Die Frauen und die Schönheit. Eine Untersuchung der Frauengestalten in A.G. Matošs „Umorne price“


Seminararbeit, 2002

32 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Antun Gustav Matoš

2. A.G.M. und sein „artizam“

3. A.G.M. und die Femme fatale
3.1. Die Femme fatale
Bura u tisini
Dusevni covjek
Lijepa Jelena
Balkon
Jesenska idila
3.2. A.G.M`s Schönheitsverständnis und die Femme fatale
Äußere versus innere Schönheit
Die Femme fatale und die Vergänglichkeit
Die Femme fatale zwischen Realität und Poesie

4. A.G.M. und die Femme fragile
4.1. Die Femme fragile
Ugasnulo svijetlo
Jesenska idila
Cvijet sa raskrsca
4.2. A.G.M`s Schönheitsverständnis und die Femme fragile
Die zerbrechliche Schönheit der Femme fragile
Äußere und innere Schönheit
Die Femme fragile und die Vergänglichkeit
Die Femme fragile und die Stille

5. Resümee

6. Bibliographie

1. Antun Gustav Matoš

Obwohl sein Name außerhalb Kroatiens auch nach über einem Jahrhundert, das seit seiner Geburt vergangen ist, ziemlich unbekannt geblieben ist, gilt Antun Gustav Matoš (1873 – 1914) heute, nachdem „cijela jedna biblioteka kritika, eseja i studija, feljtona i memoara, biografija i monografia, pjesama i – čak – drama“[1] über ihn geschrieben wurden, in der jüngeren Forschung als „the most important figure in Croatian turn-of-the-century literature“[2].

Antun Gustav Matoš (1873 – 1914) bezeichnete sich selbst als „dijete ostarijelog devetnaestog i starac dvadestog jos djetinjastog vijeka“. Geboren wurde er am 13. Juni 1873 als ältestes Kind einer einst wohlhabenden, nunmehr verarmten Lehrerfamilie in Tovarnik. Auf der Suche nach einem besseren Leben zog die Familie Matos bereits zwei Jahre nach der Geburt ihres Sohnes nach Zagreb. Seine positiven Kindheits- und Jugenderinnerungen[3] wurden durch die Herrschaft von Khuen Hedervary, die den „pečat nemilosrdnog ugnjetavanja i eksploatacije hrvatskog stanovništva“[4] trug, getrübt. Dessen verschiedenste Versuche „odnarođivanja, naturanja domaćem narodu svega što je strano i samim tim neprihvatljivo“[5], prägten Matoš nachhaltig. Geleitet von seinem Freiheitsdrang[6] sowie seiner Vaterlandsliebe[7], die sein Leben und Wirken entscheidend beeinflusst haben, fristete Matoš sowohl in der Fremde als auch in der Heimat bis zu seinem Tod am 17.03.1914 das schwere und karge Dasein eines Schriftstellers, dessen Tragödie darin bestand, dass „takove ljude, kao što ste Vi, tek veliki narodi rađaju, a Vi imate tu nedaću, da Vas je mali narod rodio, veliki odnjihao, a opet pišete za svoj mali narod“[8].

Antun Gustav Matos, der 1892 mit seiner Kurzgeschichte „Moc savjesti“ zum ersten Mal an die Öffentlichkeit trat, versuchte sich in seiner literarischen Laufbahn in den verschiedensten Genres: er schrieb Feuilletons, Essays, Musik-, Theater-, Kunst-, und Literaturkritiken, verfasste Gedichte, Erzählungen und Kurzgeschichten. Er vertrat die Ansicht, dass „pjesnik nije covjek samo duboka osjecanja i velike fantazije: nije svak pjesnik tko je poetican. Pjesnik je samo onaj tko posjeduje superiornu moc rijeci i izraza“, und es gelang ihm, seinen eigenen Anforderungen Genüge zu leisten, denn die Sprache in seinen Werken zeichnet sich durch ihre Beweglichkeit, ihre Lebendigkeit und Intensität aus. Selbst Kritiker und Zeitgenossen Matoss mussten zugeben, dass sich Matoss Poesie und Prosa durch ihren „lijepi jezik, originalni snazni i duhovni stil“[9] auszeichnen. Sprache, Form und Stil in Matoss Werken gelten auch heute noch als Garanten dafür, dass einige seiner Gedichte „nikada ne mogu mimoici sve iole ozbiljnije antologije hrvatskog pjesnistva“. Er war ein „rasni knjizevnik, knjizevnik radi knjizevnosti, nas literarni Don Quijote“[10], dessen Name „AGM – to je kao pecat, kao atest koji jamci originalnost“[11]. Somit stand er für den „konacan prekid upravo sa ... zaostalim nasim knjizevnim dilentantizmom“[12].

