Grenzüberschreitende Mobilität von Kapitalgesellschaften innerhalb der EU


Mémoire (de fin d'études), 2004

138 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Kapitel Thematische Einführung

2. Kapitel Relevante Grundbegriffe
1. Sitz der Gesellschaft
a) Satzungssitz
b) Verwaltungssitz
2. Begriff der grenzüberschreitenden Verschmelzung
a) Definition des Begriffes der „Verschmelzung“
b) Definition des Begriffes „grenzüberschreitend“
c) Hinein- und Hinausverschmelzung
3. Begriff der grenzüberschreitenden Sitzverlegung.
4. Abgrenzung von Verschmelzung und Sitzverlegung
5. Folgen für die weitere Untersuchung
6. Vorstellung der gängigen Anknüpfungstheorien
a) Sitztheorie
b) Gründungstheorie
7. Fortgang der Untersuchung

3. Kapitel Die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG-Vertrag...
1. Abgrenzung der Niederlassungsfreiheit von den anderen
Grundfreiheiten des EG-Vertrages
a) Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit
b) Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit
c) Abgrenzung zur Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit
2. Inhalt und Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit
a) Begünstigte Gruppen und Personen
b) Primäre und sekundäre Niederlassungsfreiheit
c) Die Auslegung des Art. 43 EG-Vertrag: Deutung als
Diskriminierungsverbot oder Beschränkungsverbot?
aa) Art. 43 EG-Vertrag als Diskriminierungsverbot
bb) Art. 43 EG-Vertrag als Beschränkungsverbot

4. Kapitel Die Reichweite der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG-Vertrag
1. „Daily Mail“
a) Sachverhalt und Urteil
b) Analyse und Kernaussagen des Urteils „Daily Mail“
2. „Centros“
a) Sachverhalt und Urteil
b) Analyse und Kernaussagen des Urteils „Centros“
3. „Überseering“
a) Sachverhalt
b) Vorlagefragen
c) Urteil des EuGH
d) Analyse und Kernaussagen des Urteils „Überseering“
4. „Inspire Art“
a) Sachverhalt
b) Urteil des EuGH
c) Analyse und Kernaussagen des Urteils „Inspire Art“
5. Zusammenfassung und Analyse der Rechtsprechung des EuGH
6. Grenzüberschreitende Sitzverlegungen als Betätigung der Niederlassungsfreiheit
7. Grenzüberschreitende Verschmelzungen als Betätigung der Niederlassungsfreiheit
a) Hineinverschmelzung
b) Hinausverschmelzung
8. Zwischenergebnis

5. Kapitel Das Verhältnis von EG-Recht und nationalem Recht

6. Kapitel Die Vereinbarkeit des deutschen Rechts mit den Art. 43, 48 EG-Vertrag
Teil 1: Grenzüberschreitende Sitzverlegung einer Kapitalgesellschaft
1. Stand des deutschen IPR – Die Sitztheorie im Lichte der
Art. 43, 48 EG-Vertrag
a) Anknüpfungsmethode für zuziehende EG-Gesellschaften
b) Anknüpfungsmethode für den Wegzug in das EG-Ausland
c) Anknüpfungsmethode gegenüber Drittstaaten
2. Rechtsprechung und Meinungsstand der Literatur
a) Zuzugsfälle
aa) Verlegung des Satzungssitzes nach Deutschland bei
wirksam in der EG gegründeten Gesellschaften
(1) Wegzugsstaat folgt Gründungstheorie
(2) Wegzugsstaat folgt Sitztheorie
bb) Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes nach Deutschland
bei wirksam in der EG gegründeten Gesellschaften
(1) Wegzugsstaat folgt Gründungstheorie
(2) Wegzugsstaat folgt Sitztheorie
cc) Gemeinsame Verlegung von Satzungs- und tatsächlichem
Verwaltungssitz nach Deutschland
b) Wegzugsfälle
aa) Verlegung des Satzungssitzes bei in Deutschland
gegründeten Gesellschaften
(1) Zuzugsstaat folgt Gründungstheorie
(2) Zuzugsstaat folgt Sitztheorie
bb) Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes bei in
Deutschland gegründeten Gesellschaften
(1) Zuzugsstaat folgt Gründungstheorie
(2) Zuzugsstaat folgt Sitztheorie
cc) Gemeinsame Verlegung von Satzungs- und tatsächlichem
Verwaltungssitz ins Ausland
3. Ergebnisse zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung
Teil 2: Grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften
1. Kollisionsrechtliche Aspekte
2. Anwendbarkeit des UmwG auf grenzüberschreitende
Verschmelzungen
a) Sitzbegriff des § 1 UmwG
b) Mögliche Auslegungsvarianten des § 1 Abs. 1 UmwG
aa) § 1 Abs. 1 UmwG als Verbot grenzüberschreitender
Umwandlungen im rechtstechnischen Sinne
bb) Indifferenz des § 1 Abs. 1 UmwG
cc) Direkte oder analoge Anwendung des UmwG auf
grenzüberschreitende Verschmelzungen
dd) Stellungnahme
3. Ergebnisse zur grenzüberschreitenden Verschmelzung

7. Kapitel Fazit und Schlussbetrachtung

1. Kapitel Thematische Einführung

In Zeiten von globaler Vernetzung und zunehmender Europäisierung wird es für deutsche Unternehmen immer schwieriger, sich erfolgreich im Wettbewerb zu positionieren und zu behaupten. Die Globalisierung – und mit ihr die ausländische Konkurrenz – nimmt unaufhaltsam Einfluss auf den deutschen Markt und führt zu einem enormen Wettbewerbs- und Anpassungsdruck. Will man seine hart erkämpfte Marktposition halten oder verbessern, ist eine ständige betriebliche Weiterentwicklung erforderlich. Infolgedessen versuchen deutsche Konzerne, aber auch mittelständische Firmen, in immer stärkerem Maße neue Absatzmöglichkeiten im Ausland zu erschließen. Primäres Ziel sind die unmittelbaren Nachbarstaaten Deutschlands ebenso wie andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU). Auf ihrem Weg stoßen die expansionsbereiten deutschen Unternehmer und Unternehmen – zumindest in rechtlicher Hinsicht – auf zahlreiche Hindernisse und Stolpersteine. Die Mobilität deutscher Gesellschaften innerhalb der EU[1] unterliegt noch immer zahlreichen Beschränkungen. Mehr als zehn Jahre nach formaler Verwirklichung des EG-Binnenmarktes[2] am 01.01.1993[3] sind wichtige gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungsmaßnahmen – die auf nationaler Ebene selbstverständlich erscheinen – im europäischen Rahmen noch immer unmöglich.

Sowohl bei der Durchführung grenzüberschreitender Sitzverlegungen als auch bei der Realisierung von grenzüberschreitenden Unternehmenszusammenschlüssen im Wege der Verschmelzung treffen deutsche Kapitalgesellschaften auf fast unlösbare Probleme. Die Praxis behilft sich gegenwärtig bei der Durchführung solcher Aufgaben mit ebenso aufwendigen wie komplizierten Einbringungsmodellen bzw. Umgehungskonstruktionen. Dieses Vorgehen ist jedoch zeit- und kostenintensiv, und so manches Expansions- bzw. Erweiterungsvorhaben deutscher Gesellschaften verschwindet deshalb nach Konsultation der rechtlichen Berater wieder in der Schreibtischschublade.

Umso besorgniserregender erweist sich diese Praxis vor dem Hintergrund, dass Gesellschaften in anderen EG-Staaten vielfach gesetzliche Rahmenbedingungen vorfinden, die grenzüberschreitende Fusionen und Sitzverlegungen schon seit Jahren ermöglichen[4].

