Welchen Beitrag können Supervision und Coaching zu einer gesunden Organisation und gesundheitsfördernden Führung leisten? Dieser Frage gehen die Autorinnen Bettina Bickel und Gabriela Demmelbauer in „Supervision und Coaching im Spannungsfeld Gesundheit“ sowohl theoretisch als auch praktisch nach.
Psychische Erkrankungen sind in der Gesellschaft oftmals noch ein Tabuthema. Doch dass das Arbeitsumfeld sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte psychisch krank machen kann, ist aufgrund der steigenden Zahl an Krankmeldungen nicht von der Hand zu weisen. Supervision und Coaching dienen, neben der betrieblichen Gesundheitsförderung und Präventionsangeboten, als Ergänzung zur Förderung und Organisationsentwicklung. Durch den Einblick in das Innenleben einer Organisation sowie die Optimierung des Miteinanders kann die Gesundheit aller positiv beeinflusst werden.
Wie das in einem Unternehmen funktioniert, zeigen die Autorinnen anhand ausgewählter Praxisbeispiele. Sie schärfen das Verständnis dafür, was Supervision und Coaching leisten können - und was nicht. Und was Gesundheit mit Führung zu tun hat.
Das Buch richtet sich an Führungskräfte, Fachkräfte und Teams, die in Organisationen arbeiten und ein gesundes Miteinander anstreben.
Bettina Bickel ist Klinische und Gesundheitspsychologin und Gabriela Demmelbauer examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin. Ihre langjährigen Erfahrungen ermöglichen ihnen verschiedene Zugänge zum Thema „psychische und körperliche Gesundheit“. Heute sind beide als freiberufliche Supervisorinnen und Coaches tätig.
Abstract
Dieses Buch entstand aufbauend auf einer Abschlussarbeit in deren Rahmen mittels Fallstudien Beiträge von Supervision und Coaching zum Thema Gesundheit auf den Ebenen Organisation und Führungskräfte exemplarisch aufgezeigt wurden.
In Beratungsprozessen hat sich gezeigt, dass das Thema Gesundheit in verschiedenen Formen auftaucht, unabhängig vom Auftrag. Es stellen sich Fragen der Verantwortung für Gesundheit in einer Organisation.
Ziel ist die Einordnung des Verständnisses von Supervision und Coaching als Beratungsformate beim Thema Gesundheit. Dazu dient die Auseinandersetzung mit Definitionen und Abgrenzung, was Supervision und Coaching inhaltlich oder formal nicht leisten kann. Es geht um die Berücksichtigung aktueller Veränderungen in der Arbeitswelt und die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung.
Vorwort
Grundlage für dieses Buch war die Abschlussarbeit im Masterlehrgang Supervision und Coaching 2015 mit dem gleichnamigen Titel, welche von Frau Dr.in Brigitte Hausinger betreut wurde. Sie war Inspiration, Vorbild und hat uns wichtige Hinweise zur Begrenzung der umfangreichen Thematik gegeben. Wir möchten ihr daher diese Veröffentlichung widmen.
Aufgrund unserer eigenen Herkunftsberufe als Klinische- und Gesundheits-psychologin, sowie examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin steht die psychische und körperliche Gesundheit im Fokus unserer täglichen Arbeit. Die langjährigen Erfahrungen in Bereichen der sozialen Ein-richtungen und im Gesundheitswesen ermöglichen uns einen Einblick in die Materie der Gesundheit mit verschiedenen Zugängen. Im gemeinsamen, auch kritischen Austausch über unsere Tätigkeiten ent-deckten wir viele Parallelen, die uns verbinden. Seit Beginn des Master-lehrgangs Supervision und Coaching 2013 begegnet uns die Thematik Gesundheit aus einem weiteren Blickwinkel. Dieses Mal geht es nicht um unsere Klienten und Klientinnen oder Patienten und Patientinnen, die wir betreuen und versorgen, sondern um Führungskräfte, Fachkräfte und Teams, die in Organisationen arbeiten und eine externe Beratung aus verschiedenen Anlässen in Anspruch nehmen. Die Auseinandersetzung mit Gesundheit in den Seminaren, die Erfahrungen aus unseren ersten Beratungsprozessen und der Besuch der ÖVS Fachtagung „Supervision im Krankenhaus“ im Januar 2014 war für uns ausschlaggebend unsere Abschlussarbeit in diesem Themenbereich anzusiedeln.