Da Matos, der selbst große Stücke auf sein Talent hielt, keine Mühen scheute, einen Verleger für seine Bücher zu finden, und dafür selbst jahrelange Korrespondenzen und Bittschreiben in Kauf nahm[13], gehörte er in einer Zeit, in der „rijetko se kada hrvatski knjizari usude da o svom trosku izdadu knijgu hrvatskoga pisca“[14], zu einigen Wenigen, die sich damit rühmen konnten, für alle ihre Bücher Verleger gefunden zu haben: mit seinen fünf Werke Iverje, Novo iverje, Ogledi, Vidici i putovi sowie Umorne price, die zwischen 1899 und 1909 erschienen sind, hinterließ er „svoje knjizevno delo, moderno po svojoj formi i fakturi, delo u kome se ispovedila sva njegova slomljena i izmrcvarena dusa, kroz koju nije govorio samo o sebi, vec i o drugima, o svome vremenu i svome narodu, prvenstveno“[15].

2. A.G.M. und sein „artizam“

Antun Gustav Matos verfasste nicht nur Kunst, er schrieb auch über sie. Jedoch „kazan[i] u jednom dahu, u jednom raspolozenju, u jednom trenu“ und „s obzirom na to da se covjek (...) mijenja svakog sekunda“[16], kann keiner seiner Artikel, in denen er über die verschiedenen Aufgaben von Kunst und Literatur, über den Einfluss des Lebens und der persönlichen Erfahrungen auf die Literatur und über das Verhältnis zwischen Leben und Literatur diskutiert, für sich selbst betrachtet als persönliches literarisches Credo Matoss angesehen werden. Erst aus der Gesamtheit seiner Essays, zu denen – um nur einige zu nennen - „Realizam i artizam“, „Umjetnost i nacionalizam“, ebenso gehören wie „Patriotizam i knjizevnost“ sowie „Nesto ni o cemu“, lassen sich Matoss Meinung und Verständnis von Literatur und Kunst im Allgemeinen erschließen.

Matos ist der „prvi hrvatski umjetnik, pisac koji svjesno, izricito, neumoljivo zahtjeva europske kriterije, i uopce najvise kriterije. Umjetnicke!“[17]. Sein Verständnis von Ästhetizismus sowie sein Eintreten für die Autonomie der Kunst, die nur dem Credo „da se umjetnik sto savijesnije, bez obzira na sve drugo, poda svome poslu, da sluzi umjetnosti, a ne zbog koristi i inih inferiornih obzira, da trazi ljepotu zbog ljepote kao ucenjak istinu zbog istine i kao pravednik sto cini dobro zbog dobra“[18] zu folgen hatte, klassifizierten Matos in den Augen seiner Kritiker sowohl als L´art-pour-l´artisten, wie auch als Formalisten oder Ästhetisten. Matos selbst verstand sich als Keines davon, vielmehr nannte er sein Verständnis von Kunst artizam, den er wie folgt definierte:

„Propagiramo posve prirodnu ideju da umjetnik mora prije svega biti umjetnik i da knjizevno djelo mora bitiprije svega umjetnina. Artizam nije nista drugo no emancipacija umjetnosti od svih onih elemenatakoji nisu umjetnicki i koji nisu oslobodenje umjetnika od svih neumjetnickij obzira. Ozloglasena lozinka l´art pour l´art znaci tek to da cilj umjetnosti moze biti samo umjetnost, samo ljepota, da je umjetnost tako slobodna i nezavisna kao nauka i da je jedino mjerilo umjetnicke vrijednosti snaga esteticke sugestije. Djelo u kojemu esteticki momenat, cisti umjetnicki momenat nije najjaci, nije jaci od momenta etickog i intelektualnog, nije umjetnina, cista umjetnina [...] Cisti artizam [...] je uvjerenje da zivot za pravog umjetnika postoji tek kao materijal za umjetninu, da se umjetnina stvara samo apsolutnom savjesnoscu kod rada, da je glavni i jedini cilj umjetnosti estetican i da prema tome sve ideje mogu sluziti umjetnosti, dok ona ne smije robovati ni jednoj, pa bila ona i eticna.“[19].

Matos versteht demnach unter Kunst „prije svega slobodan izraz ljepote“[20], „jer Ljepota, vjecna i topla kao luc modernoga doba, Ljepota Perikla, Venecije i V. Hugoa, ima kao ostvarenje potenciranog zivota svu onu energiju koju nam cesto misao uskracuje i hamletski oduzima“[21].

Schönheit – vielleicht das Leitmotiv in Matoss Leben und Wirken?! Seine Vorstellungen und Forderungen von ihr, der Ewigkeit und der Vergänglichkeit, offenbaren sich zum Einen auf formaler und stilistischer Ebene in seinem gesamten Werk[22], andererseits liefern auch seine Frauengestalten einen Ansatz, um einen Einblick in Matoss Verständnis von Schönheit, das er in dem Aufsatz „Nesto ni o cemu“ dargelegt hat, gewinnen zu können.

Im Folgenden geht es darum, zu untersuchen, ob, und wenn ja, inwieweit Matos bei der Darstellung der Frauen in „Umorne price“, die sich in die Kategorien Femmes fatales oder Femmes fragiles einordnen lassen, seine eigenen Vorstellungen von Schönheit mit einfließen lässt?

3. A.G.M. und die Femme fatale

3.1. Die Femme fatale

Obwohl die Geschichten „Bura u tisini“, „ Dusevni covjek“, „Lijepa Jelena“, „Balkon“ und „Jesenska idila“ inhaltlich völlig verschieden und unabhängig voneinander sind, weisen sie in einem Punkt Gemeinsamkeiten auf: in allen Geschichten kommen Frauen vor, die allein aufgrund ihrer Schönheit in der Lage sind, den jeweiligen männlichen Protagonisten zu faszinieren und ihn in ihren Bann zu schlagen. Gelingen kann ihnen dies, da sie alle dem Frauentypus Femme fatale, den Carola Hilmes in ihrem gleichnamigen Werk wie folgt definiert:

„Die Femme fatale lockt, verspricht und entzieht sich. Zurück bleibt ein toter Mann. Im Spannungsfeld von Eros und Macht gedeihen Wollust und Grausamkeit, entstehen blutige Bilder der Liebe. Die Femme fatale fasziniert durch ihre Schönheit und das in ihr liegende Versprechen auf Glück, einen Wunsch nach leidenschaftlicher Liebe. [...] Die Femme fatale repräsentiert die permanente Verführung, die ebenso sehr gewünscht wie gefürchtet wird. Diese Doppelbödigkeit macht sie so geheimnisvoll wie unheimlich.“[23] zuzuordnen sind. Erotik, Liebe, Macht und Tod sind also die Schlagwörter, die mit der Femme fatale in Verbindung gebracht werden. Welche davon sich bei den oben genannten Kurzgeschichten wiederfinden lassen, soll im Folgenden aufgezeigt werden.

