Die Berliner Gründerszene. Ein langfristiges Erfolgsmodell?


Bachelorarbeit, 2016

94 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

II. Abkürzungsverzeichnis

III. Abbildungsverzeichnis

IV. Tabellenverzeichnis

1. Einführung und Problemstellung

2. Grundlagen der Unternehmensgründung
2.1 Einführung
2.2 Definitionen und Begriffsabgrenzungen
2.1.1 Entrepreneur
2.1.2 Entrepreneurship
2.1.3 Startup-Unternehmen
2.1.4 Erfolg einer Unternehmensgründung
2.2 Gründungsphasen eines Startups
2.2.1 Überblick
2.2.2 Pre-Seed-Phase
2.2.3 Seed-Phase
2.2.4 Start-up-Phase
2.2.5 Wachstums-Phase
2.3 Unterstützungsmöglichkeiten für Startups
2.3.1 Überblick
2.3.2 Finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten
2.3.3 Nicht-finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten

3. Erfolgsfaktoren für Gründungsstandorte
3.1 Definition „Erfolg eines Gründungsstandortes“
3.2 Erfolgsfaktoren in der Literatur
3.3 Fallstudien erfolgreicher Gründungsstandorte
3.3.1 Einführung
3.3.2 New York am Beispiel von YouNow
3.3.3 London am Beispiel von TransferWise
3.3.4 Tel Aviv am Beispiel von Optimove
3.3.5 Dublin am Beispiel von Datahug
3.3.6 Vergleich und Bewertung der Erfolgsfaktoren
3.4 Erfolgsfaktorenforschung anhand von Expertenbefragungen
3.4.1 Einführung
3.4.2 Ergebnisse der Befragung
3.5 Zusammenfassung und abschließende Bewertung der Erfolgsfaktoren

4. Der Gründungsstandort Berlin
4.1 Einführung
4.2 Entrepreneurship in Deutschland und im internationalen Kontext
4.3 Historische und aktuelle Entwicklung des Gründungsstandortes Berlin
4.4 Erfolgspotenzial des Gründungsstandortes Berlin
4.4.1 Überprüfung der Erfolgsfaktoren
4.4.2 Vergleich Berlins mit Gründungsstandorten innerhalb Europas
4.4.3 Vergleich Berlins mit Gründungsstandorten außerhalb Europas
4.4.4 Einschätzung des Erfolgspotenzials und mögliche Maßnahmen zu dessen Steigerung

5. Fazit

6. Anhang
6.1 Operationalisierungstabelle zur Erstellung des Fragebogens
6.2 Antworten der Online-Befragung
6.3 Befragungsergebnisse zur Relevanz einzelner Faktoren und deren Standardabweichungen

V. Literaturverzeichnis

Abstract

Unter dem Einbezug von wissenschaftlichen Studien, Fallstudien und Expertenbefragungen werden in dieser Arbeit die fünf für den Erfolg eines Gründungsstandortes relevanten Schlüsselfaktoren Infrastruktur, Finanzierung, Personal, Netzwerk und Außendarstellung definiert. Anhand der Einschätzungen der Ausprägung dieser Faktoren in Berlin durch Experten werden Wachstumsfinanzierung und die Verfügbarkeit qualifizierten Personals als Schwächen des Standortes identifiziert. Alleinstellungsmerkmale Berlins sind hingegen geringe Kosten und seine gute Außendarstellung. Während der Kostenvorteil mit zunehmendem Wachstum der Gründerszene in nächster Zeit verschwinden wird, gewinnt die positive Außendarstellung vor allem bei jungen Entrepreneuren zunehmend an Bedeutung. Auf Basis der in dieser Arbeit durchgeführten Analyse konnte das Potenzial Berlins bestimmt werden, zum erfolgreichsten Gründungsstandort außerhalb der USA zu werden. Dazu müssen jedoch die Schwachstellen des Standortes behoben werden, was vor allem durch gezielte Maßnahmen der Politik erreicht werden kann.

Schlagwörter: Erfolgsfaktoren, Entrepreneurship, Gründungsstandorte, Startups, Berlin.

Executive Summary

This thesis determines Infrastructure, Funding, Talents, Networks and Image as the five core success factors for a startup-ecosystem by using literature, case studies and expert interviews. By evaluating the expression of these factors, experts have identified Expansion-Stage Funding and the Availability of qualified Employees as the main weaknesses of Berlin’s ecosystem. On the other hand, Berlin’s unique selling propositions are Low Cost and a positive Image. While the advantage of low cost will disappear within the next years due to the ecosystem’s dynamic growth, the relevance of a location’s image will increase, especially for young entrepreneurs. Based on the analysis conducted in this thesis, Berlin has the potential to become the most successful startup-ecosystem outside of the US. But therefore specific measures of German politics are needed in order to rectify its weaknesses.

Keywords: Success Factors, Entrepreneurship, Startup-Ecosystems, Startups, Berlin.

II. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

III. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 : Gründungsphasen eines Startups

Abbildung 2 : Relevanz der einzelnen Erfolgsfaktoren

Abbildung 3: Relevanz der einzelnen Faktoren nach Alter

Abbildung 4: Nutzen von Unterstützungs- und Finanzierungsmöglichkeiten

Abbildung 5: TEA-Quoten innerhalb der 70 GEM-Länder 2014

Abbildung 6: Finanzierungsquellen deutscher Startups 2014 und 2015

Abbildung 7: Relevanz einzelner Erfolgsfaktoren und Ausprägung in Berlin

IV. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Erfolgsfaktoren des Gründungsstandortes New York

Tabelle 2: Erfolgsfaktoren des Gründungsstandortes London

Tabelle 3: Erfolgsfaktoren des Gründungsstandortes Tel Aviv

Tabelle 4: Erfolgsfaktoren des Gründungsstandortes Dublin

Tabelle 5: Übersicht der erfüllten Erfolgsfaktoren aller Standorte

Tabelle 6: Vergleich der Motive für die Standortwahl

1. Einführung und Problemstellung

Unternehmensgründungen sind eine wichtige Voraussetzung für die ökonomische Entwicklung eines Wirtschaftsstandortes.1 Das Silicon Valley ist ein Paradebeispiel eines solchen Standortes. Dort gegründete Startups wie Apple oder Facebook haben sich zu Global Playern entwickelt und stärken somit den Einfluss der Region nachhaltig. Berlin ist mit derzeit ungefähr 2.000 bis 3.000 aktiven Startups der erfolgreichste Gründungsstandort Deutschlands.2 Große Tageszeitungen haben die Stadt bereits zur „Silicon Alley“ Europas ernannt.3 Es stellt sich jedoch die Frage, ob und warum der Standort Berlin anderen Gründungsstandorten überlegen ist und wie groß das zukünftige Erfolgspotenzial des Standortes ist.

Ziel dieser Arbeit ist es deshalb, die internationale Stellung Berlins als Gründungsstandort zu bestimmen, sein zukünftiges Erfolgspotenzial einzuschätzen und ggf. Handlungsempfehlungen zur Steigerung seines Erfolges zu formulieren.

Dazu sollen im ersten Teil der Arbeit zunächst ein Überblick über die Grundlagen der Unternehmensgründung gegeben werden. Dieser Teil beinhaltet Definitionen wichtiger Begriffe sowie Beschreibungen der typischen Gründungsphasen eines Startups und verschiedener Unterstützungsmöglichkeiten.

Im zweiten Teil sollen kritische Faktoren für den Erfolg von Gründungsstandorten definiert und deren Relevanz bewertet werden. Dazu werden wissenschaftliche Studien analysiert, Fallstudien von Unternehmen an erfolgreichen Gründungsstandorten durchgeführt und Einschätzungen von Experten eingeholt.

Der dritte Teil der Arbeit dient der detaillierten Analyse des Gründungsstandortes Berlin. Um einen ersten Eindruck des Gründungsgeschehens zu erhalten, wird zunächst ein Vergleich zwischen Entrepreneurship in Deutschland und weiteren Ländern angestellt. Einer Beschreibung der historischen und aktuellen Entwicklung des Gründungsstandortes Berlin folgt dann die Überprüfung der Erfüllung der zuvor definierten Erfolgsfaktoren anhand von Expertenbefragungen. Durch die Analyse weiterer Gründungsstandorte sollen abschließend die Stärken und Schwächen und darauf aufbauend das Erfolgspotenzial Berlins bestimmt und nötige Maßnahmen zur Steigerung des Erfolges definiert werden.

