Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Sachanalyse
1.1 Begriffserklärungen
1.1.1 Flüchtling
1.1.2 Migrant
1.1.3 Aufnahmeland
1.1.4 Wohlfahrt
1.2 Gesetzliche Regelungen zum Asyl
1.3 Motive und Erwartungen der Flüchtlinge und Migranten
1.4 Reiseerfahrungen der Flüchtlinge und Migranten
1.5 Überblick über die öffentliche Diskussion um Flüchtlinge und Migranten
1.6 Umgang der Aufnahmeländer mit Flüchtlingen und Migranten
2 Didaktische Analyse
2.1 Didaktische Perspektive
2.2 Bedingungsfelderanalyse
2.3 Lehrplanbezug
2.4 Überblick über den Verlauf der Einheit
2.5 Didaktische Begründung
2.6 Methodische Begründung
2.7 Kompetenzen
2.7.1 Fachkompetenz
2.7.2 Kommunikationskompetenz
2.7.3 Methodenkompetenz
2.7.4 Urteilskompetenz
3 Stundenplanung
4 Reflexion
4.1 Reflexion von A
4.2 Reflexion von B
Literaturverzeichnis
Anhang
M1: Bilder und Denkanstoß für den Einstieg
M2: Arbeitsblatt “Key terms – Refugee Crisis”
M3: Personal Stories der Migranten
M3.1: Anouar+Ilyas
M3.2 Hallima
M3.3 Svea
M3.4: Yasser
M4: Arbeitsblatt “Worksheet Personal Stories” (identisch mit Tafelanschrieb)
M5: Erwartungshorizont zu M
M6: Cartoon für den Transfer
1 Sachanalyse
1.1 Begriffserklärungen
1.1.1 Flüchtling
Laut Artikel 1a der Genfer Flüchtlingskonvention werden Personen dann als Flüchtlinge bezeichnet, wenn sie ihr Heimatland verlassen, da sie „wegen [ihrer] Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ (Ritzi 2015: 8) verfolgt werden und von ihrem eigenen Land keine Hilfe dagegen bekommen oder erfragen können. Mit der offiziellen Zuschreibung des Flüchtlingsstatus bekommen die betroffenen Personen gleichzeitig eine vorläufige, dreijährige Aufenthaltserlaubnis, die je nach Fall oft auch eine Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit beinhaltet (vgl. Ritzi: 10).
1.1.2 Migrant
Der Migrantenbegriff ist im Vergleich zum Flüchtlingsbegriff weiter gefächert. Ein Migrant ist laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge „eine Person [, die] ihren Lebensmittelpunkt räumlich verlegt“ (BAMF 2006: 12). Dies geschieht oft über die Grenzen des eigenen Staates hinaus, beispielweise wenn eine Person aus Syrien nach Deutschland kommt.
1.1.3 Aufnahmeland
Als Aufnahmeland (engl. host country) werden Länder bezeichnet, die Asylsuchende und Migranten nach ihrer Flucht (vorübergehend) aufnehmen und sie mit den wichtigsten Dingen wie Essen und Trinken versorgen oder ihnen sogar Asyl gewähren (vgl. BAMF 2006).
1.1.4 Wohlfahrt
Der englische Begriff welfare wird im Deutschen mit Wohlfahrt übersetzt. Verwendet wird dieser Begriff vor allem im Zusammenhang mit dem Wohlfahrtsstaat – einem Staat, der für seine Bürger Sozialpolitik betreibt. So bekommen Arbeitslose in Deutschland beispielsweise finanzielle Hilfe bei der Finanzierung ihres Lebensunterhaltes. Außerdem gibt es gesetzliche Versicherungen, wie die Kranken-, Renten- und Unfallversicherungen (vgl. Oschmiansky und Kühl 2010).