Bura u tisini

„Bura u tisini“ versetzt den Leser in eine Märchenwelt: das lyrische ich, das sich im Lauf der Handlung als Prinz[24] entpuppt, erblickt die Geliebte, bei der es sich um eine Zigeunerin handelt, zum ersten Mal auf einem Marktplatz „u sirokoj miriji dicnij mi otaca“, wo sie versucht, mit ihrem Gesang und ihrem Tanz den Unterhalt für ihre Familie zu verdienen. Das lyrische ich kann sich weder für die Herkunft bzw. Abstammung noch für den gesellschaftlichen Status des Mädchens interessieren, denn „obezumila me sa petnaest svojih pramaljeca kao sa petnaest vrceva petnaestgodisnjaka vina“. In den Bann ihrer Schönheit wird das lyrische ich durch ihr Haar „punu najzezenijeg arapskog zlata i tamjanskiju od svijh mirodija sabajskih“, sowie durch den Geruch ihrer Haut, die den Duft „melemskom hladovinom proljetnog jezera“ verströmt, geschlagen. Und obwohl sich hiermit die Beschreibung der schönen Zigeunerin, deren Bild äußerst schemenhaft und vage bleibt, erschöpft hat, hofft das lyrische ich, in ihr die „dugo cekanu i cesto snivanu nevjesticu“, die er „uzalud trazah sedam godina, preko sedam mora i sedam carevina“, gefunden zu haben.

Doch das vollendete Glück währt nur für eine kurze Zeit, denn es ist die todbringende Schönheit der Geliebten, die das lyrische ich in ihren zerstörerischen Kreislauf hineingezogen hat. Das lyrische ich, das der Mittelpunkt des Denkens, Fühlens und Handelns seiner Geliebten sein möchte, zerstört und tötet systematisch alles, was ihm bei diesen Bemühungen in die Quere kommt: ihre Familie, sein Schloss mit allen Bewohnern, alle Blumen und Vögel, die die Gedanken der Geliebten für nur einen Moment von ihm abwenden könnten. In einem letzten Anfall von Eifersucht nimmt er seiner Geliebten „zivot, taj njen ljubljavlju odvise puni zivot“, seinen, wie er selbst sagt: „posljednjeg takmaca“.

Zurück bleibt ein toter Mann: das lyrisches ich, das verletzt und am Ende seiner Kräfte auf den Tod, seine einzige Erlösung, wartet, nachdem es sein eigenes Gehör zerstört hat, um die Stimmen der Eifersucht nicht mehr hören zu müssen und sich die Augen ausgestochen hat, „neka budu slijepe i krvave kao krvavi i slijepi taj trenutak...“

Dusevni covjek

„Die Femme fatale ist eine Fata Morgana, die ihre Suggestionskraft auch dann nicht verliert, wenn man um die Bedingungen der Luftspiegelung weiß“[25]. Wie recht Carola Hilmes mit dieser Behauptung hat, beweist Matos in der Geschichte „Dusevni covjek“.

Der in Paris studierende, völlig mittellose Vasic erfährt am Silvesterabend, dass sein Stipendiumsantrag abgelehnt worden ist. Völlig verzweifelt versetzt er seine goldene Uhr, um sich einen Wirtshausbesuch leisten zu können. Leicht angeheitert spaziert er in derselben Nacht die Straßen von Paris entlang. Auf einer Brücke angekommen, bemerkt er eine weibliche Gestalt. Obwohl er sie in der Dunkelheit nicht wirklich erkennen kann, „sav se ugrija, uznemiri, sjetivsi se raznih romanticnih dogadaja i poznanstava, sjetivsi se grizeta lijepih kao markize i markiza dobrodusnih kao grizete“. Daher zögert er auch keinen Moment ihr in das kalte Wasser zu folgen, in dem Versuch sie zu retten, als er sie die Brücke herunter springen sieht. Doch wie groß ist seine Enttäuschung, als er erkennen muss, dass sein Traumbild in Wirklichkeit eine „ludakinja [...] odrpana neka babetina“ ist, deren „cerekavo krijestanje“ der einzige „Dank“ für die geglückte Rettung ist. Das Traumbild der Femme fatale in Paris wurde gewaltsam in die Wirklichkeit zurückgeholt: „Ovo u Parizu – to su zabetine“[26].

