Großer Journalismus nach Wolfgang R. Langenbucher - ein normativer Ansatz


Seminar Paper, 2001

25 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Radikaldemokratischer Wandel der Öffentlichkeit und erwachende Risikosensibilität

3 Handlungskonsequenzen für den Journalismus

4 Mangel an journalistischer Qualität und Anklage einer fehlenden Forschungstradition

5 Notwendiger Wandel zu einem großen und autonomen Journalismus

6 Schlußbetrachtungen

7 Literaturverzeichnis

8 Anlage: Handout zum Referat

1 Einleitung

Vor etwa drei Jahren erschien ein kleines Buch unter dem Titel: „Als das Schreiben noch geholfen hat“[1] – ein Sachbüchlein, das jenen Themen gewidmet ist, „die den Journalisten am meisten beschäftigen: das Verhältnis zwischen Journalismus und Politik, zwischen Medien und Kirche und über das Selbstverständnis der Medienmacher“[2]. Der Titel scheint an eine goldene Vorzeit zu erinnern, als Schriftsteller und (im hier zu betrachtenden Kontext) vor allem Journalisten durch ihr Wirken noch etwas an den gesellschaftlichen Gegebenheiten verändern konnten. Es sei beispielsweise an die 48er Revolution erinnert, als die an eine Hofberichterstattung gewöhnten Vertreter der politischen Klasse ihr Verständnis von medialer Kontrolle unter dem Aufbegehren einer kritischen Öffentlichkeit ändern mußten. Nicht zuletzt dem Druck der oppositionellen Presse ist es zu verdanken, daß bereits in den Grundrechten des deutschen Volkes, die 1848 durch das Paulskirchenparlament verkündet wurden, erstmals eine garantierte Pressefreiheit verankert wurde. Es folgte ein Jahrhundert des Kampfes zwischen Unterdrückung und Freiheit, in dem immer wieder die Presse zum Sprachrohr der oppositionellen Kräfte wurde. Wie sehr die Regierenden damals die Macht der Schreiber fürchteten, zeigt beispielsweise ein Ausspruch des französischen Feldherren Napoleon, der sagte: „Wenn ich der Presse die Zügel locker ließe, würde ich keine drei Monate im Besitz der Macht bleiben“[3]. Diese Befürchtung charakterisiert ein ganzes Jahrhundert des Verhältnisses zwischen Presse und Regierenden.

Heute erscheint die seitens des Staates garantierte Pressefreiheit als Selbstverständlichkeit. Gerade aus den erst 50 Jahre zurückliegenden Ereignissen heraus, wäre ein Grundgesetz ohne die in Artikel 5 verankerte Pressefreiheit undenkbar. „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten...“ heißt es dort, doch „Rechte ohne Ressourcen sind ein grausamer Scherz“[4]. Also erwächst uns aus diesem Paragraphen nicht nur ein Recht, sondern vielmehr auch eine Pflicht, denn dieser Artikel impliziert nicht nur für die Presse die Aufgabe, diese Errungenschaft moderner Demokratien auch zu nutzen, sondern macht vielmehr „Jederfrau und Jedermann (zum) ... Kommunikationssouverän“[5].

2 Radikaldemokratischer Wandel der Öffentlichkeit und erwachende Risikosensibilität

Jedermann als selbständiger Kommunikator - was in den ersten Nachkriegsjahren noch lediglich wie eine Zukunftshoffnung klang, wurde in den darauf folgenden Jahrzehnten bereits Realität. Zunächst noch zögerlich, doch bald schon erstarkend, entwickelte sich seit den 60er Jahren eine neue Oppositionskultur. Diese Bewegung bezeichnet Langenbucher als einen „radikaldemokratischen Wandel der Öffentlichkeit“[6], der sich in Demonstrationen, Hausbesetzungen und Streiks ausdrückte.

