Die Soziale Arbeit als wichtigste Aufgabe der modernen Gesellschaft?

Manuskript eines individuellen Verständnisses der Profession Soziale Arbeit sowie die persönliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Berufsprofil


Dossier / Travail, 2016

35 Pages, Note: 1,0

Nina Myers (Auteur)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Individuelles Konzept von Sozialer Arbeit
2.1 Soziale Arbeit – Was ist das eigentlich?
2.1.1 Historische Herausbildung des Handlungsfeldes
2.1.2 Funktion und Gegenstand
2.1.3 Gesellschaftliche und politische Aspekte
2.1.4 Das Doppelte Mandat
2.1.5 Ziele und Aufgaben
2.1.6 Definition
2.2 Handlungsfelder der Sozialen Arbeit
2.3 Anforderungen an professionelle Fachkräfte Sozialer Arbeit
2.3.1 Berufliche Haltung
2.3.2 Herausbildung eines professionellen Kompetenzprofils
2.3.3 Methodisches Handeln
2.3.4 Ethik in der Sozialen Arbeit
2.4 Soziale Arbeit als Wissenschaft und Profession
2.4.1 Soziale Arbeit als Beruf – historische Einführung
2.4.2 Soziale Arbeit als Profession
2.4.3 Soziale Arbeit als Wissenschaft
2.5 Theorien Sozialer Arbeit
2.5.1 Lebensweltorientierte Soziale Arbeit
2.5.2 Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession
2.6 Methoden Sozialer Arbeit
2.6.1 Kommunikation in der Sozialen Arbeit

3 Persönliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Berufsprofil
3.1 „Mein Fachgebiet ist Lebensbewältigung“
3.1.1 Zentrale Fragestellungen Sozialer Arbeit
3.1.2 Herausforderungen Sozialer Arbeit
3.1.3 Spannungsfelder Sozialer Arbeit
3.2 Professionelles Selbstverständnis
3.2.1 Eigene Wert- und Normvorstellungen
3.2.2 Persönliches Kompetenzprofil
3.2.3 Exkurs: Kompetenzentwicklung durch Selbsterfahrung
3.2.4 Persönliche Entwicklungspotentiale
3.3 Bedeutung für meinen Berufseinstieg und berufliche Ziele

4 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Ein Mann springt am Bahnhof in ein Taxi und ruft ungeduldig:

„Los, los! Fahren Sie schon los!“

Der Taxifahrer dreht sich um:

„Wohin wollen Sie denn?“

Darauf der Mann, immer ungeduldiger:

„Egal wohin, egal! Ich bin Sozialarbeiter, ich werdeüberall gebraucht.“

(Witzüber Sozialarbeiter;

zit. n. Herwig-Lempp 2007)

In der vorliegenden Arbeit wurde die männliche Schreibweise gewählt, um den Lesefluss zu verbessern. Es sei darauf hingewiesen, dass bei allen Textpassagen die weibliche Form ebenso miteingeschlossen ist, auch wenn dies nicht explizit aufgeführt wird. Ferner werden die Bezeichnungen Sozialarbeiter und Sozialpädagoge synonym verwendet

1 Einleitung

Wie schon so oft wurde ich neulich - einmal mehr - gefragt, was ich denn studieren würde. „Aha, Sie studieren Soziale Arbeit. Ja das hört sich ja richtig toll an. Ein schöner Beruf!“ entgegnete man mir auf meine Antwort. Ich entschied die Gesprächspause, die sich daraufhin einstellte, auszuhalten und abzuwarten. Und dann passierte genau das, was ich erwartet hatte. Mein Gegenüber lächelte mich an und fragte: „Und was genau können Sie dann damit machen, wenn Sie fertig sind?“

Die meisten Menschen können sich kein eindeutiges Bild davon machen, was ausgebildete Sozialarbeiter tun. Unter anderem hängt dies damit zusammen, dass sie in einer Vielzahl von Arbeitsfeldern tätig sind (vgl. Herwig-Lempp 2007: 1): „Im Jugendamt und im Krankenhaus, in einer Einrichtung für Behinderte und in einer Beratungsstelle für Familienplanung, in einer Sozialpädagogischen Tagesgruppe und in einer Suchtklinik, in einem Industriebetrieb und in einem Altersheim“ (ebd.). Wirkte der eingangs zitierte Witzüber Sozialarbeiter noch recht albern undüberzogen, so entsteht bereits an dieser Stelle der Eindruck, dass Sozialarbeiter tatsächlich (fast)überall gebraucht werden. Denn, Soziale Arbeit ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig.