Und obwohl oder besser, gerade weil in dieser Geschichte keine richtige Femme fatale in Aktion tritt, weil Matos nur für einen Augenblick die Vorstellung von ihr wie eine Fata Morgana auferstehen lässt, wird die zerstörerische Macht der Femme fatale besonders deutlich: alleine der Umstand, dass die Nacht - „Garant der Phantasie, der Wünsche und Träume“[27] - Schauplatz des Geschehens ist, dass sich Vasic für einen Moment dem Traum von Schönheit und Liebe hingegeben hat, fordert in der Konstellation „Femme fatale trifft Mann“ ihren Tribut: den Tod des Mannes. Und so „za nekoliko dana umre u bolnici [...] i najzad ga bacise u bezimen grob – kao psa.“

Lijepa Jelena

Die Geschichte „Lijepa Jelena“ spielt ebenfalls in einem real zuordenbaren Raum[28]. Eine Variation des Femme fatale - Bildes erfolgt dahingehend, dass sich das lyrische ich bereits von dem bloßen Namen verzaubern lässt: „Zvala se Helena, i vec to slavno, kobno, kraljevsko ime me ocaravalo kao prastara, daleka bajka. [...] i nitko od ukucana nije slutio da cekam Helenu kao zivot ili smrt.“ Die Schönheit Helenas ist Garant dafür, dass das lyrische ich sie auf den ersten Blick erkennt, ohne sie jemals zuvor gesehen zu haben[29]. Sie ist „visoka, vitka, malo blijeda i umorna od puta, sa tragovima najvise elegancije, sa sibirskim hrtom pred nogama [...] Vece joj davase tamnu aureolu vidljive duse.“ Aufgrund ihrer Erscheinung ist sie in der Lage, nicht nur das lyrische ich, sondern auch alle „palancane sjajem pojave i galantnom razdarusnoscu“ zu bannen.

Dass es sich bei der Darstellung der Helena in „Lijepa Jelena“ um eine Femme fatale – Figur handelt, wird noch dadurch verstärkt, dass die zweite Frauengestalt, der das lyrische ich in Paris – der Stadt der Liebe - begegnet, ein Abbild der ersten Helena zu sein scheint. Ebenfalls Helena mit Namen, „bijase slicna Heleni mog dijetinstva“:

„Bijase u bijeloj gala-toaleti iz prve radionice. Prem joj nad bogatom smedom i pozlacenom kosom ne blistase gordi dijamant, vidjela joj se markiska kruna i sada kad je nemase. Ne bijase kao ostale dame pretovarena nakitima. Divne ruke su joj bez grivne i prstena. Tek oko vrata nosi ogrlicu od nizova najkrupnijeg biserja, a na grudima ogromnu iglu u obliku lista od samog smaragda i rubina.“

Und obwohl die zweite Helena geheimnisumwitterter bleibt[30], scheinen die beiden Helenas auch das gleiche Schicksal der Geliebten eines „velikasa“ bzw. „kojeg naboba“ zu teilen.

Trunken von Schönheit und Liebe hofft das lyrische ich, das sich wie ein „zarucnik“ um Helena bemüht, in ihr die „zenu, ljubav [...] velik[u] najvec[u] srec[u]“ gefunden zu haben, die in der Lage ist, seinem Leben einen Sinn zu verleihen.

Und auch hier erweist sich der Wunsch des lyrischen ich nach Liebe als trügerisch und kurzlebig. Während aus der ersten Helena „danasnja »tetka« Jelena: naduvena, u tudim vlasuljama i zubima, u nametljivosti toalete starih cirkusinja, udata za bivseg velikasevog cibugdziju, sada krcmara“ wird, löst sich die zweite Helena nach einer gemeinsamen Nacht scheinbar in Luft auf. Alle Versuche sie wiederzufinden – „pitah konobare sinocnog naseg restauranta poznaju li je“; „lutah po reklamiranim koncertima, jedne veceri obidoh sva veca kazalista“; „stampam u citanijim novinama medu oglasima pismo i moju adresu“; „procerdam sav novac, nocu mrznem, cekajuci medu kocijama na izlazu Opere i boljih kazalista“ - bleiben erfolglos. Und obwohl „kao da je u zemlju propala“, behält sie die ihr per definicionem zugeschriebene Macht über das lyrische ich. Vollkommen besessen von ihr, verfällt es zunehmend an Leib und Seele: „Sve do njenog poznanstva bijah zdrav, sposoban za najteze atletske vjezbe, elegantna po propisima vlastitog ukusa. Zene se okretahu za mnom na ulici, a za ovo nekoliko mjeseci oslabih, omrsavih, dobih hrapavu, bobuljicavu kozu, ruke mi drhtahu, oci upadose i potamnjese, moja crna, kudrava glava ocelavi do pola tjemena i osijedi po sljepocnicama“. „Nesposoban za svaki ozbiljniji posao“ findet sich das lyrische ich, nachdem es seine letzten Habseligkeiten verkauft hat, auf der Straße „medu lopovima i nesrecnicima“ wieder. Seine einstige Liebe verkehrt sich nunmehr in todbringenden Hass: der Wunsch nach Rache scheint einen Augenblick lang Wirklichkeit werden zu können, denn nachdem das lyrische ich in den Alpen zufällig auf sie gestoßen ist, versucht es sie mit einem Revolver zu erschießen. Doch überwältigt und wegen versuchten Mordes verurteilt endet die Geschichte mit einem, obwohl am Leben gebliebenen, so doch innerlich totem Mann, dessen Lebenssinn zerstört wurde: „danas sam skrsen umoran covjek u tridesetoj, kada drugi pocinju zivjeti[31]. Na robiji se naviknuh na teske mane i opacine, izgubih sve zube, pokvarih vid, pluca i zdravlje, izgubivsi sasvim veliko odusevljenje za zenu, bez kojega ne mogu biti umjetnik“.