1.2 Gesetzliche Regelungen zum Asyl
Viele Migranten fliehen nach Europa, da sie sich dort ein besseres oder sichereres Leben erhoffen. Im Jahr 2014 bewarben sich deshalb fast 500.000 Migranten für Asyl in der EU, knapp 180.000 davon beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der BRD (vgl. Ritzi 2015: 5). In den darauffolgenden Jahren hat sich die Anzahl der Asylbewerber massiv gesteigert. 2015 wurden in Deutschland bereits fast 477.000 Asylanträge gestellt (BAMF 2015a: 2). Der größte Teil der Bewerbungen kam dabei von Syrern. Artikel 16a des deutschen Grundgesetzes regelt das Asylrecht in Deutschland, nach dem Personen, die aufgrund ihrer politischen Überzeugung von ihrem eigenen Staat oder einer Gruppe, die an dessen Stelle getreten ist, verfolgt werden, Asyl bekommen können. Somit gelten beispielsweise „Armut, Bürgerkriege, Naturkatastrophen oder Perspektivlosigkeit“ (Ritzi 2015: 9) nicht als akzeptierte Asylgründe. Stellt eine Person einen Asylantrag, so findet an einem festgelegten Termin eine so genannte Anhörung statt, bei der die Gründe für die Bitte um Asyl vorgestellt werden müssen. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 sind 140 Staaten völkerrechtlich zu einem Asylrecht für Ausländer und somit zur Aufnahme von Flüchtlingen verpflichtet (vgl. Ritzi 2015: 8f). Verletzungen der Konvention sind strafbar.
Ein Abkommen, das für die Asylbewerbungen in Europa wichtig ist, ist das Dublin Abkommen. Es besagt, dass Migranten den Asylantrag in dem ersten Land, das sie bei ihrer Flucht betreten, stellen müssen (vgl. Ritzi 2015: 10).
1.3 Motive und Erwartungen der Flüchtlinge und Migranten
Allein in Deutschland gingen in den ersten sechs Monaten des Jahres 2015 159.900 neue Asylanträge ein. Im Vergleich dazu waren im Jahr davor insgesamt nur 173.100 Anträge eingegangen (vgl. UNHCR 2015: 10).
Der größte Teil der Flüchtlinge stammt dabei aus Syrien. Mitte 2015 wurden ca. 4,2 Millionen Flüchtlinge registriert, die aus der syrischen Republik geflohen sind (vgl. UNHCR 2015: 4). Diese Flüchtlinge verlassen ihr Land aufgrund des Kriegs und dem immer noch fortdauernden bewaffneten Konflikten im Land (vgl. UNHCR 2015: 7). Der Ursprung des Konflikts liegt hier im arabischen Frühling von 2010/2011, der auch in Syrien Unzufriedenheit mit der eigenen autokratischen Regierung hervorrief (vgl. Wieland 2015). Das Regime schlug damals allerdings alle Proteste nieder und nun sind zu den ersten Konflikten weitere hinzugestoßen: Dschihadisten kämpfen um die Herrschaft über das Gesellschaftsmodell, der IS belagert viele Bereiche und liefert sich mit anderen Parteien militärische Auseinandersetzungen, zudem kommen religiös-ethnische Konflikte und der Kampf um die Vormacht über Syrien durch den Iran und der Türkei (vgl. Wieland 2015). Weite Teile des Landes sind nun zerstört und der Aufbau einer Zivilverwaltung wird noch behindert (vgl. Wieland 2015).
Doch nicht nur syrische Flüchtlinge des Krieges treffen in Deutschland und dem Rest der Welt ein. Eine Vielzahl an Gründen und Motiven lässt sich ausmachen, aus denen Menschen ihr Heimatland verlassen wollen. Everett Lee bildete deshalb schon 1966 eine Theorie der Migration und bestimmte dabei vier verschiedene Faktoren, die sich auf Migration auswirken.
Dies sind die „Factors associated with the area of origin“ (Lee 1966: 50) oder auch „Push-Faktoren“, „Factors associated with the area of destination” (Lee 1966: 50) oder auch “Pull-Faktoren” und zudem noch „intervening obstacles” (Schwierigkeiten, die sich auf der Reise in das Aufnahmeland ergeben, siehe dazu Kapitel 1.4) und „personal factors” (Lee 1966: 50) (Wahrnehmung des Migranten und persönliche Merkmale wie Geschlecht, Bildung, sexuelle Orientierung etc. (vgl. Schmid 2010: 26)).
Jeder Faktor hat dabei eine Einwirkung auf die Person, die überlegt, ihr Heimatland zu verlassen. Allerdings hat nicht jeder Faktor die gleiche Wirkungskraft auf jede Person (vgl. Lee 1966: 50). Es kommt dabei stets darauf an, wie die Faktoren von einem Individuum wahrgenommen werden, nicht wie sie sich objektiv darstellen (vgl. Lee 1966: 51). Lee stellt so fest, dass „the decision to migrate […] is never completely rational“ (Lee 1966: 51), was bei der Betrachtung der Motive von Flüchtlingen und Migranten beachtet werden muss.
