Die deutsche VN-Politik nach der Wiedervereinigung. Der Weg zu einer verantwortungsvollen Außenpolitik


Essay, 2004

20 Seiten

Martin Utzweiher (Autor:in)


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Außenpolitik, Öffentlichkeit und VN

2. Deutschland und die VN im Wandel

3. Die Startbedingungen für eine verantwortungsvolle VN-Politik

4. Das vereinte Deutschland in den VN
4.1 Sicherheit und Frieden
4.1.1 Abrüstung und Prävention
4.1.2 Friedenseinsätze und BVG-Urteil
4.2 Entwicklungszusammenarbeit, Umwelt und Menschenrechte
4.2.1 Umwelt und Entwicklung
4.2.2 Menschenrechte und internationale Rechtssprechung
4.3 Reform der VN

5. Deutschland im System der VN

6. Fazit und Ausblick

7. Literaturverzeichnis ..

1. Außenpolitik, Öffentlichkeit und VN

Welche Bedeutung haben die Vereinten Nationen für die Gestaltung der deutschen Außenpolitik und wie stark ist das öffentliche Interesse an Außenpolitik überhaupt? So lauten die Fragen, die sich im Zusammenhang mit dieser Arbeit zunächst stellen.

Aufgrund der deutschen Geschichte ist die Außenpolitik der BRD ein Terrain, das zumindest international viel Aufmerksamkeit geniest. Im Inland allerdings richtet sich das öffentliche Interesse meist auf innenpolitische Themen, die ja den Bürger in der Regel unmittelbarer in seiner Lebensgestaltung berühren. Nichtsdestotrotz ist die deutsche Außenpolitik ein Feld, das gerade in Zeiten, in denen es um Krieg und Frieden geht immer wieder zu einem äußerst umstrittenen Thema wird, das gar Wahlen mitentscheiden kann. Man denke nur an die Debatte um die Beteiligung an einem möglichen Waffengang im Irak. Genau an dieser Stelle rücken auch die Vereinten Nationen in das Blickfeld der Öffentlichkeit; im Falle der Irakdebatte wurden Sicherheitsratsitzungen sogar live im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen.

Genau hier aber muss erwähnt werden, dass sich die deutsche VN-Politik nicht auf dieses Thema reduzieren lässt, sondern vielmehr ein breites Spektrum behandelt, welches in der öffentlichen Diskussion und in den Medien nicht oder nur selten zur Sprache kommt - genau das übrigens ist eines von vielen Dilemmata der Vereinten Nationen. Nichtsdestotrotz kann man behaupten, die deutsche Geschichte ist eng mit der der Weltorganisation verbunden. Darauf möchte ich im ersten Teil meiner Arbeit eingehen, anschließend werde ich mich etwas ausführlicher der deutschen VN-Politik nach der Wiedervereinigung widmen. Im Schlussteil schließlich soll ein kurzes Fazit aus der VNPolitik Deutschlands der letzten dreizehn Jahre gezogen werden.

2. Deutschland und die VN im Wandel

„Die Geschichte der Vereinten Nationen ist mit derjenigen Deutschlands auf das engste verbunden“ (Auswärtiges Amt 1998, 17). Deutschland lässt sich, pointiert formuliert, als eine Ursache betrachten, die zur Gründung der VN geführt hat. Nach dem Austritt aus dem Völkerbund, der Vorgängerorganisation der VN, und nach den beiden verheerenden Weltkriegen gründeten am 24. Oktober 1945 unter Führung der Alliierten 50 Staaten die VN (vgl. Unser 2004, 25); die Vorbereitungsphase allerdings, mitsamt der Unterzeichnung zahlreicher Verträge wie zum Beispiel der Erkl ä rung der VN, ist schon in der Kriegszeit zu verorten (vgl. ebenda 21-24). Ein Ziel der Gründung war es „eine Wiederholung des Geschehenen nicht zuzulassen“ (Auswärtiges Amt 1998, 17). In der sogenannten „Feindstaatenklausel“ wurden die Rechte Deutschland und Japans eingeschränkt. Allerdings wurde relativ schnell klar, dass man, wollte man die Fehler der Vergangenheit nicht noch einmal begehen, die Besiegten mit einbinden musste. So konnte sich die BRD schon 1950 in die VN einbringen (vgl. ebenda 18), allerdings wegen der Blockkonfrontation und des Alleinvertretungsanspruchs der BRD noch nicht als vollwertiges Mitglied.