[...]


[1] Jelcic, Dubravko: „ Matoš “. S. 37.

[2] Grahor, Olga: „France in the Work and Ideas of Antun Gustav Matos“. S. 6.

[3] Vgl. Matošs Jugenderinnerungen.

[4] Čolak, Tode: „Portreti iz novije hrvatske književnosti“. S. 76.

[5] Čolak, Tode: „Portreti iz novije hrvatske književnosti“. S. 76.

[6] Da Matoš den Drill und die Eingeengtheiten des Soldatenlebens nicht aushalten konnte, floh er aus der Armee. Aufgrund dessen musste er die nächsten 14 Jahre seines Lebens – bis zu seiner Amnestierung im Jahre 1908 – in verschiedenen europäischen Städten (Belgrad, München, Genf und Paris) verbringen, weil ihm die Rückkehr nach Kroatien verwehrt war. Auch sein Privatleben litt zeit seines Lebens unter diesem Freiheitsdrang. So war er z.B. nicht in der Lage, eine längerfristige Beziehung zu einer Frau aufzubauen, da „volio je slobodu, osjecaj da je svoj, a ne osiguran i sreden zivot“ (Zezelj, Mirko: „Tragajuci za Matosem“. S. 132.).

[7] Die Vaterlandsliebe Matoss lässt sich problemlos durch seine eigenen Auffassungen und Gedanken, die er auch an die Öffentlichkeit trug, belegen: so forderte Matos in seinem Aufsatz „Umjetnost i nacionalizam“ (SD XVI, S.56-60) von jedem Kroaten und somit auch von jedem Schriftstller „patriotizam kao prvu i najsvetiju duznost“. Selbst seinem Freund Milan Ogizovic warf er in einem Brief vom 22.09.1907 Unverständnis vor: „Mog Bakhosa jos nisi shvatio! On je h r v a t s k i u glavnome“ (SD XX, S. 67). Über sich selbst sagt er: „Osim hrvatstva nista u meni nije iskreno“ (SD XVII, S.264). Wie präsent und augenscheinlich seine Vaterlandsliebe in seinem Werk war und bis heute ist, beweisen auch die Aussagen von Jelic und Pantzer, die beide – unabhängig voneinander – zu demselben Schluss kommen: „Bio je prvi hrvatski pisac, koji godinama ne zivi u Hrvatskoj i jedini koji je, ziveci izvan Hrvatske, zivio s njom tako prisno, upravo sudbinski, da je sav njegov opus izrastao – izravno ili neizravno – iz hrvatske problematike [...]“ (Jelcic, Dubravko: „Matos“. S. 41.); „without Croatia he (sc. Matos) is unimaginable“ (Pantzer, Eugene E: „Antun Gustav Matos“. S.29.).

[8] Korrespondenz A. Benesic an A.G.M. vom 17.02.1906 in: A.G.M.: SD XIX, S. 230.

