Feministische Koranexegese. Eine Chance für politische Geschlechtergleichheit in der islamischen Welt?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

20 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist islamischer Feminismus?

3. Zur Geschichte

4. Die aktuelle politische Lage der islamischen Welt

5. Eine Gegenüberstellung der klassischen und feministischen Koranübersetzungen. Die Sicht der islamischen Feministen auf die Genderfrage

6. Diskussion

7. Zusammenfassung

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die in der Fragestellung angeführte politische Geschlechtergleichheit bedeutet, dass jeder Mensch, ob Frau oder Mann, vor dem Gesetz dieselben Rechte genießen. Die folgenden Ausdrücke Islamische Welt oder Islamische Länder zielen auf alle Staaten ab, die mehrheitlich muslimischer Konfession angehören, sowie, um eine Gegendarstellung zu erzeugen, Westliche Welt alle Länder umfasst, die historisch jüdisch- christlich geprägt sind.

Die Stellung der Frau in der islamischen Welt ist eine andere als die des Mannes. Sie hat andere Rechte und Pflichten und folglich eine andersartige Lebensweise, die unter ungleichen Bedingungen geführt wird als ihr Gegengeschlecht.

Laut islamischen Feministen wäre die patriarchische Herrschaft für die Errichtung des traditionellen Frauenbildes in der islamischen Welt verantwortlich. Männliche Rechtsgelehrten wären es gewesen, die den Koran so ausgelegt hätten, dass dadurch derartig männerdominierende Gesellschaften entstanden wären.1

Die generelle Vielfalt der Interpretationsmöglichkeiten des Korans ermöglicht jedoch all seinen Lesern die Berechtigung ihn auszulegen. Islamische Rechtsgelehrte sind demnach nicht die Einzigen, die eine Legitimation für eine Koranexegese genießen.2

Besteht demnach die Möglichkeit, eine politische Geschlechtergleichheit in der islamischen Welt zu realisieren, wenn man sie religiös begründet?

2. Was ist Islamischer Feminismus?

Während der westliche Feminismus seine Wurzeln in Frankreich hegt und er durch die Französische Revolution die Gleichstellung der Rechte von Frauen und Männern angestrebt hat,3 forciert der islamische Feminismus, unabhängig vom sozialen Geschlecht, die Gleichberechtigung der Musliminnen aus allen Ländern.4 Er bezweckt im Gegensatz zum westlichen Feminismus im Rahmen der Religion verankerte Frauenrechte.5 Das heißt, dass islamische Feministen ihre Argumentationen auf die islamischen Quellen, den Koran und den Hadithen, stützen und die Legitimation ihrer Rechte als gottgegeben betrachten.6 Sie rechtfertigen ihre Ansicht mit der Argumentation, dass der Gleichberechtigungsappell des Korans für alle Menschen gelten würde- unabhängig vom biologischen Geschlecht.7

Obwohl einige Frauen in der islamischen Geschichte bedeutende Positionen einnehmen und als Vorbild für sowohl weibliche als auch männliche Muslime gelten, ist die islamische Kultur, in Anbetracht der Tatsache, dass der Koran bisher von männlichen Theologen interpretiert wurde, stark patriarchalisch geprägt.8 Aus der Sicht der islamischen Feministen sei das Patriarchat die Ursache, weshalb die Auslebung des Gleichheitsprinzip des Korans verhindert werde.9

Aufgrund dessen sieht Wadud, einer der größten Pioniere in diesem Gebiet, eine NeuInterpretation des Korans vor. Ihn zu lesen und zu deuten wären zwei Punkte, die sich voneinander unterscheiden, weil ihrer Auffassung nach eine Interpretation auf die Wahrnehmung folgt, die der Leser bekommt, wenn er liest. Das heißt, dass während des Lesens jeder Mensch auf seine eigene Art und Weise das Gelesene bereits auslegt. Eine Interpretation eines Objektes ist stets äußerlichen Beeinflussungen wie Kultur, Tradition, bisherige Erfahrungen und bislang erlangtem Wissen ausgesetzt.10 Eine Exegese kann also bei jedem Menschen anders ausfallen und stellt kein endgültiges Ergebnis dar.

Die hermeneutische Herangehensweise erlaubt den weiblichen Gelehrten den Versuch der eigentlichen Botschaft des Korans herauszufiltern. Die dafür vorgesehenen Methoden sind vielfältig.