Zusätzlicher Handlungsdruck ergibt sich für Deutschland aus den Grundsatzentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in Sachen „Überseering“[5] bzw. „Inspire Art“[6], in denen der bis dato teilweise restriktiven und protektionistischen gesellschaftsrechtlichen Anerkennungspraxis innerhalb der Gemeinschaft eine deutliche Absage erteilt wurde.

Gegenstand der folgenden Untersuchung ist die Frage, inwieweit deutsche Kapitalgesellschaften[7] derzeit grenzüberschreitende Mobilität innerhalb des europäischen Binnenmarktes genießen. Auf Grund der Integration Deutschlands in die EG ergeben sich dabei fast zwangsläufig zwei Untersuchungsebenen: die europäische und die nationale Rechtslage. Um methodisch einwandfreie Ergebnisse zu erzielen, wird der Blick zunächst auf die durch den EG-Vertrag bzw. durch den EuGH vorgegebenen Rahmenbedingungen gelenkt und anschließend unter Berücksichtigung der gefundenen Ergebnisse die Analyse der nationalen Rechtslage vorgenommen.

Die grenzüberschreitende Mobilität von Gesellschaften mittels Verschmelzung bzw. Sitzverlegung wird im deutschen Schrifttum insbesondere seit der bereits erwähnten Entscheidung „Überseering“ äußerst kontrovers und leidenschaftlich diskutiert. Neben einer ersten erfolgreichen Verschmelzung aus Deutschland heraus[8] bzw. einigen nach Deutschland hinein[9] macht auch ein weiteres beim EuGH zurzeit anhängiges Vorabentscheidungsersuchen des LG Koblenz[10] deutlich, dass auf absehbare Zeit wohl kaum Ruhe in die Debatte einkehren wird. Wenige gesellschaftsrechtliche Themen scheinen die Gemüter derart zu erhitzen wie die Frage, ob überhaupt und wenn ja unter welchen Bedingungen, sich Gesellschaften innerhalb des Binnenmarktes bewegen können. Die Leidenschaft der Autoren und Autorinnen sowie das Eintreten für rechtspolitische Überzeugungen siegen dabei zuweilen über die sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema[11].

Auch wenn die vorliegende Arbeit nicht völlig frei von derlei Ideologie und Idealismus ist, versteht sie sich in erster Linie als sachlicher Beitrag im rechtlichen Diskurs. Sie möchte zu einer unbefangenen und kritischen Auseinandersetzung mit althergebrachten und scheinbar etablierten (Rechts-) Positionen anregen und gleichzeitig die Diskussion um bislang wenig beachtete Fakten ergänzen. Dabei erhebt sie nicht den Anspruch sämtliche Probleme einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung bzw. Verschmelzung abzuhandeln, sondern sie beschränkt sich bewusst – zumindest dort wo es vertretbar scheint – auf die elementaren Schwierigkeiten, die bei der Durchführung von grenzüberschreitenden Umstrukturierungen auftauchen.

2. Kapitel Relevante Grundbegriffe

Die Frage inwieweit deutsche Kapitalgesellschaften grenzüberschreitende Mobilität mittels Verschmelzung und Sitzverlegung genießen, lässt sich nicht allein mittels einer Analyse der nationalen Rechtslage klären. Neben den einschlägigen deutschen Bestimmungen sind auch die materiell- und kollisionsrechtlichen Vorschriften der anderen EG-Mitgliedstaaten, das Europäische Gesellschaftsrecht sowie die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH zu betrachten[12]. Zunächst sollen jedoch wichtige begriffliche Grundlagen erläutert und definiert werden.

1. Sitz der Gesellschaft

Will man den Sitz einer Gesellschaft verlegen, ist zunächst zu bestimmen, wo sich dieser befindet. „Den“ Sitz der Gesellschaft gibt es allerdings nicht. Im nationalen wie im internationalen Gesellschaftsrecht muss man zwischen dem Satzungs- und dem Verwaltungssitz unterscheiden.

a) Satzungssitz

Der Satzungssitz einer Gesellschaft wird durch die Gesellschaftsgründer bestimmt. Synonym wird auch der Begriff „statutarischer Sitz“ verwandt[13]. Es handelt sich dabei um den Ort, den Satzung bzw. Gesellschaftsvertrag als Sitz der Gesellschaft ausweisen. Nach

§ 4 a GmbHG bzw. § 5 AktG soll der Satzungssitz in der Regel mit dem Ort übereinstimmen, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat, sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. Aus dem Wortlaut ergibt sich, dass es Ausnahmen von diesem Grundsatz geben kann[14]. Sowohl bei der deutschen GmbH als auch bei der deutschen AG muss der Satzungssitz im Inland liegen[15]. Gemeinhin wird der Satzungssitz als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Gesellschaftsstatuts[16] nach der Gründungstheorie[17] verstanden[18].

b) Verwaltungssitz

Spricht man vom Verwaltungssitz einer Gesellschaft, so ist gemeinhin der effektive oder tatsächliche Verwaltungssitz gemeint. Eine eindeutige gesetzliche Normierung dieses Begriffes fehlt jedoch sowohl im deutschen Sach- als auch im deutschen Kollisionsrecht. In Literatur und Rechtsprechung finden sich deshalb unterschiedliche Ansätze und Methoden, um den Verwaltungssitz einer Gesellschaft zu bestimmen.

Teilweise wird vorgeschlagen, an den Ort der (internen) Willensbildung der Leitungsorgane[19] oder ganz allgemein an den „wirtschaftlichen Schwerpunkt“ der Gesellschaft anzuknüpfen[20]. Nach der von Sandrock entwickelten und inzwischen von der h.M. vertretenen Formel soll der effektive Verwaltungssitz dort sein, „[...], wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden“[21]. Anhaltspunkte hierfür können sein, dass an diesem Ort regelmäßig Verträge mit Dritten abgeschlossen werden oder die Sitzungen von Aufsichtsrat und Vorstand stattfinden oder dass die Geschäftsführung an diesem Ort ihre Tätigkeit entfaltet. Nicht in Betracht kommen bloße Betriebs- und Produktionsstätten[22].

Gemeinsam ist allen Definitionen eine gewisse begriffliche Unschärfe, so dass die Bestimmung des effektiven Verwaltungssitzes im Einzelfall zu Schwierigkeiten führen kann[23]. In der Praxis kommt es jedoch nur in wenigen Fällen zu Abgrenzungsproblemen, da sich Produktions- und Verwaltungsort meist an gleicher Stelle befinden oder die Zuordnung zumindest eindeutig möglich ist[24].

2. Begriff der grenzüberschreitenden Verschmelzung

Bevor mit der inhaltlichen Auseinandersetzung begonnen wird, muss zunächst geklärt werden, was unter dem Begriff der grenzüberschreitenden Verschmelzung zu verstehen ist bzw. welche Fallgruppen gemeinhin darunter subsumiert werden.

a) Definition des Begriffes der „Verschmelzung“

Eine Verschmelzung unter Beteiligung des deutschen Sachrechts zeichnet sich gem. § 2 UmwG dadurch aus, dass das gesamte Vermögen eines oder mehrerer Rechtsträger (übertragender Rechtsträger) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge[25] auf einen anderen bereits bestehenden Rechtsträger (Verschmelzung durch Aufnahme) oder auf einen eigens gegründeten Rechtsträger (Verschmelzung durch Neugründung) übergeht[26]. Der übertragende Rechtsträger wird dabei ohne Abwicklung aufgelöst. Er verschmilzt mit dem übernehmenden Rechtsträger und erlischt mit der Wirksamkeit der Verschmelzung[27]. Inhaber oder Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers erhalten als Gegenleistung Anteile oder Mitgliedschaften am übernehmenden Rechtsträger[28].