Insgesamt arbeiten in Deutschland mehr als 200 000 Sozialarbeiter. Ungefähr ein Viertel ist in der öffentlichen Verwaltung, also in Ämtern, tätig. Die restlichen drei Viertel sind in öffentlichen und privaten Dienstleistungseinrichtungen beschäftigt, z. B. in Beratungsstellen, stationären und ambulanten Einrichtungen oder Bildungseinrichtungen (vgl. Herwig-Lempp 2007: 10).

In der vorliegenden Arbeit werde ich einen Versuch unternehmen, die Soziale Arbeit in ihrer Komplexität darzustellen. Dabei geht es mir vor allem darum, hervorzuheben, was ich in den vergangen drei Jahren im Studiumüber den Beruf - der wohlmöglich vielmehr eine Berufung ist, und der sich als Profession erwiesen hat - gelernt habe. Ich möchte aufzeigen wie ich die Soziale Arbeit begreife und was ich mitnehmen werde in den beruflichen Alltag. Darüber hinaus werde ich mich mit mir persönlich als Sozialarbeiterin auseinandersetzen. In diesem Rahmen werde ich insbesondere zentrale Fragestellungen, Herausforderungen und Spannungsfelder der Sozialen Arbeit aus meiner Sicht erläutern. Insbesondere meine Stärken und Entwicklungspotentiale werden in diesem Zusammenhang kritisch reflektiert.

2 Individuelles Konzept von Sozialer Arbeit

In diesem Teil der vorliegenden Arbeit steht die Soziale Arbeit im Allgemeinen im Vordergrund. Aufbauend auf die Beantwortung der zentralen Fragestellung was Soziale Arbeit ist und was sie ausmacht werden im weiteren Verlauf Handlungsfelder der Sozialen Arbeit dargestellt und die Anforderungen, die an die professionellen Fachkräfte Sozialer Arbeit gestellt werden erläutert. Sodann ergibt sich die Thematik einer Sozialen Arbeit als Wissenschaft und Profession. Abschließend werden Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit näher betrachtet.

2.1 Soziale Arbeit – Was ist das eigentlich?

Ein „normaler“ Mitbürger unserer Gesellschaft möchte mit Sozialer Arbeit in der Regel nichts zu tun haben (vgl. Seithe 2012: 34). „Soziale Arbeit, das ist etwas für missratene Kinder, für gewalttätige Eltern, für Obdachlose, für Gescheiterte, für Menschen am Rande der Gesellschaft“ (ebd.), so sind häufig die Vorstellungen. Der folgende Text ist als ein Versuch anzusehen, die Soziale Arbeit in ihrer Komplexität darzustellen. Es wird deutlich werden, dass die „Soziale Arbeit … eine der wichtigsten Aufgaben moderner Gesellschaft“ (Deller/Brake 2014: 11) ist. Sie ist Teil des sozialstaatlichen Dienstleistungssystems (vgl. Heiner 2010: 53) und kannüberall dort in Anspruch genommen werden, „wo sich Menschen um die Erhaltung, Verbesserung oder Wiederherstellung ihrer Lebensqualität bemühen“ (Schilling/Zeller 2007: 122). „Soziale Arbeit befasst sich … mit Menschen aller Altersgruppen – vom Säugling bis zum hochaltrigen Menschen“ (ebd.: 121) und ist eine weltweit zu findende Profession (vgl. Deller/Brake 2014: 13).