Im September 1973 konnte auf Grund der mit der neuen Ostpolitik einhergehenden Entspannung der deutsch-deutschen Beziehungen ein neues Kapitel der deutschen VN- Geschichte begonnen werden: die Zeit der deutschen Doppelmitgliedschaft. Dennoch muss man konstatieren, dass die VN auch in Zeiten der weltpolitischen Entspannung wie während der gesamten Zeit der Blockkonfrontation nur sehr beschränkt handlungsfähig waren.

1990 war die Doppelmitgliedschaft der beiden deutschen Staaten beendet und einige Zeit später, mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Inkrafttreten des 2+4- Vertrags der Weg für einen neuen Abschnitt der VN geebnet. Versteht man nun die deutsche Einigung als Vorbote des Zusammenbruchs der Sowjetunion, so zeigt sich auch hier wieder die Verwobenheit der deutschen Geschichte mit der der VN. Nachdem er in der Zeit des Ost-West-Konflikts durch mehr als 200 Vetos (vgl. BPB 2002, 9) blockiert wurde, „erlangte der Sicherheitsrat nach Jahrzehnten der Lähmung eine bis dahin nicht gekannte Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit“ (ebenda, 10). Die VN standen „am Beginn einer neuen Aufbruchsphase“ (Knapp 2002). Damit schien die Weltorganisation in der Lage zu sein, sich der Vielzahl der Probleme, die sich im Laufe der Zeit angestaut, beziehungsweise sich durch den Zusammenbruch der SU erst neu entwickelt hatten, anzunehmen.

Genau in dieser Zeit also erlangte Deutschland durch das Inkrafttreten des 2+4- Vertrags die volle Souveränität und wurde durch die Wiedervereinigung endgültig zu einem der bedeutendsten Staaten Europas und der Welt. Der damit einhergehende Machtzuwachs brachte nahezu selbstverständlich auch Erwartungen an die Haltung und Handlungsweisen der deutschen Außenpolitik mit sich; so äußerte beispielsweise der damalige Generalsekretär Pérez de Cuéllar die Erwartung, Deutschland möge sich künftig stärker in den VN engagieren (Unser 2004, 299). Die deutsche Regierung war sich dieser Erwartungshaltung durchaus bewusst und zeigte auch ihrerseits die „Bereitschaft zur Übernahme verstärkter außenpolitischer Verantwortung“ (Hacke 2003, 382).1