Graz, Bad Reichenhall, Mai 2016
Bettina Bickel und Gabriela Demmelbauer
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ... 3
1. Einleitung ... 4
1.1 Gesundheit (Gabriela Demmelbauer) ... 4
1.2 Supervision (Bettina Bickel) ... 6
2. Theoretische Ansätze und Modelle ... 10
2.1 Salutogene Organisationskultur (Bettina Bickel) ... 10
2.1.1 Das Salutogenese Modell ... 11
2.1.2 Resilienz und Ressourcenorientierung ... 13
2.1.3 Salutogene Organisationskultur ... 16
2.1.4 Die Achtsame Organisation ... 20
2.1.5 Psychische Belastungsfaktoren in der Organisation ... 23
2.1.6 Zusammenfassung ... 25
2.2 Gesundheitsfördernde Führung (Gabriela Demmelbauer) ... 25
2.2.1 Was hat Gesundheit mit Führung zu tun? ... 26
2.2.2 Führung ist mehr als Professionalität im Grundberuf ... 27
2.2.3 Gute Führung ... 28
2.2.4 Achtsam Führen – in erster Linie sich selbst ... 30
2.2.5 Vorbild und Autorität ... 31
2.2.6 Gesunde Führung – alter Wein in neuen Schläuchen? ... 32
2.2.7 Wenn Führen, warum nicht gleich gesund? ... 33
2.2.8 Zehn Schlüsselfaktoren für Gesundes Führen ... 34
2.2.9 Führungskräfte sind keine Helden ... 45
3. Ansatzpunkte für Supervision und Coaching an Hand von Praxisbeispielen ... 47
3.1 Die Ebene der Organisation (Bettina Bickel) ... 47
3.1.1 Gesundheit als Thema ... 48
3.1.2 Die Organisationale Einbindung ... 53
3.1.3 Ein Resümee hinsichtlich der Ebene Organisation ... 68
3.2 Die Ebene der Führungskräfte (Gabriela Demmelbauer) ... 70
3.2.1 Beratungsformate ... 71
3.2.2 Praxisbeispiele ... 74
3.2.3 Persönliche Stolpersteine ... 86
4. Diskussion und Ausblick ... 88
5. Literatur- und Quellenverzeichnis ... 96
[...]
1. Einleitung
1.1 Gesundheit
Die Menschen des 21. Jahrhunderts legen mehr Wert darauf gesund zu leben und fit zu bleiben. Die Gesundheit scheint in der Gesellschaft ein Megatrend zu sein. Die anhaltende Aktualität zeigt sich in verschiedenen Facetten. Es gehört zum Lebensstil sich (über-)gesund zu ernähren, Sport zu (über-)treiben, Spa Hotels und Gesundheitsmessen erleben ihre Hoch-konjunktur. Auch das Gesundheitswesen bleibt von Modetrends nicht aus-geschlossen. Die durch das Gesundheitssystem reduzierte Handlungs-möglichkeit der Mediziner und Medizinerinnen führt zu einer Reparatur-medizin, die durch boomende Präventionsangebote erweitert wird. Die Welle der Gesundheitsförderung ist auch in der Arbeitswelt längst spürbar. Unternehmen bieten verschiedene Möglichkeiten Betriebssport zu treiben, Einzelaktivitäten für den Körper und gesundes Essen in der Kantine unter dem Titel der Betrieblichen Gesundheitsförderung an. Es spricht nichts da-gegen, dass Menschen und Betriebe auf die Gesundheit von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen achten, insbesondere hinsichtlich der zunehmenden körperlichen Krankheiten unserer Zeit, deren Vorbeugung und Reduktion. Fraglich ist nur, in wie weit diese Herangehensweise ausreichend ist, um den Ursachen der bekannten steigenden Zahlen der psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft entgegen zu steuern.