2.1.1 Historische Herausbildung des Handlungsfeldes

Historisch betrachtet setzt sich der Begriff „Soziale Arbeit“ erst in den 1990er Jahren durch. Zuvor wurde von Sozialarbeit und Sozialpädagogik gesprochen (vgl. Deller/Brake 2014: 15). Die Sozialarbeit setzt ihren Schwerpunkt unter den fürsorgerischen Aspekt (vgl. Erler 2012: 13). Ihr Ausgangspunkt ist „die massenweise materielle Verelendung der Arbeiter im Zusammenhang mit der Industrialisierung“ (Spiegel 2013: 19). Vor allem für Erwachsene gedacht, versteht sie sich „als Ersatz für schwindende familiäre … Sicherungsleistungen “ (Schilling/Zeller 2007: 116) Die Sozialpädagogik dagegen setzt ihren Schwerpunkt unter den erzieherischen Aspekt (vgl. Erler 2012: 13). Sie entsteht „im mittelalterlichen-frühneuzeitlichen Waisenwesen in Form von Konzepten der Armenerziehung“ (Spiegel 2013: 19) und geht von einem Anspruch des Menschen auf Erziehung und Bildung aus (vgl. ebd.). Als Jugendfürsorge … sieht sie sich „als Ersatz für schwindende familiäre … Erziehungsleistungen “ (Schilling/Zeller 2007: 117) „Die [einst] eigenständigen Traditionen der Sozialarbeit und Sozialpädagogik [verbinden] sich in den 1960er Jahren“ (Spiegel 2013: 19). Allerdings erst durch die „Vergesellschaftung weiterer Lebensbereiche sowie den Trend zur Individualisierung der Lebensführung und zur Pluralisierung der Lebenslagen“ (Beck 1986 zit. n. Spiegel 2013: 19) gewinnt die Soziale Arbeit an Bedeutung. Heute werden die Begriffe Sozialarbeit und Sozialpädagogik synonym verwendet (vgl. Erler 2012: 12) und der Begriff Soziale Arbeit ersetzt die ursprüngliche Trennung vollständig (Deller/Brake 2014: 15).

2.1.2 Funktion und Gegenstand

Der Begriff Funktion beschreibt in diesem Zusammenhang „die politisch definierte Aufgabenstellung der Profession der Sozialen Arbeit“ (Spiegel 2013: 249). Bommes und Scherr (1996) zufolge lassen sich drei Funktionen von Sozialer Arbeit beschreiben: Inklusionsvermittlung, Exklusionsvermeidung sowie Exklusionsverwaltung. Mit der Inklusionsvermeidung ist die Unterstützung der Adressaten gemeint, Fähigkeiten zu erwerben um (erneut) die Zugangsbedingungen zu sozialen Funktionssystemen[1] unserer Gesellschaft zu erfüllen. Die Exklusionsvermeidung dagegen stellt die Hilfe dar den Ausschluss aus einem Funktionssystem abzuwenden. Des Weiteren muss bei Menschen, die keinem sozialen System (mehr) angehörig sind und auch keinen (neuen) Zugang erhalten werden die Exklusion verwaltet[2] werden (vgl. Bommes/Scherr 1996 zit. n. Spiegel 2013: 22).

Als Gegenstand wiederum wird „das Erkenntnisobjekt einer wissenschaftlichen Disziplin, auf das sich die theoretischen und praktischen Bemühungen richten“ (Spiegel 2013: 249) bezeichnet. Gegenstand der Soziale Arbeit sind soziale Probleme (vgl. Deller/Brake 2014: 17), die immer dort wo Ressourcen fehlen, entstehen. Sie unterscheiden sich von privaten, zwischenmenschlichen Problemen und werden erst dann zu sozialen Problemen, wenn sie von öffentlich wirksamen Personen oder Institutionen als solche definiert werden (vgl. Schilling/Zeller 2007: 199-201).

„Der sozialwissenschaftliche Begriff des sozialen Problems bezeichnet [demzufolge] Situationen in der Gesellschaft, die von meinungsbildenden Teilen der Gesellschaft gesellschaftlich verbindlich als negativ definiert sind und impliziert, dass gesellschaftlich bzw. politisch korrigierende Veränderungen gefordert bzw. in die Wege geleitet werden“ (Schilling/Zeller 2007: 200).

Die „Bewältigung von Aufgaben und die Lösung von Problemen, die sozial verursacht … sind, stehen somit im Zentrum Sozialer Arbeit“ (Deller/Brake 2014: 18).

