Japans Sicherheitspolitik - Zwiespalt zwischen Schutzbedürfnis und Anti-Militarismus


Hausarbeit, 2003

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALT

1. Opferbewusstsein – die öffentliche Meinung zur Sicherheitspolitik

2. Die Einbindung des militärischen Sektors in das politisch-institutionelle System

3. Die ökonomische Ausprägung des Sicherheitsbegriffs in Japan

4. Internationale Sicherheit

Fazit

Anhang

Literaturangaben

Japans Sicherheitspolitik –

Zwiespalt zwischen Sicherheitsbedürfnis und Anti-Militarismus

Japans Verteidigungs- oder Militärpolitik ist durch zwei Elemente geprägt: ein moralisch-entsagendes, das aus den traumatischen Erfahrungen insbesondere des Endes des 2. Weltkrieges herrührt, und ein ökonomisches, auf Autarkie ausgerichtetes. In ihrer weitgehenden Kompromisslosigkeit unterscheidet sich diese Sicherheitspolitik deutlich von anderen, auch der deutschen, die zwar aus gleichartigen Erfahrungen aufgebaut wurde, aber sowohl andere historische Wurzeln hat, als auch noch Spiegel der Blockbildung im Kalten Krieg ist.

Charakteristisch ist zudem für die japanische Politik, bezogen auf nahezu alle sachpolitischen Bereiche, eine extreme Konsensorientierung. Politische Entscheidungen werden stets so getroffen, dass wirtschaftlicher und sozialer Wohlstand und Ruhe, die absolut oberste Priorität besitzen, nicht gefährdet werden.

1. Opferbewusstsein – die öffentliche Meinung zur Sicherheitspolitik

Generell werden die Aufgaben und Grenzen der Sicherheitspolitik Japans durch die japanische Verfassung bestimmt, die in einmaliger Weise Vorgaben für die nationale Sicherheits- und Verteidigungspolitik macht. So steht in Artikel 9 der Verfassung unter Kapitel II „Verzicht auf Krieg“: „In aufrichtigem Streben nach einem auf Gerechtigkeit und Ordnung gegründeten internationalen Frieden verzichtet das japanische Volk für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten. Um das Ziel (...) zu erreichen, werden keine Land-, See- und Luftstreitkräfte oder sonstige Kriegsmittel unterhalten. Ein Recht des Staates zur Kriegsführung wird nicht anerkannt.“

Ein ähnlicher Artikel existiert auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. So steht unter Artikel 26 „Verbot eines Angriffskrieges“: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen. (…)“.[1] Zwar wird im bundesdeutschen Verfassungsartikel noch differenziert zwischen Angriffs- und Verteidigungskrieg, jedoch kommt ein latenter ähnlicher verfassungsmäßiger Pazifismus wie in Japan zum Ausdruck.

Der japanische Verfassungs-Artikel 9 hat nicht nur die politischen Entscheidungsträger beschäftigt, sondern auch die japanische Verfassungsgerichtsbarkeit. So verbietet nach dem Verfassungsgerichts-Urteil im Hyakuri-Fall von 1977 der Artikel 9 lediglich die Unterhaltung militärischer Organisationen, die von ihrer Kapazität und Bewaffnung in der Lage wären, einen Angriffs-Krieg zu führen. Wo allerdings diese Grenze in der Kapazität liege, sei Sache der politischen Entscheidungsträger. Diese Modifizierung führt zu einer weiteren Annäherung des japanischen an das deutsche Verfassungsrecht.

Selbst wenn sich die weltpolitische Lage in Zukunft so ändern würde, dass eine Abkehr vom bisherigen Stil der Sicherheitspolitik erforderlich sein müsste, erscheint dies unwahrscheinlich, auch wenn man sich in Japan durchaus bewusst ist, dass es potentiell die Möglichkeit eines Angriffs auf das Land geben könnte. Diese Haltung wird in Japan „higaisha ishiki“, Opferbewusstsein, genannt. Es drückt aus, dass man der umgebenden Welt nicht trauen kann und das Japan deshalb immer ein potentielles Opfer irgendwelcher Kräfte sein wird. Dies wird aber in Kauf genommen. Die Frage der nationalen Sicherheit steht in ihrer Bedeutung für die japanische Öffentlichkeit im hinteren Drittel; an erster Stelle steht Recht und Gesetz und deren strikte Einhaltung.

Die unter anderem in diesem Kontext geführte öffentliche Debatte um die nationale Sicherheit ist geprägt vom ausgeprägten Anti-Militarismus und einem ambivalenten Verhältnis zur Verteidigung. Heute wird zwar die Notwendigkeit einer nationalen Verteidigung allgemein akzeptiert, was schließlich auch zum Aufbau der Self Defense Force (nachstehend SDF genannt) mit Hilfe der USA in den ´80-er Jahren geführt hat. Doch obwohl man erkannt hat, dass man sich mit militärischen Mitteln schützen muss, würden dennoch 45% der japanischen Bevölkerung die SDF wieder abschaffen, 17% sehen sie sogar als verfassungswidrig an. Auch wird die Funktion bzw. die Aufgabe der SDF in der Öffentlichkeit häufig anders eingeschätzt, als sie ursprünglich gedacht war. Denn für die japanische Öffentlichkeit ist die SDF primär nicht geschaffen worden, das eigene Land zu verteidigen (lediglich 40% aller Japaner glauben dies), sondern sei der Wohlfahrt verbunden.

