Sufismus im Islam. Mystik, Handlungsweisen und Besonderheiten

Ein Kurzüberblick


Exposé (Elaboration), 2013

16 Pages, Note: 2,3

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Was ist Sufismus?

Entstehungsgeschichte

Besondere Praktiken

Tanz, Literatur und Musik im Sufismus

Gebäude der Sufis

Mystik im Sufismus

Bruderschaften und Orden

Sufimeister

Sufismus heute

Gegner der Sufisten

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

In dieser Hausarbeit wird das Thema Sufiorden aus meinem Referat aufgegriffen. Neben diesem Schwerpunkt wird aber auch der Sufismus im Allgemeinen dargestellt. Die Ausgangsfrage dreht sich darum, was Sufismus überhaupt ist. Wie ist er entstanden, welche Ziele werden verfolgt und welche Entwicklung hat er vollzogen? Die Hausarbeit ist in verschiedene Abschnitte gegliedert. Zu Beginn soll beleuchtet werden, was unter Sufismus oder unter einem Sufi zu verstehen ist. Anschließend werden die Entstehungsgeschichte und die Entwicklung des Sufismus dargestellt. Der Schwerpunkt liegt allerdings bei den Sufiorden und Bruderschaften. Eine Leitfrage - die ich nach der Literaturrecherche zu beantworten versuche - ist, warum es viele Gegner der Sufisten gibt und warum in manchen Ländern die Orden und Bruderschaften gar verboten sind.

Was ist Sufismus?

„Das Geheimnis schützt sich selbst“. Dieser Sufi-Satz zeigt das Problem auf, den Sufismus zu beschreiben und zu erklären.1 Sihombing vergleicht die Fülle des Sufismus mit der eines Ozeans.2 Für die Forschung ist es schwierig, über den Sufismus Aussagen zu treffen. Das Problem besteht darin, dass historische Fakten bei dem Sufismus in der Überlieferung keine tragenden Rollen spielen, sondern lediglich die Botschaft des Sufismus anerkannt wird.3 Wenn ein westlicher Außenstehender versucht, den Sufismus zu durchdringen, ergeben sich ganz automatisch viele Probleme und Barrieren. Zuerst muss er den Islam verstehen und durchdringen, was einem Fremden nicht leicht gemacht wird.4 Erst danach kann er sich dem Sufismus zuwenden.

Eine einfache Erklärungsmöglichkeit des Sufismus ist, ihn als die innere Dimension des Islams zu bezeichnen.5 Aber im Detail gibt es bei dem Sufismus, wie in jeder mystischen Strömung von einer Weltreligion, unzählige verschiedene kleine Abzweigungen und Facetten. Der Sufismus ist weit von den islamisch vorgeschriebenen rituellen Formen entfernt und kann als etwas Ekstatisches angesehen werden.6 Nach Azyumardi Azra, einem islamischen Gelehrten aus Indonesien, stellt Sufismus einen esoterischen und inneren Aspekt im Islam dar, welcher durch einen äußeren und exotischen Aspekt von dem Islam zu unterscheiden ist.7 „Sufismus“ geht auf das Wort „suf“, welches „Wolle“ übersetzt heißt, zurück. Eine zweite Theorie besagt, dass das Wort vom griechischen „sophos“ - Weisheit oder vom arabischen „safa“ - Reinheit abstammen könnte.8 Was suchen die doch so unterschiedlichen Anhänger des Sufismus? Allen gemeinsam ist, dass sie am Ende nicht intellektuelles Wissen, sondern existentielle Erfahrung erlangen wollen. Durch Geschriebenes könne nicht ans Ziel gekommen werden. Vielmehr komme es auf den inneren Sinn der geschriebenen Worte an.9 Das Ziel ist die Erkenntnis und Erleuchtung des Einzelnen.10 Wichtig ist, dass jeder ein Sufi werden kann, egal welcher Bildung und Nationalität er ist. Das Zentrum und Ziel ist nämlich immer dasselbe: Das Wissen der absoluten Einheit Gottes zu erlangen.11 Yilmaz versucht, den Sufismus mit zehn Definitionsversuchen zu erklären:

1) Sufismus ist Weltverzicht (zuhd)
2) Sufismus ist gute Moral (aÌlÁq)
3) Sufismus ist die Reinheit des Herzens (taÒfiya al-qalb)
4) Sufismus ist der Kampf mit den Trieben (tazkiya an-nafs)
5) Sufismus ist die Lebensweise nach der Rechtleitung des Korans (istiqÁma)
6) Sufismus ist die völlige Hingabe an Gott (rabbÁnÐ)
7) Sufismus ist das Aufgehen in Gott (wuÒÙl ilÁ AllÁh)
8) Sufismus ist der Geist des Islam (al-ÎayÁt ar-rÙÎiyya)
9) Sufismus ist die Lehre des Verborgenen (Ýilm al-bÁÔin)
10) Sufismus ist die Lehre der göttlichen Mysterien (al-Ýilm al-ladunnÐ)

Entstehungsgeschichte

Die Wurzeln des Sufismus liegen im Islam.12 Aus dem Bedürfnis vieler Frommer nach einem spirituellen Islam und dem Wunsch einer innigen Vereinigung mit Gott ist der Sufismus entstanden.13 Grund dafür war die rasante Ausbreitung des Islam zur Zeit der ersten Kalifen. Es wurde Reichtum angehäuft und eine Art von Dekadenz entstand. Durch die Angst, die islamischen Ideale zu verlieren, entstanden im 8. Jahrhundert die ersten asketischen Bewegungen und Gemeinschaften, welche als die Vorgänger der Sufisten bezeichnet werden können.14 Die ersten Ansätze von Bruderschaften und Orden gehen bis ins 12. Jahrhundert zurück. Abu Nadschib as-Suhrawardi, ein frommer Iraner, verfasste ein Buch über das Verhalten von Jüngern und Ideale sufistischen Verhaltens. Sein Neffe, Abu Hafs Omar as- Suhrawardi, war es allerdings dann, der eine Gruppe um sich versammelte und dessen Buch „Gnadengaben der Erkenntnisse“ zu einem Standardwerk des Sufismus wurde.15 Als Gründer der Sufi-Bewegung wird Hasan al Basri angesehen, welcher die erste Schule in Basra im Irak gründete. Von ihm stammt auch der überlieferte Satz, welcher den Sufismus gut beschreibt: „Wer Gott kennt, liebt ihn, wer die Welt kennt, entsagt ihr!“. Die drei ersten Orden sind der Qadiriya, welcher 1135 gegründet wurde, der Rifaiya, der 1150 in Bagdad gegründet wurde und der dritte Orden formte sich 1240 mit dem Namen Ahmadiya. Diese drei Orden gelten für alle anderen nachfolgenden Sufiorden als wegweisend. So ist der Qadiriya-Orden heute einer am weit verbreitetsten der ganzen Sufiorden.16 Das Ordenswesen breitete sich im 10. – 12. Jahrhundert noch stärker und weiter aus. Eine etwas gewagte Begründung dafür besagt, dass diese Zuflucht in Orden lediglich ein Ausweg und eine Flucht aus dem Krieg in eine irreale Welt sei.17 Im 12. und 13. Jahrhundert verbreitete sich die Bewegung im ganzen islamischen Reich. Dieser Zeitraum war auch das goldene Zeitalter und die Blütezeit.18 Neben den Kontakten zu christlichen Eremiten sind auch buddhistische Einflüsse nachzuweisen. Aber auch mystische, gnostische und hermetische Gedanken werden bei der Entstehung des Sufismus eine Rolle gespielt haben, obwohl diese schwer nachzuweisen sind, da sie nirgends niedergeschrieben wurden.19 Der Prophet Muhammad ist die höchste Instanz der Sufisten. Darunter folgt bei den meisten Sufisten Ali ibn Abi Talib, Vetter und Schwiegersohn Muhammads.20 Eine weitere Möglichkeit, die Geschichte des Sufismus darzustellen, ist die Einteilung in Epochen, welche selbst von den Sufis vorgenommen wurden. Das erste Zeitalter wird als „Askese“ betitelt. Im Anschluss die Epoche des „Sufismus“ und danach der Abschnitt „wahdat al-wugud“, was mit Lehre des Seins übersetzt werden kann. Die letzten beiden Phasen sind die Zeit der Ordensgemeinschaften und die Zeit der Moderne.21