3. Die Startbedingungen für eine verantwortungsvolle VN-Politik

Bei all den Bekundungen deutscher Regierungsvertreter, man wolle künftig mehr Verantwortung im Rahmen der Vereinten Nationen wahrnehmen, muss man natürlich der Frage nachgehen, was Politiker zu diesen Aussagen berechtigt. Untersucht man nun die Startbedingungen des geeinten Deutschlands, wird man zu dem Ergebnis kommen, dass sich der Handlungsspielraum für eine verantwortungsvolle Außenpolitik „deutlich vergrößert“ (Hacke 2003, 382) hat. Mit der Wiedervereinigung erlangte Deutschland die vollständige Souveränität, die Zeit der alliierten Vorbehaltsrechte war vorbei. Deutschland war in seiner Außenpolitik nicht mehr durch die ständige Rivalität mit der DDR eingeschränkt - die Zeit der Blockkonfrontation hatte ihr Ende gefunden. Die BRD, die über Jahrzehnte hinweg als Frontstaat und potentieller Kriegsschauplatz existierte, war nun schlagartig und fast ausschließlich von Verbündeten umgeben. Zudem brachte die Vereinigung auch ganz offensichtliche geopolitische Veränderungen mit sich: das Territorium der BRD vergrößerte sich „von 248000 auf 357000 Quadratkilometer“ (ebenda, 383), darüber hinaus erlebte Deutschland einen Bevölkerungszuwachs von ca. 25%. Dieser plötzliche Machtzuwachs schürte zwangsläufig Ängste nicht nur im europäischen Ausland. Um diese zu verringern, versicherte die deutsche Regierung, dass man auf den außenpolitischen Traditionen der BRD aufbauen und „nicht nach mehr Macht, wohl aber nach größerer Verantwortung“ (ebenda, 385) streben werde. Die Bereitschaft zur Kooperation und Integration sollten auch weiterhin die Eckpfeiler der deutschen Außenpolitik bleiben. Die „Angst vor der Macht“ (ebenda, 390) allerdings, die sich bei den Äußerungen der Bundesregierung zeigte, befähigte Deutschland auf die „denkbar schlechteste Weise“ (ebenda, 390) verantwortungsvolle Außenpolitik zu betreiben - zumindest nach Ansicht des Politologen Hacke. Ob das multilateral eingestellte, machtscheue Deutschland dennoch der vom Generalsekretär der VN geforderten Rolle eines verantwortungsvollen und engagierten Akteurs in der internationalen Politik - v.a. natürlich im Rahmen der VN - gerecht werden konnte, soll im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden. Engagierte sich Deutschland nach der Wiedervereinigung stärker in den VN? Welche Erfolge konnte die BRD mit ihrer VN- Politik verzeichnen? Und welche Stellung nimmt Deutschland im System der VN ein? So lauten die Fragen, denen es im Folgenden nachzugehen gilt.

4. Das vereinte Deutschland in den VN

Die VN agieren in nahezu allen erdenklichen Politikfeldern, folglich beinhaltet auch das deutsche Engagement eine Vielzahl von Tätigkeiten, die hier natürlich nur zum Teil Erwähnung finden.

4.1 Sicherheit und Frieden

Zunächst soll der Bereich der Friedens- und Sicherheitspolitik eingehender betrachtet werden. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schien der Weg geebnet, sich diesem Thema im Rahmen der VN anzunehmen. In der oben erwähnten Aufbruchsphase zu Beginn der Neunziger sollte es zu einer rapide ansteigenden Zahl der Friedensmissionen „unter der Ägide der VN“ (Knapp 2002) kommen. Die VN schienen jetzt endlich das geeignete Instrument zur Herstellung und Sicherung des Weltfriedens zu sein. Doch sollten sie erfolgreich sein, war ein starkes Engagement ihrer Mitglieder unabkömmlich; und genau an dieser Stelle richtet sich das Hauptaugenmerk auf das durch die Wiedervereinigung erstarkte Deutschland. In diesem Sektor der VN-Politik sollte die BRD, wollte sie verantwortungsvoll handeln, ihren Beitrag leisten.2

4.1.1 Abrüstung und Prävention

Die Friedenssicherung besteht nicht nur aus militärischen Einsätzen von Blauhelmsoldaten oder von den VN mandatierten Truppen, sie beinhaltet auch den Präventionsgedanken. Von diesem „erweiterten Sicherheitsbegriff“ (Unser 2004, 306) geht auch die deutsche Bundesregierung bei ihrem Engagement aus.

