrauch zu machen(als „klassische“ Forderungen des Empowerment/Anm.d.Verf.), unverständlich bleiben und überfordern(…)“(ebd.).

Böhnisch, Schröer und Thiersch folgend – so Dörr weiter – ließen sich lebensweltlich orientierte Hilfen zur Bewältigung jener Problemlagen, „(…) nicht in ein enges personenzentriertes Korsett(…)“ fassen, „(…) sondern müssen als hilfegenerierendes Modell anerkannt werden, dessen Durchsetzung und Gestaltung nicht ohne sozialpolitische Entsprechung möglich ist (…)“(ebd.,7). Soziale Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen habe mit dem Ausschluss „von den Möglichkeiten einer selbstbestimmten Lebensführung zutun“, jedoch – so macht Dörr aufmerksam: „(…) Aber welche Möglichkeiten der Begleitung, Unterstützung und Beratung kann die Profession Sozialer Arbeit psychisch erkrankten Menschen eröffnen angesichts der Tatsache, dass die Fachkräfte und ihre psychisch erkrankten Adressatinnen und Adressaten gleichermaßen mit den Veränderungen der Verfassheit des Sozialen, der neoliberalen Sozialpolitik, mit Diskursen, die einseitig auf Empowerment der Betroffenen zielen und zugleich mit hegemonialen biomedizinischen und psychologischen Diskursen zu psychischen Störungen konfrontiert sind, die sie gar selber inkorporiert haben?(…)“(ebd.). Mit Verweis auf Wohlfahrt und Dahme, sei daher auch zu hinterfragen, inwieweit mit den vermeintlichen Aufgaben (und Methoden/Anm.d.Verf.) Sozialer Arbeit wie Aktivierung, Empowerment etc. statt traditioneller Sozialer Aufgaben nicht eher eine Durchsetzung „aktivierender Sozialpolitik“ verfolgt wird: „(…) Soziale Arbeit als Aktivierung ist „nicht länger als generelle Unterstützung der Lebensbewältigung zu verstehen, sondern als Verlängerung des sozialstaatlichen Ziels der Investition in diejenigen, die einen produktiven Beitrag zum „Gemeinwohl“ beizutragen haben(…)“(ebd., 8).

Von der Umsetzung der hehren Ziele der UN – Behindertenrechtskonvention, besonders dem zentralen Postulat nach Schaffung inklusiver Gesellschaften, ist Soziale Arbeit als professioneller Akteur weit entfernt, ohne die unbestrittenen Fortschritte damit negieren zu wollen. Eine derart kritische Bestandsaufnahme ließe sich auch für die Psychotherapie erstellen, die zum Beispiel von seit Jahren andauernder schlechter Versorgungslage gekennzeichnet ist, bei gleichzeitig zunehmendem Bedarf. Auch wenn Soziale Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen per se nicht therapeutisch, schon gar nicht psychothera-peutisch intendiert ist, bleibt die Frage nach der Einordnung der individuellen Begegnung, der Auseinandersetzung, der „Hilfe – und Unterstützungsleistung“ für und mit dem Klientel bestehen: was weist über die „Anwaltschaftlichkeit“, „Solidarität“, „Not entdecken und öffentlich machen“ hinaus, wo entstehen Wirksamkeiten jenseits eines methodischen Handelns? Folgt man Winkler – hier nach Darstellung durch Dörr – so habe ein „(…)sozialpädagogisches Denken in pragmatischer Absicht (…) grundsätzlich mit der Überlegung zu beginnen, „wie ein Ort beschaffen sein muss, damit ein Subjekt als Subjekt an ihm leben und sich entwickeln kann, damit er auch als Lebensbedingung vom Subjekt kontrolliert wird“(…)“(ebd.,9). Und mit Verweis auf Siegrist fährt Dörr fort: „(…) Dies gilt vor allem für jene Gruppe chronisch psychisch erkrankter Menschen, die verstärkt auf gesellschaftliche Antworten auf ihre Erkrankung treffen, durch die sie in ihren Gelegenheiten zur Erfahrung von Selbstwirksamkeit über ein erfolgreiches Handeln in der Alltagswelt, zur Erfahrung des Selbstwertes über Rückmeldungen durch signifikante andere sowie Erfahrungen der Selbst-Einbindung über eine Integration in eine größere Gemeinschaft erheblich eingeschränkt sind und werden (Siegrist, 1997, 102f.) Sie erfahren Diskriminierungs – und Ausgrenzungspraktiken mit weitreichenden Konsequenzen. Diese Ausgrenzungen sind keineswegs nur ökonomisch zu fassen, sondern wie oben bereits hervorgehoben, in gesellschaftlichen Ordnungs-, Denk – und Handlungsmustern sedimentiert(…)“(ebd.).

[...]

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Details

Titel
Das dialogische Prinzip. Zugänge für die Soziale Arbeit mit psychisch erkrankten Erwachsenen
Hochschule
Hochschule RheinMain  (Sozialwesen)
Veranstaltung
Theorie und Gegenstandsgeschichte der Sozialen Arbeit
Autor
Jahr
2015
Seiten
13
Katalognummer
V321689
ISBN (eBook)
9783668210554
ISBN (Buch)
9783668210561
Dateigröße
618 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
prinzip, zugänge, soziale, arbeit, erwachsenen
Arbeit zitieren
Thomas Schwarz (Autor:in), 2015, Das dialogische Prinzip. Zugänge für die Soziale Arbeit mit psychisch erkrankten Erwachsenen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/321689

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