2. Grundlagen der Unternehmensgründung

2.1 Einführung

Dieser Teil der Arbeit dient dazu, ein grundlegendes Verständnis der Thematik herzustellen. Im Folgenden werden daher zunächst Begrifflichkeiten wie „Entrepreneur“ und „Startup“ erklärt, darauf aufbauend die Gründungsphasen eines Unternehmens, die Finanzierungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für Unternehmensgründer und schließlich die Unterschiede zwischen dem Gründungsstandort Deutschland und anderen internationalen Standorten beleuchtet. Die in diesem Teil beschriebenen Grundlagen dienen als Basis für alle weiteren Untersuchungen, die im Laufe der Arbeit angestellt werden.

2.2 Definitionen und Begriffsabgrenzungen

2.1.1 Entrepreneur

Die Bedeutung des Wortes „Entrepreneur“ in der Wissenschaft hat sich im Laufe der Zeit entwickelt und wurde von verschiedenen Wissenschaftlern oft verändert oder angepasst. Der Grund für diese ständige Anpassung der Definition liegt unter anderem am Wandel der Auffassung und der Stellung des Entrepreneurs in der Gesellschaft.4 Bis heute ist der Begriff nicht eindeutig definiert.

Der Begriff hat seinen Ursprung im Frankreich des 17. und 18. Jahrhunderts. Jean Baptiste Say war um das Jahr 1800 einer der ersten Ökonomen, die den Begriff definierten. In seiner Definition wird der Entrepreneur als innovativer Denker gesehen, der Wert schafft und die allgemeine Lage der Wirtschaft verbessert. Sie lautet wie folgt:

“(Entrepreneurs are) the venturesome individuals who stimulate economic progress by finding new and better ways of doing things“ 5

Auch Joseph Schumpeter, ein österreichischer Wissenschaftler, teilt diese Auffassung. Er sieht Entrepreneure als Innovatoren, welche den kreativen und zerstörerischen Prozess des Kapitalismus vorantreiben.6 In seiner Definition aus dem Jahr 1934 beschreibt er die Funktion des Entrepreneurs darin, Produktionsweisen durch die Nutzung von Erfindungen zu reformieren und zu revolutionieren und dadurch die Wirtschaft anzutreiben und zu verbessern.7

Die oben erwähnten Definitionen spiegeln das frühere Verständnis des Entrepreneurs wider. Dennoch dienen sie bis heute als Grundlage für weitere Erklärungsansätze. Im Gegenteil zur früheren Auffassung des Entrepreneurs als innovativer „Change-Agent“ einer Industrie steht heute jedoch das Erkennen und Nutzen von Möglichkeiten im Fokus.

Peter Drucker erweitert die Definitionen von Say und Schumpeter deshalb im Jahr 1986. Er fügt hinzu, dass die Motivation eines Entrepreneurs bei der Unternehmensgründung nicht zwingend Profit sein müsse – auch Non-Profit-Organisationen können seiner Ansicht nach unternehmerisch handeln. Nach Drucker müssen Unternehmer zudem nicht zwingend innovative Denker sein. Es reiche völlig aus, wenn aus Veränderungen, zum Beispiel im makroökonomischen Umfeld, hervorgehende Möglichkeiten erkannt und genutzt werden.8

Der ehemalige Stanford-Professor Gregory Dees stimmt dieser Auffassung von Drucker vollkommen zu. Er schreibt zudem:

„ Starting a business is neither necessary nor sufficient for entrepreneurship”[9]

Eine weitere Erweiterung der Definition wurde 1990 vom Harvard-Professor Howard Stevenson vorgenommen. Diese Erweiterung dient dem Zweck, den Entrepreneur vom administrativen Management abzugrenzen.10 Stevenson beschreibt Entrepreneure als Menschen, die nicht nur Möglichkeiten erkennen und nutzen, sondern sich dabei, im Gegensatz zu administrativen Managern, auch nicht von ihren ursprünglichen Ressourcen einschränken lassen. Sie sammeln deshalb oft Ressourcen von anderen ein, um ihre Visionen zu ermöglichen.11

In der aktuellen Entrepreneurship-Forschung werden Entrepreneure oft in zwei Kategorien eingeteilt, durch welche nicht nur die Tätigkeit eines Entrepreneurs, sondern auch dessen Motivation im Vordergrund steht.12 Im Rahmen des „Global Entrepreneurship Monitors“ (kurz: GEM), einer seit 1999 jährlich durchgeführten wis- senschaftlichen Studie von Entrepreneurship, wurde die Unterscheidung zwischen „Opportunity-Driven Entrepreneur“ und „Necessity-Driven Entrepreneur“ eingeführt. Während Letzterer aus der Not heraus handelt und mangels alternativer Verdienstmöglichkeiten ein Unternehmen gründet, erkennt der „Opportunity-Driven Entrepreneur“ eine Möglichkeit, eine eigene Idee umzusetzen und wählt freiwillig den Weg in die Selbstständigkeit.13

Eine weitere Unterteilung wurde im Jahr 2002 von William Drayton vorgenommen. Er unterscheidet zwischen dem „Industry-Creating Entrepreneur“ und dem „Social Entrepreneur“. Während beide Arten von Entrepreneuren Probleme und Möglichkeiten erkennen und nutzen, fokussiert sich der „Social Entrepreneur“ dabei auf soziale Phänomene wie beispielsweise die Umweltverschmutzung oder den Zugang zu Wissen und Technologie.14

Da in dieser Arbeit primär die Erfolgsfaktoren von bekannten Gründungsstandorten untersucht werden sollen und in solchen Gründungszentren hauptsächlich der „Opportunity-Driven“ Entrepreneur vorzufinden ist,15 ist mit dem Begriff Entrepreneur im Folgenden immer der „Opportunity-Driven“ und „Industry-Creating“ Entrepreneur gemeint. Der Entrepreneur ist in dieser Arbeit folglich eine Person, die Möglichkeiten und Marktchancen erkennt und diese durch die Nutzung oder Entwicklung von Innovationen in einem neu gegründeten Unternehmen ausnutzt. Dabei sammelt er auch Ressourcen von anderen und nutzt diese, um seine Idee umzusetzen und das Wachstum seines Unternehmens zu fördern. Diese Definition wurde in Anlehnung an die Definition von Liv Kirsten Jacobsen erstellt.16

2.1.2 Entrepreneurship

Bei der Definition von Entrepreneurship bestehen die gleichen Herausforderungen wie bei der des Entrepreneurs. Da es sich nun jedoch um eine Begrifflichkeit und nicht mehr nur um eine Person handelt, ist die Findung einer konkreten Definition noch etwas komplizierter. Durch einen Vergleich verschiedener Definitionen in der Literatur, lassen sich jedoch Gemeinsamkeiten erkennen. Anhand dieser Gemeinsamkeiten wird Entrepreneurship in dieser Arbeit wie folgt definiert: Entrepreneurship bedeutet das Erkennen und Ergreifen von Marktchancen durch die Organisation von Ressourcen und die Gründung einer Unternehmung, verbunden mit der Übernahme von Risiken.17

2.1.3 Startup-Unternehmen

Startup- oder Gründungsunternehmen sind durch verschiedene spezifische Eigenschaften gekennzeichnet, durch welche sie von etablierten Unternehmen unterschieden werden können. Diese stellen für die Entrepreneure sowohl eine Chance als auch ein gewisses Risiko dar.18 Die Eigenschaften werden im Folgenden beschrieben.

Geringes Unternehmensalter

Unter Startups werden neu gegründete Unternehmen mit einem geringen Unternehmensalter von weniger als drei Jahren verstanden. Diese Eigenschaft ist mit einigen Risiken, aber auch mit Vorteilen verbunden. Risiken sind vorhanden, da wichtige Unternehmensaufgaben noch nicht erlernt sind und aufgrund von zeitlichen oder finanziellen Engpässen nur schwer erlernt werden können. Es bestehen keine festen Kunden- und Lieferantenbeziehungen und nicht vorhandene Vergangenheitsdaten und –erfahrungen erschweren die strategische Planung.19 Zudem bestehen noch keine Netzwerke zum Informationsaustausch, sodass Startups auf Beziehungen zu Dritten vertrauen müssen.20 All dies führt zu großen Unsicherheiten und einer hohen Sterblichkeitsrate der jungen Unternehmen, welche von Stinchcombe im Jahr 1965 als „liability of newness“ bezeichnet wurde.21 Das geringe Alter von Startups hat jedoch auch Vorteile. Im Vergleich zu etablierten Unternehmen können Startups auf Veränderungen schnell und flexibel reagieren, da sie noch nicht über feste Strukturen und routinierte Prozesse verfügen.22

Geringe Unternehmensgröße

Die geringe Unternehmensgröße in Bezug auf die Anzahl der Mitarbeiter und die Höhe des Umsatzes ist eine weitere wesentliche Eigenschaft von Startups. Auch diese Eigenschaft birgt einige Risiken für die Unternehmen. So sind Startups bei- spielswiese personell nicht so gut ausgestattet wie etablierte Unternehmen und verfügen deshalb über weniger Expertise.23 Darüber hinaus bestehen bei Fluktuation firmenintern geringere Substitutionsmöglichkeiten. Auch finanziell sind Startups schlechter gestellt, wodurch sie auf Krisen sehr anfällig reagieren.24 Diese Nachteile können den Erfolg der jungen Unternehmen negativ beeinflussen. Aldrich und Auster bezeichneten dieses Phänomen im Jahr 1986 als „liability of smallness“.25 Zwischen der „liability of smallness“ und der „liability of newness“ besteht kein empirischer Zusammenhang, sodass die beiden Eigenschaften immer getrennt voneinadner betrachtet werden müssen.26 Die Vorteile kleiner Unternehmen liegen dagegen in den kürzeren Kommunikationswegen und der Kundennähe, wodurch schnelle und flexible Reaktionen auf Veränderung möglich werden.