2.1.3 Gesellschaftliche und politische Aspekte

Soziale Arbeit ist immer eng mit der gesellschaftlichen Situation verbunden. Generell kann Soziale Arbeit als Reaktion auf die Veränderung der Gesellschaft (sozialer Wandel[3] ) beschrieben werden (vgl. Deller/Brake 2014: 15,18). Folgt man den Ausführungen von Deller und Brake (2014) so liegen die Aufgaben Sozialer Arbeit darin, „den gesellschaftlichen Wandel nachzuvollziehen, zu reflektieren und diese Reflexion zum Wohl aller Zielgruppen[4] Sozialer Arbeit in Planung und Realisierung konkreter Vorgehensweisen einzubeziehen“ (ebd.: 19). Charakteristisch für heutige Lebensbedingungen in der Gesellschaft sind die Individualisierung und die Pluralisierung von Lebensstilen (vgl. Spiegel 2013: 28). Die Soziale Arbeit muss dabei stets zwischen den individuellen Bedürfnissen ihrer Adressaten auf der einen Seite und den gesellschaftlichen Ansprüchen, Möglichkeiten und Grenzen auf der anderen Seite vermitteln (vgl. Deller/Brake 2014: 68).

Weiterhin ist die Soziale Arbeit mit einer gesellschaftlichen Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit verbunden. Drei wesentliche Paradigmen zum Verständnis sozialer Gerechtigkeit stellen die Verteilungsgerechtigkeit[5], die Verfahrensgerechtigkeit[6] und die Teilhabegerechtigkeit[7] dar (vgl. Deller/Brake 2014: 21). Es besteht eine Verpflichtung gegenüber der Sozialen Arbeit soziale Gerechtigkeit sowohl in

Bezug auf die Gesellschaft im Allgemeinen, als auch in Bezug auf Individuen zu fördern (vgl. DBSH 1997: 2). Explizit bedeutet dies, dass Sozialarbeiter:

„1. Negativer Diskriminierung entgegentreten … 2. Verschiedenheit anerkennen … 3. Gerechte Verteilung der Mittel [sicherstellen] … 4. Ungerechte politische Entscheidungen und Praktiken zurückweisen … [und] 5. Solidarisch arbeiten [sollen]“ (ebd.).

Auch ist die Soziale Arbeit Teil staatlicher Sozialpolitik (vgl. Erler 2012: 21). Wobei „die Sozialpolitik für die Absicherung der Lebensrisiken sowie auch sozial gerechte Chancen zuständig (ist)“ (Münchmeier 2011 zit. n. Spiegel 2013:18 f.), während die Soziale Arbeit als professionelle Ausgestaltung dessen, was die Sozialpolitik durch gesetzliche Rahmenbedingungen den Bürgern an Rechten und Pflichten zugesprochen hat, bezeichnet werden kann (vgl. Schilling/Zeller 2007: 277). Für Fachkräfte der Profession ist es daher immer wichtig zu wissen, wie Politik und Staat organsiert sind (vgl. Maus et al. 2008: 27).

2.1.4 Das Doppelte Mandat

Die Soziale Arbeit unterstützt auf der einen Seite Menschen, mit denen sie zu tun hat, muss aber auf der anderen Seite Ansprüche der Gesellschaft gegen diese verwirklichen (vgl. Wendt 2015: 28). Das damit beschriebene doppelte Mandat von Hilfe und Kontrolle ist zurückzuführen auf Böhnisch und Lösch (1973) (vgl. Staub-Bernasconi 2007a: 6). Ihnen zufolge ist das Doppelmandat ein „zentrales Strukturmerkmal“ (Böhnisch/Lösch 1973 zit. n. Staub-Bernasconi 2007a: 6) der Dienstleistungsfunktion Sozialer Arbeit, in welcher der Sozialarbeiter angehalten ist, „ein stets gefährdetes Gleichgewicht zwischen den Rechtsansprüchen, Bedürfnissen und Interessen des Klienten einerseits und den jeweils verfolgten sozialen Kontrollinteressen seitens öffentlicher Steuerungsagenturen andererseits aufrechtzuerhalten“ (ebd.).

„Dieses Mandat weist Sozialer Arbeit also einerseits einen Hilfeauftrag zu und stattet sie zugleich … mit einer spezifischen Form von Macht[8] aus, gesellschaftliche Verhaltenserwartungen an Einzelne auch durchzusetzen“ (Wendt 2015: 29).