Das geistige und soziale Wohlbefinden lässt sich nur schwer durch körper-liche Präventionsmaßnahmen fördern oder wiederherstellen. Das alle Menschen eine Psyche haben und diese krank machen kann, ist zum Teil immer noch ein Tabuthema. Ebenso wie das Miteinander in den Betrieben auch krank machende Wirkungen haben kann (Matyssek, 2012).
Statistiken der Krankenkassen belegen seit Jahren einen bedeutenden Anstieg psychischer Diagnosen als Ursache von Arbeitsunfähigkeit. In den vergangenen zehn Jahren erhöhte sich diese Zahl um beinahe hundert Prozent. Mentale Ansprüche an Berufstätige nehmen zu. Die Arbeit ist heute vielfach von hohem Aufwand, Zeitdruck, wachsender Komplexität gekennzeichnet. Immer mehr jüngere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen verlieren ihre psychische Balance innerhalb der sich wandelnden Arbeitswelt. Psychische Belastungen sind Hauptursache für Frühberentungen. (pro homine, 2014)
Diese alarmierenden Entwicklungen lassen Fragen nach Ursachen, Folgen und Lösungen dieses Zustandes aufkommen. Bedeutend ist diese Thematik schon alleine wegen den Herausforderungen denen sich die Gesellschaft als Folge des demographischen Wandels zukünftig stellen muss, mit der daraus resultierenden sich verändernden Altersstruktur der Bevölkerung und einem Mangel an Fachkräften der schon heute in manchen Bereichen spürbar ist. Ein längeres, physisch und psychisch leistungsfähiges, möglichst gesundes Verbleiben im Arbeitsleben soll eine der Lösungen für dieses Fehlen an Fachkräften sein. Zeit zur ernsthaften Sorge ist angesagt, ein angemessener, differenzierter Umgang mit den Problemen und Möglichkeiten von Organisationen und Erwerbstätigen sollte gefunden werden (Hausinger, 2013).
Nach der Weltgesundheitsorganisation ist Gesundheit als ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen definiert (Wikipedia, 2015a). Die Definition der Weltgesundheitsorganisation zeigt, dass sich Gesundheit nicht allein über objektive Faktoren, sondern auch über die subjektive Wahrnehmung des Menschen erfassen lässt. Egal welches Element dieses persönlichen und gesellschaftlichen Wertes betrachtet wird, erst der Verlust und dessen Auswirkungen zeigen die Wichtigkeit von Gesundheit auf.
Welchen Stellenwert Gesundheit im Unternehmen hat und wie damit tatsächlich umgegangen wird, könnte ein Ansatz sein, um in einen Dialog über die Problematiken der Arbeitswelt unserer Zeit zu treten. Ein nach-haltiges betriebliches Gesundheitsmanagement verpflichtet nicht nur die Beschäftigten für ihre Gesundheit mehr zu tun, sondern berücksichtigt auch betriebliche Rahmenbedingungen und die Organisationskultur sowie deren gesundheitsgerechte Gestaltung. Welche Rolle dabei Beratungs-formate wie Supervision und Coaching einnehmen und welchen Beitrag diese dazu leisten können, wird in der vorliegenden Arbeit näher beleuchtet.
Die Begleitung der Beratungsprozesse in der Rolle der Supervisoren und Supervisorinnen erlaubt ein genaueres Hinsehen in das Innenleben einer Organisation und in Supervisionen und Coachings spiegelt sich die Gesundheit der Beschäftigten in unterschiedlichen Aspekten wieder. „Supervision sieht und hört viel“ und zieht Erkenntnisse daraus. (Hausinger, 2013, S.77)
1.2 Supervision
Die Erfahrungen aus Supervisions- und Coachingsprozessen bilden an Hand der gewählten Beispiele ab, dass das Thema Gesundheit in ver-schiedenen Formen in den Beratungen sichtbar wird, unabhängig vom Auftrag zu Beginn der Prozesse. Es stellen sich dabei Fragen der Verant-wortung für Gesundheit in einer Organisation von Seiten der Führungs-kräfte und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Was Supervision und Coaching zu einer gesunden Organisation und gesundheitsfördernder Führung beitragen kann, ist daher die Frage-stellung mit der sich diese Arbeit vertiefend befassen wird.
