Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Teil A: Wissenschaftliche Grundlegung
1. Berührungspunkte Lyrik und lyrics
1.1 Allgemeines
1.2 Parameter
1.3 Inhalte
2. Bedeutung von (Pop-) Musik für Kinder und Jugendliche
Teil B: Didaktische Verarbeitung
1. Lyrik in Verbindung mit Musik in den Kernlehrplänen Deutsch und Musik
2. Verwendung von Popsongs im Lyrikuntericht der Grundschule
3. Unterrichtssequenz
3.1. Didaktische und methodische Entscheidungen
3.2. Stundenverlauf
Schluss
Literaturverzeichnis
Anlagen
Einleitung
„Wer liest heute schon noch freiwillig Gedichte? Viel zu langweilig! Von wegen: Lyrik lebt und ist allgegenwärtig, nur ihre Form hat sich verändert. Denn die Poesie von heute bestimmen nicht die Dichter, sondern die Songtexter.“1
Dieses Zitat beleuchtet die Diskussion um die Behandlung von Lyrik im Deutschunterricht unter verschiedenen Aspekten. Die heutige Jugend interessiert sich nicht mehr für Goethe, Schilller oder Heinrich Heine – Haben sich Schüler jemals ernsthaft dafür interessiert? Die Gründe dafür sind nicht ersichtlich - Viel zu langweilig? Die momentane und traditionelle Behandlung von Lyrik und Gedichten im Deutschunterricht erfolgt durch eine klassische Gedichtanalyse – Analysiere und Interpretiere das Gedicht! Nachdem die Schülerschaft akribisch Buchstaben hinter die Verse gekritzelt hat – aabb! Ah, ein Paarreim – Kreuze neben den Zeilen abgezählt und betont immer wieder vorgemurmelt hat – betontunbetontbetont! Ah, Jambus – gehen sie auf Stilmitteljagd. Die Liste mit allen möglichen Stilmitteln, neben dem Gedicht liegend, durchforsten die Schüler das lyrische Kunstwerk pedantisch – drei Stilmitteln ergeben einen Punkt. Letztendlich wird die richtige Deutung durch die Lehrperson vorgegeben – der Lehrer hat immer Recht – und damit ist die Lyrikstunde abgeschlossen.
Wird diese maschinelle Abfertigung den Gedichten gerecht?
Gedichte sind ein unbeliebtes Thema im Deutschunterricht, sie gelten als „Fossile“, die mit der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler nichts zu tun haben. Lehrpersonen sind sich oft des Stoffes nicht sicher und halten an den Klassikern fest – da weiß man ja wie’s geht. Schülerinnen und Schüler erliegen der Schockstarre, sobald sie einen Text in Strophenform sehen und schalten ab, weil sie davon ausgehen, den Inhalt nicht zu erfassen.
Gibt es keine Möglichkeit, das Interesse der Jugend an Lyrik zu wecken?
Doch! Diese gibt es in Vielzahl, doch ist dieser frische Wind noch nicht in den Köpfen der meisten Lehrpersonen angekommen. Eine Möglichkeit wäre, wie im Zitat von Schweikart angesprochen, die Texte von Songwritern sprich Popmusik einzubeziehen. In der folgenden Ausarbeitung soll daran anknüpfend geprüft werden, inwiefern sich Popsongs für die Verwendung im Lyrikunterricht, besonders der Grundschule, eignen. Dabei untersucht Teil A: Wissenschaftliche Grundlegung, welche Berührungspunkte zwischen klassischer Lyrik und den Liedtexten von Popsongs (engl. lyrics) bestehen und welche Rolle (Pop-) Musik für die Kinder und Jugendlichen spielt. In Teil B: Didaktische Verarbeitung wird herausgestellt, inwiefern Lyrik in Verbindung mit Musik in den Kernlehrplänen Deutsch und Musik für saarländische Grundschulen Verwendung findet. Im Anschluss daran wird aus den Informationen aus Teil A herausgearbeitet, welche Eignung Popsongs im Lyrikunterricht der Grundschule aufweisen. Abschließend wird, nach der Theorie, eine praktische Stunde zu dem Popsong „Auf Uns“ – von Andreas Bourani, beschrieben.
