Hyperaktivität - Erscheinungsbild und Therapiemöglichkeiten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

21 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Fallbeispiel

2. Begriffserklärung

3. Erscheinungsbild
3.1. Übertriebener Tätigkeitsdrang
3.2. Konzentrationsschwierigkeiten
3.3. In Anspruch nehmendes Verhalten und Mangel an Zärtlichkeit
3.4. Impulsivität
3.5. Wahrnehmungs- und Lernschwierigkeiten
3.6. Koordinationsschwierigkeiten
3.7. Widerspenstiges und herrschsüchtiges Verhalten

4. Vorkommen

5. Diagnose
5.1. Klassifikationssysteme
5.2. Medizinische Diagnostik
5.3. Psychologisch Diagnostik

6. Erklärungsmodelle

7. Intervention
7.1. Medizinische Ansätze
7.1.1. Stimulantien
7.1.2. Neuroleptika
7.1.3. Antidepressivika
7.2. Diät
7.2.1. Feingolds Hypothese
7.2.2. Phosphat-Hypothese
7.2.3. Allergie-Hypothese
7.3. Psychologisch Ansätze

8. Möglichkeiten der Lehrer

9. Schlußgedanke

10. Literatur

1. Fallbeispiel

„Die Lehrerin der dritten Grundschulklasse kommt mit dem acht Jahre alten Philipp überhaupt nicht zurecht. Währen des Unterrichts kann dieser keine Minute still sitzen, wie die anderen zuhören, sich melden, in Ruhe seinen Arbeitsauftrag erledigen. Philipp ist immer in Bewegung. Er wechselt ständig seine Sitzposition, oft kniet er auf dem Stuhl, manchmal fällt er vor lauter zappeln herunter.

Sei Tisch ist ein wahres Chaos, weil er es nicht schafft, Ordnung zu halten. Immer wieder läuft er von seinem Platz weg, zur Lehrerin nach vorn, zu anderen Kindern hin, womit Konflikte vorprogrammiert sind. Er kann sich kaum einige Augenblicke auf eine Arbeit konzentrieren, schon wird er wieder durch irgend etwas abgelenkt und in Bewegung versetzt. Besonders im Sportunterricht und in der Pause gibt es immer wieder Zusammenstöße mit anderen Schülern, weil er sich in seinem Bewegungsdrang nicht bremsen lässt und andere übersieht.

Die Mitschüler halten Philipp für verrückt. Die Lehrerin ist deshalb so verzweifelt, weil ihre Erziehungsmittel, die bei anderen Kindern erfolgreich sind, bei Philipp versagen. Er scheint weder durch Ermahnung, Zurechtweisungen, Strafen, noch durch positive Zuwendungen beeinflußbar zu sein. In Gesprächen beteuert er, sich zu bessern, sich zusammenzunehmen; ein Versprechen, das gerade fünf Minuten durchhält“ (Rausch/Schlegel S.2)

Ein solches unruhiges, unkonzentriertes Verhalten wird unter dem Begriff der Hyperaktivität zusammengefasst. Die vielfältigen Variationen der Hyperaktivität erfordern eine differenzierte Betrachtung. Das Erscheinungsbild wird in dieser Arbeit differenziert dargestellt, woran sich Diagnose- und Therapiemöglichkeiten anschließen.

2. Begriffserklärung

Für den Begriff Hyperaktivität gibt es eine Vielzahl von anderen Bezeichnungen. Die Betonung unterschiedlicher Gesichtspunkte der Hyperaktivität hängt von der wissenschaftlichen Orientierung der damit befaßten Fachleute ab. Durch die begriffliche Vielfalt ergaben sich auch unterschiedliche Erklärungsansätze.

So ist eine andere Bezeichnung für die Hyperaktivität das Aufmerksamkeits- Defizit- Syndrom (ADS). Das ADS ist eine Verhaltensdiagnose für einen medizinischen Zustand, der eine gemischte Gruppe von störenden Verhaltensmustern beschreibt (vgl. Holowenko, S 19)

In den letzten Jahrzehnten kam vor allem durch den entwicklungsgeschichtlichen Begriffswechsel das Krankheitsbild der Hyperkinesie ( motorischer Reizzustand des Körpers mit Muskelzuckungen und unkontrollierten Bewegungen) auf (vgl. Rausch/Schlegel. S.3)

3. Erscheinungsbild

3.1. Übertriebener Tätigkeitsdrang:

Der übertriebene Tätigkeitsdrang ist das auffallendste Merkmal der Hyperaktivität. Schon von frühester Kindheit an, sind solche Kinder außergewöhnlich aktiv. Sie wirken nie entspannt, sondern es scheint, als seien sie von einer ständigen Unruhe besessen. Es wird berichtet, dass diese Kinder nach einer aktiven Säuglingszeit das Laufen früher erlernen. So können manche Kinder schon mit neun oder zehn Monaten laufen und schon mit 1 ¼ Jahren gut sprechen. Es gibt aber auch langsame Kinder, die erst mit 14 bis 16 Monaten zu laufen beginnen und erst mit zwei bis drei Jahren das Sprechen lernen. Meist besteht eine ausgeprägte Trotzphase.

In diesem Alter lässt sich noch keine Diagnose erstellen!

In diesem Alter, wenn das hyperaktive Kind laufen lernt, ist nichts im Haus vor ihm sicher. Es räumt Regale aus, klettert waghalsig, oft auf die höchsten Ziele, oder taucht plötzlich unerwartet im Straßenverkehr auf und gefährdet sich dadurch oft selbst. Alles, was es in die Finger bekommt, wird zerlegt und im Vorbeigehen um- oder ausgeschüttet. Mit Dingen wird besonders sinnwidrig verfahren, dass es für die Eltern meist in Arbeit ausartet. Sinnvolles, konstruktives Spiel entwickelt sich kaum, die Spiele sind meist destruktiv, chaotisch, aber auch zerstörerisch.

Vor dem vierten Lebensjahr ist eine Diagnose unsicher und schwierig.

Wenn das hyperaktive Kind älter wird, verändern sich die Berichte. Es ist ständig in Bewegung, zappelt und ist wie von einem Motor angetrieben. Wenn es von ihm verlangt wird, kann das Kind diesen „Motor“ nicht für längere Zeit abstellen.

In der Schule kann es nicht ruhig auf seinem Platz sitzen bleiben, sondern steht oft einfach während des Unterrichts auf und geht im Klassenzimmer herum, spricht laut, schubst und ärgert Mitschüler. Es trommelt mit seinen Fingern, stampft mit den Füßen und bleibt bei keiner Tätigkeit lang.

Hyperaktive Kinder sind aber nicht immer in Bewegung. Vor allem, wenn ein Erwachsener seine ganze Aufmerksamkeit nur dem Kind widmet, kann es, „aus welchem Grund auch immer“ (Wender, 1973), zur Ruhe kommen und still sitzen bleiben.

3.2. Konzentrationsschwierigkeiten:

Auffallend bei hyperaktiven Kindern ist ihre leichte Ablenkbarkeit und eine sehr kurze Aufmerksamkeitsdauer. Im Kindergarten bleibt es bei keinem Spielzeug länger als einige Minuten und sehr schnell hört man von dem Kind: “Mir ist langweilig!“ Das hyperaktive Kind hat einfach keine Ausdauer. Es hat Probleme sich lange zu konzentrieren und mühsame Aufgaben durchzuführen. In der Schule hat der Lehrer mühe das Kind längere Zeit konzentriert an einer Aufgabe arbeiten zu lassen. Es kann dem Unterricht nicht lange aufmerksam folgen, es vergisst oft, was man ihm sagt und bringt seine Aufgaben nicht zu Ende. Zu Hause ist das nicht anders. Eltern denken oft, das Kind würde sich ihren Anweisungen widersetzen, aber das Problem ist meist die leichte Ablenkbarkeit. Etwas begonnenes wird bei der Hälfte stehen gelassen, weil irgend etwas, in diesem Moment, interessanteres dazwischen kam.

Auch mir der Ablenkbarkeit, ist es wie mit der übertriebenen Tätigkeit: Widmet ein Erwachsener, sei es ein Elternteil oder ein Lehrkörper, dem hyperaktiven Kind seine individuelle Aufmerksamkeit, kann es plötzlich für eine Weile konzentriert arbeiten und aufpassen.

Bei Tätigkeiten, die, die Kinder sich selbst ausgesucht haben, können sie eine erstaunliche Ausdauer zeigen. Sie wirken dann regelrecht hingerissen und sind kaum wiederzuerkennen.