Vom beruflichen Doppelmandat zum professionellen Trippelmandat Silvia Staub-Bernasconi (2007a: 6) zufolge „charakterisiert das doppelte Mandat einen sozialen Beruf, aber nicht eine Profession.“ Die Soziale Arbeit also, die den Anspruch erhebt, eine Profession zu sein (s. auch Kap. 2.4), muss das Doppelmandat erweitern zu einem Tripelmandat (vgl. ebd.: 200). Das dritte Mandat besteht aus zwei Komponenten: Zum einen aus der wissenschaftlichen Fundierung ihrer Methoden. Gemeint ist eine wissenschaftliche Beschreibungs- und Erklärungsbasis im Hinblick auf den Gegenstand der Profession (soziale Probleme). Zum anderen aus dem Ethikkodex. Wobei insbesondere Menschenrechte und Gerechtigkeit als ethische Leitlinien im Ethikkodex der Sozialen Arbeit festgehalten sind (vgl. Staub-Bernasconi 2007a: 6-7; ebd. 2007: 200).

2.1.5 Ziele und Aufgaben

Soziale Arbeit kann insgesamt als ein hochkomplexes und differenziertes Gebilde beschrieben werden (vgl. Deller/Brake 2014: 11). Ziele der Sozialen Arbeit beziehen sich nach Schilling und Zeller insbesondere auf zwei Bereiche: „1. Hilfe zur Selbsthilfe (individuelle Funktion) [und] 2. Verbesserung bzw. Veränderung der gesellschaftlichen Bedingungen (gesellschaftliche Funktion)“ (Schilling/Zeller 2007: 278). Zusammenfassend definiert der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (DBSH) als Leitziel professioneller Sozialer Arbeit:

„Menschen, insbesondere Benachteiligte, Gruppen, Gemeinwesen und Organisationen, [sollen] ihr Leben und Zusammenleben im Sinne des Grundgesetzes und der Menschenrechtskonvention der Vereinigten Nationen zunehmend mehr selbst bestimmen und in solidarischen Beziehungen bewältigen können“ (DBSH 2009: 2)

Weiterhin beabsichtigt Soziale Arbeit „Hilfe, Interessensausgleich und Integration“ (Maus et al. 2008: 28).

Zentrale Aufgaben sind demzufolge „die Förderung des sozialen Wandels, der sozialen Entwicklung, des sozialen Zusammenhalts und die Stärkung und Befreiung der Menschen“ (DBSH. 2015: 1). Daraus erschließen sich unter anderen folgenden Anforderungen an die Fachkräfte Sozialer Arbeit:

„Förderung von Menschen in sozialen Notlagen …, Unterstützung … bei derüberwindung eingeschränkter Lebensbedingungen …; Einflussnahme auf die sozialräumliche Entwicklung …; Ermöglichung des Zugangs zu … gesellschaftlichen sozialen Dienstleistungsangeboten und deren Nutzung …, [sowie] Förderung der Zusammenarbeit aller an der Hilfe beteiligten Personen und Organisationen (Vernetzung und Kooperation)“ (DBSH 2009: 2)

Viele der Aufgaben Sozialer Arbeit sind in erster Linie präventiv zu verstehen, es geht um die Erhaltung bzw. die Wiederherstellung von Normalität, sowie um die Einhaltung von Menschenrechten. Die gesetzliche Grundlagen der Aufgaben Sozialer Arbeit stellt unter anderem das Sozialgesetzbuch - insbesondere das achte Buch Kinder- und Jugendhilfegesetze - dar (vgl. Schilling/Zeller 2007: 277 f.).

2.1.6 Definition

Aus einer Vielzahl von Definitionen der Sozialen Arbeit wird abschließend dieübersetzung der internationalen Definition, herausgegeben von der „International Federaction of Social Workers“ (IFSW) sowie der „International Association of Schools of Social Work“ (IASSW), vorgestellt:

„Soziale Arbeit ist eine praxisorientierte Profession und eine wissenschaftliche Disziplin, dessen bzw. deren Ziel die Förderung des sozialen Wandels, der sozialen Entwicklung und des sozialen Zusammenhalts sowie die Stärkung und Befreiung der Menschen ist. Die Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, die Menschenrechte, gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlagen der Sozialen Arbeit. Gestützt auf Theorien zur Sozialen Arbeit, auf Sozialwissenschaften, Geisteswissenschaften und indigenem Wissen, werden bei der Sozialen Arbeit Menschen und Strukturen eingebunden, um existenzielle Herausforderungen zu bewältigen und das Wohlergehen zu verbessern“ (DBSH 2015: 1).