Teil A: Wissenschaftliche Grundlegung
1. Berührungspunkte Lyrik und lyrics
1.1 Allgemeines
Lyrik, lyrics und Popmusik sind Begriffe, die eng miteinander verbunden sind. Um ihre Zusammenhänge zu erläutern, bedarf es vorweg einer Definition, um eine einheitliche Basis zu bilden.
„Die Herkunft des Wortes weist auf die enge Verbindung der Lyrik mit der Musik hin: Lyrische Dichtung ist seit den frühen Kulturen zur Musik vorgetragene, also meist gesungene Dichtung. Die Grundform der Lyrik wäre demnach das Lied.“²
Der Begriff ‚Lyrik‘ entstammt dem griechischen Wort lyrikos, was „zum Spiel der Leier“ bedeutet.
In dieser Worterklärung wird durch die Herkunft bereits eine Verbindung zur Musik und zu Liedern gezogen. Eine Definition, die sich auf Merkmale begrenzt, ist allerdings schwierig zu formulieren. Burdorf und später, von Petersdorff haben versucht, durch drei zentrale Merkmale Anhaltspunkte zu geben, die es SuS ermöglichen, lyrische Texte von anderen abzugrenzen. Zum einen muss der lyrische Text aus Versen bestehen, die durch eingefügte Pausen bzw. Enjambements, Rhythmik und Graphik von der Alltagssprache abgehoben werden. Zum anderen ist der lyrische Text nicht zu szenischen Darstellung, z.B. in Form eines Rollenspiels, gedacht.[3] Von Petersdorff erweitert die beiden Merkmale Burdorfs um ein weiteres. Für ihn weisen lyrische Texte keine zusammenhängende Handlung auf.[4] Allerdings ist es schwierig, eine klare Abgrenzung vorzunehmen, da die Übergänge fließend sind und durch das Merkmal von von Petersdorf, die Ballade kein lyrischer Text wäre, aber in der Germanistik als Gattung innerhalb der Lyrik anerkannt ist.[5]
‚Lyrics‘ ist ein Begriff aus der englischen Sprache. Schlägt man ihn im Wörterbuch nach, ergeben sich zwei Bedeutungen: ‚a lyric poem or verse‘ und ‚the words of a popluar song‘. Die erste Bedeutung definiert die literarische Gattung und ist mit dem deutschen Begriff ‚Lyrik‘ gleichzusetzen. An der zweiten Bedeutung wird die Verbindung zur Musik deutlich: Im Englischen werden auch Liedtexte eines Popsongs als ‚lyrics‘ bezeichnet.[6]
Nun gilt es abzuwägen, was unter dem Begriff populäre Musik bzw. Popmusik verstanden wird. Der Begriff ‚Popularität‘ entstammt dem lateinischen populus ‚Volk‘.[7] Popmusik im allgemeinen versteht sich daher als aktuell, vom Mainstream der Gesellschaft, meist der Jugend, auditiv konsumierte Musikrichtung. Diese Bezeichnung des Mainstreams bezieht sich darauf, dass das was unter Popmusik verstanden wird, wandelbar ist. So war Johann Sebastian Bach im 17. Jahrhundert genauso Popmusik wie die Beatles in den 1960ern, auch wenn man diese Musik heute nicht mehr als aktuelle Popmusik versteht. Ausgeschlossen werden in der hier verwendeten Definition ebenfalls Schlager und Volksmusik, auch wenn sie normalerweise zur Popmusik gehören. Zusammenfassend lässt sich als verwendetes Begriffsverständnis von Popmusik folgendes, nach Pichottky, festhalten: Popmusik ist „die von der Jugend primär konsumierte Musik“[8], welche bestimmte Bereiche wie „z.B. die Klassische Musik, die Blasmusik, Oper und Operette, Jazz, Schlager oder die Volksmusik“[9] ausschließt.[10] Diese Ausschließung wird deshalb vorgenommen, da die genannten Bereiche nicht der Lebenswelt der „Mainstream-Jugend“ entsprechen, welche sich im Querschnitt auch im Klassenzimmer befindet.