Was die japanische Öffentlichkeit über die eigene Sicherheitspolitik denkt, kann man so zusammenfassen, dass allgemein eine passive einer aktiven Sicherheitspolitik vorgezogen wird. Das heißt, dass man sich lieber unter den Schutzschirm der USA stellt (es sind immer noch 38.450 US-Soldaten in Japan stationiert[2]), als selbständige aktive Sicherheitspolitik und damit verbundene eigene Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Das führt dazu, dass in der japanischen Öffentlichkeit Abhängigkeit, wie in diesem Fall von den USA, der im wirtschaftlichen Bereich vorherrschenden Autonomie vorgezogen wird. „The security treaty noted that as Japan had no ‚effective means’ to insure her defense from ‚irresponsible militarism`, the United States would be wiling to station ‚certain of its armed forces in and about Japan’.“[3] Eventuell spielt dabei auch die Tatsache mit, dass es für Japan ökonomisch wesentlich günstiger ist, sich auf den Schutz einer fremden Macht zu verlassen, als selbständig ein Militär zu unterhalten, das sowohl dem Schutz des eigenen Landes als auch der japanischen internationalen Bündnispolitik gerecht werden kann. „Die Beziehungen zu den USA, insbesondere der "Japanisch-Amerikanische Sicherheitsvertrag" sind Grundpfeiler der japanischen Außen- und Sicherheitspolitik. Das politische Verhältnis zu den USA hat sich trotz wirtschaftlicher Konkurrenz, des traditionell hohen Handelsbilanzdefizits auf Seiten der USA und der Okinawafrage seit dem Amtsantritt von Präsident Bush deutlich verbessert. Dieser betreibt die amerikanische Asienpolitik wieder stärker unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten und rückt damit Japan stärker in das Zentrum amerikanischer Außenpolitik. Japan legt auf die amerikanische Unterstützung der innenpolitischen Strukturmaßnahmen Ministerpräsident Koizumis großen Wert. Die sicherheitspolitische Neuorientierung nach dem 11. September war auch Ausdruck des japanischen Bemühens, sich als solidarischer und verlässlicher Partner der USA darzustellen.“[4]

2. Die Einbindung des militärischen Sektors in das politisch-institutionelle System

(vgl. dazu auch Anlagen 1 und 2)

„Gemäß seiner Verfassung vom 03.11.1946 hat Japan ein parlamentarisches Regierungssystem mit Gewaltenteilung. Obgleich Japan formell kein Kaiserreich mehr ist, stellt der Kaiser (seit 7. Januar 1989 Kaiser Akihito) für die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin den wichtigsten nationalen Bezugspunkt dar. Er hat jedoch lediglich Repräsentationsbefugnisse.“[5] Japan hat also nach dem 2. Weltkrieg die auch in Europa übliche Staatsform der repräsentativen Monarchie erhalten, der Kaiser ist nicht mehr Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

Die gesellschaftlichen und politischen Grundbedingungen bestimmen heute auch die Einbettung des japanischen Militärs in die hiesige Politik und in das japanische politisch-institutionelle System. So ist das Militär in Japan umgeben von diversen Regierungs-Institutionen, die es den militärischen Führungskräften schwer machen, Einfluss auf die Sicherheitspolitik auszuüben. Dies war nicht immer so. Um 1936 spielte sich ein entscheidender Wandel innerhalb der japanischen Politik ab. „Die aus der ehemaligen Samurai-Kaste Stammenden (...) machten nur noch ein Drittel der politischen Eliten aus, während die dem gewöhnlichen Volk Angehörenden auf beinahe 60% zugenommen hatten. Der Prozentsatz der akademisch Gebildeten stieg bis auf 70% in den politischen Eliten an. Die Absolventen der Kaiserlichen Universität Tokio bildeten etwa die Hälfte der politischen Elite.“[6] Diese Entwicklung hin zu Gebildeten und Zivilisten stellte ein Novum in der japanischen Politik dar, war sie doch zuvor fast ausschließlich von Kaiser und Militär dominiert.

[...]


[1] Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 26; die Strafbestimmung in § 80 StGB enthalten

[2] Vgl. Military Balance 2002/2003, S. 24

[3] Endicott, Japan´s Nuclear Option – Political, technical, and strategic factors, New York 1975, S. 3

[4] Homepage des AA (http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?type_id=11&land_id=69) am 17.3. 2003

[5] http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?type_id=10&land_id=69

am 17.3. 2003

[6] Takane, Bürokratie, politische Macht und Konservatismus, in: Shimizu/Tamanoi (Hrsg.), Gesellschaft Japans – Soziale Gruppen und sozialer Prozess, Opladen 1976, S. 134

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Japans Sicherheitspolitik - Zwiespalt zwischen Schutzbedürfnis und Anti-Militarismus
Hochschule
Universität Potsdam
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V32831
ISBN (eBook)
9783638334549
ISBN (Buch)
9783638748919
Dateigröße
783 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Japans, Sicherheitspolitik, Zwiespalt, Schutzbedürfnis, Anti-Militarismus
Arbeit zitieren
Patrick Ehlers (Autor:in), 2003, Japans Sicherheitspolitik - Zwiespalt zwischen Schutzbedürfnis und Anti-Militarismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32831

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