Hyperaktive Kinder zur Stille führen mit Hilfe musiktherapeutischer Techniken

Eine empirische Studie in der Grundschule


Proyecto/Trabajo fin de carrera, 2004

232 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Vorwort

I. Einleitung

II. Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (AD/HS)
1. Begriffsentwicklung
2. Übersicht der Begriffe
3. Häufigkeit
4. Eigenschaften des ADS- Kindes
4.1 Erscheinungsbild
4.2 Hyperaktivität
4.3 Aufmerksamkeitsstörungen
4.4 In Anspruch nehmendes Verhalten
4.5 Impulsivität
4.6 Schulschwierigkeiten
4.7 Koordinationsschwierigkeiten
4.8 Widerspenstiges und herrschsüchtiges Verhalten
4.9 Emotionale Schwierigkeiten
4.10 Unreife
5. Entwicklung des ADS- Kindes vom Säuglingsalter bis ins Erwachsenenalter
6. Ursachen von ADS
6.1 Genetische Faktoren
6.2 Organische Faktoren
6.2.1 Gehirnstoffwechsel
6.2.2 Allergien
6.3 Ökologische Faktoren
6.3.1 Ernährung
6.3.1.1 Zucker
6.3.1.2 Nahrungsmittelzusätze
6.3.1.3 Phosphat
6.3.2 Umweltgifte (Blei)
6.4 Psycho- soziale Faktoren
6.4.1 Ökonomisch- kulturelle Bedingungen
6.4.2 Bedingungen des sozialen Umfeldes
6.4.3 Psychoemotionale Bedingungen
7. Diagnose
7.1 Persönliche Entwicklungsgeschichte und Familienhintergrund
7.2 Diagnostische Klassifikationssysteme
7.3 Medizinische Diagnostik
7.4 Psychologische Diagnostik
8. Therapie
8.1 Medizinische Ansätze
8.1.1 Pharmakotherapie
8.1.1.1 Stimulanzien
8.1.1.1.1 Metylphendiat
8.1.1.1.2 Antidepressiva
8.1.1.1.3 Neuroleptika
8.1.2 Diät
8.1.2.1 Die Feingold- Diät
8.1.2.2 Die phosphatreduzierte Diät
8.1.2.3 Die Oligoantigene Diät
8.1.3 Sinnvolle Ernährung
8.1.3.1 Allgemeine Empfehlungen für die Ernährung
8.1.3.2 Essentielle Nährstoffe
8.2 Psychotherapeutische Ansätze
8.2.1 Die kognitive Verhaltenstherapie
8.2.1.1 Lerntheoretische Erklärungsansätze
8.2.1.2 Formen von Kognitiver Verhaltenstherapie
8.2.1.2.1 Das Problemlösetraining
8.2.1.2.2 Die Methode der Selbstinstruktion
8.2.2 Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapieverfahren
8.2.2.1 Psychoanalytischer Erklärungsansatz
8.2.2.2 Analytische Kinderpsychotherapie
8.2.3 Spieltherapie
8.2.3.1 Die Nicht- Direktive Spieltherapie nach Virgina Axline
8.2.3.2 Die Klientenzentrierte Spieltherapie nach Stefan Schmidtchen
8.2.4 Die systemische Familientherapie
8.3 Entwicklungstherapeutische Ansätze
8.3.1 Ergotherapie
8.3.2 Logopädie
8.3.3 Die heilpädagogische Übungsbehandlung
8.3.4 Psychomotorik
8.4 Erlebnistherapeutische Ansätze
8.4.1 Reittherapie
8.4.2 Delfintherapie
8.5 Weitere Therapieansätze
8.5.1 Die Festhaltetherapie
8.5.2 Die Edu- Kinesiologie
8.6 Therapieansätze in der Schule
8.6.1 Regeln für den Umgang in der Schule
8.6.2 Der Umgang im Klassenzimmer
8.6.3 Prinzipien für die Unterrichtsplanung und -gestaltung
8.7 Therapieansätze im Elternhaus
8.7.1 Elterntrainings

III. Grundlagen und Durchführung der eigenen empirischen Studie
1. Betrachtungsweisen von „Musik“ und Definitionsversuche
2. Musik und ihre Wirkung
2.1 Gehirnphysiologische Wirkung
2.2 Physiologische Wirkung
3. Musiktherapie
3.1 Definition
3.2 Historische Entwicklung
3.2.1 Magisch- mythische Form der Musikheilung bei den Naturvölkern
3.2.2 Rational- wissenschaftliche Musikheilung in Antike und Mittelalter
3.2.3 Musiktherapie in Renaissance und Barock
3.2.4 Musiktherapie in der Romantik
3.2.5 Musiktherapie im 20. Jahrhundert
4. Musiktherapie mit Kindern
4.1 Die Bedeutung der Emotionen
4.2 Die Bedeutung des Spiels
4.3 Aspekte des sozialen Lernens
4.4. Allgemeine Therapieziele
4.5 Die Eignung der Musiktherapie für die Arbeit mit ADS- Kindern
5. Musiktherapeutische Techniken
5.1 Aktive Musiktherapie
5.1.1 Techniken der aktiven Musiktherapie
5.1.1.1 Improvisation mit körpereigenen Instrumenten
5.1.1.2 Atemübungen nach Musik
5.1.1.3 Gruppensingtherapie
5.1.1.4 Improvisation mit Orff- Instrumenten
5.1.1.5 Singtänze
5.2 Rezeptive Musiktherapie
5.2.1 Malen nach Musik
5.2.2 Musikalische Fantasiereise
6. Prinzipien der Gruppenmusiktherapie, die vor der Anwendung musiktherapeutischer Techniken zu beachten sind
6.1 Therapeutenverhalten
6.2 Merkmale der Gruppe
6.3 Allgemeine Prinzipien im Methodischen Vorgehen
6.3.1 Kontaktaufnahme
6.3.2 Organisationsformen
7. Vorstellung der empirischen Studie
8. Situation der Schule
9. Situation der Klasse 3a
10. Schülerbeschreibungen
10.1 Schülerbeschreibung Oscar
10.2 Schülerbeschreibung Yannick
10.3 Schülerbeschreibung Shanis
10.4 Schülerbeschreibung Mario
10.5 Schülerbeschreibung Christoph
10.6 Schülerbeschreibung Matthias
10.7 Schülerbeschreibung Maximilian
11. Durchführung der Studie
11.1 Erste Sitzung „Kennenlernen“ am 9.9.2004, 2.Stunde
11.2 Zweite Sitzung „Musizieren mit körpereigenen Instrumenten“ (aktiv) am 13.9.04, 5.Stunde
11.3 Dritte Sitzung „Atemübungen nach Musik (aktiv)“ am 14.9.04, 3.Stunde
11.4 Vierte Sitzung „Singtherapie (aktiv)“ am 15.9.04, 3.Stunde
11.5 Fünfte Sitzung „Malen nach Musik (rezeptiv)“ am 16.9.04, 4.Stunde
11.6 Sechste Sitzung „Improvisation mit Orff- Instrumenten (aktiv)“ am 17.9.04, 4.Stunde
11.7 Siebte Sitzung „Singtanz“ (aktiv) am 18.9.04, 3.Stunde
11.8 Achte Sitzung „Musikalische Fantasiereise“ (rezeptiv) am 18.9.04, 4.Stunde
12. Auswertung der Studie
12.1 Oscar
12.2 Yannick
12.3 Shanis
12.4 Mario
12.5 Christoph
12.6 Matthias
12.7 Maximilian

IV. Schluss

V. Literaturangaben

VI. Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb.1: Bild 1 aus der Geschichte „Der Zappelphilipp“

Abb.2: Bild 2 aus der Geschichte „Der Zappel- Philipp“

Abb.3: Bild 3 aus der Geschichte „Der Zappel- Philipp“

Abb.4: Sichtbare Anzeichen für Hyperaktivität und Nahrungsmittelallergie

Abb.5: Die Verbindung von Genen innerhalb einer Familie

Abb.6: Eineiige und zweieiige Zwillinge

Abb.7: Psycho- Soziale Faktoren als Ursache von ADS

Abb.8: Delfintherapie mit Barbara Schweizer im Dolphin Human Therapiezentrum in Florida

Abb.9: Musiktherapeutische Spielformen

Abb. 10: Übersicht über „Körpereigene Instrumente“

Abb. 11: Einsatz- und Handhabungsmöglichkeiten der Orff- Instrumente

Abb.12: Beobachtungsbogen für das Verhalten der Kinder vor und nach den jeweiligen Übungen

Abb.13: Die Martinus- Grundschule Mainz Oberstadt

Abb.14: Die Klasse 3a der Martinus- Grundschule Mainz Oberstadt

Abb.15: Meine Versuchsgruppe und ich

Abb.16: Der Musiktherapiefragebogen

Abb.17: Atemübung 1 „Den Atem wahrnehmen“

Abb.18: Atemübung 2 zur Stimmbildung

Abb.19: Atemübung 3 „Die Ha- Atmung

Abb.20: 3.Sitzung „Atemübungen mit Musik“ ,14.9.04

Abb.21: 3.Sitzung „Atemübungen mit Musik“ ,14.9.04

Abb.22: Das Lied „Aber hallo ich heiße Nemo“ für die Singtherapie am 15.9.04

Abb.23: Malen nach Musik: Die Kinder konzentriert bei der Arbeit, 16.9.04

Abb.24: Malen nach Musik: Die Kinder konzentriert bei der Arbeit, 16.9.04

Abb.25: Malen nach Musik: Bild von Oscar 16,9.04

Abb.26: Malen nach Musik: Bild von Yannick 16,9.04

Abb.27: Malen nach Musik: Bild von Shanis 16,9.04

Abb.28: Malen nach Musik: Bild von Mario 16,9.04

Abb.29: Malen nach Musik: Bild von Christoph 16,9.04

Abb.30: Malen nach Musik: Bild von Matthias 16,9.04

Abb.31: Malen nach Musik: Bild von Maximilian 16,9.04

Abb.32: „Improvisation mit Orff- Instrumenten“ zur Klanggeschichte „Findet Nemo, 17.9.04