3.3. In Anspruch nehmendes Verhalten und Mangel an Zärtlichkeit:

Das hyperaktive Kind fordert von seiner Umgebung immer die volle Aufmerksamkeit. Es muss immer im Mittelpunkt stehen. Es kann schreien, nörgeln und unausstehlich sein. Es provoziert, stört und macht verbotene Aktivitäten. In der Schule spielt es den Klassenclown und vor Klassenkameraden riskiert es oft Kopf und Kragen, um ihnen zu imponieren.

Viele dieser Kinder, wenn auch nicht alle, machen sich nichts aus Zärtlichkeit. Wenn die Eltern mit ihnen schmusen wollten, schmiegten sie sich nicht an und wehrten sich gegen Küsse und Umarmungen. Die Eltern sind durch solche Verhaltensweisen verunsichert und fragen sich, was sie falsch gemacht haben. Aber auch vermehrte Zuneigung wird seitens des Kindes nicht erwidert. Da sie nicht wissen, wie sie es befriedigen können, halten sie sich für unfähig, oder sie bezeichnen das Kind als „schwierig“. In der Familie kommt es dadurch häufig zu Spannungen und Stressituationen.

3.4. Impulsivität:

Impulsivität oder mangelnde Impulskontrolle ist eine häufig festgestellte Eigenschaft hyperaktiver Kinder. Diese Kinder verfolgen oft mit unglaublicher Geschwindigkeit ihren ersten Impuls. So stürzt es plötzlich auf die Strasse, schlägt seinen Nebensitzer in der Schule oder klettert auf das Regal. Meist handeln solche Kinder, ohne im Voraus über die Folgen nachzudenken.

Die Impulsivität geht so weit, dass diese Kinder in der Schule den Finger heben, bevor die Frage fertig gestellt ist und dann irgendeine Antwort geben. Wenn sie nicht dran kommen, platzen sie häufig einfach mit der Antwort heraus.

Die Frustrationstoleranz ist sehr gering. Wenn sie ihren Wunsch nicht sofort erfüllt bekommen, Dinge nicht so funktionieren, oder andere Menschen sich nicht so benehmen, wie das Kind es will, wird es sofort wütend. Spielsachen fliegen dann durch das Zimmer und Geschwister oder Schulkameraden müssen mit Schlägen rechnen. Die Wünsche sind aber genauso schnell, wie sie dem Kind in den Kopf kamen, wieder vergessen, wenn es durch irgendetwas anderes abgelenkt wird.

In manchen Situationen reagiert es total über. So kann das hyperaktive Kind sich maßlos freuen („überfreuen“) oder maßlos ärgern („überärgern“) und ist in beiden Situationen völlig unerträglich.

Hyperaktive Kinder fangen schnell an zu heulen, oft wegen Kleinigkeiten, aber auch, wenn sie etwas besonders gut machen wollten und es nicht geklappt hat. Sie werden dann häufig von Mitschülern ausgelacht, weil sie nicht gelernt haben sich zu beherrschen.

Seine Stimmung kann plötzlich in Zorn oder Jähzorn umschlagen. Es kommt dann meist zu unverschämten, provokanten, beleidigenden und aggressiven Redensweisen.

Zu einer gewissen Zeit stehlen, lügen oder zündeln alle Kinder einmal. Sie lernen aber irgendwann, diesen Impuls zu unterdrücken. Hyperaktive Kinder tun das nicht. Sie stehlen und lügen oft, wann immer sie wollen. Es wird vermutet, dass sie diese verbotenen Dinge tun, um Aufmerksamkeit zu erregen und Ansehen zu erlangen.

Viele dieser Merkmale kommen auch bei anderen Kindern vor, nur legen sie die mit der Zeit ab. Das hyperaktive Kind verhält sich so gesehen wie ein um „mehrere“ Jahre jüngeres Kleinkind.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Hyperaktivität - Erscheinungsbild und Therapiemöglichkeiten
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg  (Fachbereich Sonderpädagogik)
Veranstaltung
Hauptseminar: Pädagogische Psychologie - Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter
Note
2
Autor
Jahr
2000
Seiten
21
Katalognummer
V3329
ISBN (eBook)
9783638120333
ISBN (Buch)
9783638777117
Dateigröße
528 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hyperaktivität, Erscheinungsbild, Therapiemöglichkeiten, Hauptseminar, Pädagogische, Psychologie, Verhaltensauffälligkeiten, Kindesalter
Arbeit zitieren
Daniel Reichelt (Autor:in), 2000, Hyperaktivität - Erscheinungsbild und Therapiemöglichkeiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3329

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