Die infrastrukturellen Voraussetzungen für diese „dramatische Epoche der Basismobilisierung“[7] lieferten immer größere Verbreitungsmöglichkeiten von Ideen und Informationen durch die Presse und das Fernsehen, das zum hauptsächlichen Medium der sozialen Bewegung wurde. Dieser sich rasch ausbreitenden Mobilisierung ging eine erhöhte Risikosensibilität der Gesellschaft einher. Diese spätestens seit Ende der 70er Jahre völlig entwickelte, in ihrem Schwerpunkt ökologische, Bewußtseinsrevolte, zog eine immense Zunahme der öffentlichen Alarmbereitschaft und eine Erhöhung der Protestpotentiale mit sich. Im Zuge dieser Entwicklung wuchsen Bürgerinitiativen und Aktionsgruppen zu einem bedeutenden Teil des politischen Organisationswesens moderner Gesellschaften an, und das wachsende Bewußtsein für Zivilisationsrisiken stilisierte sich zu einem „politischen Faktor allerersten Ranges“[8].

Wenn diese neuen Protestformen sich auch häufig gegen an der Regierung Beteiligte richteten, so dürfen sie dennoch keinesfalls als Zeichen eines antidemokratischen Denkens fehlinterpretiert werden. Sie bewiesen vielmehr das Gegenteil und wurden zu Dokumenten der Bereitschaft auch von Minderheiten, an der politischen Öffentlichkeit zu partizipieren, und diese Partizipation war Ausdruck eines Grundsteins der Demokratie, dem Willen zur Mitbestimmung des Volkes. So konnte beispielsweise unternehmerisches Handeln fortan nicht mehr von der Endgültigkeit rechtlicher Entscheidungen ausgehen, da es sich zunehmend im Bewußtsein der Bürger verankerte, daß auch die Bevölkerung Anstöße zur Rechtsänderung geben konnte. Rechts- und „Wissensmonopole“[9] existierten fortan nicht mehr, da Wissensvorräte und ihre Erschließung pluralisiert wurde und Rechtsverfahren zunehmend durchsichtiger erschienen. Ein konsequentes Verschweigen unternehmerischer o.ä. Strategien dürfte unter derartigen Bedingungen heute kaum mehr durchhaltbar sein.

Als Konsequenz dieser Veränderungswelle wurde ein permanenter öffentlicher Risikodialog unumgänglich, denn nur so konnte und kann es gelingen, den Bürger fähig zu machen, Risikofaktoren gegen Vor- und Nachteile abzuwägen. Den journalistischen Medien kommt dabei als Verbindungsstück zwischen oben und unten zunehmend die Rolle eines „öffentlichen Prangers“[10] zu. Aber nicht nur die Basisbewegung bediente sich dieser neuen oder neu für sich entdeckten Medien, sondern zunehmend auch die Unternehmen und die Politik. Besonders politische Agitation wird heute kaum mehr durch wirkliches Handeln bestimmt, sondern in „hervorragendem Maße in der Öffentlichkeit mit den Mitteln des gesprochenen und geschriebenen Wortes“[11] geführt. Der Politiker wird also zum „Kommunikator“[12], der nicht mehr einfach nur (sei es über Vertreter, sei es direkt) in Dialog mit dem Volk tritt. Parteien und Regierungsinstitutionen haben vielmehr „die politische Kommunikation professionalisiert“[13]. Nicht mehr Vertreter des Staates selbst rechtfertigen ihr Handeln in der Öffentlichkeit, sondern eigens dafür engagierte PR - Spezialisten stellen politische Öffentlichkeit her. Politisches Marketing ist längst Teil der Partei- und Staatsfunktionen geworden, und auch Unternehmen leisten sich in zunehmenden Maße eigene Abteilungen, die das Firmenbild öffentlichkeitswirksam gestalten sollen. Die Journalisten, die eigentlichen Erzeuger der Öffentlichkeit, „sehen sich heute einem politischen und wirtschaftlichen System gegenüber, das Macht auch durch und mit den Massenmedien ausübt“[14]. Der Informationsfluss dominiert somit von oben nach unten. Journalisten werden teilweise so mit Pressemitteilungen überschüttet, die als Informationen getarnt, vorgefertigte Werbetexte liefern, daß es für diesen Berufszweig zunehmend schwieriger wird, den Überblick zu behalten. Dennoch wird Journalismus durch diese neuen Situationen alles andere als überflüssig. Mehr denn je besteht Handlungsbedarf hinsichtlich einer Qualitätssicherung des Journalismus, denn gerade in einer aufgeklärten Gesellschaft werden „an den Journalismus Erwartungen gestellt, die seine Qualitäten ganz unmittelbar mit den Qualitäten des demokratischen Systems selbst in Verbindung setzen: ohne funktionierenden Journalismus keine Demokratie“[15]

[...]