Abb.33: Improvisation mit Orff- Instrumenten, 17.9.04

Abb.34: Improvisation mit Orff- Instrumenten, 17.9.04

Abb.35: Improvisation mit Orff- Instrumenten, 17.9.04

Abb.36: Improvisation mit Orff- Instrumenten, 17.9.04

Abb.37: Improvisation mit Orff- Instrumenten, 17.9.04

Abb.38: Der Singtanz „Theo Theo“ von Volker Rosin

Abb.39: Der Singtanz „Theo Theo“, 20.9.04

Abb.40: Der Singtanz „Theo Theo“, 20.9.04

Abb.41: Der Singtanz „Theo Theo“, 20.9.04

Abb.42: Der Singtanz „Theo Theo“, 20.9.04

Abb.43: Musikalische Fantasiereise durch verschiedene Länder, 20.9.04

Abb. 44: Musikalische Fantasiereise durch verschiedene Länder, 20.9.04

Abb.45: Musikalische Fantasiereise durch verschiedene Länder, 20.9.04

Abb.46: Musikalische Fantasiereise durch verschiedene Länder, 20.9.04

Abb.47: Diagramm und Auswertung von Mittelwerten und der Signifikanz zur Einzelfallstudie von Oscar

Abb.48: Diagramm und Auswertung von Mittelwerten und der Signifikanz zur Einzelfallstudie von Yannick

Abb.49: Diagramm zur Auswertung von Mittelwerten und der Signifikanz zur Einzelfallstudie von Shanis

Abb.50: Diagramm und Auswertung von Mittelwerten und der Signifikanz zur Einzelfallstudie von Mario

Abb.51: Diagramm und Auswertung von Mittelwerten und der Signifikanz zur Einzelfallstudie von Christoph

Abb.52: Diagramm und Auswertung von Mittelwerten und der Signifikanz zur Einzelfallstudie von Matthias

Abb.53: Diagramm und Auswertung von Mittelwerten und der Signifikanz zur Einzelfallstudie von Maximilian

Vorwort

In meinem ersten Blockpraktikum, welches ich in der dritten Klasse einer Grundschule absolvierte, wurde ich zum ersten Mal mit der Problematik der Aufmerksamkeitsdefizit- /Hyperaktivitätsstörung (ADS) konfrontiert. Ein Kind meiner Praktikumklasse litt an dieser Störung und fiel im Unterricht durch unruhiges, zappeliges und auch aggressives Verhalten auf. Permanent rutschte es auf seinem Stuhl hin und her und konnte sich im Unterricht kaum konzentrieren. In den Unterrichtsstunden, die ich hielt, war ich mit diesem Kind regelrecht überfordert. Ich begann mich jedoch allmählich mit der Problematik von ADS auseinander zusetzen und suchte nach erfolgreichen Möglichkeiten, um diesem Kind zu helfen. Die Klassenlehrerin des Kindes erklärte mir die Hintergründe seiner Störung. Seine Eltern lebten getrennt und die Mutter war psychisch erkrankt. Die Störung wurde bei ihm also durch eine familiär belastende Situation verursacht. In Auseinandersetzung mit zahlreicher Fachliteratur fand ich jedoch heraus, dass die Ursachen für ADS multifkausal bedingt sind.

In weiteren Praktika und auch in Seminaren im Rahmen meines Studiums wurde ich immer wieder mit der Problematik von ADS konfrontiert. Nicht nur das Interesse dafür, sondern auch mein generelles Interesse an psychologischen Themen veranlasste mich meine Examensarbeit im Fach Psychologie über die Thematik der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung zu schreiben.

Da der zweite Fachbereich meines Studiums Musik ist, entschied ich mich dafür, dieses Fach mit der Thematik zu kombinieren.

In Absprache mit Herrn Dr. Preis wählte ich das Thema: „Hyperaktive Kinder zur Stille führen mit Hilfe musiktherapeutischer Techniken. Eine empirische Studie in der Grundschule“ .

Die praktische Umsetzung führte ich an der Martinus- Grundschule Mainz Oberstadt in einer dritten Klasse durch. Die Klassenlehrerin stellte mir sieben Kinder aus ihrer Klasse zur empirischen Studie zur Verfügung, die durch besonders auffälliges, hyperaktives Verhalten im Unterricht auffielen. In sieben Sitzungen erprobte ich die Effizienz musiktherapeutischer Techniken, die eine Verhaltensänderung herbeiführen sollten.

Bei der Realisierung meiner Examensarbeit haben mich zahlreiche Personen unterstützt, denen ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen möchte.

Ich danke

Herrn Dr. phil. Herbert Preis für die Überlassung des Themas,

Herrn Prof. Dr. Andre, dass er sich bereit erklärte, die Zweitkorrektur zu übernehmen,

der Schulleiterin Frau Schwemmler, die der Durchführung meiner Studie an ihrer Schule zustimmte,

der Lehrerin Frau Windfelder, die mir sieben Kinder ihrer Klasse für die Teilnahme an meiner Studie zur Verfügung stellte und mich bei meiner praktischen Tätigkeit an der Schule unterstützte,

weiteren Lehrern der Martins- Grundschule Mainz Oberstadt, für die Bereitstellung von Räumen und Schulstunden zur Durchführung meiner musiktherapeutischen Sitzungen ,

den Schülern meiner Versuchsgruppe: Oscar, Yannick, Shanis, Mario, Christoph, Matthias und Maximilian, die mich durch ihre Teilnahme an meiner Studie unterstützt und dafür sogar einige Male ihre Pause geopfert haben,

meinem Onkel Gunther Hauck und einem guten Freund Holger Korn, die sehr viel Zeit und Mühe aufgebracht haben, um meine Arbeit zu korrigieren und mich durch Anregungen und Ratschläge unterstützt haben,

und meinen Eltern Helga und Helmut Hauck, die mit mir gemeinsam die Arbeit auf richtige Rechtschreibung und Zeichensetzung überprüft haben.

I. Einleitung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Bild 1 aus der Geschichte „Der Zappel- Philipp“[1]

„"Ob der Philipp heute still
Wohl bei Tische sitzen will?“
Also sprach in ernstem Ton
Der Papa zu seinem Sohn,
Und die Mutter blickte stumm
Auf dem ganzen Tisch herum.
Doch der Philipp hörte nicht,
Was zu ihm der Vater spricht.
Er gaukelt
Und schaukelt,
Er trappelt
Und zappelt
Auf dem Stuhle hin und her.
„ Philipp, das mißfällt mir sehr!“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2: Bild 2 aus der Geschichte „Der Zappel- Philipp“[2]

Seht, ihr lieben Kinder, seht,
Wie's dem Philipp weiter geht !
Oben steht es auf dem Bild.
Seht! Er schaukelt gar zu wild,
Bis der Stuhl nach hinten fällt;
Da ist nichts mehr, was ihn hält;
Nach dem Tischtuch greift er, schreit.
Doch was hilfts? Zu gleicher Zeit
Fallen Teller, Flasch' und Brot.
Vater ist in großer Not,
Und die Mutter blicket stumm
Auf dem ganzen Tisch herum.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3: Bild 3 aus der Geschichte „Der Zappel- Philipp“[3]

Nun ist der Philipp ganz versteckt,
und der Tisch ist abgedeckt,
Was der Vater essen wollt',
Unten auf der Erde rollt;
Suppe, Brot und alle Bissen,
Alles ist herabgebissen;
Suppenschüssel ist entzwei,
Und die Eltern stehn dabei.
Beide sind gar zornig sehr,
Haben nichts zu essen mehr.“[4]

Dieses Portrait eines hyperaktiven Kindes zeichnete 1845 Dr. Heinrich Hoffmann in seinem berühmten „Struwwelpeter“.

Es kennzeichnet das Erscheinungsbild eines überaktiven Kindes, was sich nicht an Regeln und Normen halten kann und für sich und seine Umwelt ein Problem darstellt.[5] Hoffmann beschreibt in der Geschichte des Zappel- Philipps Auffälligkeiten im Verhalten der Kinder seiner Zeit. Offensichtlich ist es kein Zufall, dass die Geschichte […] „geradezu zum Inbegriff einer die Umgebung des Kindes sehr belastenden ´Unart` geworden ist.“[6] Der Zappelphilipp wird in der Geschichte so dargestellt, als könne er nicht stillsitzen. Der entscheidende Punkt und damit das typische Phänomen eines hyperaktiven Kindes jedoch ist, dass es nicht stillsitzen kann.[7]

Für diese Problematik, die es also auch schon früher gab, wird heute immer häufiger der Begriff der Hyperaktivität oder der Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) verwendet.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden zunehmend Kinder beobachtet, die sich auffällig verhielten. Lehrerinnen und Lehrer klagen heutzutage über Kinder, die im Unterricht durch unkonzentriertes, unaufmerksames, hyperaktives Verhalten auffallen und damit eine effiziente Unterrichtsgestaltung unmöglich machen. Nicht nur für Lehrer sondern auch für Eltern stellen diese Kinder ein Problem dar. Verzweifelt wird nach erzieherischen Mitteln gesucht, um den Kindern zu helfen sowie auch der Vater des Zappel- Philipps glaubte, auf diese Weise die Situation bei Tisch verändern zu können. Die Mutter hingegen hatte schon längst resigniert. Sehr häufig werden hyperaktive Kinder für ihr auffälliges Verhalten bestraft. Damit geraten sie leider in einen Teufelskreis. Infolge der häufigen Bestrafungen sinkt ihr Selbstwertgefühl und die Kinder nehmen nicht selten die Position eines Außenseiters ein. Durch die negativen Rückmeldungen aus der Umwelt verstärken sich die Symptome des hyperaktiven Kindes. Damit ist der Teufelskreis geschlossen. Hyperaktive Kinder brauchen aus diesen Gründen dringend professionelle Hilfen, die am Ende von Teil II meiner Arbeit ausführlich vorgestellt werden.