2.2 Handlungsfelder der Sozialen Arbeit

Die Soziale Arbeit besteht aus einer Vielzahl von „differenten Handlungs- und Praxisfeldern“ (Deller/Brake 2014: 43). Im Laufe des 20. Jahrhunderts ist sie zu einem großen Beschäftigungsfeld geworden dessen Ausbau nicht abgeschlossen ist (Schilling/Zeller 2007: 236). Zahlreiche Versuche, die Tätigkeitsfelder von Sozialarbeitern zu ordnen und zu systematisieren entstehen[9]. Eine allgemein anerkannte Gliederung gibt es bisher jedoch nicht und erscheint zudem aufgrund der Vielfältigkeit des Arbeitsfeldes als nicht realisierbar (vgl. Brake/Deller 2014: 43; Schilling/Zeller 2007: 240). Schilling beschreibt die Differenziertheit der Tätigkeitsbereiche als „ein Teil des Spezifikums der Sozialen Arbeit“ (Schilling/Zeller 2007: 240). Wichtige Praxisbereiche und Aufgaben der Sozialen Arbeit können unter folgenden Punkten zusammengefasst werden:

„1. der Bereich der Sozialhilfe (finanzielle Unterstützung, Beratung, Rehabilitation), 2. der Bereich der Gesundheitshilfe (soziale Dienste, Betreuung und Arbeit mit Alten, Behinderten, Kranken und Drogenabhängigen) und 3. der … Bereich der Familien-, Kinder- und Jugendhilfe (Beratung, Erziehung, Hilfe und Fürsorge)“ (Erler 2012: 13).

Handlungsfelder Sozialer Arbeit sind beispielweise: Kindertagesstätten, Schulen, Heimeinrichtungen, Jugend-, Sozial- und Gesundheitsämter, Jugendzentren, diverse Beratungsstellen, Frauenhäuser, Altenpflegeheime, Bewährungs- und Straffälligenhilfen sowie viele mehr. Auch sind Sozialarbeiter tätig in Justizvollzugsanstalten, Krankenhäusern, psychiatrischen Einrichtungen oder als Streetworker. Sie arbeiten mit Migranten, Flüchtlingen, Obdachlosen, sowie mit Straffälligen und Suchtkranken (vgl. Deller/Brake 2014: 43-48; Erler 2012: 13 f.).[10] Alle Tätigkeiten werden in sehr unterschiedlichem Rahmen ausgeübt: Beispielweise bei öffentlichen (z.B. Jugendämter) oder bei freien Trägern (z.B. Wohlfahrtsverbände) (vgl. Erler 2012: 14; Schilling/Zeller 2007: 278).

2.3 Anforderungen an professionelle Fachkräfte Sozialer Arbeit

Fachkräfte der Sozialen Arbeit stehen oftmals unterschiedlichen Erwartungen gegenüber. So erwarten die Öffentlichkeit und die Politik häufig etwas anderes von ihnen als der Arbeitgeber und ihre Adressaten haben wiederum andere Vorstellungen (vgl. Heiner 2010: 21). Umso wichtiger erscheint eine Auseinandersetzung mit der „individuellen Berufswahlmotivation, den sozialpolitischen Aufträgen und den Wertestandards der Sozialen Arbeit“ (Spiegel 2013: 91) um eine berufliche Identität zu entwickeln und zu festigen. Die Soziale Arbeit „achtet im Besonderen auf die Wahrung und den Schutz des Lebens, auf die Würde des Menschen, die Selbstbestimmung der Einzelnen und die solidarische Unterstützung durch Gemeinschaften“ (DBSH 2009: 2). Um diesem Auftrag gerecht werden zu können ergeben sich folgende Anforderungen an professionelle Fachkräfte der Sozialen Arbeit:

2.3.1 Berufliche Haltung

Maus et al. (2008: 36) zufolge sollen Sozialarbeiter eine Haltung[11] entwickeln und bewahren, „die von Neugierde auf den … Menschen, ausgehend von einer Position des ‚Nicht-schon-über-sie-wissen‘, geprägt ist und auf Zuschreibungen … verzichtet.“ Die Herausbildung eines individuellen persönlichen Habitus[12] durch die Auseinandersetzung mit persönlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Werten und Normen ist dabei Grundvoraussetzung der Dimension einer beruflichen Haltung (vgl. Spiegel 2013: 83). Fachkräfte müssen demzufolge im Bewusstsein darüber „nicht Maß aller Dinge“ (ebd.: 89) zu sein handeln und stets einen reflektierten Umgang mit den eigenen Emotionen wahren. Das Einüben einer Ambiguitätstoleranz[13] spielt ebenfalls eine große Rolle (vgl. ebd.). Auch sollen sich Sozialarbeiter an folgenden beruflichen Wertestandards orientieren: „Akzeptanz individueller Sinnkonstruktionen“, „Achtung der Autonomie und Würde der Adressatinnen“, „Ressourcenorientierung[[14] ]“, „Anerkennende Wertschätzung“, sowie „Demokratische Grundhaltung“ (ebd.: 90).

2.3.2 Herausbildung eines professionellen Kompetenzprofils

„Der Erwerb von Kompetenz bedeutet,über eher zufälliges Alltagshandeln hinaus eine durch Reflexion, Erfahrung und Training gestützte Handlungsfähigkeit zu entwickeln (Deller/Brake 2014: 68). Folgende Kompetenzen sind zu unterscheiden:

Formale Kompetenz oder auch Instrumentelle Kompetenz

Die formale bzw. die instrumentelle Kompetenz ist „die Beherrschung von Fähigkeiten und Fertigkeiten bis hin zu Verhaltensroutinen und die Verfügbarkeit von Fachwissen“ (Geißler/Hege 2001: 227). Sie „umfasst wissenschaftlich fundierte Grundkenntnisse und ein vertieftes Verständnis des … Arbeitsfeldes, verbunden mit Erfahrungen in diesem Bereich“ (Deller/Brake 2014: 70). Zur formalen Kompetenz zählt unter anderem die „Kenntnis grundlegender Wissensbestände“ (Spiegel 2013: 85), also Grundlagenwissen aus den Bezugsdisziplinen der Sozialen Arbeit wie beispielsweise dem Recht, der Soziologie, der Pädagogik, der Psychologie, der Ethik, der Politik usw. (vgl. ebd.; Deller/Brake 2014: 70). Die Kenntnis von spezifischen Gesetzen ist in der Sozialen Arbeit ebenso unverzichtbar wie ein Repertoire methodischer Vorgehensweisen zu beherrschen und Konzepte zur Bearbeitung der Aufgaben und Probleme zu kennen. Auch müssen Fachkräfte gesellschaftliche Prozesse mit individuellen Lebenslagen und Lebenswelten verknüpfen können (vgl. Spiegel 2013: 86-88). Gemeint ist hier das „Wissenüber Wechselwirkung von Gesellschaft und Individuum“ (ebd.: 86). Grundvoraussetzung der formalen Kompetenz ist die Beherrschung von „Strategien … der Wissensaneignung“ (ebd.:94). Fachkräfte müssen sich eigene Lernwege erarbeiten, die auchüber die Studienzeit hinaus genutzt werden (können) (vgl. ebd.).

[...]


[1] Unter einem Funktionssystem ist beispielsweise die Arbeit, die Familie, die Schule oder eine Gruppe zu verstehen. Jedes Funktionssystem hat bestimmte Zugangsbedingungen und auch Möglichkeiten des Ausschlusses entwickelt (vgl. Spiegel 2013: 21).

[2] Die Exklusion verwalten bedeutet eine Betreuung, die trotz der sozialen Randständigkeit der Adressaten (hier häufig Wohnungslose, Drogenkonsumenten oder Psychiatriepatienten) versucht, materielle, persönliche und kulturelle Bedürfnisse zu gewährleisten (vgl. Herwig-Lempp/Schwabe 2002: 4).

[3] „Sammelbezeichnung für 1) langfristige gesellschaftliche Veränderungen … oder 2) für beobachtbare wirtschaftliche Veränderungen … bzw. 3) für beobachtbare (schnelllebige) gesellschaftliche Veränderungen“ (Schubert/Klein 2011).