Das Ziel ist die Einordnung des Verständnisses von Supervision und Coaching als Beratungsformate beim Thema Gesundheit. Dazu dient auch die Auseinandersetzung mit Supervisions- und Coachingdefinitionen.
Weitere Überlegungen gelten der Abgrenzung, was Supervision und Coaching inhaltlich oder formal nicht leisten kann, wie beispielsweise hinsichtlich Arbeitsverdichtung, Selbstoptimierung von Mitarbeitern, Mitarbeiterinnen und Führungskräften beziehungsweise die bessere Passung anderer Beratungsformate.
Ausgegangen wird von den Definitionen von Supervision und Coaching der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching (ÖVS), sowie der Deutschen Gesellschaft für Supervision e.V. (DGSv).
Die Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching definiert (2015):
Supervision ist die professionelle Beratungsmethode für alle beruflichen Herausforderungen von Einzelpersonen, Teams bzw. Gruppen und Organisationen.
Ziel von Supervision ist es, im Einzelgespräch, im Team oder in der Gruppe berufliche Situationen zu reflektieren und die Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu befähigen, die damit verbundenen Probleme und Herausforderungen konstruktiv zu bewältigen, Konflikte zu lösen und Veränderungsprozesse aktiv zu steuern.
Coaching ist eine spezielle Form von Supervision, die sich primär an Einzelpersonen mit Führungsaufgaben wendet.
Coaching arbeitet mit spezifischer Zielformulierung, Methodik und Vorgangsweise. Charakteristisch ist dabei die themenspezifische Unterstützung durch eine begrenzte Anzahl von Beratungen sowie die Vermittlung von Fähigkeiten in kurzen Trainingsfrequenzen.
Die Deutsche Gesellschaft für Supervision e.V. verwendet folgende Definition (2012):
Supervision ist ein wissenschaftlich fundiertes, praxisorientiertes und ethisch gebundenes Konzept für personen- und organisationsbezogene Beratung in der Arbeitswelt. Sie ist eine wirksame Beratungsform in Situationen hoher Komplexität, Differenziertheit und dynamischer Veränderungen. In der Supervision werden Fragen, Problemfelder, Konflikte und Fallbeispiele aus dem beruflichen Alltag thematisiert.
Auf die Themen Arbeitsanforderungen und Gesundheit wird in den Definitionen der beiden Berufsverbände noch zusätzlich konkret einge-gangen, so verweist die Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching (2015) in ihrer Definition von Supervision speziell darauf, dass „unter Anleitung einer/eines Supervisorin/Supervisors werden Fragen und Themen, die sich aus den Anforderungen des Berufs ergeben reflektiert, geklärt und zukünftige alternative Handlungsmöglichkeiten erarbeitet.“
Die Deutsche Gesellschaft für Supervision e.V. (2012, S. 8) sieht „Super-vision als Profession gebunden an gesellschaftliche Verantwortung für Bildung, Gesundheit, Grundrechte, Demokratie, Gerechtigkeit, Frieden und nachhaltige Entwicklung.“
Hausinger und Volk (2013) setzen sich in ihrem Artikel zur Abgrenzungs-debatte von Supervision und Coaching mit der zunehmenden Komplexität und Subjektivierung in Gesellschaft und Arbeitswelt als Referenzpunkte für diese Beratungsformate auseinander. Badura und Steinke (2011) sprechen in Zusammenhang mit diesen Veränderungen von der „erschöpften Arbeitswelt“.
Diese gesellschaftlichen Entwicklungen haben wesentlichen Einfluss auf Organisations- und Arbeitsformen und führen laut Hausinger und Volk (2013) unter anderem zu zunehmenden Anforderungen an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hinsichtlich Selbstorganisation und Selbstfürsorge.