Zu Beginn befasse ich mich mit der Klärung der theoretischen Grundlagen. Die geschichtliche Entwicklung von ADS wird dargestellt, sowie die verschiedenen Bezeichnung für deren Symptomatik. Anschließend folgt eine ausführliche Beschreibung der typischen Eigenschaften eines ADS- Kindes, die Darstellung der multifaktoriellen Ursachen, die Diagnostik und Aufzählung verschiedener Therapiemöglichkeiten. Eine besondere Therapieform, die in meiner Arbeit vorgestellt wird, ist die Delfintherapie. Mit Hilfe von Delfinen soll ADS- Kindern geholfen werden, ihre störenden Symptome zu beseitigen. Eine Delfintherapie wird fast ausschließlich bei Kindern eingesetzt, da zwischen Kindern und Delfinen eine natürliche Verbindung besteht. Da Delfine sehr verspielt sind, öffnen sie schnell die Herzen der Kinder und erreichen eine tiefe Seelenebene.[8]

Teil III meiner Arbeit umfasst den Bereich der Musiktherapie, der als Form der Psychotherapie für viele Therapeuten eine Herausforderung darstellt. Nach der Beschreibung der erstaunlichen Wirkung von Musik als Heilmittel folgt ein Abriss der geschichtlichen Entwicklung von Musik als Therapie, die aus der heilenden Wirkung von Musik entstanden ist. Eine Erläuterung der musiktherapeutischen Techniken, die Basis meiner empirischen Studie an der Grundschule, schließt sich an. Nach der Darstellung wichtiger musiktherapeutischer Prinzipien, die vor der Anwendung musiktherapeutischer Techniken dringend Beachtung finden müssen, werden die empirische Studie, Schule, Lehrer und Kinder meiner Versuchsgruppe vorgestellt und der Verlauf der musiktherapeutischen Sitzungen ausführlich beschrieben. In der Auswertung, die sich unmittelbar an die Verlaufsbeschreibung anschließt, wird die Effizienz der musiktherapeutischen Techniken überprüft und mit Hilfe von Tabellen und Diagrammen veranschaulicht.

II. Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (AD/HS)

1. Begriffsentwicklung

Nach Vernooij wurde das Störungsbild „Hyperaktivität“ im Jahr 1845 im bereits erwähnten „Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann verwendet.

Um 1900 wurde das Störungsbild mit den Begriffen wie: zappelig, impulsiv, ablenkbar, streitsüchtig, ungehorsam, rebellisch und antisozial beschrieben. Nach Strümpel fasste man Symptome zunächst mit der Formulierung „Kinderfehler“ und nach Still mit der Formulierung „Defekte der moralischen Kontrolle“ zusammen.[9] Im Jahr 1920 wurde motorische Unruhe, auf Grund von Erfahrungen mit einer Enzephalitis- Epidemie und 1918 als Ausdruck einer Hirnschädigung gesehen. Auch die amerikanische Forschung befasste sich zwischen 1920 und 1950 mit dem Problem der Hirnschädigung, konnte aber keine eindeutigen Beweise für den Zusammenhang von kindlichem Fehlverhalten und Hirnschädigung erbringen. Um 1953 erschien der Begriff „hyperactivity“ erstmals in der Literatur. Man ging immer noch von einer Hirnschädigung als Hauptursache aus. Strauss und Lethinen sahen 1947 Hyperaktivität als Hauptsymptom bei Kindern mit Hirnverletzungen an.[10] Allein durch das Vorhandensein motorischer Unruhe schloss man auf eine Hirnschädigung, was jedoch bis heute empirisch nicht bewiesen werden konnte. In den 60er Jahren wurde neben dem Terminus Hyperaktivität die Umschreibung „verstärkte Aufmerksamkeitsstörung“ eingeführt. Laufer sprach 1957 auch von einer „hyperkinetischen Impulsauffälligkeit“.[11] Die wissenschaftlichen Untersuchungen zu Hirnschädigungen bei Kindern führten zu einer begrifflichen Veränderung. Man verwendete nun den Begriff „Dysfunktion“, da hier auch die Heilung der Beeinträchtigung bei einer Funktionsstörung wesentlich günstiger ist, als bei einer Hirnverletzung oder Hirnschädigung. Mitte der 60er Jahre (Clements 1996) einigte man sich auf den Termini „minimal brain dysfunction“ (MBD) bzw. „minimale cerebrale Dysfunktion“ (MCD). Es wurde zwar von motorischer Unruhe nicht mehr gleich auf MDC rückgeschlossen, die Gleichsetzung von Hyperaktivität und MCD blieb jedoch bis in die 70er Jahre. Seit den 60er Jahren forschte man in den USA verstärkt zum Problem Hyperaktivität. Die Vielschichtigkeit des Phänomens wurde immer deutlicher. Auffälligkeiten von unterschiedlichster Art wurden mit dem Begriff „Syndrom“ beschrieben. Ab 1968 fand man in Fachzeitschriften vermehrt Beiträge zum „Hyperkinetischen Syndrom“ (HKS).[12] Diese Bezeichnung ist das bis heute am häufigsten diagnostizierte Störungsbild in der Kinderpsychiatrie in Amerika. Sie ist eine Umschreibung für das verhaltensauffällige Kind. Das Symptomspektrum wurde nun erheblich erweitert, was zu einer verstärkten Unschärfe des allgemeinen Störungsbildes beitrug. In Deutschland fand die Hyperkinese erst seit Beginn der 70er Jahre in Forschung und Praxis vermehrte Aufmerksamkeit. In der Literatur werden aber weiterhin Hyperaktivität, Hyperkinese, Hyperkinetisches Syndrom als gleichwertige Begriffe nebeneinander benutzt und auch häufig synonym gebraucht.

Das amerikanische Namensverzeichnis wies 1980 den Begriff „Attention Deficit Disorder“ (Aufmerksamkeitsdefizitstörung) auf. Der Begriff sollte vor allem die Unaufmerksamkeit bei hyperaktiven Kindern kennzeichnen.

„Das in Deutschland gebräuchliche Klassifikationssystem psychischer Störungen der Weltgesundheitsorganisation im ICD- 10 definierte 1991 die `hyperkinetische Störung`, die sich aus hyperaktivem Verhalten und deutlicher Aufmerksamkeitsstörung zusammensetzt.“[13]

Im ICD- 10 ist der Begriff „Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität“ zu finden. Er bezeichnet das eher verträumte Kind. Es wirkt verschlossen und depressiv, hat jedoch wie das hyperaktive Kind Konzentrationsprobleme und leidet unter einer inneren Unruhe. Die vorwiegend nach außen gerichteten Kinder werden also als hyperaktiv und die nach innen gerichteten als hypoaktiv bezeichnet.[14]

Man nahm jedoch allmählich Abstand von der Bezeichnung Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität, denn Experten befürchteten, dass Kinder die Diagnose bekommen könnten, die aus ganz anderen Gründen unaufmerksam sind.

Das im Jahre 1994 veröffentlichte amerikanische diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen DSM IV beschreibt die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung mit drei Untertypen:

- Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung,

vorwiegend unaufmerksamer Typ,

- Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung,

vorwiegend hyperaktiv- impulsiver Typ,

- Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, kombinierter

Typ. “[15]

Nach Neuhaus sind in den USA in den letzten 5 Jahren nach zahlreichen Forschungen über den Jugendlichen und den Erwachsenen die Begriffe „Attention Deficit Disorder“ und „Attention Deficit Hyperactivity Disorder“, häufig abgekürzt AD/HD, entstanden. Nicht alle Menschen mit ADD müssen hyperaktiv und impulsiv sein. Die amerikanische Bezeichnung wurde mit dem Begriff „Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit und ohne Hyperaktivität“ übersetzt. Ihrer Auffassung nach ist dieser Begriff wesentlich sinnvoller und brauchbarer in der Praxis, als vom „hyperkinetischen Syndrom mit Hyperaktivität“ und vom „hyperkinetischen Syndrom ohne Hyperaktivität“ zu sprechen. Mit dem Begriff ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) bezeichnet sie sowohl hyperaktive als auch nicht hyperaktive Personen.[16] Auch ich werde mich in den folgenden Ausführungen daran halten und den Begriff Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit und ohne Hyperaktivität oder die Abkürzung ADS verwenden.

2. Übersicht der Begriffe

Da die Symptome des hyperaktiven Verhaltens sehr vielschichtig sind, ihr Verlauf schub- und wellenweise verläuft und zusätzliche Störungskomplexe auftreten können, kommt es in der Fachwelt zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen und Kategorisierungen.[17]

In Medizin und Psychiatrie gibt es entsprechend den Deutungen seiner Ursachen und Symptome über 70 Begriffe für Hyperaktivität. Hier die wichtigsten Bezeichnungen im Überblick nach Murphy- Witt:

ADS= Aufmerksamkeits- Defizit-Syndrom / Hyperaktivitätsstörung.

Zurzeit international anerkannte Bezeichnung, laut WHO () auch ADDS= Attention Deficit Disorder Syndrom. Sie wird individuell mit Hyperaktivität + H oder ohne Hyperaktivität – H bezeichnet.

AD/HD= Attention Deficit and Hyperactivity Disorder: Aufmerksamkeits-

Defizit und Hyperaktivitätsstörung. Dieser Begriff wird vorrangig im englischen Sprachraum verwendet.

HKS= Hyperkinetisches Syndrom: Hierzulande am häufigsten

verwendete Bezeichnung. Hyperkinetisch kommt von den griechischen

Worten „hyper“: übermäßig und „kinetisch“: die Bewegung betreffend. Der Begriff „Syndrom“ weist darauf hin, dass es sich um ein Krankheitsbild handelt, zu dem die unterschiedlichsten charakteristischen „Symptome“ gehören. Experten kritisieren diesen Begriff als zu ungenau, weil Kinder vorschnell ohne genaue Diagnose in diese Schublade gesteckt werden.

Hyperaktivität= Zappeligkeit, motorische Unruhe. Dieser Begriff wird oft umgangssprachlich benutzt, steht aber nur für ein Symptom des gesamten Erscheinungsbildes.

Hirnfunktionelle Entwicklungsstörung= Begriff, der vor allem von

Experten benutzt wird, die entwicklungspsychologische Gesichtspunkte in den Mittelpunkt stellen.

MCD= Minimale cerebrale Dysfunktion: geringfügige Störung der

Gehirnfunktion. Dieser Begriff wurde früher am häufigsten verwendet und gilt inzwischen, auf Grund der neuen Erkenntnisse, als veraltet.