Abbildung 1: Grenzüberschreitende Verschmelzung zur Aufnahme

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Grenzüberschreitende Verschmelzung zur Neugründung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

b) Definition des Begriffes „grenzüberschreitend“

In Literatur und Rechtsprechung werden im Zusammenhang mit dem Thema Verschmelzung und Sitzverlegung die Attribute „international“, „grenzübergreifend“ oder „grenzüberschreitend“ sehr oft ohne nähere Erläuterung weitgehend synonym verwandt[29]. Dies kann zu Missverständnissen führen, da gleiche Sachverhalte mithin unterschiedlich benannt oder abweichende Ausgangslagen mit gleichen oder ähnlichen Begriffen umschrieben werden. Meist soll in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht werden, dass die an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger aus unterschiedlichen Staaten stammen bzw. der oder die Gesellschaftssitze von einem Staat in einen anderen Staat verlegt werden[30]. Dies ist jedoch eine vereinfachte und nicht immer zutreffende Vorstellung; gilt es doch zu beachten, dass allein der Begriff des „Sitzes“ mehrdeutig ist[31].

Vorzugswürdig – da genauer – ist es deshalb, im Falle der Verschmelzung nicht auf den Sitz der Gesellschaft abzustellen, sondern eine internationale oder grenzüberschreitende Umwandlung dann anzunehmen, wenn neben einer Gesellschaft deutschen Personalstatuts ein Unternehmen beteiligt ist, welches einer ausländischen Rechtsordnung untersteht[32]. Der Frage, warum diese Gesellschaft einem fremden Personalstatut unterliegt, kommt dabei zunächst keine Bedeutung zu. So wird vermieden, Verschmelzungen als grenzüberschreitend zu bezeichnen, die sich in punkto Durchführung und Rechtsfolgen von rein nationalen Umwandlungen nicht unterscheiden. Dies kann immer dann vorliegen, wenn – aus welchen Gründen auch immer – bei einer oder beiden Gesellschaften Satzungssitz und tatsächlicher Verwaltungssitz in verschiedenen Staaten liegen, im Ergebnis jedoch alle an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften ausschließlich nach einem Recht umgewandelt werden[33]. Ebenfalls abgrenzen muss man die klassische grenzüberschreitende Verschmelzung von rein nationalen Verschmelzungsvorgängen, die bloße Auslandsbezüge aufweisen, etwa in Form von im Ausland gelegenen Vermögen oder durch im Ausland ansässige Gesellschafter[34]. Wird in der Folge von „internationaler Verschmelzung“ oder „grenzüberschreitender Verschmelzung“ gesprochen, so ist stets die Umwandlung von Gesellschaften gemeint, welche unterschiedlichen Personalstatuten unterliegen.

c) Hinein- und Hinausverschmelzung

Zu unterscheiden sind bei der internationalen Verschmelzung zwei grundlegende Typen[35].

Bei der Hineinverschmelzung hat die aufnehmende Gesellschaft aus Betrachtersicht ihren Sitz im Inland bzw. untersteht inländischem Recht. Im Rahmen der Verschmelzung nimmt diese Gesellschaft sämtliches Vermögen des übertragenden Teils in sich auf. Die aufnehmende Gesellschaft muss dabei weder den Gesellschaftssitz ändern, noch unterliegt sie einem Statutenwechsel.

Das Gegenstück hierzu ist die Hinausverschmelzung: Hierbei unterliegt die übertragende Gesellschaft inländischem Personalstatut. Das Unternehmen überträgt sein gesamtes Vermögen im Zuge der Verschmelzung auf die ausländische, aufnehmende Gesellschaft. Der übertragende Rechtsträger wird aufgelöst und geht vollständig in der aufnehmenden Zielgesellschaft auf.

Jede grenzüberschreitende Verschmelzung ist immer beides: Hinein- und Hinausverschmelzung. Die Klassifizierung hängt einzig vom Standpunkt des Betrachters ab.

3. Begriff der grenzüberschreitenden Sitzverlegung

Es wurde bereits erläutert, dass der Begriff des Gesellschaftssitzes mehrdeutig belegt ist. Hieraus folgt, dass bei grenzüberschreitenden[36] Sitzverlegungen verschiedene Varianten und Konstellationen zu unterscheiden sind[37]. Man muss zwischen der Verlegung des Satzungssitzes, der des effektiven Verwaltungssitzes oder der gemeinsamen Verlegung beider Sitze differenzieren. Für das Vorliegen einer Sitzverlegung ist hingegen nicht entscheidend, ob die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft gewahrt bleibt oder ob der Vorgang zu einer (ungewollten) Auflösung im Wegzugsstaat und zu einer Neugründung im Zuzugsstaat führt[38].

Im Rahmen dieser Untersuchung bleiben jedoch solche „Sitzverlegungen“ unberücksichtigt, die von vornherein unter Aufgabe der bisherigen Rechtspersönlichkeit bzw. der willentlichen Auflösung der Gesellschaft im Emigrationsstaat und der anschließenden Neugründung im Immigrationsstaat beruhen. Diese Fälle, zum Teil als „uneigentliche Sitzverlegung“[39] bezeichnet, sind zum einen ökonomisch wenig reizvoll[40] und zum anderen aus rechtlicher Sicht weitgehend uninteressant. Schließlich bedarf es hierzu weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene einer besonderen Regelung, da diese Möglichkeit ohnehin besteht[41].

Grundsätzlich ist in der weiteren Analyse unter einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung die zwischenstaatliche bzw. Staatsgrenzen überschreitende Änderung oder Verlegung eines oder aller Gesellschaftssitze zu verstehen.

Hierbei kann – je nach Ausgestaltung der Sitzverlagerung – ein Wechsel des auf die Gesellschaft anwendbaren Rechts die Folge sein. Deshalb hat man an dieser Stelle wiederum zu differenzieren: Sitzverlegungen, die einen nicht gewollten Statutenwechsel nach sich ziehen bzw. nur unter Aufgabe der Rechtspersönlichkeit im Wegzugsstaat möglich sind, führen zur Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven einer Gesellschaft und sind daher – vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet – wenig attraktiv.

Viel eher den unternehmerischen Bedürfnissen entspricht die so genannte identitätswahrende Sitzverlegung. Bei dieser Variante der Sitzverlagerung erfährt das Gesellschaftsstatut trotz der örtlichen Veränderung des Unternehmens keine Änderung und auch die stillen Reserven der Gesellschaft bleiben erhalten. In der Praxis sind die meisten Sitzverlegungsbeschlüsse auf die identitätswahrende Verlegung des Gesellschaftssitzes gerichtet, da sich – außer der beabsichtigten geographischen Neuorientierung – keine weiteren Konsequenzen ergeben. Unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen diese oder jene Form der Sitzverlegung anzunehmen ist, werden die weiteren Untersuchungsschritte klären[42].

4. Abgrenzung von Sitzverlegung und Verschmelzung

Grenzüberschreitende Sitzverlegungen und grenzüberschreitende Verschmelzungen weisen auf den ersten Blick Gemeinsamkeiten auf. Dennoch gibt es in der Sache teilweise erhebliche Unterschiede[43].

Eine Ähnlichkeit liegt zweifellos in der Tatsache, dass bei beiden Vorgängen letztlich ein Wechsel des gesamten Umfeldes stattfindet und sich der auswandernde Rechtsträger – zumindest teilweise – aus dem Anwendungsbereich und der Kontrolle der bisher geltenden Rechtsordnung heraus bewegt[44]. Hieraus leitet Großfeld in Bezug auf die Zulässigkeit einen weitgehenden Parallelismus von grenzüberschreitender Verschmelzung und grenzüberschreitender Sitzverlegung ab[45]. Andere Stimmen in der Literatur weisen hingegen zu Recht darauf hin, dass bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung im Gegensatz zur Sitzverlegung immer auch ein zweiter oder gar dritter Rechtsträger in die Betrachtung mit einzubeziehen ist[46]. Ferner zieht die Hinausverschmelzung formal auch keine Verlegung des Gesellschaftssitzes ins Ausland nach sich. Vielmehr wird die bisherige Rechtsform im Emigrationsstaat aufgegeben, ein Statutenwechsel findet daher weder beim übertragenden Rechtsträger noch beim übernehmenden Rechtsträger statt[47].