Desweiteren ist es musikwissenschaftlich üblich, zwischen Song, Lied und Volkslied zu unterscheiden. Dabei bezeichnet das Lied „einen in strophischer Form vertonten Text – meist in Endreimen“[11] wobei die Melodie „genau auf den Text zugeschnitten [ist]“.[12] Das Volkslied ist ein spezifiziertes Lied, welches traditionell ist und mündlich überliefert wurde. Der Song ist ein amerikanisierter Begriff für „Lied“ oder „Gesang“, wobei der Refrain im Mittelpunkt steht. Die meisten Menschen unterscheiden allerdings nicht zwischen diesen Formen. In dieser Ausarbeitung werden sie ebenfalls äquivalent verwendet, da sie gesangliche Vorträge sind, die Text und Melodie aufweisen und instrumental begleitet werden. Es bedarf also keiner Unterscheidung, da diese Formen alle die genannten Merkmale aufweisen, die bei der Verbindung von Lyrik und lyrics untersucht werden: Text, Gesang, Musik.[13]
1.2 Parameter
Der Zusammenhang zwischen Lied und Gedicht ist augenscheinlich sehr groß. Diese These lässt sich mit der selbstverständlichen Verbindung einiger Dichter von Gedicht und Lied begründen. So sind Gedichte von Heinrich Hoffmann von Fallersleben, wie „ein Männlein steht im Wald“ so liedhaft, dass die gesungen Vertonung ein populärer Klassiker wurde.[14]
Doch bevor die Parallelen in diesen speziellen Gebieten der Parameter dargestellt werden, soll die Grundlagenbeziehung von Musik und Sprache hergestellt werden. In der Forschung ist man über die zeitliche und inhaltliche Beziehung von Musik und Sprache uneinig. Die aktuellsten Untersuchungen gehen allerdings davon aus, dass sowohl Musik, als auch Sprache gleich wichtig und gleich alt sind, da beides evolutionär bedingte Anpassungen sind.[15] Levitin greift diese Tatsache auf und führt fort, dass Verhalten, das keinen evolutionären Vorteil bringt, längst ausgestorben wäre. Musikinstrumente zählen allerdings zu den ältesten Funden der Wissenschaft, was die These über die Relevanz von Musik für den Menschen stützt.[16] Jedoch lassen sich die Gemeinsamkeiten nicht nur in der evolutionären Entwicklung feststellen, sondern auch in der allgemein-formalen Gestaltung. Gesprochene Sprache besteht aus Phonemen, die zusammengesetzt Morpheme bilden. Morpheme sind wiederum Grundlage für die Silben einzelner Wörter. Mehrere Wörter ergeben eine Phrase, mehrere Phrasen einen Satz. Mehrere Sätze ergeben den fertigen Text bzw. das Gesprochene. Dieser Aufbau entspricht dem der Musik. Am Anfang stehen einzelne Töne, die sich zu Musemen zusammensetzen, es entstehen einzelne Harmonien und daraus folgend Melodieperioden und schließlich die Musik. Hinzukommt, dass sowohl bei Sprache als auch bei Musik, die Prosodie eine wichtige Rolle spielt, was man in der Alltagssprache auch mit Satzmelodie charakterisiert.[17] Unter Prosodie wird nach Langer „eine Reihe von Einzelphänomenen […]: Intonation, Lautstärke, Tempo, Dauer, Silbenlänge, Pausen, Rhythmus“ verstanden.[18] Die Verschriftlichung von Musik in Form von Notation sowie von Sprache in Form von Schrift, kann allerdings Prosodie nur bedingt festhalten. Erst durch die Realisierung der Notation oder Sprache wird dieser, durch den Ausführenden, Ausdruck verliehen. Inwiefern diese Tatsache im Lyrikuntericht mit Popsongs Beachtung findet, wird später erläutert. Nun soll hier auf die spezielle Verbindung sowohl von Sprache, in Form von Gedichten, als auch von Musik, in Form von Liedern, eingegangen werden.