POS= Psycho- organisches Syndrom: In der Schweiz häufig verwendete Bezeichnung.[18]

3. Häufigkeit

Die Symptomatik von ADS ist ein zeit- und kulturunabhängiges Phänomen, was nicht nur aus der Schilderung des Zappel- Philipp vor mehr als 100 Jahren, sondern auch aus transkulturellen Studien geschlossen wird. Die Häufigkeitsangaben variieren jedoch stark. So betrug der Anteil der Kinder mit ADS in den USA nach Kashani et al. 1978 2.0 %, nach Offord et al. 1989 4,3 % in Kanada, nach Anderson et al. 1987 6,7 % in Neuseeland und nach Bird et al. 1988 9,5 % in Puerto Rico.[19] In Deutschland leiden insgesamt eine Million Kinder (8%) unter ADS.[20] Die Gründe für die Divergenzen liegen in der Variation hinsichtlich der begleitenden Störungen, den Entwicklungsregeln für die Diagnose, der Symptombewertung, der eingesetzten diagnostischen Instrumente sowie in der Verhaltensausprägung. In allen Studien bildet sich eine deutlich stärkere Belastung des männlichen Geschlechts ab, die von einer drei- bis neunfach höheren Belastung als beim weiblichen Geschlecht reicht.[21]

4. Eigenschaften des ADS- Kindes

Die Eigenschaften des ADS- Kindes sind nicht anomal und treten bei allen Kindern zu bestimmten Zeiten bis zu einem bestimmten Ausmaß auf. Wenn ihr Ausmaß jedoch weit über den Durchschnitt hinausgeht, kann man das normale Kind vom ADS- Kind unterscheiden. Die Intensität, Hartnäckigkeit und die besondere Ausprägung der Symptome sind ausschlaggebend. Die Symptome müssen auch nicht bei allen ADS- Kindern auftreten.[22]

4.1 Erscheinungsbild

Nach Calatin korrespondieren Verhaltensauffälligkeiten häufig mit körperlichen Auffälligkeiten, die auch bei Allergikern vorkommen. Kinder mit ADS erkennt man an ihrem äußeren Erscheinungsbild und ihren körperlichen Auffälligkeiten. Sie haben stets eine verstopfte oder laufende Nase und niesen häufig. Außerdem husten sie oft oder räuspern sich. Der Atem kann geräuschvoll ein. Bei einigen Kindern mit ADS tränen die Augen und sind geschwollen, glasig oder entzündet. Einige ADS- Kindern haben Tränensäcke und dunkle Ringe unter den Augen sowie eine doppelte Falte am Unterlid. Häufig haben ADS- Kinder geschwollene, aufgesprungene oder knallrote Lippen. Außerdem rote Ohren, rote scharf abgegrenzte Flecken auf den Wangen. Das Gesicht ist meist blass. Auch Ausschläge oder Ekzeme gehören nicht selten zum Erscheinungsbild eines ADS-Kindes. Einige ADS-Kinder schwitzen stark, obwohl sie sich nicht körperlich anstrengen. Andere ADS-Kinder klagen über Kopfschmerzen, Ohrenschmerzen, Schmerzen im Rücken, Nacken, in den Muskeln oder Gelenken.[23]

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- Geschwollen, oft bläulich schimmernde - rote Ohren

Lippe - dunkle Ringe unter den Augen

- doppelte Falte unter dem Unterlid, - rote Wangenflecken

Tränensäcke - rote geschwollene Lippen

Abb. 4: Sichtbare Anzeichen für Hyperaktivität und Nahrungsmittelallergie[24]

4.2 Hyperaktivität

Die auffallendste Eigenschaft des ADS- Kindes ist, wie der Name Hyperaktivität schon sagt, der übertriebene Tätigkeitsdrang. Die Kinder sind immer aktiv und leiden häufig unter Schlafstörungen. ADS-Kinder bleiben bei keiner Tätigkeit lange. Sie wechseln von einer Tätigkeit zur nächsten, weil sie schnell das Interesse daran verlieren. In der Schule sind die Kinder oft nervös und stören den Unterricht. Sie können nicht auf ihrem Platz sitzen bleiben, sondern stehen im Unterricht auf, sprechen laut und machen Unfug. ADS-Kinder sind überaktiv und übergesprächig. Im Vergleich zu anderen Kindern können ADS-Kinder ihre Aktivitäten nicht hemmen. Das heißt aber nicht, dass sie immer in Bewegung sind. Manchmal können sie auch längere Zeit still sitzen.[25]

4.3 Aufmerksamkeitsstörungen

ADS-Kinder sind sehr leicht ablenkbar und haben nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Sie haben keine Ausdauer und können sich nicht lange konzentrieren. Außerdem haben sie Schwierigkeiten, mühsame Aufgaben durchzuführen. Auch das lange Zuhören fällt vielen ADS-Kindern schwer. Begonnene Hausaufgaben bleiben oft nur halbfertig liegen. Wenn man dem Kind jedoch individuelle Aufmerksamkeit zuwendet, kann es sich auch für längere Zeit konzentrieren. ADS-Kinder haben häufig nur Konzentrationsstörungen, wenn sie unbeaufsichtigt sind. Bei manchen ADS-Kindern kann die Ablenkbarkeit überlagert sein von der Fähigkeit, für eine längere Zeitspanne bei einer bestimmten Tätigkeit zu bleiben. Oft handelt es sich dabei um Tätigkeiten, die das Kind selbst gewählt hat.[26]

4.4 In Anspruch nehmendes Verhalten

Alle Kinder benötigen zu einer normalen Entwicklung das Interesse und die Aufmerksamkeit Erwachsener. ADS-Kinder jedoch sind unersättlich. Sie benötigen die ständige Aufmerksamkeit und fühlen sich, als wären sie mitten auf einer Bühne. In der Schule spielen ADS-Kinder oft den Klassenclown und stören damit den Unterricht. Der Anspruch auf beständige Zuwendung ist für die Erwachsenen entmutigend und quälend. Sie wissen nicht, wie sie ihr Kind zufrieden stellen können und werden oft zornig, weil ihr Kind zu stark klammert.[27]

4.5 Impulsivität

Ein typisches Charakteristikum der ADS-Kinder ist ihre Impulsivität und ihre mangelnde Impulskontrolle. Sie wollen immer sofort alles bekommen, was sie haben möchten. Sie handeln ohne Überlegung und ohne Rücksicht auf die Folgen. Wenn ADS-Kinder nicht das bekommen, was sie haben wollen, werden sie wütend. Sie folgen mit unglaublicher Geschwindigkeit ihren inneren Impulsen. Die Impulsivität äußert sich bei den ADS-Kindern in mangelnder Planung und Beurteilung. Sie sind unordentlich und unsystematisch. Meist sind ihre Zimmer nicht aufgeräumt, die Kleider schlampig und Aufgaben werden nicht zu Ende gebracht. Viele ADS-Kinder haben Probleme, ihren Darm und ihre Blase zu kontrollieren. Häufig nässen sie ein, weil sie ihren dringenden Bedürfnissen keinerlei Beachtung schenken. Auch soziale Impulsivität und antisoziales Verhalten sind bei ADS-Kindern ein Problem. Nicht selten stehlen oder lügen sie. Viele ADS- Kindern spielen gerne mit Zündhölzern, was sehr gefährlich sein kann.[28]

4.6 Schulschwierigkeiten

Die Aufmerksamkeitsdefizitstörung hat zunächst keinen Einfluss auf die Intelligenz der Kinder. Sie steht auch nicht im Zusammenhang mit einer geistigen Behinderung. Einige Kinder haben jedoch Probleme mit der intellektuellen Entwicklung und der Wahrnehmung. Oft sind bestimmte Bereiche von Intelligenz ungleichmäßig entwickelt. So sind einige ADS-Kinder schlecht im Lesen, während andere ADS-Kinder Probleme beim Lösen von Mathematikaufgaben haben. Wenn die Schule auf die ungleichmäßige Entwicklung des Kindes keine Rücksicht nimmt, können Probleme für die weitere schulische Laufbahn des Kindes entstehen. Viele ADS-Kinder haben Schwierigkeiten in der Wahrnehmung. Eine Schwierigkeit ist z.B. die Unterscheidung von rechts und links, was sehr häufig zu Lesestörungen führt. Die Lernprobleme der ADS-Kinder werden meist auf mangelnde Aufmerksamkeit und der Neigung zu emotionellen Überreaktionen zurückgeführt. Die Kinder mit ADS bewegen sich somit nicht selten in einem Teufelskreis. Auf Grund ihrer schlechten schulischen Leistungen werden sie von ihren Lehren meist heftiger Kritik ausgesetzt. Dies führt zu einer geringen Selbsteinschätzung des Kindes. Folglich hat das Kind weniger Motivation. Die Anstrengungsbereitschaft sinkt und das Kind neigt in den meisten Fällen dazu, aufzugeben. Das Ergebnis ist ein stetiger Abstieg.[29]

4.7 Koordinationsschwierigkeiten

Fast die Hälfte der ADS-Kinder zeigt Koordinationsstörungen verschiedener Art. Bei einigen Kindern ist die feinmotorische Kontrolle vermindert. Sie haben Probleme, mit der Schere zu schneiden, zu schreiben oder ihre Schuhe zu binden. Manche ADS-Kinder haben Gleichgewichtsstörungen, andere wiederum sind ungeschickt beim Ballwerfen. Viele ADS-Kinder sind aber auch gut koordiniert. Meistens sind Jungen mit ADS von Koordinationsproblemen betroffen.[30]

4.8 Widerspenstiges und herrschsüchtiges Verhalten

Die meisten ADS-Kinder leisten erheblichen Widerstand gegen soziale Forderungen, gegen Ge- und Verbote und können Soll- und Kann-Vorschriften nicht einhalten. Sie streben oft nach Unabhängigkeit und sind anderen Kindern gegenüber sehr herrschsüchtig. Viele ADS-Kinder sind dem Anschein nach unerziehbar. Eltern oder Lehrer bezeichnen die Kinder als widerspenstig, ungehorsam, aufsässig, harthörig oder verstockt. ADS- Kinder scheinen sich immer durchsetzen zu wollen. Erziehungsmittel erweisen sich erfolglos. Nicht alle Kinder mit ADS streben nach Unabhängigkeit. Viele sind extrem anhänglich, abhängig und benötigen viel Zuwendung. ADS-Kinder wollen im Kontakt mit Gleichaltrigen immer Führer sein und entscheiden, nach welchen Regeln gespielt wird. Deshalb haben ADS- Kinder kaum Freunde. Sie gewinnen zwar leicht Freunde, können sie aber nicht halten und spielen dann häufig mit jüngeren Kindern. In Folge ihrer Aggressivität sind ADS-Kinder häufig in Raufereien verwickelt.[31]

