Über gnostische Denkstrukturen - Christliche Gnosis am Beispiel des Ptolemäus


Trabajo Escrito, 2004

23 Páginas, Calificación: 1,5


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Versuch einer Veranschaulichung eines basalen gnostischen Denkgerüstes
2.1. Der Dualismus im gnostischen Denken
2.2. Die Metapher >Gold im Schmutz<
2.3. Das gnostischen >Wissen<; der >Ruf<

3. Christentum und Gnosis in Auseinandersetzung
3.1. Zur Ursprungsfrage
3.2. Zu Valentin und seiner Schule
3.3. Der Brief des Ptolemäus an Flora

4. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Anfänge der Gnosis liegen im Dunkel. Durch die Gemeinsamkeiten und der zeitlichen Koexistenz heraus herrschte lange die Meinung, dass sich die Gnosis aus dem Christentum entwickelt hat. Mittlerweile ist diese Forschungsmeinung allerdings überholt, wenigstens in Frage gestellt,[1] da viele Quellen aus dem 2. bis 4. Jahrhundert n. Chr. darauf schließen lassen, dass es neben der christlichen Gnosis auch eine vom Christentum unabhängige Form der Gnosis gegeben haben könnte. „Die Gnosis verbindet biblische (alttestamentlich-jüdisch, später auch neutestamentliche) Aussagen mit iranischen, babylonischen und ägyptischen Ideen; so entsteht ein religiöses und philosophisches Gebilde eigener Art, das als umfassender Entwurf eines Seinsverständnisses angesehen werden kann.“[2] Mich interessieren zwei Dinge. Erstens der Versuch ein allgemeines Vorverständnis über gnostische Denkstrukturen zu geben, den ich im ersten Teil der Arbeit geben werde und zweitens eine nähere Auseinandersetzung mit der christlichen Gnosis.

Warum gibt es das Böse, das Übel auf der Welt? Warum lässt Gott es zu? Dies ist eine Frage, die auch in heutiger Zeit wenigstens etwas Brisantes in sich trägt, mit der sich aber eine unleugbare Faszination verbinden lässt. Die Frage beschreibt zwar nicht die erste Intention dieser Arbeit, doch verdeutlicht sich an ihr die scheinbare Aktualität gnostischer Denkstrukturen. Es kommt mir primär allerdings nicht darauf an eine Antwort zu geben, oder mögliche Antworten detailliert aufzuzeigen, sondern vielmehr sie in eine gnostische Propädeutik zu stellen, um aufzuzeigen, dass es, seit es das christliche Denken gibt eben diese Frage und die damit verbunden Probleme gibt. Die Betrachtung der Fragestellung reit sich in die Zusammenschau über gnostische Denkstrukturen ein. Leibniz beantwort sie in Die Theodizee kurz mit den Worten, dass Gott die beste aller möglichen Welten geschaffen hat, während Augustinus das Übel vom Menschen selbst verursacht sieht.[3] Hier könnten noch einige weitere mögliche Antworten und Ansätze benannt werden, doch reicht dies hier aus, um die Ambivalenz der Antworten zu verdeutlichen, die sie in einer geschichtlichen Betrachtung erlangt haben.

Die Gnosis scheint heute wieder aktuell zu sein, jedenfalls sprechen dafür etliche jüngst erschiene Taschenbuchausgaben zu gnostischen Themen und journalistisch aufgemachte Versuche einer Gesamtdarstellung. Schauen wir uns kurz zwei Texte an. Der eine stammt aus der Antike, während der andere aus dem 20 Jahrhundert stammt:

Wer sind wir? Wer waren wir?

Wo kommen wir her? Was sind wir geworden?

Wohin gehen wir? Wo waren wir?

Was erwarten wir? Wohinein sind wir geworfen?

Was erwartet uns? Wohin eilen wir?

Wovon sind wir befreit?

Was ist Geburt, was Wiedergeburt?[4]

In beiden Texten steht die Frage nach dem Sein des Menschen, seiner Herkunft, seiner Zukunft und seiner Lebenserwartung subjektiv und objektiv zur Disposition. Wir würden beiden Zitaten zugestehen, dass sie doch aktuelle Fragen aufnehmen. Das Zitat der linken Spalte stammt aus dem Werk von Ernst Bloch Prinzip Hoffnung[5], während das Zitat der rechten Seite bei Clemens von Alexandrien zu finden ist. Genauer, in den Auszügen aus Theodotos. Dies ist eine Sammlung verschiedener Aussprüche gnostischer Lehrer. Dieses zweite Beispiel zeigt noch einmal deutlich die, wenn vielleicht auch nur als frappierend zu bezeichnende Aktualität gnostischer Denkrichtungen. Diese sehen wir in der Religion (Frage nach dem Übel) und in der Philosophie (Frage nach dem Sein). Mit dieser recht ausführlichen Einleitung soll darauf hingewiesen werden, dass die Gnosis nicht als die alte verstaubte Denkrichtung abgeschrieben werden darf, der heute keinerlei Bedeutung mehr zu teil wird.