[9] Wenzelides, Arsen: „Antun Gustav Matos: Umorne price“ in: A.G.M.: SD XVII, S. 158.

[10] Jelcic, Dubravko: „Matos“. S. 43.

[11] Jelcic, Dubravko: „Matos“. S. 232.

[12] Posavac, Zlatko: „Novija hrvatska estetika. Studije i Eseji“. S. 265.

[13] Vgl. hierzu die Aufzeichnungen in A.G.M.: SD I, S. 270 ff.

[14] Wenzelides, Arsen: „Antun Gustav Matos: Umorne price“ in: A.G.M.: SD XVII, S. 158.

[15] Colak, Tode: „Portreti iz novije hrvatske knjizevnosti“. S. 84.

[16] Colak, Tode: „Portreti iz novije hrvatske knjizevnosti“. S. 88.

[17] Posavac, Zlatko: „Novija hrvatska estetika. Studije i Eseji“. S. 265.

[18] AGM: „Patriotizam i knjizevnost“. SD XIV. S. 173

[19] AGM: „Realizam i artizam“. SD XII. S. 240 und S. 242.

[20] A.G.M.: „Umjetnost i nacionalizam“. SD XVI. S. 58

[21] A.G.M.: „Teofil Gautier“. SD IX. S. 145.

[22] In seiner Untersuchung „Stil Matoseve novelistike“ geht Ivo Franges dieser Frage nach.

[23] Hilmes, Carola: „Die Femme fatale. Ein Weiblichkeitstypus in der nachromantischen Literatur“. S. 9 - 10.

[24] Obwohl in der ganzen Geschichte namentlich das Wort „Prinz“ nicht fällt, so ist diese Behauptung doch aus den Aussagen des lyrischen ich („U sirokoj miriji dicnih mi otaca.“, „Podi na moj carski cardak“, „Obodem konja i krenem bijelom dvoru“) sowie der schönen Unbekannten („Divna li je, more, ta tvoja prijstonica“) ableitbar.

[25] Hilmes, Carola: „Die Femme fatale. Ein Weiblichkeitstypus in der nachromantischen Literatur“. S. XIII.

[26] A.G.M.: „Pisma I“. SD XIX. S. 363.

[27] Hilmes, Carola: „Die Femme fatale. Ein Weiblichkeitstypus in der nachromantischen Literatur“. S. 19.

[28] Das lyrische ich trifft die erste Helena bei seinem „stric, imucni slavonski ekonom, kod kojega bi provodili moje skolske ferije“ und die zweite Helena in Paris.

[29] Vgl. hierzu das Erkennen von Helden untereinander in mittelalterlichen Epen (z.B. Nibelungenlied: Siegfried – Hagen). Auch sie sind, ebenso wie die Femme fatale durch ihr „Sein“ (= Schönheit, Heldenmut) definiert und erkennbar.

[30] Während es sich bei der ersten Helena um eine „daljnju nasu rodaku“ (S. 174) handelt, hüllt sich die zweite Helena in absolutes Schweigen: „Dok mi ne htjede nista reci o sebi ...“. S. 178. Erst gegen Ende der Geschichte entdeckt das lyrische ich ihre wahre Herkunft: „da je zena ...skog poslanika“ – doch da ist es bereits zu spät: die Macht der geheimnisvollen Schönen hat sich bereits in ihrem gesamten zerstörerischen Potenzial entfaltet!

[31] Kursiv – Mirjana Sarac-Petric.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Die Frauen und die Schönheit. Eine Untersuchung der Frauengestalten in A.G. Matošs „Umorne price“
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Slawische Philologie)
Veranstaltung
Der südslawische Symbolismus
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
32
Katalognummer
V324273
ISBN (eBook)
9783668233812
ISBN (Buch)
9783668233829
Dateigröße
627 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
AGM, Antun Gustav Matos, Schönheit, femmes fatales, femmes fragiles
Arbeit zitieren
M.A. Mirjana Sarac-Petric (Autor:in), 2002, Die Frauen und die Schönheit. Eine Untersuchung der Frauengestalten in A.G. Matošs „Umorne price“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/324273

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