[1] Fleischhacker, Michael, Pirker Hoerst: Als das Schreiben noch geholfen hat, Köln, 1998.

[2] Ebd., S. 9.

[3] Hier zitiert nach: Jipp, Karl-Ernst: Medien, Mächte, Meinungen. Eine Sammlung von Zitaten über Medien und Gesellschaft, Journalisten und Politiker, Leser und Verleger, Macht und Moral, Pressefreiheit und Zensur, Multimedia und Zukunft, Stuttgart 1998, S. 151.

[4] Rappaport, Anatol, hier zitieret nach: Funiok, Rüdiger, Schmälzle Udo F., Werth, Christoph H. (Hrsg.): Medienethik – die Frage der Verantwortung, Bonn 1999, S. 9.

[5] Langenbucher, Wolfgang R.: „WIR sind die KommunikatorInnen! Zu einigen Scheukappen der Journalismusforschung, In: Bentele, Günter, Haller Michael (Hrsg.): Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit. Akteure – Strukturen – Veränderungen. Konstanz 1997, S. 21.

[6] Langenbucher, Wolfgang R.: „WIR sind die KommunikatorInnen! Zu einigen Scheukappen der Journalismusforschung, In: Bentele, Günter, Haller Michael (Hrsg.): Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit. Akteure – Strukturen – Veränderungen. Konstanz 1997, S. 21.

[7] Ebd., S. 28.

[8] Langenbucher, Wolfgang R.: „Strukturen einer partizipativen Lerngesellschaft - Handlungskonsequenz – Prinzipien der Risikosensibilität“, In: Avenarius, Horst / Armbrecht, Wolfgang (Hrsg.): Ist Public Relations eine Wissenschaft? Eine Einführung, Opladen 1992, S. 372.

[9] Langenbucher, Wolfgang R.: „Strukturen einer partizipativen Lerngesellschaft - Handlungskonsequenz – Prinzipien der Risikosensibilität“, In: Avenarius, Horst / Armbrecht, Wolfgang (Hrsg.): Ist Public Relations eine Wissenschaft? Eine Einführung, Opladen 1992, S. 378.

[10] Ebd., S. 373.

[11] Weber, Max: „Politik als Beruf“, In: ders.: Gesammelte Politische Schriften, München 1921.

[12] Langenbucher, Wolfgang R.: „WIR sind die KommunikatorInnen! Zu einigen Scheukappen der Journalismusforschung“, In: Bentele, Günter, Haller Michael (Hrsg.): Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit. Akteure – Strukturen – Veränderungen. Konstanz 1997, S. 25.

[13] Langenbucher, Wolfgang R.: „Vom notwendigen Wandel des Journalismus“, In: Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.): Journalismus & Journalismus, München 1980, S. 11.

[14] Ebd., S. 12.

[15] Langenbucher, Wolfgang R.: „Qualitätssicherung im Journalismus“, In: Selbmann, Hans-Konrad (Hrsg.): Beiträge zur Gesundheitsökonomie (Band 16, Qualitätssicherung ärztlichen Handelns), Gerlingen 1984, S. 23.

Excerpt out of 25 pages

Details

Title
Großer Journalismus nach Wolfgang R. Langenbucher - ein normativer Ansatz
College
University of Leipzig  (Institut für Journalistik)
Course
Seminar: Theorien des Journalismus
Grade
1,7
Author
Year
2001
Pages
25
Catalog Number
V3302
ISBN (eBook)
9783638120128
File size
623 KB
Language
German
Keywords
Großer, Journalismus, Wolfgang, Langenbucher, Ansatz, Seminar, Theorien, Journalismus
Quote paper
Jana Lippmann (Author), 2001, Großer Journalismus nach Wolfgang R. Langenbucher - ein normativer Ansatz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3302

Comments

  • No comments yet.
Look inside the ebook
Title: Großer Journalismus nach Wolfgang R. Langenbucher - ein normativer Ansatz



Upload papers

Your term paper / thesis:

- Publication as eBook and book
- High royalties for the sales
- Completely free - with ISBN
- It only takes five minutes
- Every paper finds readers

Publish now - it's free