Besondere Praktiken

Die unterschiedlichen Gruppen des Sufismus entwickelten außergewöhnliche und für den Sufismus typische Praktiken. Eine einfache Definition beschreibt denjenigen als Sufisten, der das Gleichnishafte hinter sich lässt und sich auf die Wirklichkeit einlässt.22 Eine ungeheure Gewissenhaftigkeit wurde den frühen Sufisten nachgesagt. Das Ritualgebet wurde sehr intensiv vollzogen und eine starke Enthaltsamkeit gegenüber Schlafen, Essen und Sprechen wurde zum Zeichen der Sufisten. So gehen die Regeln der Sufisten über die der normalen Muslimen weit hinaus. Neben dem Verzicht auf Schweinefleisch und Alkohol wird auf alles verzichtet, was anzuzweifeln ist. Dies bedeutet, es wird versucht, so korrekt wie möglich zu handeln.23 Als Beispiel wäre zu nennen, dass es zweifelhaft ist, Fleisch von einem Lamm zu essen, wenn nicht genau bekannt ist, ob das Lamm nicht irgendwann unberechtigterweise auf einer fremden Wiese gegrast hat.24 Ein wichtiger Teil der sufistischen Erziehung war es, die Seele zu beobachten, denn die Seele ist zumeist negativ konnotiert. Ein Ziel war es, die Seele der Sufisten durch ihre korrekte Lebensweise von einer bösartigen in eine friedvolle umzuwandeln.25 Das Aussehen der ersten Sufisten ist auch als sonderbar einzustufen. Abendländische Reisende im 17. und 18. Jahrhundert beschreiben sie als spärlich bekleidete, mit Tierfellen und großen Ohrringen bestückte Gestalten. Seltsame Kopfbedeckungen, Bettelschale und Brandmale prägten ihr Äußeres. Diese Beschreibung geht auf John P. Brown und sein Buch „The Dervishes“ aus dem Jahre 1868 zurück.26 In der damaligen Zeit galten sie als Aussteiger aus der Gesellschaft, Verrückte und an religiösen Regeln Uninteressierte. Oftmals wurde ihnen auch die Abhängigkeit zu Opium und anderen Drogen nachgesagt. Für europäische Außenstehende waren diese Beschreibungen das Einzige, was sie mit Sufisten verbanden, was sehr negativ konnotiert war.27 Die brüderliche Liebe ist eine sehr wichtige Vorschrift des Sufismus. Gutes sollte des Bruders Willen getan werden. Andere sollten sich selber vorgezogen werden und sein Ansehen um des Mitmenschen wegen aufgegeben werden.28 Was es für die Forschung auch sehr schwierig macht, den Sufismus zu durchdringen, ist die Verwendung von Reimen und stark rhythmischen Formen. Bei der Übersetzung der mystischen Texte gehen allerdings genau diese Besonderheiten verloren und somit auch zahlreiche verborgene Anspielungen.29 Allen Orden war und ist heute noch gemein, dass an jedem Donnerstagabend das traditionelle Gebetsritual „Dhikr“ durchgeführt wurde. Dieses Ritual ist allerdings auch von Orden zu Orden unterschiedlich gestaltet und durchgeführt worden. Im folgenden Unterkapitel soll auf die Musik, Literatur und den Tanz im Sufismus eingegangen werden.