Nachdem im ersten Teil ein grober, einführender und plakativer Einblick in gnostische Denkstrukturen gegeben wird, versuche ich im zweiten Teil die christlicher Gnosis näher zu verdeutlichen. Hierbei werde ich auf die gnostische Schule des Valentin, genauer gesagt auf den Valentinianismus, eingehen. Dieser bietet sich in der Betrachtung an, da von ihm etliche Zeugnisse vorhanden sind. Valentinus hatte zahlreiche Schüler, wie z.B. Ptolemäus, Herakleon, Theodotus und Markus. Ich will meine Betrachtungen an dieser Stelle hauptsächlich auf das, von den Kirchenschriftstellern überlieferte Zeugnis der Valentinianer den Brief des Ptolemäus an Flora (bei Epiphanius, Panarion 33,3) legen.[6] Die Frage, die mich an dieser Stelle interessiert bezieht sich auf den Vorwurf, dass gnostische Denkrichtungen prädestiniert dafür seien einem Libertinismus oder einer Askese zu verfallen.

2. Versuch einer Veranschaulichung eines basalen gnostischen Denkgerüstes

Schon die gewählte Überschrift verdeutlicht das Problem, welches ich bei diesem Versuch habe. Es existieren einfach zu mannigfaltige gnostische Systeme, als dass es ihnen gerecht wird, sie auf eine Systematik festzulegen. Ich versuche daher rote Fäden herauszuspinnen, die in allen Systemen eine mehr oder wenige große Rolle gespielt haben.

Der grundsätzlichen Charakteristik nach findet sich in der Gnosis eine Erlösungslehre, wie auch im Christentum, die einen Ausweg aus den Unzulänglichkeiten des irdischen Lebens zu kennen glaubt. Beide gehen im Übrigen von einer teleologisch konzipierten Heilsgeschichte aus. Am Anfang steht eine paradiesische Einheit, dann erfährt diese einen tragischen Zwischenfall, der die materielle Welt entwickelt und zum Schluss steht die Wiederherstellung jener ursprünglichen Einheit und daraus folgend die Erlösung. In diesen Punkten herrschen die grundsätzlichen Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und Gnosis. Nur wie diese Grundgedanken in die Theorie einfließen ist divergent. So gelangt die Gnosis zu völlig anderen Vorstellungen als das Christentum. Zu diesen gnostischen Vorstellungen stellt Foerster in Die Gnosis. Zeugnisse der Kirchenväter fünf, wie er sie nennt, Hauptmomente vor:

1. Zwischen dieser Welt und dem unserem Denken unfassbaren Gott, dem Urgrund, ist ein unüberbrückbarer Gegensatz
2. Das Selbst, das Ich des Gnostikers, sein Geist oder seine Seele, ist unveränderlich göttlich.
3. Dieses Ich aber ist in diese Welt geraten und von ihr gefangen und betäubt worden und kann sich nicht selbst daraus befreien.
4. Erst ein göttlicher Ruf aus der Welt des Lichtes löst die Bande der Gefangenschaft
5. Aber erst am Ende dieser Welt kehrt das Göttliche in dem Menschen zu seiner Heimat zurück.[7]

Ich möchte die fünf Hauptmomente nicht einzeln und explizit erläutern, sondern sie als Ergebnis der folgenden Überlegungen vorausschicken. Ich hoffe sie bekommen im folgendem eine weitgehende inhaltliche Fülle.

2.1. Der Dualismus im gnostischem Denken

Durch alle gnostischen Systeme zieht sich ein mehr oder weniger ausgeprägter Dualismus.

Er unterscheidet den eigentlichen Gott, den „Urgrund“ von dem niederträchtigen Schöpfer dieser Welt, die Unwissenden von den Auserwählten, die Seele vom Körper, das geheime gnostische Heilwissen von den Täuschungen, die die Allgemeinheit mit der Wahrheit verwechselt und zuletzt natürlich auch die schlechte materielle Welt von der Welt der Erlösung. Wenden wir uns kurz dem Manichäismus zu, der diesen Dualismus in einer Art Gigantomachie auf die Spitze treibt. Anhand dieses Beispieles soll an dieser Stelle die Grundstruktur des Dualismus plastisch gemacht werden.