Bei der grenzüberschreitenden Sitzverlegung kommt es im Wesentlichen auf zwei Dinge an: In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob und unter welchen Umständen das Recht des Wegzugsstaates die Sitzverlagerung ermöglicht. Stehen dem Wegzug von dieser Seite keine Bedenken entgegen, muss geklärt werden, ob innerhalb der Zielrechtsordnung etwaige Einwände gegen den Zuzug der Gesellschaft bestehen[48].

Für die erfolgreiche Durchführung einer grenzüberschreitenden Verschmelzung sind andere Voraussetzungen zu erfüllen: Zwar kommt es auch hier – aus Sicht der übertragenden Gesellschaft – im Ergebnis zu einem Wechsel des kompletten rechtlichen Umfelds, es treten jedoch noch weitere Merkmale hinzu. Im Gegensatz zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung sind immer verschiedene Rechtsträger und somit auch Gesellschaftsstatuten beteiligt. So kann es durch das notwendige Zusammenspiel verschiedener Rechtsordnungen, die nicht gezielt ineinander greifen bzw. sich nicht lückenlos ergänzen, zu Normdefiziten bzw. Normhäufungen kommen[49]. Zu verweisen ist hierbei etwa auf zwingende Beurkundungserfordernisse oder auch unterschiedliche Beschlussfassungskriterien der jeweiligen Rechtsordnungen. Auch unterscheiden sich in aller Regel die beabsichtigten Rechtsfolgen und Ergebnisse. Bei der grenzüberschreitenden Sitzverlegung geht es in erster Linie um die identitätswahrende örtliche Veränderung einer Gesellschaft, wohingegen bei der internationalen Verschmelzung diese zwar inkludiert ist, der Vorgang jedoch primär auf die Zusammenlegung mehrerer Unternehmen abzielt.

5. Folgen für die weitere Untersuchung

Grenzüberschreitende Verschmelzung und grenzüberschreitende Sitzverlegung weisen somit sowohl im Ablauf als auch in Bezug auf die Rechtsfolgen und Zielsetzungen erhebliche Unterschiede auf. Insofern ist die Zulässigkeit dieser Umstrukturierungsmaßnahmen auch jeweils gesondert zu untersuchen. Gleichwohl gibt es bei beiden Maßnahmen in Teilbereichen ohne Zweifel parallele Anforderungen und Gemeinsamkeiten. Deshalb wird bei der weiteren Untersuchung des Problemkreises nur dort differenziert, wo dies sachlich geboten scheint.

6. Vorstellung der gängigen Anknüpfungstheorien

Sowohl die grenzüberschreitende Sitzverlegung als auch die grenzüberschreitende Verschmelzung werfen zunächst Fragen des Internationalen Privatrechts (IPR) bzw. des Internationalen Gesellschaftsrechts auf[50]. Das IPR bestimmt in Fällen mit Auslandsberührung, ob die inländische, die ausländische oder beide Rechtsordnungen zur Anwendung kommen. Immer dann, wenn Gesellschaften betroffen sind, geht es dabei um die Frage der Bestimmung des auf die Gesellschaft anwendbaren materiellen Rechts (Gesellschaftsstatut[51]). Die kollisionsrechtliche Methode, nach der diese Bestimmung vorgenommen wird, liegt im einzelstaatlichen Ermessen. Konträr stehen sich hierbei – im EG-Binnenmarkt wie anderswo – Sitz- und Gründungstheorie gegenüber. Das Verständnis dieser kollisionsrechtlichen Anknüpfungstheorien ist zwingend notwendig, um die aus Sitzverlegung und Verschmelzung resultierenden Probleme nachvollziehen zu können.

a) Sitzheorie

Die in Kontinentaleuropa vorherrschende Sitztheorie[52] wurde im 19. Jahrhundert in Belgien und Frankreich entwickelt[53]. Auch in Deutschland ist sie seit Jahrzehnten fest etabliert[54]. Hinter dem großen Namen „Sitztheorie“ verbirgt sich – genau wie hinter der antagonistischen Gründungstheorie – eigentlich nur ein Verfahren zur Bestimmung des Personalstatuts einer Gesellschaft[55]. Laut Sitztheorie bestimmt sich dieses nach dem Recht des Staates, in dem die Gesellschaft ihren effektiven Verwaltungssitz hat. Das Gesellschaftsstatut knüpft somit ausschließlich an den tatsächlichen Sitz des Unternehmens an.

Eine weitergehende Regelung trifft die Sitztheorie nicht. Nach deutschem Verständnis ist sie allseitige und ungeschriebene Kollisionsnorm[56], die direkt weder den Wegzug noch den Zuzug verbietet[57]. Solche Verbote ergeben sich – so sie denn bestehen – erst aus dem Zusammenspiel von Sitztheorie und deutschem GmbHG bzw. AktG sowie ausländischem Kollisions- und Sachrecht[58]. In der Vergangenheit wurde stellenweise vertreten, dass die Sitztheorie selbst den Wegzug bzw. Zuzug sanktioniere[59]. Teilweise findet sich auch die Auffassung, dass der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft zwingend im Inkorporationsstaat liegen muss, es also kein Auseinanderfallen von tatsächlichem Sitz und Satzungssitz geben darf[60]. Beide Thesen sind aus dogmatischer Sicht abzulehnen, da es hierdurch zu einer unzulässigen Vermischung von kollisions- und sachrechtlicher Ebene kommt[61]. Die kollisionsrechtliche Sitztheorie leistet für sich genommen keinen Beitrag zu der Frage, ob eine Gesellschaft identitätswahrende Umstrukturierungen vornehmen kann bzw. welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Sie bestimmt nur die Rechtsordnung, nach der solche Vorgänge zu beurteilen sind. Die möglichen Rechtsfolgen resultieren erst aus dem materiellen Recht der mittels der Sitztheorie bestimmten Rechtsordnung. Diese Trennung wird zuweilen nicht konsequent eingehalten, ist jedoch zwingend notwendig, um rechtssichere und dogmatisch saubere Ergebnisse zu erzielen.

Der Sitztheorie liegt ein Schutzgedanke zu Grunde[62]: Der Zuzug von ausländischen, nach weniger strengen Vorschriften gegründeten Gesellschaften, soll verhindert werden. Bei Grenzübertritt – gleich aus welcher Richtung – verliert die Gesellschaft auf Grund des Zusammenspiels von in- und ausländischem Recht ihr ausländisches Rechtskleid, ja sogar ihre rechtliche Existenz[63]. Werden Satzungs- und Verwaltungssitz aus Deutschland heraus verlegt, muss die Gesellschaft wegen des eintretenden Statutenwechsels aufgelöst und, was schwerer wiegt, abgewickelt werden. Begründet wird diese Rechtsfolge von den Anhängern der Sitztheorie u.a. damit, dass der Staat, in dem die Gesellschaft ihren effektiven Verwaltungssitz hat, auch am stärksten von ihrer Tätigkeit betroffen ist[64]. Deshalb sei es sinnvoll, wenn dieser auch das anzuwendende Recht bestimme[65].

b) Gründungstheorie

Die vor allem im US-amerikanischen Rechtssystem aber auch in Europa[66] verbreitete Gründungstheorie verfolgt einen anderen Ansatz. Nach ihr soll eine einmal nach dem Recht eines Staates gegründete Gesellschaft auch von anderen Staaten als wirksam entstanden anerkannt werden, selbst wenn sie ihre Geschäftstätigkeit verlagert bzw. von vornherein in einem anderen als dem Gründungsstaat aufnimmt[67]. Aus der Gründungstheorie folgt: „Einmal anerkannt – überall anerkannt“[68].