Unter Bezugnahme auf die bisherigen Erläuterungen zu Zusammen-hängen von Arbeitsbedingungen und Gesundheit, sowie unter Berück-sichtigung theoretischer Konzepte wie dem Salutogenese Modell, Modellen zu salutogener oder achtsamer Organisationskultur und Führung, aber auch Forschungsergebnissen zu Arbeitsbelastungen verstärken gerade diese gesellschaftlichen Veränderungen mit Auswirkungen auf die Arbeits-welten die Relevanz des Themas Gesundheit und die Notwendigkeit der Auseinandersetzung damit als Supervisoren, Supervisorinnen und Coaches.
Aufgrund der umfangreichen Literatur zu den Themenbereichen Gesund-heit und Führung erfolgt eine differenziertere Erörterung der Fragestellung aus den zwei Perspektiven Organisation und Führungskräfte, ebenso wie an Hand von Praxisbeispielen aus dem Non Profit- und Profit-Bereich. Mit dieser Mehrperspektivität soll einerseits der Arbeitsweise in den Beratungsformaten Supervision und Coaching entsprochen und andererseits die Anforderungen aus gesellschaftlichen Entwicklungen auf den Ebenen Strukturen und Inhalte der Arbeitswelt, sowie Individuen (Hausinger & Volk, 2013) aufgezeigt werden.
In Diskussion und Ausblick werden neben einer Integration der Perspektiven und Themenbereiche, offene Fragen und Anregungen für weitere Forschungsvorhaben gesammelt und angerissen.
2. Theoretische Ansätze und Modelle
Nach der Begriffsklärung und Definition von Gesundheit, Supervision und Coaching werden verschiedene Theorien und Forschungsbefunde aus der Fachliteratur als theoretische Grundlagen, Basis für Interventionen und Ansatzpunkte von Supervision und Coaching in weiterer Folge dargestellt.
Der erste Teil dieses Kapitels beschäftigt sich mit grundlegenden Konzepten wie dem Salutogenese Modell und dem Begriff Resilienz, sowie mit Merkmalen salutogener und achtsamer Organisationen.
Im zweiten Teil erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang von Gesundheit und Führung, Führungskompetenzen, sowie mit unter-schiedlichen Führungskonzepten unter Berücksichtigung von Achtsamkeit, Autorität und gesunder Führung. Darüber hinaus werden zehn Schlüssel-faktoren für Gesundes Führen vorgestellt.
2.1 Salutogene Organisationskultur
Veränderungen in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt führen zu zunehmendem Druck und Belastungen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, sowie zunehmenden Anforderungen an den und die Einzelnen. Dem gegenüber stehen die Verantwortung von Organisationen und systemische Einflussfaktoren in Unternehmen. So wird beispielsweise in der Publikation „Die erschöpfte Arbeitswelt“ von Badura und Steinke (2011) im Vorwort auf die Bedeutung der Perspektive der Organisation und des Blicks auf kollektive Prozesse für die Leistung von Unternehmen und Belastungen Einzelner verwiesen.
Um diesem Organisationskontext Rechnung zu tragen, werden ausgehend vom Salutogenese Modell von Antonovsky, sowie den Konzepten Resilienz und Ressourcenorientierung Merkmale und Kriterien von Organisationen und Arbeitsbedingungen im Sinne von gesundheitsfördernden Rahmen-bedingungen in Folge thematisiert.
2.1.1 Das Salutogenese Modell
Das Modell der Salutogenese von Antonovsky (1981 zitiert nach Falter-maier, 1994) setzt sich mit dem Gesundheits- und Krankheitsbegriff aus-einander. Im Gegensatz zu defizitorientierten Krankheitsmodellen stehen nicht mehr potentielle Risiken im Mittelpunkt, sondern die personalen und sozialen Ressourcen und protektiven Faktoren, die Menschen gesund er-halten, sogenannte Coping-Strategien. Gesundheit wird in diesem Modell als aktiver und dynamischer Prozess verstanden und mit dem Begriff Salutogenese ist nicht nur die Entstehung und Erhaltung von Gesundheit gemeint, sondern die sich verändernde Ausprägung von Gesundheit und Krankheit.