Wachstumspotenzial

Startups verfügen zudem über ein hohes Wachstumspotenzial. Da die Produkte oder Dienstleistungen eines Startups zu Beginn unbekannt sind, besteht die Chance, dass durch gezielte Werbemaßnahmen und die Erschließung von Märkten neue Kunden gewonnen werden können. Der Wachstumsprozess birgt jedoch einige Risiken für das junge Unternehmen. So müssen also Folge des Wachstums Organisationsstrukturen entworfen und etabliert werden. Zudem sind anfängliche finanzielle Starthilfen von Investoren mit der Zeit aufgebraucht und zwingen das Unternehmen dazu, profitabel zu arbeiten.27 Brüderl und Schüssler bezeichnen diese Risiken der Wachstumsphase als „liability of adolesence“28 und widersprechen somit Stinchcombe, welcher das Risiko in der Gründungsphase als am höchsten betrachtet.29

Eigentümerprägung und Unternehmerzentriertheit

Gründungsunternehmen sind grundsätzlich stark von ihrem Gründer geprägt. Bereits vor der Gründung entwirft er Businesspläne und ist für die Kapitalbeschaffung zuständig. Er entscheidet über die Einstellung von Mitarbeitern und ist an der Unternehmensführung maßgeblich beteiligt. Auch hier liegen sowohl Chancen und Risiken in der Persönlichkeit bzw. Eignung des Entrepreneurs. Da die Entscheidungen des Entrepreneurs direkt den Erfolg des Unternehmens beeinflussen, muss dieser all die notwendigen Fähigkeiten und Eigenschaften besitzen, um diese Entscheidungen treffen zu können. Ist dies nicht der Fall, so können falsche Entscheidungen den Erfolg des Unternehmens gefährden.30 Eine typische Konstellation ist z.B. ein technik-affiner Unternehmensgründer, der nur über geringe kaufmännische und organisatorische Fähigkeiten verfügt.

Unsicherheit

Eine letzte Besonderheit von Startups ist die aus den oben genannten Eigenschaften resultierende Unsicherheit. Diese kann unterteilt werden in interne und externe Unsicherheit. Die interne Unsicherheit basiert vor allem auf mangelnden Erfahrungen. Es fällt daher schwer, vorherzusagen wie der Markt auf die Einführung eines bestimmten Produktes reagiert, welche Strategie angewandt werden muss, um Wachstum zu generieren und wie Entscheidungsprozesse ablaufen sollen. Eine externe Unsicherheit ist hauptsächlich die Marktentwicklung, welche essenziell wichtig für das Startup ist. Der Markt beeinflusst beispielsweise die Einkaufspreise von Rohstoffen, die Verkaufspreise der Endprodukte und somit direkt die Rentabilität der gesamten Unternehmung.31

2.1.4 Erfolg einer Unternehmensgründung

Generell werden zur Messung des Erfolges von Unternehmen einheitliche Kennzahlen wie beispielsweise der Umsatz, der Gewinn, die Wachstumsrate oder die Kapitalrendite verwendet. Diese Kennzahlen haben den Vorteil, dass sie für Außenstehende verständlich, objektiv und somit gut vergleichbar sind. Ihr Nutzen bei der Erfolgsbeurteilung von Startups ist jedoch oft begrenzt. Aus diesem Grund muss hier eine etwas abstraktere Definition von Erfolg angewandt werden.

Grundsätzlich lässt sich Erfolg über den Grad der Zielerreichung messen.32 Ziele können jedoch objektiver und subjektiver Natur sein. Bezogen auf Startups lässt sich als wichtiges objektives Ziel schnelles und profitables Wachstum feststellen, was sowohl für Investoren als auch für den Entrepreneur selbst von großer Bedeu-tung ist.33 Die Erfüllung dieses Zieles kann dabei entweder objektiv über Kennzahlen oder subjektiv über eine Potenzialanalyse gemessen werden.

An dieser Stelle soll jedoch auch auf persönliche Ziele des Entrepreneurs eingegangen werden, da diese dessen Entscheidungen direkt beeinflussen. Die Ziele eines Entrepreneurs hängen stark mit dessen Gründungsmotiven zusammen. Da in dieser Arbeit vom „Opportunity-Driven Entrepreneur“ ausgegangen wird, könnten subjektive Ziele beispielsweise Selbstverwirklichung, Arbeitszufriedenheit oder Kundenzufriedenheit beinhalten. Von Außenstehenden kann die Zielerreichung jedoch nur schwer gemessen werden, da auch diese der subjektiven Auffassung des Entrepreneurs unterliegt.

Der Erfolg bzw. der Grad der Zielerreichung eines Startups wird von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst, die von den Persönlichkeitsmerkmalen des Entrepreneurs über die Finanzierungsform bis hin zur Standortwahl reichen.34 Der Entrepreneur sollte diese Faktoren bei all seinen Entscheidungen vor, während und nach der Gründung berücksichtigen.

2.2 Gründungsphasen eines Startups

2.2.1 Überblick

Jedes Unternehmen am Markt durchläuft mit der Zeit verschiedene Phasen der Entwicklung. Diese sind vergleichbar mit dem Lebenszyklus eines Produktes oder den Entwicklungsphasen des Menschen. Jede einzelne Phase ist mit bestimmten Aufgaben und Herausforderungen, Chancen und Risiken verbunden.

Selbstverständlich muss nicht jedes Unternehmen diese Phasen in hier beschriebener Form und Dauer durchlaufen - wie bei allen Modellen kann es auch hier zu Abweichungen kommen. Da der Fokus der Arbeit auf Startup-Unternehmen liegt, werden im Folgenden nur die Entwicklungsphasen bis zur Wachstumsphase beschrieben. Die darauf folgende Wachstumsphase II und die Reifephase eines Unternehmens sind für die Arbeit nicht von Bedeutung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 : Gründungsphasen eines Startups [35]

2.2.2 Pre-Seed-Phase

In der ungefähr dreimonatigen Pre-Seed-Phase steht die Ideenfindung im Mittelpunkt. Sobald die Idee gefunden und gefestigt ist, muss diese auf ihre Umsetzbarkeit geprüft werden. Es müssen beispielsweise Überlegungen zur Zielgruppe oder zum Marktpotenzial eines Produktes angestellt werden.36 Diese Entwicklungsphase ist hauptsächlich mit einem sehr hohen Zeitaufwand für den Entrepreneur verbunden, Kosten fallen nur in geringem Umfang an.

2.2.3 Seed-Phase

Die Seed-Phase ist von der detaillierten Gründungsplanung geprägt, schließt also alle Vorarbeiten ein, die zur Unternehmensgründung notwendig sind. Dazu gehören beispielsweise die Durchführung einer Marktanalyse, Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten und die Erarbeitung eines Businessplanes. Zudem müssen wichtige strategische Entscheidungen, wie z.B. die Wahl der Rechts- und Finanzierungsform, getroffen werden. Das Ergebnis ist eine klare Festlegung von Zielen, Strategien und Meilensteinen des Startups.37 Für die verschiedensten Tätigkeiten in dieser Entwicklungsphase entstehen Kosten, welchen keine Einnahmen gegenüberstehen. Ohne Investoren oder Förderprogramme führt das zu einer hohen finanziellen Belastung des Entrepreneurs.