Die Gründungstheorie knüpft das Gesellschaftsstatut allein an das Recht des Staates an, in dem die Gesellschaft wirksam gegründet bzw. registriert wurde[69]. Der Ort, von dem die Gesellschaft tatsächlich geleitet wird (effektiver Verwaltungssitz), ist insofern unerheblich. Daraus folgt, dass die Gesellschaft unabhängig von der Entwicklung ihrer geschäftlichen Aktivitäten und des Ortes an dem diese stattfinden, stets nach ein und demselben Recht zu beurteilen ist. Dies schafft Rechtssicherheit und Beständigkeit, eröffnet jedoch auch den Weg, durch bewusste Wahl eines sehr liberalen Gründungsrechts bestehende Gesetzeslücken und Unterschiede auszunutzen[70]. Überwiegend wurde die Gründungstheorie deshalb in der Vergangenheit in modifizierter bzw. vermittelnder Form vertreten[71].

7. Fortgang der Untersuchung

Neben den oben vorgestellten kollisionsrechtlichen Anknüpfungsmethoden der Mitgliedstaaten wird die Rechtlage zu grenzüberschreitender Verschmelzung und Sitzverlegung maßgeblich durch europarechtliche Vorgaben bestimmt. Herausragende Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die durch den EG-Vertrag statuierte Niederlassungsfreiheit, die in den nächsten beiden Kapiteln Gegenstand ausführlicher Untersuchungen sein wird. Dabei soll insbesondere geklärt werden, ob und inwieweit europäisches Recht grenzüberschreitende Umstrukturierungen ermöglicht, regelt oder verbietet.

3. Kapitel Die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG-Vertrag

Die in den Art. 43, 48 EG-Vertrag[72] geregelte Niederlassungsfreiheit gehört zu den vier Grundfreiheiten des EG-Vertrages und zählt damit zu den zentralen Stützen des europäischen Binnenmarktes[73]. Inhaltlich wird unter dem Recht der freien Niederlassung die Möglichkeit der Aufnahme einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat verstanden[74]. Im Verlauf dieses Kapitels wird zunächst eine inhaltliche Abgrenzung zu den anderen Grundfreiheiten vorgenommen, um anschließend den Kern der Niederlassungsfreiheit, also die aus ihr resultierenden Rechte und Freiheiten, herauszuarbeiten.

1. Abgrenzung der Niederlassungsfreiheit von den anderen Grundfreiheiten des EG-Vertrages

Schnittpunkte und Überlappungen zwischen Niederlassungsfreiheit und den anderen Grundfreiheiten des EG-Vertrages gibt es vor allem mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit gem. Art. 39 ff. EG-Vertrag, der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49 ff. EG-Vertrag sowie der Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit gem. Art. 56 ff. EG-Vertrag[75].

a) Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit wird durch die Art. 39 ff. EG-Vertrag definiert. Im Gegensatz zur Niederlassungsfreiheit, die die selbständige Ausübung[76] einer Erwerbstätigkeit innerhalb der Gemeinschaft sicherstellt, beziehen sich die Art. 39 ff. EG-Vertrag auf die Freizügigkeit abhängig Beschäftigter. Als selbständig gilt derjenige, der auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko hin tätig wird. Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist somit die Tatsache, ob eine selbständige Tätigkeit ausgeführt wird oder ob die betreffende Person im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses weisungsgebunden tätig wird. Nicht weisungsgebunden und somit außerhalb des Schutzbereiches der Arbeitnehmerfreizügigkeit sind trotz ihres formalen Angestelltenverhältnisses die Vorstandsmitglieder bzw. die Geschäftsführer eines Unternehmens sowie die an der Geschäftsführung beteiligten Gesellschafter[77]. Mitglieder der nachfolgenden Führungsebenen werden dagegen nur dann als Selbständige behandelt, wenn sie wichtige unternehmerische Entscheidungen treffen[78]. In schwierigen Abgrenzungsfällen ist auf den materiellen Gehalt und die rechtliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses abzustellen[79].

b) Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit

Die Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49 EG-Vertrag soll sicherstellen, dass die Erbringung von Dienstleistungen durch natürliche Personen oder durch Unternehmen innerhalb der Gemeinschaft keinerlei Beschränkungen unterliegt. Unter Dienstleistungen im Sinne des

EG-Vertrags wird dabei jene entgeltliche wirtschaftliche Betätigung verstanden, bei der eine unternehmerische Leistung, die keine Ware ist, grenzüberschreitend zwischen zwei Wirtschaftssubjekten erbracht wird[80]. Die beteiligten Personen bzw. Unternehmen stehen sich dabei als Gebietsfremde gegenüber[81]. Der Begriff der Dienstleistung i.S.d. Art. 49 ff. EG-Vertrag deckt sich nicht vollständig mit dem in Deutschland gebräuchlichen volkswirtschaftlichen Begriff des „tertiären Sektors“[82]. Wird beispielsweise in einem anderen Mitgliedstaat ein Gebäude errichtet, um darin dauerhaft ein Restaurant zu betreiben, so unterliegt der Gesamtvorgang aus europarechtlicher Sicht unzweifelhaft der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43 ff. EG-Vertrag, obwohl der Betrieb einer Gaststätte nach deutschem volkswirtschaftlichen Verständnis eine Dienstleistung darstellt.

Abgrenzungskriterium ist somit zum einen die Tatsache, ob die Leistung mittels einer festen Einrichtung (Niederlassung) erbracht wird und zum anderen von welcher Dauer die Anwesenheit im Mitgliedstaat ist. Alle von vornherein zeitlich befristeten Aufenthalte sind der Dienstleistungsfreiheit zu zuordnen[83]. Die Dienstleistungsfreiheit ist gegenüber allen anderen Grundfreiheiten subsidiär, sie fungiert als Auffangtatbestand[84].

c) Abgrenzung zur Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit

Der freie Kapital- und Zahlungsverkehr gem. Art. 56 ff. EG-Vertrag garantiert, dass neben Waren, Personen und Dienstleistungen auch Kapital- und Zahlungsströme ungehindert die Grenzen der Mitgliedstaaten überschreiten können. Unter freiem Kapitalverkehr wird die einseitige und grenzüberschreitende Verlagerung von Sach- und Geldkapital (z. B. Unternehmensbeteiligungen, Aktien, Kredite, Wertpapieranlagen) verstanden, wohingegen der freie Zahlungsverkehr den Transfer der Gegenleistung bei grenzüberschreitenden Warenlieferungen und Dienstleistungen sichert[85]. Schnittpunkte mit der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43 ff. EG-Vertrag ergeben sich dann, wenn zur Errichtung von Niederlassungen Kapital von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat transferiert wird. Durch Art. 43 Abs. 2 EG-Vertrag wird klargestellt, dass die Niederlassungsfreiheit an diesem Punkt hinter die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit zurücktritt. Dies hat zur Folge, dass die finanzielle Seite von Gesellschaftsgründungen bzw. der Erwerb von Niederlassungen, mithin also sämtliche Anlauf-, Investitions- und Finanzierungsgeschäfte, dem Anwendungsbereich der Art. 56 ff. EG-Vertrag unterliegen[86].

2. Inhalt und Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit

Nach der vorgenommenen Negativabgrenzung konzentriert sich die weitere Untersuchung auf die inhaltliche Konkretisierung der Niederlassungsfreiheit.