Das Übel auf der Welt kann nicht durch menschliches Eingreifen bekämpft werden, wie es z.B. die Meinung unseres heutigen Fortschrittdenkens ist, sondern lässt sich eine Rettung jedenfalls in diesen manichäischen Schriften nur durch einen radikalen Umbruch erreichen, der sich in einer völligen Zerstörung alles Bestehenden äußert und diese Katastrophe ist es dann am Schluss, die den Abschluss des kosmischen Prozesses bildet. Und das gnostische Ich erlöst. Hierbei geht der Erlösung der fundamentale Kampf zwischen Gut und Böse voraus, der den gesamten Weltprozess bestimmt. Die Welt ist schlecht und der Gnostiker weiß um das Licht seiner Seele[8]. Das Gute ist in der schlechten materiellen Welt gefangen und kann aus dieser nicht entrinnen. Der Dualismus stellt sich hier tatsächlich in einer Gigantomachie dar, in der die Kräfte des Lichtes gegen die Gewalten der Finsternis kämpfen. Diese Überspitzung führt zu einer klaren Entscheidungsgrundlage, entweder für das Licht und die Gnosis somit für das Gute, oder für den Schatten, ergo für das Böse. Somit wird also, in letzter Konsequenz, die Kontinuität zwischen Gott und Kosmos aufgebrochen.[9] Daher ist die materielle Welt, die Welt des Schattens, diejenige die es zu bekämpfen gilt, um das Licht wieder herrschen zu lassen. Natürlich nimmt der Dualismus nicht in allen Formen gnostischer Gedanken solch eine Gigantomachie an, aber verdeutlicht sich doch hier das Grundprinzip in sehr klarer Art und Weise.

Bis hierher habe ich versucht dieses Prinzip zweier Gegensätze an einem plastischen Beispiel näher zu veranschaulichen. Doch muss immer die Vielschichtigkeit dieses Prinzips in die Betrachtungen einbezogen werden. Die Gegensätze zeigen sich bei weitem nicht nur in der Gegenüberstellung von Gut und Böse. An der Vielschichtigkeit des Dualismus, die ich zu Beginn des Abschnittes angedeutet habe, lässt sich allerdings jetzt schon zeigen, dass er von fundamentaler Bedeutung für alle von Foerster genannten Hauptmomente ist. Wir müssen demnach bei allen folgenden Überlegungen diesen Dualismus immer im Hinterkopf behalten, auch wenn auf die konkreten Ausprägungen, nicht immer explizit eingegangen werden kann.

[...]


[1] An dieser Stelle werde ich dieses Problem nicht weiter betrachten, doch muss darauf hingewiesen werden. Der Standpunkt erhärtete sich allerdings mit dem auffinden gnostischer Quellen, die nichts, oder bestenfalls nur oberflächlich etwas mit christlichen Überlegungen zu tun haben. Vgl. Pauen, Seite 25 f.. Oder etwa auch die Lehre des Simon Magus, die „keine Beziehung zum Christentum erkennen lässt“. Vgl. Foerster Seite 41 Im Zusammenhang mit der Ursprungsfrage werde ich hierauf näher eingehen.

[2] Vgl. Conzelmann, Seite 12

[3] Beide Positionen sollen hier nur als Veranschaulichung der Eingangsfrage benannt werden. Ich widme ihnen keine weitere große Betrachtung und muss eingestehen sie doch stark vereinfacht dargestellt zu haben. Doch dient diese Darstellungsweise meine Problematisierung.

[4] Aus Klauck Seite 146

[5] Vgl. Ebd.

[6] Vgl. Tröger Seite 74

[7] Vgl. Foerster Seite 17

[8] Wie diese Vorstellung genauer aussieht und welche Theorie hinter ihr steckt werde ich an späterer Stelle betrachten.

[9] Vgl. Pauen Seite 29 ff.

Final del extracto de 23 páginas

Detalles

Título
Über gnostische Denkstrukturen - Christliche Gnosis am Beispiel des Ptolemäus
Universidad
Otto-von-Guericke-University Magdeburg  (Philosophie)
Curso
Ethik der Weltreligionen: Das Christentum
Calificación
1,5
Autor
Año
2004
Páginas
23
No. de catálogo
V33094
ISBN (Ebook)
9783638336604
ISBN (Libro)
9783640482689
Tamaño de fichero
533 KB
Idioma
Alemán
Notas
Die Gnosis scheint heute wieder aktuell zu sein, jedenfalls sprechen dafür etliche jüngst erschiene Taschenbuchausgaben zu gnostischen Themen und journalistisch aufgemachte Versuche einer Gesamtdarstellung. "Sind wir heute immer noch im Dualismus der Gedanken des einfachen Guten und Bösen gefangen?" Oder: "Unterscheiden sich unsere Kategorien der Schwarz-Weiß-Malerei so sehr von denen, die wir zum Beginn des Christentums vorfinden?"
Palabras clave
Denkstrukturen, Christliche, Gnosis, Beispiel, Ptolemäus, Ethik, Weltreligionen, Christentum
Citar trabajo
Alexander Krüger (Autor), 2004, Über gnostische Denkstrukturen - Christliche Gnosis am Beispiel des Ptolemäus, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33094

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