Gedichte und Liedtexte sind durch die Versform formal ähnlich aufgebaut. Eine zusammengehörende Versgruppe wird bei dem Gedicht als Strophe bezeichnet. Dieser Terminus hat sich auch bei Liedtexten durchgesetzt, wobei hier von einem „argumentierenden, veränderlichen Aspekt des Liedtextes“[19] gesprochen wird. Im Gegensatz dazu steht der Refrain, welcher eher resümiert und gleichbleibt. In Bezug auf die Metrik lässt sich festhalten, dass Popmusik durch gleichbleibenden Rhythmus und Takt ein einheitliches Metrum überflüssig macht, divergent verhält es sich aber mit anderen Musikrichtungen. Im Rock’n’Roll z.B. wird der Off-Beat verwendet (Betonung auf Zählzeit zwei und vier), was im metrischen Sinne dem Jambus entspricht.[20]
Lyrische Texte zeichnen sich durch „eine quantitative Dichte an repetitiven Elemente und Segmenten“[21] aus. In der Alltagssprache finden sich eher weniger wiederholende Elemente. Bei der gesprochenen Sprache wird vom Rezipient darüber hinaus auch ca. 50% der, bereits angesprochenen, Prosodie entfernt bzw. „überhört“. Bei poetische Texte verhält es sich allerdings umgekehrt, die Prosodie wird als Gradmesser für die Poetizität eines Textes wahrgenommen.[22]
[...]
[1] Schweikart, Ralf (1999): Explicit Lyrics. Songtexte und Gedichte. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag. S. 11.
[2] Burdorf, Dieter (21997): Einführung in die Gedichtanalyse. Stuttgart, Weimar: Metzler. S. 2.
[3] Vgl. Burdorf, Dieter (21997). S. 6ff.
[4] Vgl. Petersdorff, Dirk von (2009): Wie Lieder entstehen. Vom „Wunderhorn“ zu den „Fantastischen Vier“. Stuttgart: Steiner.
[5] Zit. Nach. Kammler, Clemens (2009): Lyrik verstehen – Lyrik unterrichten. In: Praxis Deutsch 36. Jahrgang (H. 213). S. 4-12.
[6] Vgl. Oxford. http://www.oxforddictionaries.com/definition/english/lyric (Zugriff: 02.01.2015).
[7] Vgl. Pons. http://de.pons.com/%C3%BCbersetzung?q=volk&l=dela&in=&lf=de (Zugriff: 02.01.2015).
[8] Pichottky, Susanne (2005): Aktuelle deutschsprachige Rock- und Popmusik im Lyrikuntericht der Sekundarstufe I. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren. S. 49.
[9] Ebd.
[10] Vgl. Pichottky, Susanne (2005). S. 47.
[11] Schoenbeck, Mechthild von (2010): „Musik“ gleich „Lied“?. Lied – Kunstlied – Volkslied – Song – Chanson: Begriffsklärungen. In: Grundschule Januar 2010 (H. 1). S.14-15.
[12] Ebd.
[13] Vgl. Schoenbeck, Mechthild von (2010). S. 14-15.
[14] Vgl. Schulz, Gudrun (62009): Umgang mit Gedichten. Anbindung an die Bildungsstandards; Beispiele zu vielen Themen; Für die Klassen 1 bis 4. Berlin: Cornelsen Scriptor. S. 11.
[15] Vgl. Langner, Michael (2014): Musik, Sprache, Kognition – Ein interdisziplinärer Versuch. In: Nitschké, Alain; Sagrillo, Damien (Hrsg.): Die Musik in der Bildung. Aspekte europäischer Musikerziehung und ihre Anwendung in Luxemburg. Weikersheim: Margraf. S. 375-397.
[16] Vgl. Levitin, Daniel J. (2009): Der Musik-Instinkt. Die Wissenschaft einer menschlichen Leidenschaft. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
[17] Vgl. Langner, Michael (2014).
[18] Ebd. S. 380.
[19] Petras, Ole (2011): Wie Popmusik bedeutet. Eine synchrone Beschreibung popmusikalischer Zeichenverwendung. Bielefeld: transcript. S. 47.
[20] Vgl. ebd. S. 45ff.
[21] Langner, Michael (2014). S. 388.
[22] Vgl. Langner, Michael (2014). S.390.
- Arbeit zitieren
- Franziska Feß (Autor:in), 2015, Popsongs im Lyrikunterricht der Grundschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/324039
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