Mobbing in der Grundschule. Ursachen, Folgen, Prävention


Epreuve d'examen, 2004

100 Pages, Note: gut


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

1. Was ist Mobbing?
1.1 Differenzierung zwischen Bullying und Mobbing
1.2 Charakteristika für Schülermobbing
1.2.1 Feindselige Handlungen in der Schulklasse
1.2.2 Anzeichen von Mobbing in der Schulklasse
1.3 Wer mobbt wen?
1.3.1 Schikane Schüler gegen Lehrer
1.3.2 Schikane Lehrer gegen Schüler
1.3.3 Lehrer schikanieren Lehrer
1.4 Fallbeispiele
1.4.1 Fallbeispiel Nr. 1
1.4.2 Fallbeispiel Nr. 2
1.5 Ergebnisse aus den Fragebogen

2. Ursachen
2.1 Die emotionale Entwicklung im Grundschulalter
2.2 Außerschulische Einflussfaktoren
2.2.1 Familie
2.2.2 Medieneinfluss
2.3 Schulische Einflussfaktoren
2.3.1 Das Schulklima
2.3.2 Der Lehrer
2.3.3 Größe der Schule und der Klasse
2.3.4 Leistungsdruck
2.4 Täterprofil/Opferprofil
2.4.1 Täterprofil
2.4.2 Opferprofil
2.5 Ergebnisse aus den Fragebogen

3. Folgen
3.1 Auswirkungen auf die Opfer
3.1.1 Psychische Folgen
3.1.2 Physische Folgen
3.1.3 Soziale Folgen
3.2 Auswirkungen auf die Klasse
3.2.1 Klassenklima
3.2.2 Lernstörungen
3.3 Auswirkungen auf den Täter
3.4 Ergebnisse aus den Fragebogen

4. Prävention und Intervention
4.1 Schulebene
4.1.1 Pädagogischer Tag
4.1.2 Verstärkte Aufsicht in den Pausen
4.1.3 Mediation
4.1.4 Mobbingbriefkasten/Kontakttelefon
4.2 Klassenebene
4.2.1 Verhaltensregeln als Unterrichtsinhalt
4.2.2 FAUSTLOS
4.3 Persönliche Ebene
4.3.1 Gespräche mit dem Täter
4.3.2 Gespräche mit dem Opfer
4.4 Ergebnisse aus den Fragebogen

5. Internetrecherche

6. Fazit

7. Literatur und Quellenverzeichnis

8. Anhang

Vorwort

In meiner Zulassungsarbeit werde ich mich mit dem Thema „Mobbing in der Grundschule“ befassen. Neben der Darstellung, wie Mobbing in der Grundschule aussehen kann, sollen vor allem die Ursachen und die Folgen von Mobbing behandelt werden. Einen weiteren Gesichtspunkt bilden verschiedene Präventions- und Interventionsmöglichkeiten, die vorgestellt und auf ihre Umsetzungstauglichkeit und Effektivität im Schulalltag hin analysiert werden sollen.

Die Hauptpunkte:

- 1. Was ist Mobbing?
- 2. Ursachen
- 3. Folgen
- 4. Prävention und Intervention
- 5. Internetrecherche

werden zunächst auf Fachliteratur basierende Informationen theoretisch angegangen.

Am Ende jedes Hauptpunktes werden dann Informationen, die auf Praxiserfahrung von Grundschulpädagogen gründen, in Form von Ergebnissen aus Fragebogenerhebung ergänzt. Diese Vorgehensweise habe ich gewählt, um erstens herauszustellen und darzulegen, wo sich Theorie und Praxiserfahrung eventuell bestätigen oder widersprechen, zweitens um einen aktuellen Stellenwert von Mobbing in Grundschulen im Raum Heidelberg und Darmstadt zu ermitteln.

Die empirische Erhebung in Form von Fragebogen und Interviews wurde in einzelnen Grundschulen in Heidelberg und Darmstadt mit Lehrern, Schulleitern und pädagogischen Beratern durchgeführt.

Der letzte Gliederungspunkt besteht aus einer aktuellen Internetrecherche zu dem Thema „Mobbing an Schulen“. Hier soll die Präsenz des Themas im Deutschen Web erforscht werden und Internetlinks zu Schülermobbing aufgelistet und kurz erläutert werden.

Einleitung

Hat die Gewalt an Schulen zugenommen?