Der EG-Vertrag gewährt natürlichen Personen, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind, gem. Artikel 43 EG-Vertrag das Recht, sich auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates frei niederzulassen und dort einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen.

Dieses Recht umfasst – vorbehaltlich der Vorschriften über den freien Kapitalverkehr[87] – gem. Art. 43 Abs. 2 S. 1 EG-Vertrag sowohl die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten, als auch die Gründung und Leitung von Unternehmen. Entscheidendes Kriterium ist das Vorliegen einer selbständigen, nicht weisungsgebundenen gewerblichen Tätigkeit, die gegen Entgelt erfolgt. Kein Gewerbe sind kulturelle, soziale, politische, kirchliche oder sonstige karitative Aktivitäten, die unentgeltlich erfolgen[88]. Nicht zwingend erforderlich ist jedoch das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht. Es muss lediglich überhaupt ein Entgelt – gleich welcher Höhe – verlangt werden[89].

[...]


[1] Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird aus formaljuristischen Gründen nicht mehr von der EU, sondern von der EG gesprochen. Die EU ist nur das politische „Dach“ Europas und besitzt im Gegensatz zur EG (noch) keine eigene Rechtspersönlichkeit. Die EG ist durch ihre Organe als juristische Person rechts-, geschäfts- und deliktsfähig.

[2] Vgl. zum Begriff des Binnenmarktes Art. 14 Abs. 2 EG-Vertrag.

[3] Vgl. Art. 14 Abs. 1 EG-Vertrag.

[4] Beispielsweise gewährleisten Spanien (Art. 9 b Nr. 11 II Código Civil) und Italien (Art. 25 Abs. 3 des italienischen IPR-Gesetzes, in Kraft seit dem 31.03.1995) Verschmelzungen mit Beteiligung inländischer und ausländischer Gesellschaften. Hierzu Bruhn, Niederlassungsfreundliche Sitzverlegung und Verschmelzung, S. 266 ff. Vgl. auch in Frankreich die Regelung für die Société à responsabiliteé limitée (Art. 60 Abs. 1 Gesetz Nr. 66-534); in Griechenland: Art. 29 und Art. 31 Griechisches Gesetz Nr. 2190/1929 (AG) sowie Art. 38 Griechisches Gesetz Nr. 3190/1920 (GmbH); letztgenannte Regelungen zitiert nach Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 111 f., Rn. 171.

[5] EuGH-Urteil vom 05.11.2002, Rs. C-208/00 – Überseering, Slg. I 2002, S. 9919 = BB 2002, S. 2402 ff. = NJW 2002, S. 3614 ff. = ZIP 2002, S. 2037 ff.

[6] EuGH, Urteil vom 30.09.2003, Rs. C-167/01 – Inspire Art Ltd. = NJW 2003,
S. 2331 ff. = DB 2003, S. 2219 ff.

[7] Die Untersuchung beschränkt sich dabei auf die beiden in Deutschland zurzeit gebräuchlichsten Rechtsformen für Kapitalgesellschaften: Zum einen die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und zum anderen die Aktiengesellschaft (AG).

[8] Vgl. hierzu den Bericht von Wenglorz, BB 2004, S. 1061 ff.

[9] Vgl. hierzu den Bericht von Dorr/Stukenborg, DB 2003, S. 647 ff.

[10] LG Koblenz, Beschluss vom 16.09.2003 – 4 HK T 1/03 = BB 2003, S. 2530 f.

[11] Beispielhaft sei hier nur auf die Darstellungen von Großfeld in Staudinger,
IntGesR, Rn. 26 ff. (Sitztheorie) sowie Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), S. 325 ff. (Gründungstheorie) verwiesen, deren rechtspolitisches Engagement offen zutage tritt.

[12] Gemeint ist hierbei insbesondere die gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung zu den Art. 43, 48 EG-Vertrag.

[13] Vgl. Kruse, Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften, S. 21.

[14] Vgl. hierzu Kögel, GmbHR 1998, S. 1108, S. 1111; Triebel/v. Hase, BB 2003,
S. 2409, S. 2412.

[15] Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 4a, Rn. 4 f.; Leible in Michalski, GmbHG, § 4a, Rn. 6; Eckardt in Geßler/Hefermehl / Eckardt/Kropff, AktG, § 5, Rn. 4.

[16] Synonym verwandt werden die Begriffe „Personalstatut der Gesellschaft“, „lex societas“ oder „Organisationsstatut“. Grundlegend hierzu Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 103 f., Rn. 157 ff.

[17] Ausführlich zur Gründungstheorie 2. Kapitel, Gliederungspunkt 6. b).

[18] Vgl. etwa Kindler, MünchKomm, IntGesR, Rn. 21 m.w.N.

[19] So vertreten von Ebenroth/Sura, RabelsZ 43, 1979, S. 315, S. 324.

[20] BGH, NJW 1967, S. 36, S. 38.

[21] Sandrock, FS Beitzke, S. 683; Vgl. auch BGHZ 97, S. 269, S. 272 = NJW 1986,
S. 2194 sowie die – inhaltlich nur wenig abweichenden – Definitionsversuche von Tersteegen, Kollisionsrechtliche Behandlung ausländischer Kapitalgesellschaften,
S. 20; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 106, Rn. 162; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 12; Großerichter, DStR 5/2003, S. 159.

[22] Kindler, MünchKomm, IntGesR, Rn. 316; Kruse, Sitzverlegung von Kapital-gesellschaften, S. 24.

[23] Kindler, MünchKomm, IntGesR, Rn. 316.

[24] Vgl. Michalski, GmbHG, § 4a, Rn. 6; Luchsinger, Die Niederlassungsfreiheit der Kapitalgesellschaften, S. 26.

[25] Ausführlich zur Gesamtrechtsnachfolge Lennerz, Die internationale Ver-schmelzung und Spaltung, S. 16 ff.

[26] Semler in Semler/Stengel, § 1, Rn. 57.

[27] Lutter in Lutter, § 2, Rn. 20.

[28] Kallmeyer in Kallmeyer, § 2, Rn. 12.

[29] Ohne nähere Erläuterung finden sich etwa die Begriffe „grenzüberschreitend“ oder „transnational“ bei Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, S. 2415; ebenso Semler in Semler/Stengel, UmwG, Einleitung A, Rn. 104; ausschließlich von „grenzüberschreitenden“ Umwandlungen sprechen beispielsweise Lutter in Lutter, UmwG, § 1, Rn. 6 ff.; Lawall, IStR 1998, S. 345 ff.; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 511, Rn. 841.

[30] Vgl. etwa Kallmeyer in Kallmeyer, § 1, Rn. 10 ff.

[31] Vgl. hierzu die Ausführungen unter Gliederungspunkt 1. a) und b).

[32] Vgl. Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung, S. 13 f., die noch zwischen den Begriffen „international“ und „grenzüberschreitend“ differenziert.

[33] Ausführlich zu diesen Sonderfällen Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung, S. 58 ff.

[34] In diesen Fällen spricht Dötsch, BB 1998, S. 1029 von „inländischen Um-wandlungsvorgängen mit Auslandsberührung“.

[35] Vgl. etwa Großfeld in Staudinger, IntGesR, Rn. 689; Kindler, MünchKomm, IntGesR, Rn. 656.

[36] Auf eine erneute Definition des Begriffes „grenzüberschreitend“ wird an dieser Stelle verzichtet. Vgl. hierzu 2. Kapitel, Gliederungspunkt 2. b).

[37] Vgl. die Darstellung von Thömmes, DB 1993, S. 1021 ff., Gliederungspunkt III 1. Die Trennung der verschiedenen Varianten der Sitzverlegung wird zuweilen von Rechtsprechung und Literatur nicht streng beachtet, was teilweise zu falschen bzw. missverständlichen Aussagen führt.