Die Push-Faktoren lassen sich in vier Kategorien einteilen:
1. Demographische Faktoren/soziale Infrastruktur: Bevölkerungswachstum, mangelnde Bildungs- und Gesundheitsversorgung, fehlende soziale Sicherung
2. Wirschafts- und arbeitsmarktrelevante Faktoren: Arbeitslosigkeit oder niedrige Löhne, Armut oder ein geringer Lebensstandard
3. Politische Faktoren: Diktatur oder schlechte Regierungsführung, (Bürger-)Krieg, Völkermord, Folter, (religiöse oder anderweitige) Verfolgung, Minderheitenunterdrückung
4. Umweltbezogene Faktoren: Umweltkatastrophen, Wüstenbildung, Ressourcenmangel, Wasserknappheit
(vgl. Schmid 2010: 31).
Korrespondierend zu diesen Faktoren gibt es ebenso vier Kategorien der Pull-Faktoren:
1. Demographische Faktoren/soziale Infrastruktur: demographischer Wandel, sozialstaatliche Leistungen, Bildungsmöglichkeiten
2. Wirtschafts- und arbeitsmarktrelevante Faktoren: Arbeitskräftemangel, hohe Löhne, Wohlstand und hoher Lebensstandard
3. Politische Faktoren: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, politische Stabilität, Frieden, Sicherheit, Menschenrechtsgarantie und Minderheitenschutz
4. Umweltbezogene Faktoren: Intaktere Umwelt
(vgl. Schmid 2010: 31).
Als weiterer Faktor kommt noch hinzu, dass sich auf den Migrationsrouten und in den Aufnahmeländern, wenn besonders viele Individuen aus einem Land abwandern, Migrantennetzwerke bilden, die die weitere Migration erleichtern (vgl. Schmid 2010: 33).
Nach empirischen Untersuchungen des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge waren die häufigsten Faktoren, wegen denen Flüchtlinge und Migranten 2014 nach Deutschland kamen: Aufenthaltsgestattung, um Asyl zu beantragen, familiäre Gründe, humanitäre Gründe, Studium und Gründe der Erwerbstätigkeit (vgl. BAMF 2014: 4). Beispielhaft möchte ich nun auf die Motive von Migranten und Flüchtlingen aus Gambia, Marokko, Tunesien und dem Kosovo eingehen, die für die Unterrichtsstunde im Fokus stehen.
Für afrikanische Länder wie Gambia sind die wirtschafts- und arbeitsmarktrelevanten Faktoren besonders entscheidend. Die Wirtschaftssituation dort ist geprägt von einer schlechten Einkommenssituation (vgl. Schmid 2010: 68 u. 72) und einer hohen Jugendarbeitslosigkeit mit verhältnismäßig schlechten Bildungsangeboten (vgl. Schmid 2010: 69-70 u. 72-74). So kommen vor allem Wirtschaftsmigranten nach Deutschland auf der Suche nach einem besseren Lebensstandard. Allerdings sind auch die politischen Faktoren nicht zu unterschätzen, besonders defekte Demokratien und Korruption sind hier Motive, um das Heimatland zu verlassen (vgl. Schmid 2010: 84). Tunesien besitzt ebenfalls ein hohes Migrationspotenzial aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Situation, die sich auch durch die politischen Umstürze Ende 2010 ergab (vgl. BAMF 2011: 15). Politische Faktoren spielen hier also auch eine Rolle.
In Marokko sind es hingegen vor allem Familienzusammenführungen, demographische Entwicklung und Arbeitsmigration, die ausschlaggebende Motive zur Migration sind (vgl. De Haas 2009). Auch politische Push-Faktoren wie Diskriminierung sind Gründe, um das Land zu verlassen, denn Homosexualität ist in Marokko strafbar (vgl. ZEIT ONLINE 2015). Doch dieser Grund wird in vielen europäischen Ländern nicht als berechtigter Grund, um Asyl zu erhalten, geführt.