Gewalt ist seit einiger Zeit das pädagogische Diskussionsthema: die einen – vor allem die Medien – behaupten, die Gewalttätigkeit an Schulen habe enorm zugenommen; andere warnen vor einer Dramatisierung der realen Sachverhalte, indem sie proklamieren, nicht jede Rempelei auf dem Schulhof, nicht jeder Streit zwischen Schülern und Lehrern, nicht jede Verletzung von Spielregeln sei schon ein Beweis für ein wachsendes Gewaltproblem an unseren Schulen.

Das Gefühl, Gewalttätigkeit unter Schülern hätte zugenommen, kann man damit begründen, dass heute vielmehr Gewalttaten an Schulen aufgedeckt werden und durch die Medien schneller verbreitet werden als noch vor einigen Jahren. Das folgende Zitat erfasst die Vermutung, dass die Gesellschaft, durch häufige Medienberichte von minderjährigen Gewalttätern, sensibilisiert wird und so eine Zunahme von Gewalt praktisch wahrnehmen muss.

„Inwieweit man in letzter Zeit hinsichtlich der Aggression junger Menschen nur gesellschaftlich sensibler geworden ist, den ohnedies sehr heterogenen Gewaltbegriff ausweitet, spielerische Formen der Auseinandersetzung dramatisiert und spektakuläre Einzelfälle zu sehr verallgemeinert, kann somit nicht definitiv gesagt werden.“ (Lösel/Bliesener/Averbeck 1999, 65)

Außerdem wird von einer „Ausweitung des Gewaltbegriffs“ gesprochen. Je weiter der Gewaltbegriff gefasst wird, desto mehr Handlungen können demnach als „Gewalt“- Taten bezeichnet und gezählt werden. Um Klarheit in Diskussion und Bewertung der Gewaltsituation an unseren Schulen zu haben, ist von einer realistischen Definition und Interpretation von Gewalt auszugehen. Dieses Problem zeigt sich auch bei Lehrerbefragungen: Lösel, Bliesener und Averbeck (1999, 66) stellen die Frage, inwieweit auch eventuell die Lehrer empfindlicher geworden sind und Disziplinschwierigkeiten anders bewerten. Andererseits kommt es auch bei Lehrern häufig zu Untertreibungen, um der Schule keinen schlechten Ruf zu bescheren. Die Frage, ob die Gewalt an Schulen zugenommen hat, kann also von diesen Standpunkten aus, nicht verlässlich beantwortet werden.

Fakt ist jedoch, dass Gewalt an Schulen stattfindet. Unabhängig davon, ob sie in den letzten Jahrzehnten so drastisch zugenommen hat oder nicht, dürfen vor der bestehenden Gewalt an Schulen nicht die Augen geschlossen werden.

Wie bereits erwähnt, fehlt für die Klarheit in der Debatte über die Zunahme von Gewalt an Schulen eine realistische Definition von Gewalt.

Die Frage, ob sich speziell Mobbing an deutschen Grundschulen etabliert hat, hat dieses Problem nicht, da für Mobbing relativ feste Kriterien gelten und die Vorfälle, die unter die Rubrik „Mobbing“ fallen, klarer einzugrenzen sind.

Lehrer, die vor offensichtlichen Anzeichen von Mobbing die Augen schließen, gibt es vermutlich trotzdem.

Spätestens nach dem ein neuer schwerer Mobbingfall an einer Berufschule in Hildesheim, Anfang Februar durch die Medien ging, wurde die Brisanz und die Aktualität von Mobbing den Pädagogen deutscher Schulen erneut verdeutlicht.

„Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ heißt die Schlagzeile in der Taz zwei (Tageszeitung) vom 13. Februar 2004. Der Artikel handelt von einem schweren Gewaltfall an einer Hildesheimer Berufsschule. Vier Jugendliche sollen, nach Angaben der Staatsanwaltschaft Hildesheim, ihren 18-jährigen Mitschüler vier Monate lang körperlich schwer misshandelt haben. Die Frage stellt sich, wie diese Taten von Mitschülern und Lehrern scheinbar unentdeckt bleiben konnten, wo sich der Tatort unmittelbar in der Berufsschule selbst befand und die Tatzeit sich auf die Pausen und die Unterrichtszeit erstreckte. Von den Schülern wird der Fall als eine Art „offenes Geheimnis“ an der Schule erklärt. Unwahrscheinlich also, dass kein Lehrer etwas gemerkt haben soll, so die Staatsanwaltschaft Hildesheim.

Der Gewaltfall Hildesheim, für mich eine Bestätigung mehr, dass eine Kultur des Wegschauens statt eine des Hinschauens an vielen Schulen herrscht.