4.9 Emotionale Schwierigkeiten

Fast alle ADS-Kinder haben emotionale Probleme. Sie leiden unter Stimmungsschwankungen. Ihr Verhalten ist oft unvorhersehbar. Viele Kinder wirken manchmal extrem stark, dann wieder extrem schwach. Oft empfinden sie nach Verletzungen gar keinen Schmerz. ADS-Kinder sind häufig furchtlos. Ihre Furchtlosigkeit ist mit dem Bedürfnis, Aufmerksamkeit zu erregen, verbunden sowie mit der Neigung, ohne Planung und Überlegung zu handeln. In Situationen außergewöhnlicher Aufregung, reagieren ADS- Kinder in den meisten Fällen überreaktiv, da sie dann die Kontrolle über sich selbst verlieren. Sie reagieren aber auch bei Frustrationen überreaktiv. ADS-Kinder haben eine niedrige Toleranz gegenüber Frustrationen. Ihre Reaktionen darauf sind umso heftiger, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie die Kinder wollen. Dann bekommen sie Wutanfälle. Eine weitere Eigenschaft der ADS-Kinder ist ihre permanente Unzufriedenheit. Man scheint sie mit nichts für lange Zeit zufrieden stellen zu können. Des Weiteren haben ADS-Kinder eine niedrige Selbsteinschätzung.[32]

4.10 Unreife

Unreife zeigt sich bei ADS-Kindern in ihren mangelhaften sozialen, sportlichen und schulischen Leistungen sowie in ihrer Unfähigkeit, bestimmte Regeln zu befolgen. Die niedrige Frustrationstoleranz, der Mangel an Ausdauer sind ein weiteres Kennzeichen von Unreife. ADS-Kinder reagieren auch äußerst sensibel auf Veränderungen. Sie geraten aus der Fassung, wenn sich an ihrer Routine etwas ändert.[33]

5. Entwicklung des ADS- Kindes vom Säuglingsalter bis ins Erwachsenenalter

Nach Cordula Neuhaus erkennt man ADS bereits im Säuglingsalter. „Etwa ein Drittel der Mütter berichten, dass ihr Kind ohne ersichtlichen Grund 14 Tage nach dem errechneten Termin zur Welt kam. Einige schildern, dass das Baby bereits im Mutterleib unruhig gewesen sei. […] Nicht selten sind die Kinder bereits im Kreißsaal `blitzwach`, inspizieren die Welt mit `offenen Augen`, sind dann aber oft bereits im

Säuglingsalter anstrengend. Sie schreien viel und schlafen wenig.“[34] Kinder mit ADS wollen viel und intensiv beschäftigt werden. Sie schreien im ersten Lebensjahr häufig, wenn sie unzufrieden sind. Die Krabbelphase ist meist kurz oder wird einfach übersprungen. Einige Babys beginnen schon im Alter von 7 oder 8 Monaten zu laufen.

Im Kleinkindalter sind viele Kinder mit ADS fröhlich und offen, während andere sehr missmutig sind. Die Sprachentwicklung setzt in den meisten Fällen recht früh ein. Ein Teil der Kinder mit ADS entwickelt jedoch Sprachverzögerungen mit Aussprachefehlern. Viele Kinder sprechen ununterbrochen ohne Punkt und Komma. Sie reden dazwischen oder sprechen über Dinge, die gar nicht zur Sache gehören. Ab dem zweiten Lebensjahr wirken Kinder mit ADS oft schusselig. Hin und wieder passieren kleine Unfälle. Sie wirken experimentierfreudig, haben aber Probleme, stillzusitzen. Es kommt auch häufig zu Wutanfällen. Außerdem weinen die Kinder viel. Kinder mit ADS streben oft früh nach Selbständigkeit und möchten nur das tun, worauf sie gerade Lust haben. Im Vorschulalter fangen sie viele Dinge an, bringen sie aber nicht zu Ende. Die Begeisterung für Neues ist schnell, aber genauso schnell auch wieder vorbei. Die Kinder sind schwer lenkbar und sehr eigensinnig. Was sie sich in den Kopf gesetzt haben, müssen sie sofort durchführen. Wenn etwas nicht gelingt, sind sie sofort frustriert.

Im Schulalter fallen Kinder mit ADS oft auf, da sie Schwierigkeiten mit dem Schreibenlernen und Lesenlernen haben. Schwierige Aufgaben verweigern sie oder ermüden. Sie haben Probleme beim Erfassen einer konkreten Aufgabe. Arbeitsaufträge werden nur zur Hälfte aufgenommen. In der 2. und 3. Klasse gibt es oft erhebliche Rechtschreibprobleme; bei einigen Kinder aber auch Probleme beim Rechnen. Arbeitswille und Selbständigkeit sind oft nicht ausreichend. Die Kinder mit ADS wirken oft schusselig und vergesslich. Sie sind schnell abgelenkt und träumen weg. Außerdem ermüden sie schnell und zeigen ein schwankendes Arbeitsverhalten. In der Schule werden sie oft als faul, nicht anstrengungsbereit oder dumm etikettiert. Das Zusammenleben mit anderen Kindern bereitet ADS-Kindern häufig Schwierigkeiten, da sie anecken oder stören. Sie wirken im Vergleich mit Altersgenossen wesentlich verspielter, unreifer und jünger. Beim Einschlafen haben die Kinder Schwierigkeiten. Bei einschneidenden Ereignissen kann es passieren, dass ADS-Kinder einnässen.

In der Pubertät kann es zu abwehrendem und aggressiven Verhaltensweisen kommen. Die Jugendlichen erleben ihre Pubertät exzessiv. Entweder ziehen sie sich zurück oder gehen extrem nach außen. Sie wirken in ihrem Verhalten immer jünger und unreifer als Gleichaltrige. Jugendliche mit ADS leiden unter motorischer Unruhe. Sie haben kein Durchhaltevermögen. Die Schulleistungen fallen oft rapide ab. Die Jugendlichen sind schwer zu erreichen und reagieren auf Strafandrohungen oft gleichgültig oder desinteressiert. Interesse zeigen die Jugendlichen nur bei Tätigkeiten, die sie gerne ausüben. Sie springen mit ihren Gedanken häufig hin und her, wirken unorganisiert und machen mehrere Dinge gleichzeitig. Ihre Ziele und Ideen wechseln rasch. Die Pubertät dauert bei Jugendlichen mit ADS länger, da sie meist spät zur Einsicht gelangen.

Erwachsene mit ADS sind hypersensibel und zögernd. Nicht nur unangenehme, sondern auch wichtige Tätigkeiten werden bis zum allerletzten Moment aufgeschoben. Im Gespräch verlieren Erwachsene oft den Faden, Kritik können sie kaum ertragen. Sich selbst gegenüber sind sie jedoch äußerst kritisch. Sie sind meist nicht im Stande, enge Beziehungen aufrechtzuerhalten. Auf körperliche Symptome reagieren sie äußerst sensibel. Erwachsene mit ADS leiden außerdem unter extremen Stimmungsschwankungen. Depressive Stimmungen werden häufig schon durch Kleinigkeiten verursacht. Die Erwachsenen fühlen sich in der Arbeit, in der Familie oder im Freundeskreis schnell überfordert. Außerdem leiden sie häufig unter mangelndem Selbstwertgefühl, Existenz- und Verlustängsten, bis hin zum Gedanken an Suizid.[35]

6. Ursachen von ADS

Zu Zeiten des Struwwelpeters (1845) betrachtete man aufmerksamkeitsgestörte Kinder zunächst als ungezogen. Man nahm an, dass Erziehungsfehler der Eltern die Ursache dieser Ungezogenheit waren. Mit der Entwicklung der Psychoanalyse begann man allmählich, die Ursachen von Verhaltensstörung in Erlebnissen und Konflikten der Kindheit zu suchen. Familienprobleme, besonders ein gestörtes Mutter- Kind- Verhältnis, waren damals die Hauptursache für ADS.[36] Auch Annahmen, ob nicht auch Erbanteile eine Rolle spielen, wurden diskutiert. Im Jahr 1977 erfand man in Amerika den Begriff „minimale cerebrale Dysfunktion“. Man ging davon aus, dass ADS durch eine frühkindliche Hirnschädigung ausgelöst wird. Es kam zu vielfältigen Diagnosebezeichnungen und unterschiedlichen Erklärungsansätzen. Die Ursachen für eine Aufmerksamkeitsstörung konnten bis heute noch nicht einwandfrei geklärt werden. Das Wissen über die Ursachen von Hyperaktivität ist unvollkommen. Durch Informationen aus den verschiedensten Wissenschaftszweigen geht man heute davon aus, dass die Aufmerksamkeitsstörung vor allem durch folgende Faktoren bedingt ist:

- Genetische Faktoren
- Organische Faktoren
- Ökologische Faktoren
- Psychosoziale Faktoren

Neue Erkenntnisse führen dazu, dass man ADS unter neurobiologischen Aspekten betrachtet, die einen genetischen Hintergrund haben.[37] Im Folgenden werde ich auf die 4 Faktoren, die als Ursache von ADS in Frage kommen, näher eingehen.

6.1 Genetische Faktoren

Aufmerksamkeitsgestörte Eltern haben auffallend auch aufmerksamkeitsgestörte Kinder. Grund dafür ist natürlich auch der Einfluss der Erziehung und das elterliche Vorbild. Vererbung spielt jedoch die größte Rolle.[38]

Nach Taylor werden Merkmale in Körper und Verhalten von den Eltern an die Kinder durch kleine Einheiten, die Gene, weitergegeben. Der Mensch hat 23 Chromosomenpaare. Jedes Chromosom trägt eine Vielzahl von Genen. Das Kind bekommt ungefähr die Hälfte seines Genmaterials vom Vater und die andere Hälfte von der Mutter. Geschwister haben im Durchschnitt die Hälfte des Genmaterials gemeinsam.