Auch der Kosovo gehört zu den 20 häufigsten Herkunftsländern (vgl. BAMF 2014: 3). 4,0% aller Asylanträge stammen aus dem Kosovo (BAMF 2014: 7). So ist im Kosovo vor allem Korruption, organisierte Kriminalität und eine schwache Justiz Ursache, um das Land zu verlassen (vgl. BAMF 2015b: 23, 25-26). Doch nicht nur politische Faktoren sind entscheidend: Kosovo ist „das ärmste Land auf dem Balkan“ (BAMF 2015b: 17). Eine hohe Arbeitslosenquote, schwache Sozialsysteme und die kaum voranschreitende Wiederherstellung der medizinischen Versorgung sind hier ebenso Migrationsfaktoren (vgl. BAMF 2015b: 15, 17-18). Gleichzeitig ist auch noch keine staatliche Krankenversicherung umgesetzt (vgl. BAMF 2015b: 17). Wirtschaftliche und politische Faktoren hängen hier eng zusammen und die Wechselwirkung zwischen ihnen ist so groß, dass manchmal nicht genau auszumachen ist, was das ausschlaggebende Motiv eines Migranten ist. Die Annahme von Asylanträgen ist hier allerdings gering, da die Gründe „nicht den Anforderungen des Asylrechts“ (Alscher et al. 2015: 27) entsprechen.
Die Push-Faktoren stehen immer im Zusammenhang mit den Pull-Faktoren der EU-Länder. Ist eine hohe Arbeitslosigkeit das Motiv zum Verlassen des Heimatlandes, kann angenommen werden, dass der Pull-Faktor eines Aufnahmelandes wie Deutschland die guten Arbeitschancen sind.
Grundsätzlich ist der am häufigsten genannte Wunsch von politischen Flüchtlingen, wie aus Syrien, einen Job zu finden (vgl. Worbs/Bund 2016: 9). „Von einer Reihe von Befragten wird in diesem Zusammenhang explizit betont, nicht von staatlicher Hilfe abhängig sein zu wollen“ (Worbs/Bund 2016: 9). Weitere Wünsche und Erwartungen für das Aufnahmeland sind „ein gutes Leben“, der Wunsch nach Weiterbildung, Frieden und Stabilität (vgl. Worbs/Bund 2016: 9). Auch eine Teilhabe an der deutschen Gesellschaft wird geschätzt. Der Wunsch „man möchte gerne etwas an Deutschland ‚zurückgeben’ und sich in der Gemeinschaft integrieren“ (Worbs/Bund 2016: 10) wird hier geäußert.
1.4 Reiseerfahrungen der Flüchtlinge und Migranten
Die Reiseerfahrungen der Flüchtlinge und Migranten, die nach Europa kommen, sind so vielfältig wie ihre Herkunftsländer und Reiserouten. Vor allem Migranten und Flüchtlinge aus Afrika und Syrien nehmen dabei häufig die Route über das zentrale Mittelmeer. „Mehr als 218.000 Flüchtlinge kamen im vergangenen Jahr über das Mittelmehr“ (Reimann 2015). Die Route führt über Nordafrika nach Italien oder Malta. Ausgangspunkt ist hier normalerweise Libyen. Gambia, Somalia und der Senegal sind die häufigsten Herkunftsländer der Migranten, die über diese Route reisen (Reimann 2015).
Über das Mittelmeer nach Apulien oder Kalabrien werden die Migranten und Flüchtlinge häufig von Schleppern und Menschenhändler in kleine Boote, z.B. Segelyachten gesteckt. „Die Flüchtlinge sind demnach unter Deck und nur der Schmuggler ist an Bord zu erkennen, oft in Begleitung von einer Frau – um so möglichst unverdächtig zu erscheinen“ (Reimann 2015). Aber auch große Boote werden benutzt, Migranten häufig in kleinere Fischerboote verladen, wenn man sich der Küste nähert (vgl. Reimann 2015). 3500 der 218.000 Menschen, die diese Route nahmen, sind dabei im Mittelmeer ums Leben gekommen (vgl. Reimann 2015).
In Afrika ist die Anreise zu einer nordafrikanischen Küste schon von harten Bedingungen gekennzeichnet. Die Reise durch die Wüste kostet dabei schon vielen Menschen das Leben, bevor sie überhaupt das Meer erreichen (vgl. BBC NEWS 2015).
Doch auch per Flugzeug erfolgt die Einreise in die Aufnahmeländer. „Die Flüchtlinge besorgen sich Reisedokumente und Visa, landen auf einem Flughafen in der EU und bleiben dort. Sobald ihre Visa abgelaufen sind, wird ihr Aufenthalt illegal“ (Süddeutsche 2015). Daraufhin beginnt entweder die Bewerbung um Asyl oder die Flucht vor den Behörden. Diese Einreise ist aber vor allem für Flüchtlinge aus Syrien schon nicht mehr möglich, da sie im Land keine Visa mehr erhalten (vgl. Erdmann et al. 2015).