Ich habe hier ein aktuelles Beispiel von Mobbing aufgegriffen. Da dieser Mobbingfall aber an einer Berufsschule stattfand, wird man über die Relevanz dieses Falles für das Thema „Mobbing in der Grundschule“ nachdenken und sich fragen, warum kein Fall aus der Grundschule aufgeführt wurde, mit dem leisen Verdacht, dass bisher keiner in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Dass Fälle von Mobbing bereits in Grundschulen vorkommen, wird unter dem Gliederungspunkt 1.4 Fallbeispiele unter Beweis gestellt werden.

An dieser Stelle möchte ich eine Statistik der gemeldeten Gewaltvorfälle in Berliner Grundschulen vom Schuljahr 2000/2001 anführen:

„Von den 270 Meldungen über Gewaltvorfälle im Schuljahr 2000/2001 kamen 83 (30,7%) aus den Grundschulen (einschließlich Sonderschule im Grundschulbereich)“

(Schubert 2002, 125).

Nach Schubert (2002, 125) setzten sich die 83 Gewaltvorfälle aus folgenden Arten von Gewalt zusammen:

1.- Körperverletzung( 45%)
2.- Bedrohung(24%)
3.- gefährliche Körperverletzung(18%)
4.- Rechtsextremismus(10%)
5.- Sachbeschädigung (2%)
6.- Sonstiges (1%)

Um Verwirrungen zu vermeiden, wird der Begriff „Schüler“ in der vorliegenden Arbeit geschlechtsneutral verwendet.

1. Was ist Mobbing?

Der Begriff „Mobbing“ ist aus unserem Sprachgebrauch schon lange nicht mehr wegzudenken.

Konfliktsituationen und aggressive Handlungen in der Arbeitswelt, der Schule und anderen Formen gesellschaftlichen Lebens werden mit „Mobbing“ tituliert.

Doch kaum einer weiß, was der Begriff „Mobbing“ ursprünglich bedeutet und wann man wirklich von Mobbing sprechen kann. Dies mag im alltäglichen Sprachgebrauch kein gravierendes Problem darstellen. Für eine wissenschaftliche Diskussion über „Mobbing“ ist eine klare Definition und damit eine eindeutige Abgrenzung von Mobbing zu anderen Formen von Gewalt unabdingbar.

Nach Kasper (1998) finden wir den Ursprung des Begriffs „Mobbing“ in Konrad Lorenz` Verhaltensforschung: Mobbing kennzeichnet ein bestimmtes Tierverhalten. Tiere rotten sich zusammen, um einen gemeinsamen Feind abzuwehren. Lorenz beobachtete dieses Verhalten bei einem Krähenschwarm gegen einen Bussard.

Übertragen auf menschliches Verhalten, zeichnet sich Mobbing also dadurch aus, dass von einer Gruppe diskriminierende Handlungen gegen einen Einzelnen vollzogen werden, mit dem Ziel, den Einzelnen aus ihrer Gesellschaft zu entfernen.

Der Begriff Mobbing stammt aus dem Englischen und bedeutet Anpöbeln, Fertigmachen.

Auf der Suche nach weiteren Kriterien von Mobbing in der Fachliteratur stößt man auf eine Schwierigkeit. Auch die Wissenschaft hat offensichtlich noch keinen Konsens über eine eindeutige definitorische Abgrenzung des Mobbingbegriffs gefunden. Um einen Überblick zu bekommen, werde ich im folgenden verschiedene Definitionen und Kriterien von „Mobbing“ aufführen.

- „ Der Begriff Mobbing beschreibt negative kommunikative Handlungen, die gegen eine Person gerichtet sind (von einer oder mehreren anderen) und die sehr oft und über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die Beziehung zwischen Täter und Opfer kennzeichnen“ (Leymann 1993, 21).

Leymann spricht hier von „kommunikativen Handlungen“. Er beschränkt Mobbing also auf verbale Angriffe gegen eine Person, die von einer oder mehreren anderen Personen ausgehen können. Ein wichtiges Kriterium stellt für Leymann die Häufigkeit und die Dauer der Handlungen dar.

- „ Unter Mobbing wird eine konfliktbeladene Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und /oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet“ (Leymann 1996, 18).

Leymann bezieht in dieser Definition Mobbing direkt auf die Arbeitswelt. Er erweitert seine Definition von `93, indem er die Unterlegenheit der angegriffenen Person und das Ziel des Mobbings mit einbezieht. Außerdem unterscheidet er zwischen direkten und indirekten Angriffen, die aber nicht erläutert werden.