Tanz, Literatur und Musik im Sufismus

Der Tanz wird nicht nur als Vergnügen angesehen sondern dient auch dazu, den Körper gesund und fit zu halten. Außerdem wird ein guter Körperumgang erlangt. Tanz und Musik ist eine wichtige Ausdrucksquelle für Dinge, die nicht in Worte zu fassen sind.30 Auch hier ist ein Unterschied zu dem traditionellen Islam zu erkennen. Dort ist Musik und Tanz nämlich untersagt, da es zu sehr die Aufmerksamkeit von Gott ablenke. Aber auch in der Musik und dem Tanz gibt es Unterschiede unter den Orden, denn nicht in allen Sufi-Orden sind Musik und Tanz erlaubt.31 Als ein Beispiel ist der Mevlevi-Orden zu nennen. Die Ordensmitglieder drücken ihren Glauben mit einem kreisenden Tanz aus, welcher sie auch in eine Art Ekstase versetzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Deutschlandradio 2012: „Tanzende Sufis – Mevlevi Orden“. http://www.deutschlandradiokultur.de/media/thumbs/7/7dd9e52f3ca1cb602b0c5bfb4756b8a3v2_max_429x322_b3535db83dc50e27c1bb1392364c95a2.jpg.

Die Verbreitung des Sufismus war stark von Sufi-Texten abhängig und der Sufismus hat viel zur islamischen Sprachbildung beigetragen. Häufig wurden Texte und Botschaften in Poesie ausgedrückt.32 Daneben sind aber auch Prosa, Epos, Satire, Anekdoten, Briefe und Kommentare zu finden.33 Ziel war es, die Botschaften für das Volk verständlich zu machen, wobei allerdings die meisten Bürger Analphabeten waren. So wurden die Botschaften in den Sprachen des Volkes verfasst. Es entstanden aus dieser Poesie langsam die Literatursprachen. Auf diese Weise sind viele indische Sprachen entstanden und erhalten geblieben.34 Thematisch gesehen handeln die Texte von Mystik, Frömmigkeit und Askese. Die beiden Hauptthemen sind allerdings die Liebe und die Einzigkeit Gottes.

[...]


1 Vgl. Hodgson 1984: 153.

2 Vgl. Sihombing 2012: 61.

3 Vgl. Schimmel 2008: 9.

4 Vgl. Hodgson 1984: 153.

5 Vgl. Schimmel 2008: 7.

6 Vgl. Sihombing 2012: 61.

7 Vgl. Sihombing 2012: 74.

8 Vgl. Schimmel 2008: 17.

9 Vgl. Schimmel 2008: 9.

10 Vgl. Martin 1984: 166.

11 Vgl. Sihombing 2012: 61

12 Vgl. Schimmel 2008: 7.

13 Vgl. Sihombing 2012: 72

14 Vgl. Frei 1998: http://www.relinfo.ch/sufismus/info.html.

15 Vgl. Schimmel 2008: 75.

16 Vgl. Schweizer 2007: 166.

17 Vgl. Schimmel 2008: 80.

18 Vgl. Frei 1998: http://www.relinfo.ch/sufismus/info.html.

19 Vgl. Schimmel 2008: 17.

20 Vgl. Schimmel 2008: 22.

21 Vgl. Günnes 2012: 1.

22 Vgl. Sihombing 2012: 75.

23 Vgl. Schimmel 2008: 18.

24 Vgl. Ebd.

25 Vgl. Schimmel 2008: 19.

26 Vgl. Schimmel 2008: 90.

27 Vgl. Ebd.

28 Vgl. Schimmel 1984: 139.

29 Vgl. Sihombing 2012: 62.

30 Vgl. Sihombing 2012: 79.

31 Vgl. Sihombing 2012: 80.

32 Vgl. Sihombing 2012: 82.

33 Vgl. Sinhombing 2012: 83.

34 Vgl. Ebd.

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Sufismus im Islam. Mystik, Handlungsweisen und Besonderheiten
Sous-titre
Ein Kurzüberblick
Université
University of Marburg  (Theologie)
Cours
Mystik im Islam
Note
2,3
Année
2013
Pages
16
N° de catalogue
V322430
ISBN (ebook)
9783668216563
ISBN (Livre)
9783668216570
Taille d'un fichier
606 KB
Langue
allemand
Mots clés
Sufismus, Sufiorden
Citation du texte
Anonyme, 2013, Sufismus im Islam. Mystik, Handlungsweisen und Besonderheiten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/322430

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