[4] „Zielgruppen Sozialer Arbeit sind Einzelne, Familien und Gruppierungen im Gemeinwesen, die selbst ihre Anliegen nach Unterstützung und Hilfe formulieren oder von anderen Personen und Institutionen als ‚problembehaftet‘ oder ‚hilfebedürftig‘ gesehen und an die Soziale Arbeitüberwiesen werden“ (Herwig-Lempp/Schwabe 2002: 476)

[5] „Verteilungsgerechtigkeit zielt auf die gleiche Verteilung von Gütern und Diensten, sie muss im Ergebnis gerecht sein“ (Deller/Brake 2014: 22

[6] Verfahrensgerechtigkeit zielt darauf, dass die Verfahren, mit denen Güter und Dienste für alle Mitglieder einer Gesellschaft zugänglich sind, formal nach gleichen Regeln gestaltet sind“ (ebd.)

[7] Teilhalbegerechtigkeit zielt auf die „Investition in Inklusion. Jeder Einzelne soll … im Rahmen seiner persönlichen Freiheit zu einem selbstbestimmten Leben und zu einer breiten gesellschaftlichen Teilhabe befähigt werden“ (ebd.)

[8] Macht wird Max Weber zufolge als Chance verstanden, „den eigenen Willen auch gegen den Widerstand der Betroffenen durchzusetzen“ (Wendt 2015: 29).

[9] Siehe hierzu u.a.: Sozialwissenschaftliche Taxonomie der sozialpädagogischer Berufsfelder (Klapprott 1987); Zusammenstellung von Tätigkeitsbereichen und Einrichtungen (Erler 1993); Elf Arbeitsfelder Sozialer Arbeit (Klüsche/Effinger 1999); Systematisierung der Praxisfelder Sozialer Arbeit (Chassé/von Wensierski 2008)

[10] Die hier aufgeführte Liste der Handlungsfelder Sozialer Arbeit kann und möchte keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Sie dient lediglich einer ersten Vorstellung des vielfältigen Arbeitsfeldes.

[11] „Eine Haltung bezeichnet die innere Einstellung einer Person, die nicht ohne Weiteres beobachtbar ist. Sie zeigt sich in einem dieser Gesinnung entsprechenden Handeln,…“ (Spiegel 2013: 250).

[12] Bourdieu (2000: 101) bezeichnet den Habitus als „charakteristische Strukturen einer bestimmten Klasse von Daseinsbedingungen.“ Es handelt sich um „das gesamte Auftreten einer Person, im Einzelnen also z.B. den Lebensstil, die Sprache, die Kleidung und den Geschmack“ (Seithe 2012: 69).

[13] „Ambiguität bezeichnet eine Doppel- oder Mehrdeutigkeit“ (Schulz von Thun et al. 2012:14). Ambiguitätstoleranz bedeutet, „Abweichungen anderer von den eigenen Maßstäben zu tolerieren, ohne handlungsunfähig zu werden“ (Spiegel 2013: 89).

[14] Eine ressourcenorientierte Haltung besteht darin, dass vorausgesetzt und unterstellt wird, dass Ressourcen vorhanden sind (vgl. Herwig-Lempp 2007 zit. n. Wendt 2015: 32).

Fin de l'extrait de 35 pages

Résumé des informations

Titre
Die Soziale Arbeit als wichtigste Aufgabe der modernen Gesellschaft?
Sous-titre
Manuskript eines individuellen Verständnisses der Profession Soziale Arbeit sowie die persönliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Berufsprofil
Université
University of Applied Sciences North Rhine-Westphalia Köln
Cours
Perspektiven der Profession Sozialer Arbeit
Note
1,0
Auteur
Année
2016
Pages
35
N° de catalogue
V321941
ISBN (ebook)
9783668212473
ISBN (Livre)
9783668212480
Taille d'un fichier
710 KB
Langue
allemand
Mots clés
Soziale Arbeit, Beruf, Profession, Theorien, Methoden, Definition, Funktion und Gegenstand Sozialer Arbeit, Doppeltes Mandat, Ziele und Aufgaben Sozialer Arbeit, Handlungsfelder Sozialer Arbeit, berufliche Haltung, professionelles Kompetenzprofil, Ethik in der sozialen Arbeit, Kommunikation in der Sozialen Arbeit, Herausforderungen Sozialer Arbeit, Spannungsfelder der Sozialen Arbeit, Professionelles Selbstverständnis
Citation du texte
Nina Myers (Auteur), 2016, Die Soziale Arbeit als wichtigste Aufgabe der modernen Gesellschaft?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/321941

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