Lateinamerika fristete – ähnlich der meisten anderen ehemaligen kolonialen Gebiete – im Bewusstsein Intellektueller lange Zeit ein vergleichsweise trübes Dasein. Menschen, Kunst, Geschichte, sowie ökonomische, politische und soziale Verhältnisse Lateinamerikas wurden nahezu ausschließlich von Außen her erforscht. Europa und Nordamerika waren die Zentren der intellektuellen Lateinamerika- (bzw. Kolonial-) Forschung. Dies ist sicherlich historisch bedingt. Die europäischen Kolonisatoren sahen sich zu Beginn der Kolonisation als zivilisiert, dynamisch, fortschrittlich, ethisch, rational an, während der Charakter der Kolonisierten als sanftmütig, trieblos, demütig und unterwürfig gegenüber den Europäern beschrieben wurde. Hieraus hat sich eine Dichotomie aus Peripherie und Zentrum entwickelt, welche bis heute aktuell ist. So ist es auch zu erklären, dass es beispielsweise kaum eigenständige Lateinamerika-Institute an Universitäten gibt und Lateinamerika lange als transatlantische Fortsetzungsgeschichte Spaniens behandelt wurde. Mit Beginn der Entkolonisierungsprozesse der sechziger Jahre fand jedoch eine Umstrukturierung statt, die eine Auflockerung der gerade genannten Dichotomie mit sich brachte. Die ehemaligen Kolonien werden nun weniger als Teil der europäischen Geschichte aufgefasst, sondern als eigenständige Kulturen mit eigenem spezifischen Charakter. Auch wenn Lateinamerika schon vor längerer Zeit entkolonialisiert wurde, so wird sein gesamtkultureller Status im Zuge dieser neuen postkolonialen Denkweise neu untersucht. Der Kulturbegriff wird weiter aufgefasst als zuvor, so dass beispielsweise auch die Massenmedien und der Indigenismo thematisiert werden. Allgemein werden angenommene Selbstverständlichkeiten neu hinterfragt. Es findet ein Aufbrechen von Grenzen statt, welche mit einer Dezentralisierung des Wissens einhergeht. Die Andersartigkeit Lateinamerikas rückt im Zuge von Alteritätsdenken in das Zentrum des Interesses. In diesem Zusammenhang werden auch die Werke lateinamerikanischer Intellektueller mit größerem Interesse wahrgenommen. Ihre Werke erweitern das Lateinamerikawissen um eine neue wichtige Perspektive.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 1.1 Einführung in den postkolonialen Diskurs in Lateinamerika
- 1.2 Ziel der Seminararbeit und Gang der Untersuchung
- 2 Erläuterungen zum postkolonialen Diskurs und zur Person Octavio Paz
- 2.1 Postmoderne und Postkolonialität
- 2.2 Octavio Paz
- 3 Das Bild Mexikos in El ogro filantrópico
- 3.1 Die IdentitätsSuche Mexikos
- 3.1.1 Der Begriff „Identität“
- 3.1.2 Die Identität Mexikos in El ogro filantrópico
- 3.2 Mexiko im Spannungsfeld zwischen Archaismus und Moderne
- 3.1 Die IdentitätsSuche Mexikos
- 4 Zusammenfassende Überlegungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Arbeit ist es, anhand des lateinamerikanischen Werks "El ogro filantrópico" von Octavio Paz ein Beispiel für die Perspektiverweiterung im postkolonialen Diskurs zu liefern. Durch die Analyse des Werks soll Mexiko als Archetypus eines lateinamerikanischen Landes aus einer neuen Perspektive beleuchtet werden.
- Der postkoloniale Diskurs in Lateinamerika und seine Bedeutung für die Interpretation lateinamerikanischer Kultur
- Die Analyse des Bildes Mexikos in "El ogro filantrópico" von Octavio Paz
- Die Konstruktion von Identität in einem postkolonialen Kontext
- Die Rolle von Archaismus und Moderne in der mexikanischen Gesellschaft
- Die Kritik an eurozentrischen Perspektiven in der lateinamerikanischen Literatur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in den postkolonialen Diskurs in Lateinamerika ein, der sich mit den Folgen der Kolonialisierung und der Dekolonisierung auseinandersetzt. Dabei werden die Veränderungen in der Betrachtungsweise Lateinamerikas seit den sechziger Jahren und die Bedeutung des Kulturbegriffs in diesem Kontext erläutert. Die Einleitung stellt auch das Ziel und den Aufbau der Seminararbeit vor.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den Grundlagen des postkolonialen Diskurses. Dabei werden die Begriffe "Postmoderne" und "Postkolonialität" näher beleuchtet und die wichtigsten biographischen Informationen zu Octavio Paz gegeben.
Das dritte Kapitel analysiert das von Octavio Paz in "El ogro filantrópico" gezeichnete Bild Mexikos. Es untersucht die Suche nach einer eigenen Identität im postkolonialen Kontext und beleuchtet die Spannung zwischen archaischen Traditionen und modernen Einflüssen in der mexikanischen Gesellschaft.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Postkolonialität, lateinamerikanische Literatur, Mexiko, Octavio Paz, "El ogro filantrópico", Identität, Archaismus, Moderne und Kultur.
- Quote paper
- Sven Meyer (Author), 2004, Das Bild Mexikos in El Ogro Filantrópico von Octavio Paz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33098