Abbildung 1 auf der folgenden Seite zeigt die wichtigsten Komponenten des Salutogenese Modells.
[Dies ist eine Leseprobe. Abbildungen sind nicht enthalten.]
Abbildung 1: Modell der Salutogenese (Antonovsky, 1981 zitiert nach Faltermaier, 1994, S.49)
Ein wesentlicher Teil im Modell der Salutogenese stellt das Gesundheits-Krankheits-Kontinuum dar, mit den beiden Polen Gesundheit und Krankheit. Die Position, die eine Person auf diesem Kontinuum einnimmt, hängt stark von der Ausprägung ihres Kohärenzsinns („sense of coherence“) ab.
Der Kohärenzsinn stellt eine kognitive und affektiv-motivationale Grundeinstellung in Bezug auf die Einschätzung eigener Fähigkeiten bei der Bewältigung von Anforderungen dar (Bengel, Strittmatter & Willmann, 2001). Er kann als übergreifende Fähigkeit gesehen werden, potentielle Stressoren zu bewältigen und besteht aus drei Komponenten: der Verstehbarkeit, der Bewältigbarkeit und der Sinnhaftigkeit.
Die Verstehbarkeit bezieht sich auf Merkmale von Situationen oder Reizen und den darin enthaltenen Informationen und entspricht somit einer kognitiven Komponente des Kohärenzsinnes.
Die Bewältigbarkeit betrifft die subjektive Wahrnehmung der Anforderungen im Vergleich zu den eigenen Ressourcen und die Sinnhaftigkeit bezieht sich als motivationale Komponente auf den emotionalen Sinn des Lebens und der Probleme und Anforderungen (Faltermaier, 1994).
Ein weiterer Teil des Salutogenese Modells von Antonovsky (1981 zitiert nach Faltermaier, 1994) ist das Konzept der generalisierten Widerstandsressourcen. Dies sind Variablen, die die Bewältigung eines Spannungszustands unterstützen und bedeutsame Lebenserfahrungen ermöglichen. Diese Lebenserfahrungen beeinflussen wiederum die Ausprägung des Kohärenzsinnes einer Person. Beispiele für Widerstandsressourcen sind eine präventive Gesundheitsorientierung, materielle Ressourcen, Intelligenz und Wissen, Ich-Identität, effektive Bewältigungsstile, oder auch soziale Unterstützung und die Verbundenheit mit stabilen Kulturen und religiösen Glaubenssystemen.
Die Position einer Person auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum ist darüber hinaus abhängig von Stressoren, Ressourcen und der Bewältigung von Spannungen. Stressoren spielen eine große Rolle für die Gesundheit von Menschen im Sinne von Risikofaktoren bei verschiedenen Krankheiten. Ob Anforderungen für eine Person zu Stressoren werden, ist abhängig von der subjektiven Einschätzung der Person und ihren verfügbaren Ressourcen. Das Auftreten von Stressoren kann auch als Mangel an Ressourcen gesehen werden und führt zu einem Spannungszustand bei der Person, der Affekte und physiologische Erregung mit sich bringt. Kann ein solcher Spannungszustand bewältigt werden, dann bewegt sich eine Person in die positive Richtung auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinu-um.
Wenn die Bewältigung eines Spannungszustands nicht gelingt, führt dies zu einem Stresszustand und damit einer Bewegung in die negative Richtung des Gesundheits-Krankheits-Kontinuums. Die Bewältigungsmöglichkeiten einer Person werden bestimmt durch die Ressourcen, die für sie verfügbar sind (Faltermaier, 1994).
Das Salutogenese Modell spielt besonders im Bereich der Gesundheits-förderung und bei der Entwicklung von Präventionsmaßnahmen eine wichtige Rolle im Sinne einer theoretischen Fundierung mit Perspektiven-wechsel zur Ressourcenorientierung.
2.1.2 Resilienz und Ressourcenorientierung
Resilienz im Sinne des psychologischen Begriffs bedeutet psychische Widerstandskraft. Er stammt aus der Entwicklungspsychologie und darunter ist eine gesunde Entwicklung von Persönlichkeit und Verhalten trotz negativer Lebenserfahrungen und Belastungen zu verstehen (siehe auch Bengel, Strittmatter & Willmann, 2001).