2.2.4 Start-up-Phase

Die Start-up-Phase baut auf den Planungs- und Analyseergebnissen der Seed-Phase auf. Während dieser Entwicklungsphase wird das Gründungsvorhaben realisiert, also die rechtliche und wirtschaftliche Errichtung des Unternehmens vollzogen. Damit verbundene Tätigkeiten sind hauptsächlich die Produktentwicklung, der Aufbau einer Vertriebsstruktur, der Entwurf und die Implementierung einer Aufbau- und Ablauforganisation und Identifizierung von Kooperationspartnern. Ein Risiko entsteht in dieser Phase aufgrund der enormen finanziellen Belastung durch hohe fixe Kosten für Räumlichkeiten und Personal vor der Markteinführung des Produktes.38 Der kumulierte Verlust eines Startups nimmt in dieser Phase seinen Höhepunkt und der Entrepreneur muss darauf achten, die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten.39 Zudem nehmen rechtliche Formalitäten viel Zeit in Anspruch.40

Die Seed- und die Startup-Phase werden in der Literatur oft unter dem Begriff „Early-Stage“ vereint, welcher die Gründungsphase im weiteren Sinne beschreibt.41

2.2.5 Wachstums-Phase

Die Wachstums-Phase beginnt mit der erstmaligen Überschreitung des Break-Even-Punktes, das Unternehmen erreicht die Gewinnzone. Dies ist in der Regel zwischen dem zweiten und fünften Geschäftsjahr der Fall.42 Wachstum in der Nachfrage und in der Produktion führen zur Einstellung von zusätzlichem Personal. Dies erfordert ein professionelles Managementteam mit guten Fähigkeiten zur Personalführung.43

Das Wachstum des Unternehmens kann in dieser Phase zusätzlich durch technologischen Durchbruch, aggressives Marketing, große Nachfrage oder unaufmerksame Wettbewerber beschleunigt werden. Jedoch resultieren aus schnellem Wachstum auch nicht unerhebliche Risiken. So kann die Größe des Unternehmens Veränderungen in Abläufen und Prozessen erfordern, der bisherige Erfolg zu Übermut und einem Gefühl der Unfehlbarkeit führen oder der Mitarbeiterzuwachs für inneren Aufruhr sorgen.44

2.3 Unterstützungsmöglichkeiten für Startups

2.3.1 Überblick

Wie in der Beschreibung der Entwicklungsphasen eines Startups bereits deutlich geworden, wird ein Entrepreneur in den verschiedenen Gründungsphasen mit zahlreichen Herausforderungen und Risiken konfrontiert. In den meisten Fällen mangelt es dem Entrepreneur an finanziellen Ressourcen, Zeit und Fachkenntnis, um all diese Herausforderungen selbstständig zu bewältigen. Aus diesem Grund gibt es zahlreiche externe Unterstützungsmöglichkeiten für Startups, die in einzelnen Phasen der Unternehmensgründung genutzt werden können. Diese sind im Folgenden in finanzielle und nicht-finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten unterteilt.

2.3.2 Finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten

Für Startups existiert eine Vielzahl an finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten. Die meisten privaten und institutionellen Investoren stellen dem Startup Kapital zur Verfügung und erhalten im Gegenzug Unternehmensanteile. Oft gehen die Leistungen der Investoren jedoch über die reine Bereitstellung von Kapital hinaus und es werden dem Gründer weitere Leistungen zur Verfügung gestellt. Nachfolgend werden die wichtigsten Finanzierungsmöglichkeiten kurz beschrieben.

Bootstrapping

Bootstrapping ist eine Form der Selbstfinanzierung. Der Entrepreneur verwendet in den frühen Gründungsphasen sein eigenes Erspartes, um entstehende Kosten zu decken.45 Diese Finanzierungsform ist für den Gründer selbst mit einem sehr hohen Risiko verbunden, da die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens direkt mit der privaten Zahlungsunfähigkeit verbunden ist. Ein Vorteil jedoch ist, dass der Gründer unabhängig bleibt und keine Unternehmensanteile an Dritte abtreten muss.

FFF (Family, Friends and Fools)

Freunde, Familie und von der Idee des Entrepreneurs begeisterte Geldgeber (Fools) bilden die zweite Finanzierungsmöglichkeit für Startups in der Pre-Seed-Phase. Der Gründer sammelt in seinem Bekanntenkreis Geld, um sein Vorhaben zu finanzieren. Diese Finanzierungsform ist oft problematisch, da die Investoren aus Familie und Freundeskreis oft nicht aus Überzeugung heraus handeln, sondern weil sie eine ihnen nahestehende Person unterstützen wollen.46

Öffentliche Förderprogramme

Öffentliche Förderprogramme für Startups können unterschiedliche Bestandteile beinhalten. Zum einen werden oft zinsgünstige Darlehen mit langer Laufzeit und spät einsetzender Tilgungsphase bereitgestellt, zum anderen aber auch Zuschüsse, welche nicht zurückbezahlt werden müssen. Beispiele für derartige Förderprogramme sind der High-Tech-Gründerfonds, welcher zum Teil staatliche und zum Teil institutionelle Investoren hat, der ERP-Startfonds und das EXIST-Gründerstipendium. Diese Förderprogramme sind sehr häufig speziell auf Unternehmen in forschungsintensiven Branchen ausgerichtet und stellen ihre Mittel bereits in den frühen Gründungsphasen zur Verfügung.47

Crowdfunding

Crowdfunding ist ein relativ neues Konzept der Finanzierung, bei welchem Privatpersonen Entrepreneure über Internetplattformen finanziell unterstützen können. Die Entrepreneure stellen dazu ihre Idee kurz vor und überzeugte Internetnutzer können direkt investieren. Diese Art der finanziellen Unterstützung eignet sich besonders in der Pre-Seed-Phase, wenn der Zugang zu alternativen Finanzierungsformen schwer ist, kann jedoch auch in späteren Phasen der Unternehmensentwicklung verwendet werden.48

Inkubatoren

Der Begriff „Inkubator“ stammt ursprünglich aus der Medizin und beschreibt eine Art Brutkasten, in welchem optimale Bedingungen für das Heranwachsen von Neugeborenen geschaffen werden. Bezogen auf Startups sind Inkubatoren Einrichtungen, die Entrepreneure über einen bestimmten Zeitraum auf verschiedene Weisen bei der Unternehmensgründung unterstützen. Die angebotenen Leistungen umfassen Coaching, die Bereitstellung benötigter Infrastruktur, operative und finanzielle Unterstützung. Inkubatoren kommen für Unternehmen infrage, die sich in der Seed- oder Startup-Phase befinden.49

Acceleratoren

Das Wort „Accelerator“ stammt aus dem Englischen und ist ins Deutsche am besten mit „Beschleuniger“ zu übersetzen. Acceleratoren bieten Entrepreneuren, ähnlich wie Inkubatoren, zeitlich begrenzte Unterstützung durch die Bereitstellung von Infrastruktur, Know-How und Eigenkapital. Dennoch unterscheiden sich die beiden Unterstützungsformen. Acceleratoren funktionieren wie eine Art „Boot-Camp“, in welchem den angehenden Unternehmern innerhalb weniger Monate intensive Unterstützung zukommt, um ein Produkt zur Marktreife zur bringen. Die Förderung von Acceleratoren können aufgrund eines strengen Auswahlverfahrens jedoch nur sehr wenige Entrepreneure in Anspruch nehmen.50

Company Building

Company Building funktioniert ähnlich wie ein Inkubator. Das Unternehmen wird vom Investor jedoch nicht nur über einen bestimmten Zeitraum gefördert, sondern erhält vollumfängliche und langfristige Unterstützung. Der Investor mischt sich dabei proaktiv in den Entstehungsprozess ein, um ein möglichst gut funktionierendes und effizientes Unternehmen zu schaffen. Company Building wird oft von klassischen Unternehmen betrieben, was den Vorteil hat, dass bestehende Strukturen und Netzwerke genutzt werden können.51

Business Angels

Business Angels sind meist vermögende Privatpersonen, die sich an Startups beteiligen. In den meisten Fällen ist der Business Angel ein Kenner der Branche und kann einen Entrepreneur durch Eigenkapital, Know-How und hilfreiche Kontakte unterstützen. Da Business Angels Unternehmen in der Regel in den ersten Phasen ihrer Gründung unterstützen, ist das Risiko und somit die geforderte Rendite sehr hoch. Im Gegenzug für die Unterstützung erhalten Business Angels meistens Unternehmensbeteiligungen vom Gründer, damit sie von späteren Gewinnen profitieren können.52

Banken

Die Finanzierung durch Bankkredite ist einer der klassischen Finanzierungsformen für Unternehmen. Oft existieren spezielle Investitionskredite zu vergünstigten Bedingungen, mit welchen langfristige Investitionen finanziert werden können.53 Günstige Kredite für Unternehmensgründer werden beispielweise von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vergeben.54 Der Kreditvergabe geht jedoch eine Bonitätsprüfung voraus und da Unternehmen in den ersten Phasen ihrer Gründung weder Umsätze noch Vergangenheitswerte vorweisen können, kommt diese Finanzierungsmöglichkeit erst in der Wachstums-Phase infrage.