1.5 Überblick über die öffentliche Diskussion um Flüchtlinge und Migranten
In allen Medien findet man aktuell täglich Beiträge zur Flüchtlingskrise. Ein großes Thema spielen in der öffentlichen Debatte dabei der Umgang mit und die Verbreitung von Wirtschaftsmigranten. Oft wird behauptet, dass politische Gründe zwar meistens als Grund für die Einreise von Migranten in ein anderes Land angegeben werden, unter der Oberfläche allerdings eher ökonomische Gründe dazu verleitet haben (Angenendt 2009). Da Geld benötigt wird, um Flüchtlingen, Migranten und Asylbewerbern die wichtigsten Dinge für das Leben wie beispielsweise Essen und Kleidung bereitzustellen, das ebenso für Leistungen für die eigenen Staatsbürger verwendet werden könnte, ist die Thematik sehr kontrovers. Dies liegt auch daran, dass es sehr schwierig ist zwischen „ökonomischen und nicht-ökonomischen Wanderungsfaktoren zu unterscheiden“ (Angenendt 2009) (siehe dazu auch Kapitel 1.3).
Die Alternative für Deutschland (AfD), die in den vergangenen Monaten vermehrt Zuspruch von Bürgern gefunden hat, stellt sich beispielsweise gegen Wirtschaftsmigranten und positioniert sich klar für deren Abschiebung und Ausweisung (vgl. AfD-Bundesgeschäftsstelle 2016). Pegida hingegen fordert einen sofortigen Aufnahmestopp für alle Migranten. Außerdem möchte die Partei auch offiziell anerkannte Flüchtlinge, denen aktuell Asyl gewährt wird, wieder zurück in ihr Heimatland schicken, sobald der Kriegszustand zu Ende ist, da sie eine Islamisierung Europas befürchtet, da ein Großteil der Migranten dem Islam angehört (vgl. Festerling 2016: 1). Beiden Parteien werden Ähnlichkeiten zum rassistischen und rechtsextremen NPD- Parteiprogramm nachgesagt.
Die deutsche Bundeskanzlerin und CDU-Mitglied Angela Merkel möchte dagegen auch weiterhin die deutschen Grenzen für Flüchtlinge geöffnet lassen und fordert in der Flüchtlingskrise Hilfe von der Türkei bei der Beschränkung des Flüchtlingsstroms. Laut ihr muss eine europäische Lösung gefunden werden (vgl. Busse 2016). Viele andere europäische Länder wie beispielsweise Österreich haben allerdings bereits ihre Flüchtlingsaufnahmezahlen begrenzt. Ungarn hat sogar einen Zaun gebaut, mit dem der Flüchtlingsstrom begrenzt werden soll. Das größte Thema in der EU spielt dabei die Aufteilung der Flüchtlinge auf die europäischen Länder und die Finanzierung der Flüchtlinge (vgl. Geinitz 2016). Auch hierbei wird also deutlich, dass die Unterscheidung von Wirtschafts- und Kriegsmigranten wichtig ist.
1.6 Umgang der Aufnahmeländer mit Flüchtlingen und Migranten
In der aktuellen Debatte um die Flüchtlingspolitik der Aufnahmeländer zeigt sich, dass es große Unterschiede zwischen den Ländern gibt. Während Angela Merkel in der BRD mit einer offenen Flüchtlingspolitik darauf hofft, dass die EU-Länder gemeinsame Regelungen zum Asyl und dem Umgang mit den Flüchtlingen treffen wie im vorhergehenden Kapitel gezeigt wurde, zeigen andere Länder teilweise eine etwas passivere Haltung.
In Ungarn kommen die Migranten nach der Einreise erst „in Polizeistationen […] und anschließend [ein halbes Jahr lang] in geschlossene[…] Lager“ (Düvell 2013). Teilweise schiebt das Land manche Migranten auch direkt ohne Prüfung ihres Asylantrags in andere Länder wie zum Beispiel in die Balkanländer ab. Aus diesen Gründen wurde das Land 2011 vom europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit einer Strafe belegt (vgl. Düvell 2013).