Zum Einen wird die Begriffsanalyse genutzt, die zur Semantik eines Wortes genutzt wird, welches mehrere Bedeutungen aufweisen kann. Jede Aussagemöglichkeit, sei sie auch von metaphorischem Sinn, wird in Betracht gezogen.11 Zum Anderen wird die Kontextabhängigkeit untersucht und der Zeitfaktor des Korans berücksichtigt. Hier werden soziokulturelle Zusammenhänge studiert, um dem eigentlichen Zweck der Verse und ihrer Bedeutung näher zu kommen.12 Ebenso werden die Gründe der "Herabsendung" der Verse geprüft und der historische Hintergrund in Betracht gezogen. Überdies werden die Beziehungen der Texte untereinander verglichen und nachgeschaut, ob Verbindungen zwischen den Versen existieren, die eventuell sich selbst ergänzen.13

Die Methoden der islamischen Feministen stellt dieselbe klassische Herangehensweise der traditionellen Gelehrten dar. Mit dem einzigen Unterschied, dass Feministen über diese hinaus sich den Diskurs erlauben, ob man die Methoden des Korans (wie beispielsweise das stufenweise erfolgte Verbot von Alkoholkonsum) an geschlechterspezifischen Themen nicht weiter anwenden sollte,14 wenn der Koran doch betont, dass Mann und Frau gleichwertig wären und solch eine Methodik zur einer Lösung verhilft.15 Letztendlich werden bisherige Auslegungen zwar nicht vollständig ignoriert, aber auch nicht als ein Hindernis angesehen, ein eigenes Urteil zu fällen.16

Somit ist Ziel dieser Bewegung, eine Gesellschaft zu schaffen, in der muslimische Frauen sich frei entfalten, ohne dass sie sich von ihrer Religion daran gehindert fühlen.17

3. Zur Geschichte

Der Begriff "Islamischer Feminismus" wird erstmals in den 1990er Jahren verwendet.18 Es sind iranische Gelehrte gewesen, Najmabadi und Mir- Hosseini, die über das Aufkommen der neuen Bewegung geschrieben und sie erstmalig solcherweise genannt haben. Daraufhin haben sich saudische Rechtsgelehrte wie Mai Yamani dieser Welle hinzugefügt und ihre Bücher nach diesem Fachausdruck betitelt. Anschließend ist er auch in der Türkei und in Südafrika populär geworden.19

Allerdings hat der islamische Feminismus als Idee bereits viel früher existiert und Denker dieser Anschauung wurden erst im Nachhinein als Feministen bezeichnet.20

Bereits im 12. Jahrhundert wird die Ungleichbehandlung von Mann und Frau seitens Ibn Rushd kritisiert und als Ursache für Armut angesehen.21 Im 19. Jahrhundert setzt sich der ägyptische Gelehrte Rifa'a al- Tahtawi während seiner Europareise mit der politischen Überlegenheit Europas und all seiner Grundlagen zur Bildung auseinander und behandelt die Frauenfrage in seinen Werken.22

Zu den größten Pionieren gehört der Ägypter Qasim Amin, der ein Buch über "Die Befreiung der Frau" geschrieben und seine Literatur demgemäß benannt hat.23 Amin bemerkt in seinem Werk die Isolierung der Frau und daraus resultierende Schwäche der islamischen Welt.24

Mit dem zunehmenden Panarabismus in Ägypten gewinnt Geschlechtergleichheit an Relevanz25 und weitere Verfechter der Frauenrechte melden sich zu Wort. Huda Sha'rawi nimmt hier eine sehr bedeutsame Rolle ein, da sie 1923 die Ägyptisch Feministische Union (EFU) gegründet und diese jahrelang angeführt hat.26 Somit haben Ägypterinnen in der Öffentlichkeit ihre Rechte gefordert und an feministischem Bewusstsein gewonnen.27

Die Rolle der muslimischen Frau wird anschließend in Großbritannien behandelt. Der britische Muslim Sir Syed Ahmed Khan hat eine rechtliche Besserstellung der muslimischen Frauen gefordert und Argumentationen dafür benutzt, die auf den Koran und Hadithen basieren. Somit haben Amin und Khan begonnen, erstmalig die Frauenrechte in derart zu verteidigen, in der sie heutige islamische Feministen tun.28