Petzold und Müller (2003 zitiert nach Hoffmann, 2015, S.4) beschreiben verschiedene Modelle von Resilienz als prozesshaftes Geschehen, so beispielsweise als „Möglichkeit der Erholung und Fähigkeit, wieder jene Muster von Anpassung und Kompetenz einsetzen zu können, wie vor dem krisenhaften Ereignis“.
Die Resilienzforschung beschäftigt sich mit protektiven Faktoren, insbesondere individuellen und sozialen Ressourcen, wie Problemlösefähigkeit, Selbstwertgefühl, soziale Unterstützung und das Erleben von Sinn und Struktur im Leben. Das Kohärenzgefühl gilt ebenfalls als Ressource (Bengel, Strittmatter & Willmann, 2001).
Haubl und andere (2013 zitiert nach Becker-Kontio & Schwennbeck, 2014) erweitern den Begriff der Resilienz von der Fähigkeit einzelner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Aufrechterhaltung der Gesundheit bei Leistungs-druck auch auf Organisationen und Teams.
Aus systemtheoretischer Sicht wird Resilienz definiert als Fähigkeit eines Systems seine Integrität bei Störungen von innen oder außen zu be-wahren und einen statischen Grundzustand oder einen dynamischen Wechsel in verschiedene Systemzustände zu erreichen (Borgert, 2013).
Die Definition von organisationaler Resilienz nach Hoffmann (2015) nimmt Bezug auf Ressourcen, Kompetenzen und der Leistung von Individuen und Organisation in Auseinandersetzung mit der Umwelt. Er sieht die An-passung, den Bestand und die Weiterentwicklung einer Organisation als verknüpft an mit einer organisationalen Identität.
Resilienzmodelle, wie beispielsweise das von Gruhl (2010 zitiert nach Borgert, 2013) beschäftigen sich im Sinne der Ressourcenorientierung mit der Bewältigung von Krisen und Risikosituationen. Gruhl unterscheidet sieben Faktoren der Resilienz, welche in Abbildung 2 ersichtlich sind.
[Dies ist eine Leseprobe. Abbildungen sind nicht enthalten.]
Abbildung 2: Die sieben Faktoren der Resilienz (Gruhl, 2010 zitiert nach Borgert, 2013, S.15)
Es wird häufig zwischen internen und externen Ressourcen unterschieden. Hinsichtlich der Maßnahmen der Gesundheitsförderung differenziert beispielsweise der Fonds Gesundes Österreich zwischen Selbstwertgefühl, Bewältigungsstrategien und Kompensationsmöglichkeiten als internen Ressourcen einer Person, sowie ökonomischen Bedingungen, beruflichem Umfeld und sozialer Unterstützung als externen Ressourcen (Fonds Gesundes Österreich, 2015a).
Die Ressourcenorientierung dient der Stärkung einzelner Personen hin-sichtlich ihrer Stressbewältigung, kann im Sinne von Ressourcen als protektive Umgebungsfaktoren aber auch zur Gestaltung des Arbeits-umfeldes genutzt werden. So lässt sich systemspezifische Resilienz nach Borgert (2013) unter anderem durch Wertschätzung, partizipativer Kooperation und Diskussionsbereitschaft bezüglich Problemen und Konflikten fördern.
2.1.3 Salutogene Organisationskultur
Badura, Walter und Hehlmann (2010) beschreiben das Bild der gesunden Organisation entsprechend der Vision der Expertenkommission der Bertelsmann Stiftung und Hans-Böckler-Stiftung als Organisation, welche Wohlbefinden und Produktivität der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fördert und dabei auf die Qualität von Führung, Unternehmenskultur und zwischenmenschlichen Beziehungen achtet.
Soziale Systeme, wie Organisationskulturen unterscheiden sich in ihren Werten, Normen und Regeln hinsichtlich Einflussmöglichkeiten von Mitgliedern, Formen der Kooperation und Konfliktregulierung, sowie Transparenz.