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Abb. 5: Die Verbindung von Genen innerhalb einer Familie[39]

Zweieiige Zwillinge entwickeln sich aus getrennten Eizellen, die zur selben Zeit befurchtet wurden. Jeder Zwilling hat eine unterschiedliche Zusammensetzung seines Erbguts. Die zwei Kinder sind so verschieden wie Geschwister. Eineiige Zwillinge entwickeln sich aus einer einzigen befruchteten Eizelle, die sich zu zwei Embryonen aufteilt. Aus diesem Grund haben sie genau das gleiche Erbgut.[40]

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Abb. 6: Eineiige und zweieiige Zwillinge[41]

„Je näher Personen mit einem hyperaktiven Kind verwandt sind, umso wahrscheinlicher ist, dass sie in der Kindheit das gleiche Verhaltensproblem hatten. Der Aktivitätsgrad eineiiger Zwillinge ist sich ähnlicher als der zweieiiger Zwillinge; Brüder sind sich näher als Halbbrüder.“[42]

Um diese Aussage zu bekräftigen und die genetischen Faktoren von ADS genauer festzustellen, wurden in der Vergangenheit einige Untersuchen, wie z.B. Befragungen bei Eltern und Zwillingsstudien, durchgeführt. Eine der Studien wurde von Morrison und Stewart 1971 vorgelegt, die 59 hyperaktive Kinder und als Kontrollgruppe die Eltern von 41 Kindern ohne ADS befragten.[43] Es sollte herausgefunden werden, inwiefern die Eltern in ihrer Kindheit selbst unter ADS litten. Das Ergebnis zeigte, dass 20 % der Eltern hyperaktiver Kinder früher ebenfalls unter der Symptomatik litten, während nur 5 % der Eltern der Kontrollgruppe dies angaben. Die Ergebnisse können jedoch nur in begrenztem Maße zum Nachweis genetischer Verursachungsfaktoren hilfreich sein, da die Selbsteinschätzung aus der Erinnerung bei den Elternbefragungen immer unbewusst- subjektiven Veränderungen unterliegt.[44]

Laut Taylor ergaben Untersuchungen mit eineiigen Zwillingen, dass fast immer beide aufmerksamkeitsgestört sind, während zweieiige Zwillinge nur zu 50 % dieselben Verhaltensstörungen aufweisen.[45]

Auch Lopez stellte 1956 nach Untersuchungen an eineiigen und zweieiigen Zwillingen fest, dass eineiige Zwillinge häufiger gemeinsam als hyperaktiv bezeichnet werden, während dies bei zweieiigen Zwillingen nicht der Fall ist. Die Studie ist jedoch hinsichtlich der Bestätigung genetischer Verursachungsfaktoren von eingeschränkter Aussagekraft, da auf die verschiedenen Geschlechter nicht eingegangen wurde. Außerdem wird in Familien auf die Gleichbehandlung von eineiigen Zwillingen mehr Wert gelegt, als bei zweieigen Paaren, was die Ergebnisse beeinflusst haben könnte.[46] Eisert führte 1981 noch eine Geschwisteruntersuchung von Welner 1977 an, in der die Häufigkeit von hyperkinetischem Verhalten unter Geschwistern untersucht wurde. Ergebnis war, dass 26 % der Brüder von hyperkinetischen Kindern ebenfalls hyperkinetisches Verhalten zeigten. In dieser Untersuchung wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass bei Geschwisteruntersuchungen die Symptomatik bei Brüdern auch auf Grund von Modelllernen entstanden sein könnte. Trotz der Untersuchungen bleibt die Rolle des genetischen Einflusses bei der Entstehung von ADS weiterhin unsicher.[47]

Eine große Rolle bei der Vererbung spielen auch Allergien. Eltern aufmerksamkeitsgestörter Kinder litten häufig unter migräneartigen Kopfschmerzen in Verbindung mit Pollenallergien, allergischen Ausschlägen oder Asthma. Die Väter litten meist unter Verdauungsbeschwerden und Heuschnupfen. Auch die Geschwister waren zum größten Teil allergisch.[48]

Wender ist der Auffassung, dass auch das Temperament angeboren und nicht selten vererbt ist. Untersuchungen über die Entwicklung vom Säuglingsalter bis zur Präadoleszenz haben ergeben, dass sich Kinder von ihren ersten Lebenstagen an voneinander unterscheiden. Kinderpsychiater sind sich nicht ganz sicher, aber dennoch der Auffassung, dass chemische Unterschiede im Gehirn ausschlaggebend für die Anomalien in der Entwicklung des Babys vor der Geburt, die Ursache sein könnte, aber auch genetische Unterschiede. Bestimmte Gene können die Menge an Neurotransmittern kontrollieren und einige Gene eine zu geringe Produktion von Neurotransmittern zur Folge haben. Ein Mangel an Neurotransmittern hat eine zu geringe Hirnaktivität zur Folge. Es kann somit zu Schwierigkeiten der Aufmerksamkeit, zu mangelnder Selbstkontrolle, verminderter Konzentrationsfähigkeit und Sensibilität gegenüber den Reaktionen anderer Menschen, ihren Befehlen und Verboten und zu verminderter Fähigkeit, der Stimmungsmodulation, kommen. Es ist eine verbreitete Beobachtung, dass in Familien bestimmte Temperamente relativ häufig auftreten.[49]

6.2 Organische Faktoren

Früher wurde häufig angenommen, dass ADS mit einer Hirnfunktionsstörung (cerebrale Dysfunktion oder MCD) einhergeht. Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass bei ADS Hirnzellen fehlausgebildet sind oder gar fehlen.[50] Nach Pferseer spricht für die organische Verursachung von ADS die Beobachtung, dass ausschließlich psychotherapeutische Behandlungen kaum Erfolg zeigen. Die Gabe von Psychostimulanten hat gezeigt, dass aufmerksamkeitsgestörten Kindern bestimmte Stoffe im Organismus fehlen. Dieses Defizit kann durch die Medikamentengabe ausgeglichen werden.[51]

6.2.1 Gehirnstoffwechsel

Nach Murphy- Witt ist eine Störung im Stammhirn schuld, dass die Reize bei ADS-Kindern nicht richtig erfasst und weitergeleitet werden. Dadurch wird die Reifung und Entwicklung des Gehirns enorm beeinträchtigt. Experten sprechen häufig auch von einer „Entwicklungsstörung“. Ursache der Störung im Stammhirn ist eine Fehlsteuerung im Stoffwechsel der Botenstoffe (Neurotransmitter) des zentralen Nervensystems. Es handelt sich vor allem um die chemischen Botenstoffe Dopamin, Serotonin und Nordadrenalin. Ein Mangel dieser Botenstoffe bewirkt, dass das Gehirn unwichtige Reize nicht mehr von wichtigen unterscheiden und deren Entwicklung hemmen kann. Die Sinneswahrnehmung ist somit bei ADS-Kindern gestört. Eine angemessene Reaktion auf einen bestimmten Reiz ist nicht mehr möglich. Durch die Reizüberflutung im Gehirn verbrauchen einige Bereiche des Großhirns Unmengen an Glucose. Für das Steuer- und Planungszentrum im Frontalhirn bleibt somit viel zu wenig „Treibstoff“ übrig. Stoffwechsel und Durchblutung sind dadurch sehr schlecht. Auf Grund der Störung im Stammhirn haben ADS-Kinder erhebliche motorische Probleme und Schwierigkeiten, sich in einer Situation angemessen zu verhalten. Sie sind meist nicht in der Lage, ihre eigenen Reaktionen zu steuern und ihre Impulsivität zu hemmen.[52]

6.2.2 Allergien

Ein weiterer wichtiger organischer Faktor im Zusammenhang mit der Entstehung von ADS sind nach Calatin die Allergien. Eine Allergie ist eine veränderte Reaktionsweise im Köper. Das Immunsystem reagiert dann überempfindlich gegen alle möglichen Antigene, in diesem Fall „Allergene“ genannt. Bei Allergien ist die Zusammenarbeit und gegenseitige Kontrolle der Immunfunktionen gestört. Der Körper produziert in Unmengen Antikörper gegen zahlreiche Stoffe. Bei allergischen Erkrankungen wie Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis produziert der Körper im Übermaß IgE- Antikörper. Die Symptome sind dann Juckreiz, Schwellungen, Entzündungen, Verengung der Atemwege und Blutdruckabfall. All dies sind Wirkungen des Histamins und anderen Mediatoren der allergischen Reaktion, die von Mastzellen abgegeben werden, wenn die auf ihrer Oberfläche sitzenden IgE- Antikörper mit den jeweiligen Allergenen reagieren. Bei ADS-Kindern, wie von vielen Ärzten und Eltern beobachtet wurde, finden sich auffallend häufig allergische Symptome. Kinder mit Pollenallergie werden zu den Pollenflugzeiten deutlich stärker hyperaktiv. Nach Erhebungen von Ärzten leiden zwischen 28 und 50 Prozent der Kinder mit ADS gleichzeitig an allergischen Erkrankungen. In der Gesamtbevölkerung leiden ca. 4- 10 Prozent Menschen unter Allergien. In diesen Erhebungen sind die Nahrungsmittelallergien allerdings nicht enthalten, da diese eher zu den ökologischen Faktoren im Zusammenhang mit der Entstehung von ADS zählen. Vieles deutet darauf hin, dass Störungen im Immunsystem, die zu Allergien führen und die Störungen der Gehirnfunktion eine gemeinsame Grundlage als Ursache von ADS haben.[53]

6.3 Ökologische Faktoren

In den 70er Jahren wurden oft Vermutungen geäußert, dass ADS die Folge von ungünstigen Beleuchtungsbedingungen und beengten Wohnverhältnissen sei. Bestimmte Beleuchtungsbedingungen und beengte Wohnverhältnisse lösen zwar bei Kindern nicht selten Konzentrationsstörungen oder motorische Unruhe aus, trotzdem sind diese Faktoren keine ausreichende Erklärung für die Entstehung von ADS. Sie sind zu wenig empirisch erforscht.[54]

6.3.1 Ernährung

Ein möglicher ökologischer Faktor für die Entstehung von ADS ist nach Calatin die Ernährung. Seit Anfang des Jahrhunderts finden sich immer wieder Berichte und Fallbeispiele in der medizinischen Fachliteratur, die zeigen, dass einzelne Kinder nach dem Essen bestimmter Speisen reizbar, motorisch ruhelos wurden und Schlafstörungen bekamen. Theron G. Randolph, der Begründer der Klinischen Ökologie, entdeckte 1947 erstmals Fälle von Hyperaktivität bei Kindern auf Grund einer Nahrungsmittelallergie. Frederic Speer, amerikanischer Kinderarzt und Allergologe, fasste seine Beobachtungen in den Begriff „ Allergisches Anspannungs- Ermüdungssyndrom“ zusammen. William Crook ermittelte als häufigste allergene Nahrungsmittel: Milch, Schokolade, Eier, Weizen, Mais, Erdnüsse, Schweinefleisch, Orangensaft und Zucker.[55]