[38] Eine ausführliche Übersicht über die verschiedenen Varianten der Sitzverlegung gibt Luchsinger, Die Niederlassungsfreiheit der Kapitalgesellschaften, S. 12 ff.

[39] So die Terminologie bei Kruse, Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften, S. 28; Luchsinger, Die Niederlassungsfreiheit der Kapitalgesellschaften, S. 15 f.; Fritz, Grenzüberschreitende Sitzverlegung, S. 6 f.

[40] Durch das Liquidationsverfahren kommt es zu einer Aufdeckung und gem.
§ 12 KStG zu einer Versteuerung der stillen Reserven. Darüber hinaus drohen auch haftungsrechtliche Nachteile. Vgl. etwa Kruse, Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften, S. 28; Luchsinger, Die Niederlassungsfreiheit der Kapitalgesellschaften, S. 15 f.

[41] Vgl. insoweit auch EuGH, Urteil vom 27.09.1988, Rs. 81/87 – Daily Mail and General Trust PLC, Slg. 1988, S. 5483 ff., Rn. 14.

[42] Vgl. dazu insbesondere das 6. Kapitel, Teil 1, Gliederungspunkt 2.

[43] Wie hier Kindler, MünchKomm, IntGesR, Rn. 651; Kloster, Grenzüber-schreitende Unternehmenszusammenschlüsse, S. 292 f.; Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung, S. 15 f.; offenbar ohne Differenzierung an dieser Stelle Lawall, IStR 1998, S. 345. A.A. Großfeld in Staudinger, Rn. 692.

[44] Dies gilt zumindest für die sog. Herausverschmelzung, da der übertragende Rechtsträger sich hier grenzübergreifend verändert. Bei der Hineinverschmelzung ändern sich Gesellschaftsstatut und Umfeld hingegen nicht. Vgl. hierzu auch das
2. Kapitel, Gliederungspunkt 2. c) sowie Kloster, Grenzüberschreitende Unter-nehmenszusammenschlüsse, S. 292 f.; Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung, S. 15f.

[45] Großfeld in Staudinger, Rn. 692.

[46] So etwa Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung, S. 15.

[47] Kindler, MünchKomm, IntGesR, Rn. 688; Kloster, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, S. 293.

[48] Kloster, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, S. 293, weist an dieser Stelle zum einen auf die unter Umständen bestehenden Gründungsvorschriften und zum anderen auf sonstige zwingende Vorschriften („ordre public“) des Aufnahmestaates hin. Inwieweit und ob überhaupt solche Zuzugshindernisse nach der neuesten Rechtsprechung des EuGH zu den Artikeln 43, 48 EG-Vertrag aufrechtzuerhalten sind, wird die weitere Untersuchung klären. Vgl. hierzu insbesondere das
4. und 6. Kapitel dieser Arbeit.

[49] Großfeld in Staudinger, IntGesR, Rn. 685; Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung, S. 15 f.

[50] Zum Begriff und zur Definition des deutschen Internationalen Gesellschaftsrechts vgl. Kindler, MünchKomm, IntGesR, Rn. 1 ff.; Großfeld in Staudinger, IntGesR, Rn. 1 ff.; Kruse, Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften, S. 5.

[51] Zum Begriff des Gesellschaftsstatuts vgl. Fn. 16 sowie Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 103 f., Rn. 157 ff.

[52] Die Sitztheorie findet innerhalb der EG etwa in folgenden Mitgliedstaaten Anwendung: Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien (für Gesellschaften mit Satzungssitz in Italien gilt jedoch auch bei ausländischem Verwaltungssitz stets italienisches Recht) Luxemburg, Österreich (eingeschränkt, Österreichischer OGH mit Urteil vom 15.07.1999, JZ 2000, S. 199 mit Anmerkung Mäsch), Polen sowie Portugal (für Gesellschaften mit Satzungssitz in Portugal gilt jedoch auch bei ausländischem Verwaltungssitz stets portugiesisches Recht), Spanien. Mit weiteren Erläuterungen Kindler, MünchKomm, IntGesR, Rn. 382.

[53] Bayer, BB 2003, S. 2357, S. 2358.

[54] Ständige Rechtsprechung von BGH und Untergerichten, vgl. zuletzt noch BGHZ 151, S. 204, S. 206 = NJW 2002, S. 3539 = BB 2002, S. 2031 mit Anmerkung von Gronstedt; vgl. auch BGH, BB 2002, S. 1106 (Vorlagebeschluss Überseering); ferner BGHZ 53, S. 181 ff.; OLG München, NJW 1986, S. 2197 ff. (zur engl. Ltd.); Großfeld in Staudinger, IntGesR, Rn. 20 ff.; Kindler, NZG 2003, S. 1086 ff.

[55] Vgl. Behrens, IPRax 2000, S. 384, S. 390; Behrens, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, IPR, Rn. 62 f.; Triebel/v. Hase, BB 2003, S. 2409, S. 2411.

[56] Kindler, MünchKomm, IntGesR, Rn. 4; Schwarz, Europäisches Gesellschafts-recht, S. 107; Kruse, Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften, S. 5.

[57] Auf den rein kollisionsrechtlichen Charakter der Sitztheorie stellen richtigerweise ab Bruhn, Niederlassungsfreundliche Sitzverlegung und Verschmelzung, S. 17 m.w.N.; Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233, S. 2234; Leible/Hoffmann, RIW 2002,
S. 925, S. 929; Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), S. 325, S. 335; Schwarz, NZG 2001, S. 613; deutlich auch Roth, ZIP 2000, S. 1597, S. 1599 der weitergehende Interpretationsversuche der Sitztheorie zu Recht als „verbreiteten Irrtum“ bezeichnet. Vgl. auch Kindler, NJW 1999, S. 1993, S. 1994.

[58] Ausführlich hierzu noch 6. Kapitel, Teil 1, Gliederungspunkt 2. Vgl. auch Leible/Hoffmann, DB 2002, S. 2203; Großerichter, DStR 2003, S. 159, S. 160.

[59] So etwa von Luchsinger, Die Niederlassungsfreiheit der Kapitalgesellschaften in der EG, den USA und der Schweiz, S. 29 m.w.N. Vgl. auch die (ablehnende) Darstellung bei Behrens, IPRax 2003, S. 193, S. 205. ebenfalls m.w.N.

[60] Vgl. etwa Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a, Rn. 13; Höher in Baudenbacher,
S. 283.

[61] Ebenso Leible/Hoffmann, DB 2002, S. 2203 ff., die ebenfalls darauf hinweisen, dass die Sitztheorie bloße Rechtsanwendungsregel ist und darüber hinaus keine Aussage trifft. Gegen eine Vermischung von Sach- und Kollisionsrecht auch Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung, S. 53; Schwarz, NZG 2001, S. 613.

[62] In diesem Zusammenhang werden stets die schutzwürdigen Interessen von (Gesellschafts-) Gläubigern, (Minderheits-) Gesellschaftern, Arbeitnehmern sowie allgemein Gründe der Publizität genannt. Ausführlich hierzu Thömmes, DB 1993,
S. 1021 ff., Gliederungspunkt IV. Vgl. auch BayObLG, Beschluss vom 07.05.1992 – 3Z BR 14/92 = DNotZ 1993, S. 187, S. 189; Großfeld in Staudinger, IntGesR,
Rn. 618.