Venture Capital (VC)

Venture Capital ist, im Gegensatz zu Krediten, mit keiner Rückzahlungsgarantie verbunden. Der Investor trägt bei seinem Investment also das Risiko, dass das eingesetzte Kapital verloren geht. VC-Investoren investieren hohe Beträge in ein Unternehmen, fordern im Gegenzug jedoch meist Mitbestimmungs-, Kontroll- und Informationsrechte ein, von welchen im Notfall Gebrauch gemacht werden kann. Eine VC-Beteiligung kann entweder als aktive oder als stille Beteiligung gehalten werden. Bei der aktiven Beteiligung bietet der Investor zusätzliche Managementunterstützung, während bei der stillen Beteiligung nur die Anteile gehalten werden. Die Finanzierung über Venture Capital ist grundsätzlich in allen Phasen der Gründung möglich, die meisten VC-Geber investieren jedoch erst in der Wachstums-Phase des Unternehmens.55

Private Equity

Private Equity-Investoren stellen dem Unternehmen, ähnlich wie VC-Investoren, Eigenkapital zur Verfügung. Die Mittel stammen dabei von Privatpersonen oder von Beteiligungsgesellschaften. Im Unterschied zum Venture Capital, investieren Private Equity-Investoren erst in den späteren Phasen der Unternehmensentwicklung, um das Risiko zu verringern.56

2.3.3 Nicht-finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten

Wie oben bereits deutlich geworden ist, wird von den meisten Investoren ein Paket aus finanzieller und fachlicher Unterstützung angeboten. Für den Großteil dieser Unterstützungsmöglichkeiten muss jedoch ein Bewerbungsverfahren durchlaufen werden, wodurch nicht jeder Entrepreneur in den Genuss dieser Fördermaßnahmen kommt. Reine fachliche, also nicht-finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten stehen allen Interessenten zur Verfügung und werden meist nur von öffentlichen Institutionen angeboten.

Internationale Handelskammer (IHK)

Die IHK bietet angehenden Gründern ein umfangreiches Angebot an Unterstützungsmöglichkeiten. Das Angebot umfasst Beratungsgespräche, Seminare und allgemeine Informationen zur Existenzgründung. Ansprechpartner sind dabei immer die IHK-Berater in der Region des Gründungsstandortes.57

Bundesagentur für Arbeit

Auch die Bundesagentur für Arbeit bietet umfangreiche Beratungsmöglichkeiten. Zudem werden Kontakte zu Betrieben, Berufsverbänden und Kammern sowie zu nahegelegenen Gründungszentren vermittelt.58

Gründerzentren

Gründerzentren finden sich oft an Universitäts- und Hochschulstandorten und sollen Ausgründungen fördern. Sie finanzieren sich durch die regionale Wirtschaftsförderung und bieten den Gründern Beratung, Kontakte zu Institutionen, Veranstaltungen, Infrastruktur und Synergieeffekte durch die Zusammenarbeit mit anderen Gründern. Gründerzentren, die sich auf bestimmte zukunftsorientierte Branchen spezialisieren, werden auch Technologie- oder Innovationszentren genannt.59

Gründerberater

Gründerberater können Entrepreneure bei der Gründung begleiten und beraten. Die Beratung ist zwar kostenpflichtig, wird jedoch themenabhängig mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert. Geförderte Beratungsinhalte sind z.B. die Erstellung eines Businessplanes und die Vorbereitung auf Finanzierungsgespräche.60

Netzwerke

Zahlreiche regionale, aber auch deutschlandweite Netzwerke bieten den Gründern ebenfalls umfangreiche Informationen, Beratung sowie Kontakte zu anderen Gründern, Kapitalgebern oder Kunden. Wichtige Netzwerke sind beispielsweise das Business-Angels-Netzwerk Deutschland (BAND) oder der Bundesverband deutscher Innovations-, Technologie- und Gründerzentren.61

3. Erfolgsfaktoren für Gründungsstandorte

3.1 Definition „Erfolg eines Gründungsstandortes“

Um die Faktoren zu untersuchen, die den Erfolg von Gründungsstandorten beeinflussen, ist es zunächst notwendig zu definieren, wann ein Gründungsstandort als erfolgreich angesehen werden kann. Aus diesem Grund werden im Folgenden die Merkmale eines erfolgreichen Gründungsstandortes beschrieben.

Als erstes Merkmal kann ein positives Gründungsklima angesehen werden. Ein positives Gründungsklima motiviert zur Gründung eines Unternehmens, lässt Netzwerke entstehen und zieht weitere Entrepreneure an.

Zudem ist eine hohe Anzahl an Unternehmensgründungen als weiteres Merkmal festzuhalten. Viele Gründungen sind ein Indikator dafür, dass es ein Standort schafft, Entrepreneure anzuziehen und ein positives Gründungsklima vorhanden ist. Für den Standort selbst hat das den Vorteil, dass mit jedem gegründeten Unternehmen Arbeitsplätze geschaffen werden und Wirtschaftsleistung erbracht wird.

Um die Arbeitsplätze langfristig zu sichern, kommt es jedoch auch auf die Qualität bzw. Überlebensfähigkeit und den Markterfolg der Gründungen an. Qualitativ minderwertige Unternehmensgründungen werden früher oder später vom Markt verdrängt, da sie langfristig keinen Erfolg haben und deshalb nicht überleben können. Innovationsbasierte Gründungen dagegen haben höhere Überlebenschancen, da sie oft neue Märkte erschließen können. Aus diesem Grund sollte der Erfolg eines Standortes nicht nur an der Anzahl, sondern auch an der Überlebensfähigkeit und dem Markterfolg seiner Gründungen gemessen werden.

Eine Studie von McKinsey fasst diese Punkte zusammen und beschreibt erfolgreiche Gründungsstandorte als Standorte, die „eine Vielzahl innovativer Gründungen hervorbringen und zu reifen Unternehmungen führen“ können.62

3.2 Erfolgsfaktoren in der Literatur

In den letzten Jahren wurden die Erfolgsfaktoren für Gründungsstandorte in einigen wissenschaftlichen Studien untersucht. Die meisten Arbeiten konzentrierten sich dabei auf das Silicon Valley, da dieses den größten Erfolg als Gründungsstandort verzeichnen kann. Um die Faktoren zu bestimmen, die den Erfolg des Standortes beeinflussen, macht es jedoch wenig Sinn, die heutige Situation zu analysieren.

Da sich das Silicon Valley über die letzten 70 Jahre entwickelt hat, sollte vor allem auf die damalige Situation und die Entwicklung des Standortes geachtet werden. Saxenian et al. sehen beispielsweise die Zeit vor 1965 als ausschlaggebend für die spätere Entwicklung des Silicon Valleys zum Startup-Zentrum der Welt.63 Nach der Gründung von Hewlett-Packard im Jahr 1939 wurde die Region in den 1940er und 1950er Jahren zu einem Technologiezentrum der USA.64 Diese Entwicklung ist hauptsächlich auf den Einfluss der Stanford University zurückzuführen, welche mit Initiativen wie dem „Stanford Industrial Park“ früh eine Rolle als Inkubator übernahm.65 In dieser Zeit erreichte das Silicon Valley die kritische Masse an High-Tech-Unternehmen und entwickelte eine gewisse Anziehungskraft für Entrepreneure in dieser Branche.66 Weitere Erfolgsfaktoren dieser Zeit waren die Zusammenarbeit zahlreicher Unternehmen mit dem US-Militär bei der Entwicklung eines Verteidigungssystems und eine risikofreudige Kultur.67 Diese enge Zusammenarbeit zwischen dem Militär, lokalen High-Tech-Unternehmen und der Stanford University in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg führten zu einer „symbiotischen Beziehung zwischen Stanford und der High-Tech-Industrie“68.