6.3.1.1 Zucker

Nach Huibers haben sich die Ernährungsmuster unserer Gesellschaft geändert. So ist in den letzten fünfzig Jahren der Konsum von Zucker erheblich gestiegen. Dadurch ist die Bauchspeicheldrüse nicht mehr zu einer Feinabstimmung imstande, da sie durch einen hohen Zuckerkonsum aus dem Gleichgewicht gerät und nicht mehr normal reagiert. Sobald Zucker konsumiert wird und der Glucosespiegel des Blutes die Norm geringfügig übersteigt, schüttet die Bauchspeicheldrüse eine große Menge an Insulin aus. Wenn jedoch eine geringfügige Glucosemenge auf eine große, nicht feinabgestimmte Insulinmenge trifft, sinkt der Blutzuckerspiegel unter das Niveau, das für den normalen Ablauf im Körper nötig ist. Folglich entsteht im Körper eine Hypoklämie, ein viel zu niedriger Blutzuckerspiegel. Dies hat zur Folge, dass Adrenalin und Glucagon akut ausgeschüttet werden, um den Reservezucker in Glucose umzuwandeln. Das ausgeschüttete Adrenalin wirkt nicht nur auf die Zuckerreserve, sondern aktiviert gleichzeitig den sympathischen Teil des vegetativen Nervensystems, wo es als Neurotransmitter fungiert. Adrenalin setzt ja bekanntlich das Fluchtverhalten in Gang. Fluchtverhalten ist der Definition nach „hyperaktiv“. Ein hoher Zuckerkonsum kann also zu Hyperaktivität führen.[56]

Nach Calatin gibt es seit 1980 zahlreiche Untersuchungen über den Zusammenhang von Zuckerkonsum und Hyperaktivität. Keith Connors hat in einer der ersten Studien mit einer großen Gruppe vier- bis fünfjähriger nicht hyperaktiver Jungen den täglichen Zuckerkonsum der einzelnen Kinder mit ihrer Aufmerksamkeitsfähigkeit verglichen. Das Ergebnis zeigte, dass hoher Zuckerkonsum mit geringer Aufmerksamkeit gekoppelt ist. Jane Goldman von der Universität Connecticut gab einer Gruppe normaler Vorschulkindern ein zuckerhaltiges Getränk, einer anderen Gruppe normaler Vorschulkinder ein zuckerfreies Placebo. Dann stellte sie ihnen bestimmte Aufgaben, die Aufmerksamkeit und Konzentration erforderten. Nicht nur der Erfolg der Aufgaben, sondern auch die Zeit, in der sich die Kinder von der Aufgabe entfernten und herumrannten, wurde gemessen. Die Kinder, die Zucker bekommen hatten, lösten ihre Aufgaben deutlich schlechter und rannten mehr herum, als die Kinder, die das Placebo- Getränk erhalten hatten. Die Wirkung zeigte sich jedoch erst eine Stunde nach Versuchsbeginn. All diese Studien hatten jedoch den Nachteil, dass nur die Wirkung einer einzelnen Zuckermahlzeit gemessen wurde und keine Kontrolle darüber bestand, was die Kinder sonst noch verzehrten. Conners unternahm deshalb eine Langzeitstudie mit schwerkranken ADS-Kindern in einem Kinderkrankenhaus und stellte heraus, dass sie nach der Gabe eines Zuckergetränkes ruhiger und konzentrierter waren, wenn sie davor ein proteinhaltiges Frühstück zu sich genommen hatten. Wenn das Frühstück jedoch nur aus Kohlenhydraten bestand, bewirkte das Zuckergetränk hyperaktives Verhalten und eine schlechtere Konzentrationsfähigkeit. Zucker kann also negative, positive oder auch gar keine Wirkung auf das Verhalten haben, je nachdem ob das Kind hyperaktiv oder normal ist und welches Frühstück vorher verzehrt wurde.[57]

6.3.1.2 Nahrungsmittelzusätze

Ein weiterer ökologischer Faktor, der nach Vernooij im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme und der Entstehung von ADS zu betrachten ist, ist der Farbstoff als Nahrungsmittelzusatz. 1973 wurde von Feingold eine Diskussion um die Wirkung von Nahrungsmittelzusätzen, um organische und anorganische Phosphate in Nahrungsmitteln und diätische Maßnahmen bei Kindern mit ADS veranlasst. Feingolds Hypothese war, dass die in Nahrungsmitteln enthaltenen Farbstoffe, z.B. Salicylate (in vielen Früchten enthalten) ADS auslösen könnten. Daraufhin entwickelte er eine Diät, welche salicylathaltige Nahrungsmittel vermied und besonders auf den Verzicht von künstlichen Farb- und Geschmacksstoffen achtete. Seine Diät bezeichnete er als KP-Diät (Kaiser- Permanente- Diät). Feingolds Diät fand zunächst nur bei Erwachsenen Anwendung, später konzentrierte er sich auch auf ADS-Kinder. Es fehlten jedoch wissenschaftlich abgesicherte Daten zur Stützung seiner Hypothese. Conners lieferte 1976 wissenschaftlich verwertbare Daten. Er stellte als zusammenfassendes Ergebnis heraus, dass nur bei einer verschwindend kleinen Minderheit von Kindern, Zusammenhänge zwischen Salicylaten und künstlichen Nahrungsmittelzusätzen und den Symptomen wie motorische Unruhe oder Aufmerksamkeitsstörungen entstehen.[58]

6.3.1.3 Phosphat

Die Pharmazeutin Hertha Hafer entwickelte in Anlehnung an die Farbstoff- Hypothese von Feingold die Phosphat-Hypothese, die besagt, dass hyperaktives Verhalten durch eine Stoffwechselstörung im Bereich der Neuhormone ausgelöst wird. Dies kann zu allergischen Reaktionen gegenüber Nahrungsphosphaten führen. Sie stellte daraufhin, in Anlehnung an Feingold, eine phosphatreduzierte Diät zusammen, die eine Verhaltensänderung bei den Kindern bewirken sollte. Durch weitere Untersuchungen von Dröse/Reinike/Stolle 1978, Walther et al. 1980/82 und Valery 1984 konnte jedoch festgestellt werden, dass ein Zusammenhang zwischen kindlichen Verhaltensstörungen und der Verabreichung von Phosphat nicht nachweisbar ist. Hafer (1984) nahm an, dass die positiven Verhaltensänderungen nach der Phosphat- Diät eher durch die Mittelpunktposition des Kindes während der Diät zusammenhängen. Denn die Verabreichung einer Diät beeinflusst die psychosoziale Situation des Kindes enorm.[59]

6.3.2 Umweltgifte (Blei)

Als weiteren ökologischen Faktor für die Entstehung von ADS im Zusammenhang mit der Ernährung kommen Umweltgifte in Frage.

1972 veröffentlichten David/Clark/Voeller eine Untersuchung zum Bleigehalt im Blut von ADS-Kindern. Das Ergebnis war, dass alle Kinder mit extremer motorischer Unruhe erhöhte Bleiwerte aufwiesen. Die Autoren fanden außerdem heraus, dass ein extrem hoher Bleigehalt im Blut den Gehirnstoffwechsel beeinträchtigt. Blei war bis in die 50er Jahre vor allem in Lackfarben enthalten. Geringfügige Bleimengen finden sich aber auch in der Umwelt. Bleihaltige Wasserrohre können Bleipartikel ins Wasser abgeben. Durch Autoabgase und industrielle Prozesse gelangt Blei in die Luft. Auch in Nahrungsmitteln, besonders in Konserven, kann Blei enthalten sein. Obwohl in mehreren Untersuchungen ein Zusammenhang zwischen ADS und Bleikonzentration im Blut nachgewiesen werden konnte, lässt sich eine sichere Kausalverbindung nicht herstellen.[60]

6.4 Psycho- soziale Faktoren

Nach Vernooij (1991) gehören zu den psycho- sozialen Faktorengruppen:

- die ökonomisch- kulturellen Bedingungen
- die Bedingungen des sozialen Umfeldes
- die psycho- emotionalen Bedingen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Psycho- Soziale Faktoren als Ursache von ADS[61]

6.4.1 Ökonomisch- kulturelle Bedingungen

Die ökonomisch- kulturellen Bedingungen lassen sich in der Regel kaum verändern. Materielle Abhängigkeit, beengte Wohnverhältnisse und das anregungsarme Milieu in Unterschichtfamilien führen zu soziokultureller Benachteiligung, was nicht selten negative Auswirkungen auf die Lernfähigkeit und die Schulkarriere der Kinder hat. Im Zusammenhang mit ADS spielt der ökonomisch- kulturelle Faktor eine entscheidende Rolle. Nach Steinhausen finden sich unter den ADS-Kindern häufig solche der Unterschicht, was er auf ungenügende psychiatrische und pädagogische Beratung zurückführt. Die durch Arbeitslosigkeit eines oder beider Elternteile entstandene materielle Armut wirkt psycho- emotional deprivierend auf das Kind.[62]

6.4.2 Bedingungen des sozialen Umfeldes

Nach Vernooij setzt sich das soziale Umfeld aus der Familie, dem Elternhaus und der Schule zusammen. Zur psychosozialen Situation in der Familie gehören insbesondere das Beziehungsgefüge, die Position des einzelnen innerhalb der Familie sowie auch die Art der Kommunikationsmuster zwischen den einzelnen Familienmitgliedern. Des Weiteren wirken sich Bevorzugung oder Benachteiligung eines der Kinder, Gleichgültigkeit und Desinteresse auf das kindliche Verhalten aus. Auch Eheprobleme der Eltern stellen eine enorme Belastung für Kinder dar, auch wenn die Eltern versuchen, diese von den Kindern fernzuhalten. Kinder in unvollständigen Familien, der so genannten Ein-Eltern-Familie können sehr darunter leiden. Nach Linder lebten 1988 55 % der Kinder, die in einer Beratungsstelle vorgestellt wurden, nicht in normalen Familiensituationen.[63] Besonders belastend für Kinder sind nicht nur die Situation in der Ein-Eltern-Familie, sondern auch psychische Störungen eines Elternteils, wie z.B. extreme Stimmungsschwankungen, Ängste, depressive Verstimmungen und Alkohol- und Drogenmissbrauch. Kindliches Fehlverhalten in solchen Situationen hat häufig Signal- und/ oder Schutzcharakter. Kinder fühlen sich überfordert oder versuchen sich selbst vor einer pathologischen Entwicklung zu schützen.