[63] So zumindest die bislang h.M., vgl. etwa OLG Düsseldorf, NJW 2001, S. 2184; BayObLG, ZIP 1992, S. 842 = EuZW 1992, S. 548 mit kritischer Anmerkung Behrens = EWiR 1992, S. 785 mit zustimmender Anmerkung Thode. Vgl. auch OLG Hamm, ZIP 1997, S. 1696, S. 1697 = EWiR 1997, S. 1031 mit zustimmender Anmerkung Großfeld; Kindler in MünchKomm, IntGesR, Rn. 312 ff., Rn. 389 ff. m.w.N. Dies kann – auch nach der klassischen Sitztheorie – uneingeschränkt allerdings nur bei Grenzübertritt von Sitztheoriestaat zu Sitztheoriestaat gelten. Verzieht die Gesellschaft mit dem (nach der Sitztheorie maßgeblichen) Verwaltungssitz in einen Staat, welcher der Gründungstheorie anhängt, so führt dies nicht zu ihrer Auflösung bzw. Nichtanerkennung, vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 01.02.2001 – 15 W 390/00, NZG 2001, S. 562, S. 563 = JuS 2001, S. 1024, S. 1025; BayObLG, Beschluss vom 11.02.2004, BB 2004, S. 570, S. 571; Kindler, MünchKomm, IntGesR, Rn. 391 ff.; Triebel/v. Hase, BB 2003, S. 2409, S. 2411 m.w.N. Ausführlich hierzu noch 6. Kapitel, Teil 1.

[64] Großfeld in Staudinger, IntGesR, Rn. 21.

[65] BayObLG, Beschluss vom 26.08.1998 – 3Z BR 78-98 = NJW-RR 1999, S. 401, S. 402 m.w.N. Ausführlich zur Sitztheorie auch Großfeld in Staudinger, IntGesR, Rn. 20 ff.; Kindler, MünchKomm, IntGesR, Rn. 312 ff.

[66] Innerhalb der EG folgen internationalprivatrechtlich der Gründungstheorie etwa: Dänemark (für Kapitalgesellschaften), Die Niederlande, Finnland, Irland, Litauen, Schweden, Großbritannien.

[67] Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 106. Vgl. auch den Überblick bei Kindler, MünchKomm, IntGesR, Rn. 265 ff.; Großfeld in Staudinger, IntGesR,
Rn. 22, 31 ff.

[68] Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), S. 325, S. 327.

[69] Tersteegen, Kollisionsrechtliche Behandlung ausländischer Kapitalgesellschaften, S. 41; Höher in Baudenbacher, S. 282; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht,
S. 106, Rn. 161.

[70] Im Schrifttum fallen in diesem Zusammenhang oft die Schlagworte „race to the bottom“ bzw. “Delaware Effekt”.

[71] So beispielsweise in Dänemark (vgl. Rs. „Centros“ 4. Kapitel, Gliederungspunkt 2.) sowie in den Niederlanden (vgl. Rs. „Inspire Art“ 4. Kapitel, Gliederungspunkt 4.). Vgl. auch das niederländische WFBV, welches ausländischen Gesellschaften trotz genereller Gründungsanknüpfung Zusatzverpflichtungen auferlegt. Für Deutschland vgl. Sandrock, BB 1999, S. 1337 ff. (Überlagerungstheorie); Paefgen, DB 2003, S. 487 ff.; Zimmer, NJW 2003, S. 3585 ff. (Kombinationslehre); sowie die Darstellung bei Kindler, MünchKomm, IntGesR, Rn. 288 (eingeschränkte Gründungstheorie).

[72] Der EG-Vertrag wird in der folgenden Untersuchung in der Fassung des Vertrags von Amstersdam vom 02.10.1997, BGBl. 1998 II, S. 386 ff. zitiert. Die auf die vorhergehende Nummerierung des Vertrages Bezug nehmenden Zitate aus Rechtsprechung und Literatur werden mit dem Hinweis „a.F.“ versehen, sofern sie nicht
– zum Zwecke des besseren Verständnisses – bewusst aktualisiert wurden.

[73] Fritz, Grenzüberschreitende Sitzverlegung, S. 31.

[74] Kruse, Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften, S. 56 f.

[75] Auf eine Erläuterung der Warenverkehrsfreiheit gem. Art. 28 ff. EG-Vertrag kann an dieser Stelle verzichtet werden, da es offensichtlich zu keinerlei Über-schneidungen mit der Niederlassungsfreiheit kommt.

[76] Ausführlich mit Beispielen zum Begriff der „Selbständigkeit“ bzw. „selbständigen Tätigkeit“ vgl. Bröhmer in Callies/ Ruffert, Art. 43 EGV, Rn. 10.

[77] Die Tätigkeit von Vorständen bzw. Geschäftsführern fällt in den Schutzbereich der Art. 43 ff. EG-Vertrag. Vgl. Kruse, Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften,
S. 56.

[78] Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 79, Rn. 116.

[79] Diese Problematik wird vorliegend nicht weiter vertieft, da sie für die weitere Untersuchung ohne Belang ist. Ausführlich zur Abgrenzung Bröhmer in Callies/ Ruffert, Art. 43 EGV, Rn. 10 (Beispiele); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 79, Rn. 116.

[80] Beispielhaft („insbesondere“) definiert Art. 50 EG-Vertrag folgende Vorgänge als Dienstleistung: gewerbliche Tätigkeiten, kaufmännische Tätigkeiten, handwerkliche Tätigkeiten, freiberufliche Tätigkeiten.

[81] Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 80, Rn. 118.

[82] Oppermann, Europarecht, Rn. 1592; Troberg in Groeben/ Thiesing/ Ehlermann, EWG-V, Vor. Art. 59-66 (a.F.), Rn. 9.

[83] Vgl. Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 80 f., Rn. 120.

[84] Rohde, Europäische Integration und Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften,
S. 155. Die Subsidiarität der Dienstleistungsfreiheit gegenüber der Niederlassungs-, Warenverkehrs- und Kapitalverkehrsfreiheit ergibt sich aus Art. 50 EG-Vertrag: „Dienstleistungen im Sinne dieses Vertrages sind Leistungen, [...], soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen “. Vgl. hierzu auch EuGH, Urteil vom 30.11.1995, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995 I, S. 4165, Rn. 20; EuGH, Urteil vom 04.12.1986, Rs. 205/84 – Kommission/Deutschland, Slg. I 1986, S. 3755 ff.

[85] Vgl. Schäfer, Europarecht, S. 181.

[86] Troberg in Groeben/ Thiesing/ Ehlermann, EWG-V, Art. 67 (a.F.), Rn. 6.

[87] Vgl. hierzu den vorhergehenden Gliederungspunkt 1. c).

[88] Luchsinger, Die Niederlassungsfreiheit der Kapitalgesellschaften, S. 104.

[89] Kruse, Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften, S. 60 m.w.N.

Fin de l'extrait de 138 pages

Résumé des informations

Titre
Grenzüberschreitende Mobilität von Kapitalgesellschaften innerhalb der EU
Université
University of Applied Sciences Trier
Note
1,0
Auteur
Année
2004
Pages
138
N° de catalogue
V32979
ISBN (ebook)
9783638335638
Taille d'un fichier
1058 KB
Langue
allemand
Annotations
Die Untersuchung geht der Frage nach inwieweit deutsche Kapitalgesellschaften derzeit grenzüberschreitende Mobilität mittels Verschmelzung und Sitzverlegung genießen. Dabei werden zwei Untersuchungsebenen betrachtet: die europäische und die deutsche Rechtslage. Detailiert werden die betroffenen Rechtsgebiete dargestellt und anschließend einer fundierten Analyse unterzogen. Abschließend werden die erarbeiteten Ergebnisse übersichtlich und kompakt aufbereitet.
Mots clés
Grenzüberschreitende, Mobilität, Kapitalgesellschaften
Citation du texte
LL.B. (Melb.); LL.M. (Melb.)/Dipl. Wirtschaftsjurist (FH) Florian Schwarz (Auteur), 2004, Grenzüberschreitende Mobilität von Kapitalgesellschaften innerhalb der EU, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32979

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