Andere Wissenschaftler argumentieren jedoch, dass die Initiativen der Stanford University und der Erfolg einiger weniger Unternehmen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nicht die einzigen Gründe für den heutigen Erfolg des Silicon Valleys sind. So unterteilt Kenney das dortige Ökosystem in zwei Sphären, die sich über die Zeit entwickelten und für den heutigen Erfolg verantwortlich sind. Die erste Sphäre besteht aus Unternehmen oder Universitäten, die täglich Forschung und Entwicklung betreiben und die Gründung neuer Unternehmen aus diesen täglichen Aktivitäten resultiert.69 Die zweite Sphäre ist seiner Ansicht nach das Netzwerk aus Institutionen wie Venture Capital-Gesellschaften, Beratern, Investmentbanken und Investoren, welche sich die Etablierung neuer Startups als primäres Ziel gesetzt haben. Die erste dieser Sphären sei für den Erfolg des Silicon Valleys nach dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich gewesen, weil es die zweite Sphäre zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab. Die Entwicklung der zweiten Sphäre war Kenney zufolge jedoch für den dann einsetzenden Boom verantwortlich, da sie die Risikoeinstellung und die Attraktivität des Standortes für neue Unternehmen veränderte.70

Basierend auf den Ergebnissen dieser Studien lässt sich sagen, dass die wichtigsten Erfolgsfaktoren in der frühen Entwicklungsphase des Silicon Valleys die Präsenz und die Initiativen der Stanford University in der Region, die Spezialisierung der Unternehmen auf die High-Tech-Industrie, und dadurch entstehende Kooperationen mit der Regierung, sowie die gute Ausbildung von Nachwuchs-Entrepreneuren waren. Außerdem spielten in der späteren Phase der Entwicklung das professionelle Netzwerk vor Ort, Venture-Capitalists und die risikofreudige Kultur eine wichtige Rolle. Alle hier aufgeführten Erfolgsfaktoren können zudem auf andere Gründungsstandorte übertragen werden.71

Durch die Analyse weiterer Studien ohne direkten Zusammenhang mit der Geschichte und Entwicklung des Silicon Valleys lassen sich diesen Erfolgsfaktoren weitere hinzufügen:

Kundennähe / lokaler Markt

Die Kontaktaufnahme zu Kunden an lokalen Märkten sowie die Größe dieser Märkte sind vor allem für Unternehmen in den frühen Phasen ihrer Entwicklung von Bedeutung. Zum einen verkaufen viele Startups ihr Produkte und Dienstleistungen zunächst lokal. Sind die lokalen Märkte zu klein, werden in der Startup-Phase eventuell nicht genügend Produkte verkauft, was dazu führt, dass das Unternehmen die Gewinnschwelle erst sehr spät erreicht. Dies kann unter anderem die verfügbaren Finanzierungsmöglichkeiten und das Wachstum des Unternehmens begrenzen. Zum anderen können lokale Märkte als Pilotprojekt genutzt werden, um den Erfolg eines Produktes zu testen. Diese Funktion der lokalen Märkte ist einigen Wissenschaftlern zufolge bedeutender als die Größe der Märkte.72

Regierungsunterstützung

Für viele heute sehr erfolgreiche Gründungsstandorte war auch die Unterstützung der Regierung ein wichtiger Faktor, der zur Bildung eines Clusters (räumliche Konzentration von Unternehmen einer Branche) geführt hat.73 Armour beispielsweise, sieht rechtliche Vorschriften, neben den lokalen Aktienmärkten, als eines der wichtigsten Kriterien um Kapitalgeber anzuziehen. Hohe Steuerbelastungen und starke Regulierungen am Finanzmarkt führen dazu, dass Investoren einen Standort eher meiden, wohingegen Anreize in gerade diesen Bereichen einen gegenteiligen Effekt bewirken.74 Zudem kann die Regierung nicht nur durch das Anlocken von Investoren helfen. Großzügige Budgets für Forschungsprojekte helfen dabei, anerkannte Wissenschaftler zur Niederlassung an einem bestimmten Standort zu bewegen. Mit diesen anerkannten Wissenschaftlern kommen auch oft große Unternehmen an diesen Standort. So entstand zum Beispiel die erste Niederlassung von IBM in Israel, weil das Unternehmen unbedingt mit einem Wissenschaftler zusammenarbeiten wollte, der in Tel Aviv ansässig war.75

Infrastruktur

Die Verfügbarkeit, die Qualität und die Kosten der Infrastruktur sind wichtige Faktoren für einen Standort und eine Voraussetzung für die Gründung von Unternehmen.76 Regierungen müssen das Vorhandensein einer grundlegenden Infrastruktur sicherstellen, da nur so eine Clusterbildung möglich wird. Zur Infrastruktur zählen beispielsweise Straßen, der Zugang zu Flughäfen, Schulen, Transportmöglichkeiten und die Verfügbarkeit von Telefon und Internet.77 Infrastruktur beinhaltet jedoch auch die Verfügbarkeit von Flächen und Räumen zu moderaten Kosten.78

Zugang zu globalen Netzwerken

Einigen Wissenschaftlern zufolge ist der Zugang zu globalen Netzwerken mindestens genauso wichtig wie das Vorhandensein von lokalen Netzwerken direkt am Standort. Globale Netzwerke, bestehend aus großen Unternehmen und Investoren, sind wichtig für den Erfolg einzelner Startups. Erhalten viele Startups Zugang zu solchen Netzwerken beeinflusst das direkt den Erfolg eines Gründungsstandortes.79 Stangler zufolge, können Netzwerke mit vielen großen Unternehmen, die Startups betreuen können (sog. „Anchor Firms“) sogar die Abwesenheit von Universitäten an einem Standort kompensieren.80

Attraktiver Lebensstil, Außendarstellung

Auch die Außendarstellung eines Standortes kann entscheidend für seinen Erfolg sein. Da Unternehmensgründer meist an dem Ort leben, an welchem sie ihr Unternehmen gegründet haben, spielt die an diesem Ort bestehende Lebensqualität oft eine wichtige Rolle bei der Standortwahl. Um Entrepreneure anzulocken, muss ein Standort folglich ein klares Profil haben und dieses auch nach außen kommunizieren, zum Beispiel durch die Präsenz in internationalen Medien. Ist der Ruf eines Standortes gut, können Startups in allen Phasen der Unternehmensgründung profitieren.81

In vielen Studien wird zudem auch die Bedeutung von erfolgreichen Entrepreneuren genannt. Diese dienen als Vorbilder für andere Entrepreneure und zeigen diesen, dass eine erfolgreiche Unternehmensgründung an einem bestimmten Standort möglich ist.82 Die Vorbildfunktion erfolgreicher Gründungen ist deshalb bedeutend bei der Bildung von Clustern. Diese bilden sich oft unter der Annahme, dass ähnliche Unternehmen sich gegenseitig befruchten.83 Teilweise entstehen Marktchancen für neue Gründer auch erst durch Unternehmensgründungen, nach dem Motto: „Entrepreneurship creates more Entrepreneurship“84.

Die Vorbildfunktion erfolgreicher Entrepreneure wird im Folgenden jedoch nicht als Erfolgsfaktor für Gründungsstandorte verwendet. Zum einen können die zuvor untersuchten Erfolgsfaktoren als Voraussetzung angesehen werden, ohne die der Erfolg eines Entrepreneurs nicht möglich wäre. Daraus lässt sich folgern, dass nicht der erfolgreiche Entrepreneur, sondern die Existenz der anderen Faktoren ausschlaggebend für den Erfolg des Gründungsstandortes ist. Zum anderen ist der Effekt, den die Vorbilder auf die Entwicklung eines Clusters haben, bereits bei den Faktoren „Existenz eines professionellen Netzwerkes“ und „Außendarstellung des Standortes“ berücksichtigt.

3.3 Fallstudien erfolgreicher Gründungsstandorte

3.3.1 Einführung

Im Folgenden soll anhand von vier erfolgreichen Gründungsstandorten die Relevanz der einzelnen Erfolgsfaktoren überprüft werden. Als Grundlage dafür dienen die folgenden, anhand der Literaturrecherche ermittelten Erfolgsfaktoren:

- Finanzierungsmöglichkeiten (Early-Stage und Expansion-Stage)
- Regierungsunterstützung
- Infrastruktur
- Kundennähe / Lokale Märkte
- Professionelle Netzwerke
- Kooperationsmöglichkeiten
- Zugang zu globalen Netzwerken
- Unternehmerische Universitäten
- Qualifiziertes Personal
- Außendarstellung
- Risikofreudige Kultur

Da die einzelnen Faktoren quantitativ nur schwer zu bewerten sind, wird in dieser Arbeit der qualitative Ansatz der Fallstudienmethodik verwendet. Dazu wird für jeden der fünf Standorte exemplarisch ein erfolgreiches Startup ausgewählt und anhand dieses Startups relevante erfolgswirksame Standortfaktoren bestimmt. Die Ausprägung dieser Faktoren wird zur Vereinfachung auf „gegeben“ und „nicht gegeben“ reduziert. Wenn ein Faktor im Folgenden an einem Standort als nicht gegeben bewertet wird, bedeutet dies jedoch nicht zwingend, dass der Faktor überhaupt nicht vorhanden ist sondern kann auch lediglich eine schwache Ausprägung indizieren. Zur Bestimmung dieser Faktoren werden Informationen aus unterschiedlichen Quellen, wie beispielsweise Interviews, Zeitungsartikeln oder vorangegangenen Untersuchungen, verwendet. Über einen Vergleich der vier durchgeführten Fallstudien erfolgt abschließend eine Einstufung der Relevanz einzelner Erfolgsfaktoren.

