Die Kommunikation durch Sprache und Schrift ist nicht nur für „normale“ Kinder und Ju-gendliche von elementarer Wichtigkeit, sondern auch für solche Menschen, die durch einen Entwicklungsrückstand behindert sind. Lesen und Schreiben hat für alle Menschen eine kommunikative Bedeutung. Ob wir ein Buch, einen Brief oder eine Seite im Internet lesen, immer teilt uns der Verfasser des Textes etwas mit, ob er uns kennt oder nicht. Wenn wir schreiben, beabsichtigen wir, anderen etwas von unseren Gedanken mitzuteilen oder unsere Gedanken „zu konservieren“, damit wir sie später wieder zur Kommunikation verwenden können. Schrift ist also gleichermaßen „gefrorenes“ Wort und „konserviertes“ Gedankengut. Diese Bedeutung der Sprache setzt nicht voraus, dass wir orthographisch einwandfrei schrei-ben, sondern es muss nur dem jeweiligen Kommunikationspartner verständlich sein. Wir müssen die gleiche soziale Sprache sprechen wie unser Gegenüber.
Der Lese- und Schreibunterricht an der Grundschule ist mittlerweile schon mehr als selbst-verständlich geworden, doch an der Schule für Geistigbehinderte haben sich jahrelang die Experten gestritten, ob es Sinn macht, diesen Schülern das Lesen- und Schreibenlernen bei-zubringen. Doch warum sollte man solchen Menschen diese Möglichkeiten der Kommunika-tion verwehren? Geistig behindert bedeutet nicht, dass dieser Mensche dümmer ist als wir. Vielmehr bedeutet es, dass er sich eben nur langsamer entwickelt hat. Er wird aber noch viele Entwicklungsstufen durchlaufen können, bis seine individuelle Persönlichkeit entstanden ist. Deshalb sollte man geistig behinderte Menschen vom Erlernen der sogenannten Kulturtech-niken (Lesen, Schreiben, Rechnen) nicht ausschließen. Allerdings sind sie aufgrund ihrer Behinderung dabei in besonderem Maße auf vielfältige, methodische Unterstützung angewie-sen.
Mit dieser Arbeit möchte ich einen kleinen Einblick in die Methodik und Didaktik des Schriftspracherwerbes mit Geistig Behinderten verschaffen und den Gegensatz zum Schrift-spracherwerb in einer „normalen“ Grundschule darstellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Grundlagen des Schriftspracherwerbs
2.1. Der Vorgang des Lesens
2.2. Der Vorgang des Schreibens
2.3. Das Entwicklungsmodell von Günther
3. Schriftspracherwerb in der Schule für Geistigbehinderte
3.1. Allgemeines
3.2. Umsetzung in der Praxis
3.3. Lesen und Schreiben in der Praxis - Überprüfung der Lese- und Schreibleistung bei geistigbehinderten Jugendlichen
3.4. eigene Erfahrungen
4. Schlussgedanken
Anhang: Quellenangaben, Bildnachweis
Beilage: Überprüfungsbogen „Lesen“
Überprüfungsbogen „Schreiben“
1. Einleitung
Die Kommunikation durch Sprache und Schrift ist nicht nur für „normale“ Kinder und Jugendliche von elementarer Wichtigkeit, sondern auch für solche Menschen, die durch einen Entwicklungsrückstand behindert sind. Lesen und Schreiben hat für alle Menschen eine kommunikative Bedeutung. Ob wir ein Buch, einen Brief oder eine Seite im Internet lesen, immer teilt uns der Verfasser des Textes etwas mit, ob er uns kennt oder nicht. Wenn wir schreiben, beabsichtigen wir, anderen etwas von unseren Gedanken mitzuteilen oder unsere Gedanken „zu konservieren“, damit wir sie später wieder zur Kommunikation verwenden können. Schrift ist also gleichermaßen „gefrorenes“ Wort und „konserviertes“ Gedankengut. Diese Bedeutung der Sprache setzt nicht voraus, dass wir orthographisch einwandfrei schreiben, sondern es muss nur dem jeweiligen Kommunikationspartner verständlich sein. Wir müssen die gleiche soziale Sprache sprechen wie unser Gegenüber.