Der zweite Umfeldbereich stellt für das Kind die Schule dar. Das Kind wird dort mit einschränkenden und häufig unkindgemäßen Regeln, wie z.B. Bewegungseinschränkung über längere Zeit konfrontiert. Es wird außerdem zur langfristigen Konzentration und Aufmerksamkeit aufgefordert. Das Kind gerät im Hinblick auf Quantität und Qualität des schulischen Lernens häufig unter Leistungs- und Konkurrenzdruck. All die genannten Faktoren können die Entstehung von ADS verursachen. ADS wird jedoch häufig erst bei Schuleintritt diagnostiziert. Auch das Beziehungsgefüge in der Klasse ist ein wichtiger Beeinflussungsfaktor für kindliches Verhalten. Es ist möglich, dass ADS durch den Druck der heutigen Leistungsgesellschaft verursacht wird. In jedem Fall ergibt sich ein Zusammenhang zwischen den bisher dargestellten psycho-sozialen Faktoren und ADS.[64]

6.4.3 Psychoemotionale Bedingungen

Die emotionale Entwicklung des Kindes ist nach Vernooij im Hinblick auf die Entwicklung von ADS die am bedeutsamsten, denn sie bildet für das Kind den Grund, auf dem es steht. Erikson prägte 1959 die Begriffe Urvertrauen und Urmisstrauen, ein Lebensgefühl, das sich in den ersten Lebensmonaten ausbildet. Die psychoemotionalen Bedingungen werden dabei geprägt

- durch die Art der Beziehung zwischen Eltern (Mutter) und Kind,
- durch die Art der Erziehung,
- durch das emotionale Gefüge in der Familie (einschließlich den

Verwandten)

Die Basis der psychischen Entwicklung des Kindes ist der Sozialkontakt zu seinen Bezugspersonen. Es ist wichtig, dass sich das Kind liebevoll angenommen fühlt, um ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln. Kinder, die sich geliebt und akzeptiert fühlen, können mit beeinträchtigten Rahmenbedingungen besser umgehen, als das sich ungeliebt fühlende Kind. Das sich ungeliebt fühlende Kind entwickelt ein Gefühl des emotionalen Mangeldaseins. In der Erziehung gibt es vier Formen, welche eine gesunde Entwicklung des Kindes behindern:

- Verwöhnung
- Härte, Lieblosigkeit
- Vernachlässigung, Gleichgültigkeit
- Wechselklima

Wesentliches Kennzeichen einer verwöhnenden Erziehung ist die grenzenlose Nachsicht und Überfürsorge gegenüber dem Kind. Es wird ständig mit positiv scheinenden Emotionen überhäuft, man nimmt ihm jede schwierige Situation ab. Das verwöhnte Kind wird in der Entwicklung zu einem eigenständigen Menschen behindert. Dies kann zu hyperaktiven, aggressiven Gegenreaktionen, Lern- und Leistungsstörungen, Kontaktproblemen sowie auch zu völliger Resignation und Rückzug führen. Das verwöhnte Kind befindet sich in einer permanenten Unterforderungssituation. Die Überfürsorge zeigt, dass die Erwachsenen ihm zu wenig zutrauen. Verwöhnung führt meist dazu, dass das Kind weder selbständiges Denken noch eigenständiges Handeln lernt.

Kennzeichen einer harten und lieblosen Erziehung ist eine Erziehung mit Zwang, Druck und Kritik. Sie setzt eine autoritär- dominante Erzieherpersönlichkeit voraus. Das Nichterfüllen von Forderungen wird oft mit harten Sanktionen bestraft. Persönliche Untadeligkeit und hohe schulische Leistungen werden vorausgesetzt. Das Kind reagiert häufig mit Angst, Ohnmacht- und Misstrauensgefühlen sowie auch mit Gefühlen von Ablehnung, Hass und Rache. Sein Verhalten zeigt entweder Trotz, Aggression, Machtkampf oder Resignation, aber auch Angst, psychosomatische Reaktionen und Tiefs.

[...]


[1] Hoffmann, Heinrich Dr.: Struwwelpeter und Consorten. Die Geschichte des Zappel- Philipps. Hildesheim: Gerstenberg Verlag 2003, S.27

[2] Hoffmann 2003, S.28

[3] Hoffmann 2003, S.29

[4] Hoffmann 2003, S.27ff

[5] Vgl. Calatin, Anne Dr.: Das hyperaktive Kind. Kursbuch Eltern. Ursachen, Erscheinungsformen und Behandlung. Originalausgabe. Heyne Ratgeber 08/9941. München: Wilhelm Heyne Verlag 1992, S.12

[6] Krause, Johanna Dr. med.: Leben mit hyperaktiven Kindern. Informationen und Ratschläge. 1.Aufl. München/Forchheim: BVde zur Förderung hyperaktiver Kinder e.V. 1998, S.9

[7] Vgl. Krause 1998, S.9

[8] Vgl. Dude, Elisabeth: Die heilende Kraft der Delphine. Therapie mit Kindern. Deutsche Erstausgabe. Woldert: Smaragd Verlag 2002, S.41ff

[9] Vernooij 1992, S.13

[10] Vgl. Vernooij 1992, S.114

[11] Vgl. Vernooij 1992, S.114

[12] Vgl. Vernooij 1992, S.14

[13] Vernooij 1992,S.15

[14] Vgl. Calatin, Das hyperaktive Kind 1992, S.27

[15] Neuhaus, Cordula: Das hyperaktive Kind und seine Probleme. 5. aktualisierte Auflage. Berlin: Urania- Ravensburger Verlag 1999, S.16

[16] Vgl. Neuhaus 1999, S.16f

[17] Vgl. Neuhaus1999, S.12

[18] Vgl. Murphy- Witt, Monika: Wie Zappelkinder ruhig werden. Spielerische Förderung für unruhige und hyperaktive Kinder. Elternratgeber. Freiburg im Breisgau: Christophorus Verlag 2000, S.9

[19] Vgl. Kashani et al., Offord et al., Bird et al. zit. n.: Steinhausen, Hans- Christoph (Hrsg.): Hyperkinetische Störungen im Kindes- und Jugendalter. Stuttgart/Berlin/Köln: Kohlhammer GmbH 1995, S.17

[20] Vgl. Murphy- Witt, S. 5

[21] Vgl. Steinhausen1995, S.17

[22] Vgl. Wender, Paul H. und Wender, Esther H.: Das hyperaktive Kind und das Kind mit Lernstörungen. Neue, revidierte und erweiterte Ausgabe des Buches “Das hyperaktive Kind”. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Elisabeth und Wolfgang Schmidbauer und Walter Eichsleder. Ravensburg: Otto Maier Verlag 1980, S.13

[23] Vgl. Calatin 1992, S.20f

[24] Vgl. Calatin 1992, S.20f

[25] Vgl. Wender 1980, S.14ff

[26] Vgl. Wender 1980, S.16f

[27] Vgl. Wender 1980, S.17f

[28] Vgl. Wender 1980, S.18ff

[29] Vgl. Wender 1980, S.20ff

[30] Vgl. Wender 1980, S.23

[31] Vgl. Wender 1980, S.23ff

[32] Vgl. Wender 1980, S.25ff

[33] Vgl. Wender 1980, S.27f

[34] Neuhaus 1999, S.18

[35] Vgl. Neuhaus 1999, S.18ff

[36] Vgl. Calatin 1992, S.32

[37] Vgl. Neuhaus 1996/99, S.47ff

[38] Vgl. Calatin 1992, S.33f

[39] Taylor, Eric Dr.: Das hyperaktive Kind. Anregungen für Eltern und Erzieher. Aus dem Englischen übersetzt von Dr. med. Christel Schweizer und Elisabeth Heinrich. Stuttgart: Hippokrates Verlag 1986, S. 27 oben

[40] Vgl. Taylor 1986, S.26

[41] Taylor 1986, S, 27 unten

[42] Taylor, S. 26

[43] Vgl. Morrison und Stewart zit. n: Vernooij 1991, S.32f

[44] Vgl. Vernooij 1991, S.32f

[45] Vgl. Taylor 1986

[46] Vgl. Lopez zit. n: Vernooij 1991, S.33

[47] Vgl. Vernooij 1991, S. 33

[48] Vgl. Calatin 1992, S.33f

[49] Vgl. Wender 1980, S.32f

[50] Vgl. Schäfer 1998, S.34

[51] Vgl. Pferseer, Evelyn: Zappelphilipp und Hampelliese. Rat und Hilfe für hyperaktive Kinder und ihre Eltern. Hrsg. Kurz- Lunkenbein, Marilis und die Zeitschrift Leben & erziehen. Augsburg: Pattloch Verlag 1997, S.50

[52] Vgl. Murphy- Witt 2000, S.12f

[53] Vgl. Calatin 1992, S.147ff

[54] Vgl. Vernooij 1992, S.35

[55] Vgl. Calatin 1992, S.51f

[56] Vgl. Huibers, Jaap: Hyperaktive Kinder körperlich und seelisch richtig ernähren. Braunschweig: Aurum Verlag 1998, S.29ff

[57] Vgl. Calatin 1992, S.81ff

[58] Vgl. Vernooij 1992, S.36

[59] Vgl. Vernooij 1991, S.36ff

[60] Vgl. Vernooij 1991, S. 36

[61] Vernooij 1991, S, 39

[62] Vgl. Vernooij 1992, S.40

[63] Vgl. Linder 1990 zit. n.: Vernooij 1992, S.40

[64] Vgl. Vernooij 1992, S.41f

Final del extracto de 232 páginas

Detalles

Título
Hyperaktive Kinder zur Stille führen mit Hilfe musiktherapeutischer Techniken
Subtítulo
Eine empirische Studie in der Grundschule
Universidad
University of Koblenz-Landau  (Psychologie)
Calificación
1,0
Autor
Año
2004
Páginas
232
No. de catálogo
V32328
ISBN (Ebook)
9783638330763
ISBN (Libro)
9783638703819
Tamaño de fichero
2409 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Hyperaktive, Kinder, Stille, Hilfe, Techniken, Eine, Studie, Grundschule
Citar trabajo
Sabine Alexa Hauck (Autor), 2004, Hyperaktive Kinder zur Stille führen mit Hilfe musiktherapeutischer Techniken, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32328

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