Die Abrüstungspolitik ist hierbei als ein wesentlicher Teil der Prävention zu betrachten. In der vom Auswärtigen Amt herausgegebenen Jubiläumsschrift zur 25 jährigen VN-Mitgliedschaft wird behauptet, die BRD setzte sich von jeher für die Abrüstung im Rahmen der VN ein (vgl. AA 1998, 63). Diese Behauptung ist zwar durchaus umstritten - und das nicht zu unrecht - allerdings lässt sich auch nicht leugnen, dass die BRD in diesem Sektor ihrer VN-Politik einige Erfolge zu verzeichnen hat. Zu nennen sind an dieser Stelle die aktive deutsche Rolle beim Verbot von Antipersonenminen, der Einsatz für „die rasche Aufnahme von „cut-off“- Verhandlungen“ (ebenda, 63), bei denen es um das „Verbot der Produktion von Spaltmaterial für Kernwaffen“ (ebenda, 63) ging und letztlich auch das Zustandekommen des Chemiewaffenübereinkommens 1992 „unter deutschem Vorsitz“ (ebenda, 63), welches im April 1997 in Kraft treten konnte. Bei der mit diesem Abkommen verbundenen Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) ist Deutschland der drittgrößte Beitragszahler. Zum Abschluss soll hier der Vollständigkeit halber noch das auf deutsche Initiative hin ins Leben gerufene VN-Register für den Transfer konventioneller Waffen genannt werden. Die Teilnahme an diesem Regime allerdings ist freiwillig und die Angaben, die gemacht werden müssen, „sind auf bestimmte Rüstungstransfers von Großwaffen beschränkt“ (Lock 1997, 62).

Deutschland scheint also, unter Berücksichtigung der gerade aufgezählten Leistungen und der hohen Bereitschaft Abrüstungsverträge zu ratifizieren, auf den ersten Blick vorbildlich zu interagieren, aber:

„Diesem Aktivposten deutscher Abrüstungspolitik steht eine systematisch nachlässige Exportkontrolle gegenüber, die dazu geführt hat, daß deutsche Firmen aus dem Anlagenbau eine zentrale Rolle bei der Errichtung von Giftgasfabriken in Libyen und Irak spielen konnten.“ (ebenda, 59)

Auch die Ächtung von Landminen erfolgte erst durch den Druck der Öffentlichkeit (vgl. ebenda, 61). Gegenüber den Aussagen des Auswärtigen Amts, man engagiere sich nachdrücklich für Abrüstung, wirkt die Tatsache, dass Deutschland zu den „Hauptausfuhrländern von Waffen“ (ebenda, 64) zu zählen ist nahezu als Kontradiktion. Zusammenfassend muss man also konstatieren, dass die deutschen Abrüstungsbemühungen als ambivalent zu bewerten sind. Die BRD zeigte sich zwar mehrmals als Initiator von Abrüstungsverträgen, neigt aber gleichzeitig dazu, etwas nachsichtiger zu handeln, wenn die deutsche Wirtschaft oder die Bundeswehr betroffen sind. Trotzdem lässt sich feststellen, dass Deutschland seine Bemühungen in diesem Aufgabenbereich durchaus intensiviert hat und bisweilen sogar die Rolle eines aktiven Gestalters einnimmt, der an Fortschritten rege beteiligt ist.

Die Konfliktprävention lässt sich aber nicht auf das Feld der Abrüstung reduzieren. Auch diplomatische Mittel, wie der Einsatz von Vermittlern oder Schiedsverfahren des internationalen Gerichtshofs, aber auch die Entsendung von Beobachtertruppen gehören zum reichhaltigen Instrumentarium der Konfliktvorbeugung.

[...]


1 Die folgenden Ausführungen basieren auf: Hacke 2003, 382-390

2 Der Abschnitt über die deutschen Leistungen bei den verschiedenen Abrüstungsverträgen stütz sich auf: AA 1998, 63-65

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die deutsche VN-Politik nach der Wiedervereinigung. Der Weg zu einer verantwortungsvollen Außenpolitik
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V322689
ISBN (eBook)
9783668602403
ISBN (Buch)
9783668602410
Dateigröße
423 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
vn-politik, wiedervereinigung, außenpolitik
Arbeit zitieren
Martin Utzweiher (Autor:in), 2004, Die deutsche VN-Politik nach der Wiedervereinigung. Der Weg zu einer verantwortungsvollen Außenpolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/322689

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