Der Lese- und Schreibunterricht an der Grundschule ist mittlerweile schon mehr als selbstverständlich geworden, doch an der Schule für Geistigbehinderte haben sich jahrelang die Experten gestritten, ob es Sinn macht, diesen Schülern das Lesen- und Schreibenlernen beizubringen. Doch warum sollte man solchen Menschen diese Möglichkeiten der Kommunikation verwehren? Geistig behindert bedeutet nicht, dass dieser Mensche dümmer ist als wir. Vielmehr bedeutet es, dass er sich eben nur langsamer entwickelt hat. Er wird aber noch viele Entwicklungsstufen durchlaufen können, bis seine individuelle Persönlichkeit entstanden ist. Deshalb sollte man geistig behinderte Menschen vom Erlernen der sogenannten Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen) nicht ausschließen. Allerdings sind sie aufgrund ihrer Behinderung dabei in besonderem Maße auf vielfältige, methodische Unterstützung angewiesen.
Mit dieser Arbeit möchte ich einen kleinen Einblick in die Methodik und Didaktik des Schriftspracherwerbes mit Geistig Behinderten verschaffen und den Gegensatz zum Schriftspracherwerb in einer „normalen“ Grundschule darstellen
2. Die Grundlagen des Schriftspracherwerbs
Aus Gründen der Übersichtlichkeit werde ich im Folgenden die Bereiche Lesen und Schreiben getrennt behandeln.
2.1 Der Vorgang des Lesens
Es wird dann von „Lesen“ gesprochen, wenn aus einem geschriebenen Text, durch die Kenntnis der Buchstaben und ihrer Lautwerte und der Technik des Zusammenlautens, die lautsprachliche Realisation und der Sinn „rekonstruiert“ werden. Mit Lesen ist immer sinnerfassendes Lesen gemeint, nicht die bloße „Technik“ des Zusammenlautens. Viele Autoren sprechen nur dann von Lesen, wenn eine bestimmte Technik angewendet wird, die es erlaubt, vorher noch nie gesehene Texte zu „entziffern“. Das Wiedererkennen einiger Wörter aufgrund eines bildhaften Merkens wird meist noch nicht als lesen bezeichnet.
Ulrich Bleidick nennt das Lesen einen „dialektischen“ Vorgang. Friedrich Kainz beschreibt Lesen als einen Vorgang, einen Prozess, der aus Teilakten besteht, die im „Dienst der Leseaufgabe stehen und sich in engen kreisprozessmäßigen Wechselwirkungen befinden“.[1]
Der Vorgang des Lesens ist vielschichtig und kompliziert. Es gibt immer noch Kinder, die große Schwierigkeiten beim Lesenlernen haben. Egon Weigl erklärt diese Schwierigkeit damit, dass „wir es hier mit den noch nicht ausgereiften Gehirnen Sechsjähriger zu tun haben, die es zustande bringen müssen, das eine Mal auf lautsprachlichen, das andere Mal auf schriftlichen Empfang zu schalten [...] Aneignung und Beherrschung dieser Umschaltvorgänge bedeutet hohe Anforderungen in neuropsychologischer, kognitiver und linguistischer Hinsicht“.[2] Er meint auch, dass der Übergang von der Buchstabierphase zum normalen Leseverständnis vor allem ein großer qualitativer Sprung sei.