Auch Italien bringt Asylbewerber, die dort keine Chance auf Asyl haben, teilweise in Länder wie Libyen zurück, die selbst Probleme mit Aufständen, Rebellengruppen oder politischer Verfolgung haben (vgl. Düvell 2013). Personen, deren Asylbewerbung geprüft wird, werden hingegen vorerst zusammen mit Gleichgesinnten in einer vom Staat organisierten Unterkunft untergebracht. Danach müssen sie sich allerdings eigenständig um eine Unterkunft kümmern, da der Staat ihnen diese, sowie eine soziale und finanzielle Grundsicherung, meist gar nicht mehr gewährt. Auch die Integration dieser Personengruppen wird nur wenig vorangetrieben. Aus diesen Gründen rutschen Asylsuchende gerade in Grenzstaaten wie Italien häufiger in die Armut und damit auch in die Obdachlosigkeit ab (vgl. Düvell 2013).
Bulgarien hat in seiner Flüchtlingspolitik vor allem durch „Zurückdrängungen (sogenannte Push Backs)“ (Kollender 2014) Aufsehen erregt. So wurden manche Migranten, darunter auch Kinder und schwangere Frauen, entweder in ihre Heimatländer oder in Länder, die sie auf dem Weg nach Bulgarien durchkreuzt haben, abgeschoben, ohne überhaupt die Chance auf eine Asylbewerbung in Bulgarien zu bekommen. War die Einreise nach Bulgarien erfolgreich, so werden die Asylsuchenden dort in Gebäuden untergebracht. Allerdings mangelt es aufgrund der örtlichen und finanziellen Gegebenheiten oft an guten, menschenwürdigen Zuständen in den Lagern. Damit diese sich verbessern, hat die EU bereits mehrfach Zahlungen an Bulgarien geleistet. Das Land hat damit allerdings auch den Beginn eines Grenzzaunbaus finanziert (vgl. Kollender 2014).
Erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat auch das Vereinigte Königreich seine Asylpolitik geändert, um das eigene Land für Migranten unattraktiver zu machen. Neben weniger finanzieller und sozialer Unterstützung wurde dabei auch der Bewerbungszeitraum für Asyl stark verkürzt (vgl. Hansen 2014). In der aktuellen Flüchtlingskrise will Großbritannien laut Cameron auch möglichst wenige Flüchtlinge bei sich aufnehmen. Stattdessen möchte die Regierung unter David Cameron eher die betroffenen Kriegsregionen vor Ort und die Nachbarstaaten, die Flüchtlinge bei sich aufnehmen und versorgen, finanziell unterstützen (vgl. Hansen 2014). Menschen, die auf der Suche nach Asyl in das Vereinigte Königreich kommen, können einen Asylantrag stellen. Wird dieser abgelehnt oder sind die Migranten illegal ins Land eingewandert, so droht ihnen die Abschiebung. Dafür werden sie in sogenannten „detention centers“ (Wöhrle 2008), die unter anderem auch zur Abschiebehaft von Kriminellen dienen, untergebracht bis sie an einem unbekannten Tag in ihr Herkunftsland zurückgebracht werden. Anerkannte Flüchtlinge bekommen zu Beginn des sechsten Aufenthaltsjahres im Land ein dauerhaftes Bleiberecht zugesprochen, falls die aktuelle Situation in ihrem Herkunftsland immer noch unsicher ist. Neue Programme sollen außerdem dabei helfen, diese Flüchtlinge in den kommenden Jahren mehr und mehr in die britische Gesellschaft zu integrieren (vgl. Wöhrle 2008).
Allerdings gibt es sowohl in der EU (Bsp.: Ukraine) als auch außerhalb der EU (Bsp. Saudi-Arabien) auch Länder, die aus unterschiedlichen Gründen kaum oder keine Flüchtlinge aufnehmen können oder wollen. So sind in der Ukraine beispielsweise die finanziellen Mittel und die Sozialleistungen für die eigenen Bürger bereits gering, so dass es sich das Land trotz EU-Unterstützung kaum leisten kann, noch für Tausende von Flüchtlingen aufzukommen (vgl. Düvell 2013). Auch wenn die Reaktionen der Länder auf die aktuelle Flüchtlingskrise unterschiedlich sind, so sollte nicht vergessen werden, dass die Länder darauf beruhen, Gründe für ihre Politik zu haben. Diese hängen nicht zuletzt auch mit den unterschiedlichen Gegebenheiten in den Ländern zusammen.
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