3.3.2 New York am Beispiel von YouNow

YouNow ist eine Live-Streaming Plattform, auf der Benutzer weltweit mit ihrer WebCam streamen können. Die verschiedenen Streams können dabei von anderen Nutzern angesehen und geliked werden. Durch die Anzahl an Likes, die einzelne Streams erhalten, wird dann ein Nutzer-Ranking erstellt. Eine zusätzliche Chatfunktion bietet den Nutzern die Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren. Einnahmen generiert die Plattform durch die kostenpflichtige Bereitstellung verschiedener Sonderfunktionen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten nutzen die Plattform heute ungefähr 100 Millionen Benutzer pro Monat.85 YouNow wurde im Jahr 2011 von Adi Sideman in New York gegründet. In bisher drei Finanzierungsrunden in den Jahren 2013 und 2014 sammelte das Unternehmen 26 Millionen US-Dollar an Venture-Capital.86 Das starke Wachstum begann mit der Optimierung der mobilen Version der Plattform im Jahr 2014. Seitdem wird YouNow als eines der erfolgversprechendsten Startups in New York gehandelt.87

Eine ähnliche Entwicklung wie YouNow zeigt auch der Gründungsstandort New York auf. Die Stadt wurde im Jahr 1995 zum ersten Mal als erfolgreicher Gründungsstandort erwähnt. Tom Watson und Jason Chervokas bezeichneten das Gebiet in der Gegend des Union Squares damals als „Silicon Alley“. Doch der eigentliche Startup-Boom setzte erst im Jahr 2003 ein. Seitdem hat sich New York zu einem der wichtigsten Technologiezentren der USA entwickelt und ist seit dem Jahr 2009 der führende Standort in Bezug auf Gründungen in den Bereichen Advertising, New Media und FinTech. Diese positive Entwicklung des Standortes ist vor allem der guten akademischen Ausbildung an Universitäten und der großen Zahl an Investoren in der Stadt zu verdanken.88 Venture-Capital-Geber investierten im Jahr 2014 rund 4,5 Milliarden US-Dollar in Unternehmen in New York.89 YouNow-Gründer Adi Sideman konnte diese positive Entwicklung der Stadt für sich nutzen und gibt als wichtigen Grund für seine Standortwahl die guten Finanzierungsmöglichkeiten in New York an. Außerdem profitierte er von dem Netzwerk, das er während seiner Ausbildung und durch vorangegangene Gründungen in New York aufgebaut hatte.90 James Wilkinson, der Gründer des Startups „Streaming Tank“ gibt als weitere Vorteile New Yorks den guten Zugang zu globalen Netzwerken, die Stärke des lokalen Marktes und die Verfügbarkeit von gut qualifiziertem Personal an. Als Schwächen des Standortes sieht er die fehlende Unterstützung der Stadtverwaltung bei der Unternehmensgründung und die hohen Kosten des Standortes.91

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1 : Erfolgsfaktoren des Gründungsstandortes New York

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich New York vor allem durch den starken Finanzsektor und gute Netzwerke, sowie einen starken lokalen Markt auszeichnet. Durch die Größe der Stadt finden Entrepreneure außerdem leicht Zugang zu globalen Netzwerken und zahlreiche Bildungseinrichtungen schaffen qualifizierte Fachkräfte. Für YouNow waren jedoch die Netzwerke und die guten Finanzierungsmöglichkeiten in New York ausschlaggebend für die Standortwahl.

3.3.3 London am Beispiel von TransferWise

TransferWise wurde im Jahr 2011 von den beiden Estländern Taavet Hinrikus und Krist Käärmann in London gegründet. Das FinTech-Unternehmen ist eine Plattform für internationalen peer-to-peer-Transfer von Geld. Die Nutzer können die hohen Überweisungsgebühren von Banken und unvorteilhafte Wechselkurse vermeiden, da TransferWise nur vergleichsweise geringe Gebühren von 0,5 Prozent erhebt. Beide Gründer haben zuvor Erfahrungen in der Branche gesammelt. Hinrikus war der erste Mitarbeiter bei Skype und konnte während seiner Tätigkeit dort die Herausforderungen in den verschiedenen Entwicklungsphasen eines Startups miterleben. Käärmann hingegen hat langjährige Erfahrungen als Management Consultant gesammelt.92

Die Finanzierung des Startups erfolgte zunächst durch einen Inkubator in London. Heute, in der Wachstumsphase, fließt dem Unternehmen der Großteil des Kapitals von Business Angels und Venture-Capitalists zu.93 Bei der letzten Finanzierungsrunde des Unternehmens im Oktober 2015, konnte das Unternehmen 58 Millionen US-Dollar von Investoren aus dem Silicon Valley mobilisieren und wurde mit einer Milliarde US-Dollar bewertet. TransferWise ist somit eines der erfolgversprechendsten Startups in London.94

Das Marktpotenzial des Unternehmens ist enorm, da weltweit jährlich über 330 Milliarden US-Dollar transferiert werden. Durch aggressives Marketing und Expansion konnte TransferWise bisher Transaktionen im Wert von ungefähr drei Milliarden US-Dollar durchführen, fünf Niederlassungen in Großbritannien, den USA, der Ukraine und Estland aufbauen und 400 Mitarbeiter einstellen. Das momentane Umsatzwachstum liegt bei 15 bis 20 Prozent pro Monat. Zudem wurde in letzter Zeit das Management ausgebaut und ehemalige Führungskräfte von großen internationalen Unternehmen wie Paypal, Skype oder Google eingestellt.95

Auch hier stellt sich die Frage, aus welchen Gründen die beiden Unternehmer London als Gründungsstandort gewählt haben. Die Stellung Londons in der Welt sollte hier durchaus berücksichtigt werden. Niederlassungen von 75 Prozent aller Fortune500-Unternehmen sowie zahlreiche Investmentbanken und Fonds sorgen dafür, dass London ungefähr 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ganz Großbritanniens generiert.96 Der Zugang zu globalen Netzwerken, Kooperationspartnern und Investoren wird dadurch enorm erleichtert. Man könnte deshalb vermuten, dass die Wahl des Standortes auf die guten Finanzierungsmöglichkeiten und das große Netzwerk zurückzuführen ist. Käärmann gab in einem Interview aus im Jahr 2014 jedoch andere Gründe an. Finanzierungsmöglichkeiten spielten für ihn eine große Rolle, da seiner Meinung nach Startups zunächst fertige Produkte entwickeln und Kunden gewinnen sollten, bevor sie Investoren suchen. In seinem Fall kamen die Investoren nach anfänglichen Erfolgen beinahe von selbst und die beiden Entrepreneure konnten ihre Partner gezielt auswählen. Er erwähnte stattdessen die für FinTech-Unternehmen vorteilhafte Infrastruktur und die Vielzahl an qualifizierten Fachkräften als Hauptmotive für die Standortwahl. 97 Die gute Ausbildung der Fachkräfte ist der Vielzahl von Bildungseinrichtungen im Raum London zu verdanken. Mit drei der zehn weltbesten Universitäten98 bringt London zahlreiche, unternehmerisch denkende Talente hervor und belegt Platz vier im Global Talent Competitiveness Index 201499. Bezüglich der guten Infrastruktur teilen nicht alle Unternehmer die Ansicht Käärmanns. Zwar ist die Lage und Verkehrsanbindung der Stadt sehr gut, allerding sind Büroflächen nur sehr schlecht und zu sehr hohen Preisen verfügbar.100 Der leichte Zugang zu globalen Netzwerken und Kunden aus aller Welt ist sowohl Käärmann als auch anderen Unternehmern zufolge ein großer Vorteil der Stadt. Da Großbritannien genau zwischen den Zeitzonen der USA und Asiens liegt, wird und die Nationalsprache Englisch ist, wird die Kommunikation mit internationalen Partnern erleichtert.101 Der lokale Markt in Großbritannien hingegen hat aufgrund des leichten Zugangs zu globalen Märkten für die meisten Gründer keine große Bedeutung und wird in keiner der verfügbaren Quellen erwähnt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2 : Erfolgsfaktoren des Gründungsstandortes London

Um die Umgebung für Startups freundlicher zu gestalten, ergreift die Londoner Regierung seit 2010 zudem vermehrt Initiativen, um London zur „Tech City“ zu machen. Dazu gehören beispielsweise Steuervergünstigungen und das „National Cyber Security Programme“, das die Sicherheit des Standortes erhöhen soll.102 Kritiker bemängeln jedoch, dass die Regierung zu wenig Öffentlichkeitsarbeit bei der Förderung von Entrepreneuren betreibt und die Londoner Gründernetzwerke eher cliquenhaft und für Außenstehende unzugänglich sind.103

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich London vor allem durch seine gute Vernetzung mit globalen Märkten auszeichnet. Das erleichtert die Suche nach Investoren, Kooperationspartnern und qualifiziertem Personal sowie den Zugang zu Netzwerken. Nachteile des Standortes dagegen sind die hohen Kosten, vor allem für Räumlichkeiten, die Unternehmer zu tragen haben. Für die Gründer von TransferWise waren vor allem die verfügbaren Fachkräfte und die für die Entwicklung ihres Unternehmens vorteilhafte Infrastruktur ausschlaggebend.