Unter Organisations- oder Unternehmenskultur ist die Gesamtheit geteilter Grundannahmen, Werte und Normen einer Organisation zu verstehen, die Orientierung geben und beeinflussen welche Art von Führungskonzepten angewandt werden und wie mit verschiedenen Themen, wie Konkurrenz, Leistung, Belastung oder auch Gesundheit und Krankheit umgegangen wird (Bamberg und andere 2011 zitiert nach Badura, Walter & Hehlmann, 2011).
Gemeinsame Überzeugungen, Werte und Regeln führen zu einer höheren Identifikation von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit der Organisation, einer höheren Versteh- und Berechenbarkeit im Sinne des Kohärenzsinns und damit zu verbesserter Kooperation und höherer Produktivität (Badura, Walter & Hehlmann, 2010). Sowohl die Entstehung einer Vertrauenskultur, die Gewährleistung des Informationsflusses in der Organisation, als auch die notwendige Anpassungsfähigkeit einer Organisation an neue Anforderungen werden dadurch beeinflusst.
Weitere salutogene Potentiale sozialer Systeme sehen Badura, Walter und Hehlmann (2010) in vertrauensvollen sozialen Beziehungen und positiv erlebten Rückmeldungen aus dem sozialen Umfeld.
Die drei Aspekte gemeinsame Werte beziehungsweise Unternehmens-kultur, Vertrauen in soziale Beziehungen und positive Rückmeldungen und Kooperation bilden gemeinsam die Grundelemente des betrieblichen Sozialkapitals.
Zur Erreichung der Ziele gesundheitsorientierter Gestaltung von Arbeits- und Organisationsbedingungen sind Investitionen in dieses betriebliche Sozialkapital notwendig.
Es geht dabei nach Badura, Walter und Hehlmann (2010, S. 46) um Veränderungen hinsichtlich der „Sinnhaftigkeit von Aufgaben, der Klarheit von Zielen, Vermeidung chronischer Über- oder Unterforderung, angemessene Handlungsspielräume, anerkennende Rückmeldungen“, aber auch eine „unterstützende Arbeitsumgebung mit sozialen Netzwerken, eine fördernde Führung, Partizipation, Transparenz, eine mitarbeiterorientierte Kultur und ein am Leitbild der kundenorientierten Produktionsgemeinschaft orientiertes Management“.
Badura, Walter und Hehlmann (2010) sehen zur Gestaltung gesunder Organisationen verschiedene Handlungsoptionen auf der Dimension Patho-genese und Salutogenese, welche in personenspezifischer oder organisationsspezifischer Form erfolgen können. Eine Darstellung dieser Handlungsoptionen zur gesundheitsorientierten Gestaltung von Arbeits- und Organisationsbedingungen zeigt die folgende Abbildung 3.
[Dies ist eine Leseprobe. Abbildungen sind nicht enthalten.]
Abbildung 3: Handlungsoptionen gesundheitsorient. Gestaltung (Badura, Walter & Hehlmann, 2010, S. 46)
Wesentliche protektive Faktoren der Arbeit sind nach Badura und Steinke (2011 zitiert nach Heltzel, 2013) gelingende Kooperation, sichere Bindungen, Wertschätzung und Anerkennung in zwischenmenschlichen Beziehungen, sowie Vertrauen zwischen Arbeitnehmern und Arbeit-nehmerinnen, sowie zu Vorgesetzten.
Die Investition in das Sozialkapital einer Organisation ermöglicht die Förderung von vertrauensvollen Beziehungen und Zusammenhalt (Heltzel, 2013). Zu diesen Investitionen gehören auch Reflexionsräume zur Klärung sachlicher arbeitsbezogener und sozial-emotionaler Fragen und Konflikte zur Stärkung von Vertrauen, Zusammenhalt, Zugehörigkeit und Identifikation mit der Organisation (Heltzel, 2013).
Supervisoren und Supervisorinnen sind in Organisationen auch aufgrund des Beratungsformats Supervision mit seinem Anspruch der Reflexion immer wieder mit diesen Themen befasst.
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