Zu den verschiedenen Erklärversuchen für den Vorgang des Lesens fasst Erwin Schwartz zusammen. „Hinsichtlich der Leistungsfunktion ist deutlich geworden, dass jeder einseitige Erklärversuch dieses komplexen Leistungsgefüges unzureichend ist: Weder die optische Wahrnehmung und Reproduktion von Wortbildern noch die Kenntnis der einzelnen Buchstaben-Lautverbindungen; weder die vorwegnehmende Sinnerwartung noch die synthetische Summierung von Lauten alleine ermöglicht den Leseakt, sondern erst das Zusammenspiel von geistiger Motivation, vorhandenem sprachlichem Wissen und dem Erkennen optischer Zeichen, führt zu seinem erfolgreichen Abschluss.“[3]
2.2 Der Vorgang des Schreibens
Mit verschiedenen „Werkzeugen“ werden Buchstabenformen aneinandergereiht, sodass erkennbare, beziehungsweise lesbare Wörter unserer Sprache entstehen. Die Buchstaben und ihre Anordnung müssen - damit die Lesbarkeit gesichert ist - den Rechtschreibregeln der Sprachgemeinschaft entsprechen. Kainz führt aus, dass „man zwar meistens unter Leitung des Wortklangbildes schreibt, dass dieses aber im Rahmen der Schreibhandlung zu etwas anderem denn in seiner Funktion als sensorischer Beitrag zur Sprechhandlung wird. Beim Schreiben präsentiert es sich nämlich nicht im phonetischer Explizitheit, sondern schon graphisch modifiziert, [...]“[4]
Was Schreibenlernen außerdem für ein Kind bedeutet, beschreibt Wilhelm Wieczerkowski: „Schreibenlernen ist für das Kind nicht bloße Aneignung einer primären Kulturtechnik, sondern ein sinnvolles Tun, das für seine Sprache ein neues Handlungsfeld eröffnet. Es ist aber auch ein komplexes psychomotorisches Geschehen, das in seinen vielfältigen Bezügen einen bestimmten Entwicklungsstand der Motorik, Wahrnehmung, Kognition und Motivation voraussetzt.“[5]
Unter „Schreiben“ wird natürlich immer auch das Verstehen des Geschriebenen verstanden. Bloßes „Abzeichnen“ einer Schriftvorlage, ohne den Text lesen zu können, kann nicht als bewusstes Schreiben bezeichnet werden.
2.3 Das Entwicklungsmodell von Günther
Das Stufenmodell von Klaus B. Günther (1986) versteht sich als Weiterentwicklung und Spezifizierung des Dreiphasenmodells von Frith, indem die logographemische, die alphabetische und die orthographische Strategie unterschieden werden. Günther fügt diesen drei Phasen am Anfang und am Ende jeweils eine weitere Phase hinzu:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Präliteral-symbolische Phase
Günther geht von der Annahme aus, dass der Schriftspracherwerb nicht erst mit dem Lesen und Schreiben im engeren Sinne beginnt, sondern schon wesentlich früher. Als Vorstufe zum Lesen und Schreiben wird die Bildbetrachtung sowie die beginnende Wiedergabe des Wahrgenommenen in Form von konstruktivem Bauen und Malen gesehen. Langsam erfährt das Kind, dass Bilder mittels Sprache auch abstrakt - in Form von Buchstaben - dargestellt werden können. Der entscheidende Schritt erfolgt mit der Einsicht in die Unterschiedlichkeit von Bildern und Buchstaben. Somit erfahren Kinder Buchstaben als etwas Bedeutsames: Als etwas, das unmittelbar mit Sprache zu tun hat.
[...]
[1] Bleidick, U. und Kainz, F., in Meiers, Kurt: Erstlesen, S. 19 und 33. zitiert nach Haug C. und Keuchel, B.: Lesen, Schreiben und Rechnen mit geistig Behinderten – Handbuch zur Didaktik der Kulturtechniken, S. 26.
[2] Weigl, E., in Hofer, Adolf: Lesenlernen, S. 84. zitiert nach Haug C. und Keuchel, B.: Lesen, Schreiben und Rechnen mit geistig Behinderten – Handbuch zur Didaktik der Kulturtechniken, S. 26.
[3] Schwartz E., in Meiers, Kurt: Erstlesen, S. 9. zitiert nach Haug C. und Keuchel, B.: Lesen, Schreiben und Rechnen mit geistig Behinderten – Handbuch zur Didaktik der Kulturtechniken, S. 26.
[4] Kainz, F., in Meiers, Kurt: Erstlesen, S. 29. zitiert nach Haug C. und Keuchel, B.: Lesen, Schreiben und Rechnen mit geistig Behinderten – Handbuch zur Didaktik der Kulturtechniken, S. 28.
[5] Wieczerkowski, W., in Diener, K.: Schreibenlernen, S. 11. zitiert nach Haug C. und Keuchel, B.: Lesen, Schreiben und Rechnen mit geistig Behinderten – Handbuch zur Didaktik der Kulturtechniken, S. 28.
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