Eine weitere islamische Feministin stellt Fatema Mernissi dar, eine marokkanische Sozialwissenschaftlerin, die die Ansicht vertritt, dass der Koran der Frau die aktive Mitgestaltung der Gesellschaft nicht verwehrt.29

Darüber hinaus gehören zu den weiteren vielen Akteuren dieser Bewegung Riffat Hassan, die die bisherige Ungleichheit unter den Geschlechtern in der islamischen Welt die männlichen Interpreten für verantwortlich hält,30 Leila Ahmed (Professorin) und Amina Wadud, die durch ihr Leiten eines Freitagsgebets als Frau in den USA bekannt geworden ist.31

Abgesehen davon sind in Deutschland viele Organisationen wie ZIF (Zentrum für islamische Frauenforschung und Frauenförderung), HUDA e.V. und BFmF e.V., Beratungszentrum für muslimische Frauen in Köln, aktiv und beschäftigen sich mit islamischem Recht.32

4. Die aktuelle politische Lage der islamischen Welt

Die ungerechte Behandlung von Frau und Mann manifestiert sich in den islamischen Ländern durch die religiöse Prägung des Rechtssystem der Staaten. Die bisherigen patriarchischen Interpretationen des Korans stellen das Fundament dar, auf dem sich die Praxis des Islams in heutiger kultureller Form aufgebaut hat. Aus diesem Grund heraus entspringt das Resultat, dass aus rechtlicher Betrachtung die Geschlechter nicht denselben Status genießen.

Zu den meist debattierten Themen gehört die Frage, ob der Koran eine Verschleierung für Musliminnen vorsieht. Die Unklarheit der besagten Koranstelle verdeutlicht, dass hierzu eine Auslegung des Verses benötigt wird. Nach traditioneller Meinung der islamischen Gelehrten ist es den muslimischen Frauen eine Pflicht, sich zu verhüllen. Dieses Phänomen zeigt sich im Iran, wo Musliminnen in der Öffentlichkeit verpflichtet dazu sind, sich zu verschleiern. Ein Vorstoß gegen dieses Gesetz hat eine Inhaftierung zur Folge.33

Islamischen Rechtsgelehrten zufolge verstoße in Saudi- Arabien das Fahrverbot von Verkehrsmitteln für Frauen gegen den Koran, da er das Verhüllen des Gesichts vorschreibe, was beim Fahren ein Problem darstelle. Auch würden Frauen andernfalls unnötig häufiger ihr Zuhause verlassen und in Kontakt mit dem anderen Geschlecht treten.34

[...]


1 Hassan, 1997: 217.

2 Wadud 1999: 94.

3 Badran, 2009: 242.

4 Wunn, 2011.

5 Monjezi-Brown, 2013.

6 Badran, 2009: 323.

7 Ebd.: 328.

8 Hassan, 1997: 217.

9 Badran, 2009: 328.

10 Wadud, 1999: 94.

11 ZIF, 2005: 4.

12 ZIF, 2005: 6.

13 Ebd.: 11.

14 Ebd.: 13.

15 Barlas, 2008: 7.

16 Müller, 2008: 16.

17 Monjezi-Brown, 2013.

18 Afsaruddin, 1999: 170.

19 Badran, 2009: 243- 244.

20 Barlas, 2008: 5.

21 Wunn, 2011: 4.

22 Ebd.

23 Ebd.: 5.

24 Amin, 1992: 74.

25 Baron, 1994: 13.

26 Ahmed, 1992: 172.

27 Gray, 2014: 118.

28 Wunn, 2011.

29 Ebd.

30 Hammer, 2012: 64.

31 Ebd.: 38.

32 Monjezi-Brown, 2013.

33 AI, 2016.

34 ders. 2000.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Feministische Koranexegese. Eine Chance für politische Geschlechtergleichheit in der islamischen Welt?
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Orientalistik)
Note
2,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
20
Katalognummer
V324123
ISBN (eBook)
9783668232433
ISBN (Buch)
9783668232440
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
islamwissenschaften, geschlechtergleichheit, frauen, arabische welt, islamische welt, gleichheit, koranexegese, interpretation
Arbeit zitieren
Fatma Ayyildiz (Autor:in), 2016, Feministische Koranexegese. Eine Chance für politische Geschlechtergleichheit in der islamischen Welt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/324123

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