3.3.4 Tel Aviv am Beispiel von Optimove

Das Unternehmen Optimove wurde im Jahr 2009 von Pini Yakuel und Shachar Cohen in Tel Aviv gegründet. Die Finanzierung erfolgte allein durch Bootstrapping, obwohl zahlreiche alternative Finanzierungsmöglichkeiten für Entrepreneure verfügbar waren. Optimove verkauft eine Software-as-a-Service (SaaS) Applikation, mit welcher systematisch die Planung, Durchführung, Kontrolle und Optimierung eines kundenspezifischen Marketingplanes ermöglicht wird. Potenzielle Kunden sind also Unternehmen, die mit gezielten Werbekampagnen versuchen Kunden zu werben. Trotz des eher schwachen Heimatmarktes verzeichnete Optimove in den letzten Jahren große Erfolge. So konnte beispielsweise zwischen den Jahren 2012 und 2013 der Umsatz verdreifacht und die Anzahl der Mitarbeiter verdoppelt werden. Heute verfügt das Unternehmen über 70 Mitarbeiter und hat in den letzten Jahren Niederlassungen in Großbritannien und den USA eröffnet.104 Es stellt sich in diesem Fall die Frage, wieso die Gründer Tel Aviv als Standort gewählt haben, obwohl die meisten Kunden des Unternehmens außerhalb des Landes ansässig sind und die Kommunikation deshalb aufgrund der Zeitverschiebung und kulturellen Besonderheiten erschwert wird.

[...]


1 Vgl. Bosma/Sternberg (2014), S. 1017

2 Vgl. Herrmann/Gauthier/Holtschke et al. (2015), S. 72

3 Vgl. Nestler (2013)

4 Vgl. Jacobsen (2006), S. 30 ff.

5 Vgl. Davis (2002), S. 4

6 Vgl. Dees (2011), S. 22

7 Vgl. Schumpeter (1934)

8 Vgl. Davis (2002), S. 5

9 Vgl. Dees (2011), S. 23

10 Vgl. Stevenson/Jarillo (2007), S. 156

11 Vgl. Dees (2011), S. 24

12 Vgl. Bosma/Sternberg (2014), S. 1019

13 Vgl. Sternberg/Vorderwülbecke/Brixy (2014), S. 6

14 Vgl. Drayton (2002), S. 123

15 Vgl. Bosma/Sternberg (2014), S. 1016

16 Vgl. Jacobsen (2006), S. 45

17 Vgl. Jacobsen (2006), S. 39

18 Vgl. Gruber (2004), S. 166

19 Vgl. Wolff (2008), S. 20

20 Vgl. Gruber (2004), S. 166

21 Vgl. Stinchcombe/March (1965), S.142

22 Vgl. Gruber (2004), S. 166

23 Vgl. Gruber (2004), S. 166

24 Vgl. Wolff (2008), S. 20 f.

25 Vgl. Aldrich/Auster (1986), S. 173

26 Vgl. Brüderl/Preisendörfer/Ziegler (1997), S. 230 ff.

27 Vgl. Wolff (2008), S. 22 f.

28 Vgl. Bruderl/Schussler (1990), S. 532

29 Vgl. Wolff (2008), S. 23

30 Vgl. Wolff (2008), S. 24 ff.

31 Vgl. Wolff (2008), S. 26; Gruber (2004), S. 167

32 Vgl. Klandt (1984)

33 Vgl. Brettel/Heinemann/Sander et al. (2009), S. 71

34 Vgl. Jacobsen (2006)

35 eigene Darstellung in Anlehnung an Durst/Leyer (2011), S. 8

36 Vgl. Fischer (2004), S. 19 f.; Lomberg (2008), S. 11 f.

37 Vgl. Sammer (2014)

38 Vgl. Fischer (2004), S. 20

39 Vgl. Nathusius (2001), S. 57 f.

40 Vgl. Sammer (2014)

41 Vgl. Fischer (2004), S. 20

42 Vgl. Fueglistaller/Müller/Müller et al. (2016), S. 335

43 vgl. Sammer (2014)

44 Vgl. Fueglistaller/Müller/Müller et al. (2016), S. 335

45 Vgl. Sammer (2015a)

46 Vgl. Brettel/Rudolf/Witt (2005), S. 37 ff.

47 Vgl. Grummer/Brorhilker (2012)

48 Vgl. Sammer (2015a)

49 Vgl. Brettel/Rudolf/Witt (2005), S. 135 ff.; Grummer/Brorhilker (2012)

50 vgl. Gruenderszene

51 Vgl. Sammer (2015b)

52 vgl. Brettel/Rudolf/Witt (2005), S. 49 ff.

53 Vgl. Brettel/Rudolf/Witt (2005), S. 164 f.

54 Vgl. KfW (2016)

55 Vgl. Brettel/Rudolf/Witt (2005), S. 79; Sammer (2015b)

56 Vgl. Sammer (2015b)

57 Vgl. Industrie- und Handelskammer (2016)

58 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2016)

59 Vgl. Foerderland (2016b)

60 Vgl. Foerderland (2016a)

61 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2016)

62 Vgl. McKinsey & Co. (2013), S. 19

63 Vgl. Bresnahan/Gambardella/Saxenian (2001)

64 Vgl. Rhode (2001), S. 26

65 Vgl. Adams (2005), S. 44

66 Vgl. Adams (2005), S. 33

67 Vgl. Saxenian (1994), S. 27

68 siehe Adams (2005), S. 32

69 Vgl. Kenney/Burg (1999), S. 73

70 Vgl. Kenney/Burg (2001), S. 131 f.

71 Vgl. Mahroum/Scott (2014), S. 10 ff.

72 Vgl. Economist Intelligence Unit (2011), S. 15

73 Vgl. Mahroum/Scott (2014), S. 12

74 Vgl. Armour/Cumming (2004), S. 1

75 Vgl. Economist Intelligence Unit (2011), S. 10

76 Vgl. Stangler (2013)

77 Vgl. Economist Intelligence Unit (2011), S. 15

78 Vgl. McKinsey & Co. (2013), S. 20

79 Vgl. Mahroum/Scott (2014), S. 11

80 Vgl. Stangler (2013)

81 Vgl. McKinsey & Co. (2013), S. 20

82 Vgl. Bosma/Sternberg (2014), S. 1030

83 Vgl. Jacobsen (2006), S. 122

84 Vgl. Bygrave/Minniti (2000), S. 34

85 Vgl. Brouwer (2015)

86 Vgl. CruchBase.com (2016)

87 Vgl. Forbes (2014)

88 Vgl. NYC Office of Media and Entertainment (2013), S.26

89 Vgl. CB Insights; National Venture Capital Association (2015)

90 Vgl. Brouwer (2015)

91 Vgl. Virgin (2015a)

92 Vgl. Williams-Grut (2015)

93 Vgl. Farr (2014)

94 Vgl. Griffith (2012)

95 Vgl. Williams-Grut (2015)

96 Vgl. Rice (2015)

97 Vgl. PwC (2014)

98 Vgl. Huffington Post (2015)

99 Vgl. Evans/Lanvin (2014)

100 Vgl. Huffington Post (2015)

101 Vgl. Huffington Post (2015)

102 Vgl. Huffington Post (2015)

103 Vgl. Farr (2014)

104 Vgl. Optimove (2016)

Ende der Leseprobe aus 94 Seiten

Details

Titel
Die Berliner Gründerszene. Ein langfristiges Erfolgsmodell?
Hochschule
Hochschule Aalen
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
94
Katalognummer
V323781
ISBN (eBook)
9783668230255
ISBN (Buch)
9783668230262
Dateigröße
2364 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erfolgsfaktoren, Entrepreneurship, Gründungsstandorte, Startups, Berlin
Arbeit zitieren
Fabian Stückle (Autor:in), 2016, Die Berliner Gründerszene. Ein langfristiges Erfolgsmodell?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/323781

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