- „Ein Schüler oder eine Schülerin ist Gewalt ausgesetzt oder wird gemobbt, wenn er oder sie wiederholt und über eine längere Zeit den negativen Handlungen eines oder mehrerer anderer Schüler oder Schülerinnen ausgesetzt ist“ (Olweus 1996, 22).

Olweus verwendet den Begriff Mobbing im Bezug auf Schüler synonym mit dem Begriff Gewalt. Er macht also keine qualitative Unterscheidung zwischen Schülermobbing und Gewalt unter Schülern.

- „Mobben ist als eine ganz spezifische Teilmenge von körperlicher, wie verbaler Gewalt zu verstehen. Ihr zentrales Kennzeichen ist eine dauerhafte und massiv ungleichgewichtige Beziehung zwischen Opfer und Täter“

(Tillmann u.a. 1999, 21).

Diese Definition spricht, anders als bei Leymann, Mobbing verbale als auch körperliche Gewalt zu. Mit den Kennzeichen der Unterlegenheit des Opfers und der Dauerhaftigkeit der Angriffe stimmt er mit Leymann überein.

- „In der Grundschule gibt es neben der „kleinen“ Gewalt, dem Schikanieren, Triezen und Hänseln, [...]“ (Schubert 2002, 125).
- „...mit dessen Hilfe Mobbing in Schulen als die weitverbreitete „kleine“, gemeine und schmerzliche Form von Gewalt [...]“ ( Schubert 2002, 133).

Bettina Schubert bezeichnet Mobbing als die „kleine“ Gewalt.

Sie differenziert so die eigentliche Gewalt, die hauptsächlich aus schwerer körperlicher Gewalt besteht von der „kleinen Gewalt“, die hauptsächlich aus verbaler Gewalt und nur einem kleinen Anteil körperlicher Gewalt besteht. Passend finde ich den Begriff „kleine Gewalt“ im Zusammenhang mit Mobbing in der Grundschule.

1.1 Differenzierung zwischen Bullying und Mobbing

Laut Kasper (2001a, 17) brachte die getrennte Forschung über Mobbing auch verschiedene Bezeichnungen für vergleichbare Sachverhalte hervor. Kasper spricht hier die Bezeichnung des „Bullying“ an, die vorwiegend in angelsächsischen Ländern synonym für Schülermobbing verwendet wird.

Während Leymann die Unterschiede zwischen Mobbing am Arbeitsplatz und Bullying in der Schule betont, erklärt Schuster (1999, 92), dass Mobbing und Bullying den gleichen Sachverhalt, nämlich die Viktimisierung durch eine oder mehrere Personen, bezeichnen.

Schuster (1999, 92) sieht zusätzlich die Möglichkeit, die beiden Begriffe differenziert zu verwenden, um eine Unterscheidung zwischen kollektiver und dyadischer Viktimisierung zu treffen.

Schuster (1999, 92) begründet diese Unterscheidung, indem sie sagt, „dass das Phänomen, dass eine Person von einer Einzelperson angegriffen wird, nicht notwendigerweise äquivalent ist zu Schikanen, die die gesamte Schulklasse vornimmt.“

Schuster (1999, 93f.) hat außerdem eine Abgrenzung von Bullying und Mobbing von anderen Formen von „Gewalt an der Schule“ mit Hilfe einer Kategorisierungsmöglichkeit, die auf die drei Dimensionen von Kelley zurückgreift, vorgenommen:

1. Distinktheit (wie viele Opfer?)
2. Konsensus (wie viele Täter?)
3. Konsistenz (Systematik der Angriffe)

Schuster hat daraus folgende Tabelle abgeleitet:

Tabelle 1:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Entnommen aus (Schuster 1999, 93)

Auswertung der Tabelle:

Bullying und Mobbing können von anderen Aggressionsformen durch die Dimension der Distinktheit abgegrenzt werden. Mobbing und Bullying treten dann auf, wenn sich die Angriffe auf ein einzelnes, bestimmtes Opfer richten (hoch distinkt). Nicht wie zum Beispiel bei Bandenaggressionen, die sich wahllos gegen verschiedene Opfer (niedrig distinkt) richten.

Bullying und Mobbing können voneinander unterschieden werden im Bezug auf die Konsensus-Dimension: Werden Angriffe von einer Einzelperson (niedriger Konsensus) auf ein bestimmtes Opfer vorgenommen, handelt es sich um Bullying, beteiligen sich viele Täter (hoher Konsensus) an den Angriffen auf ein bestimmtes Opfer, handelt es sich um Mobbing.

Die Konsistenz-Dimension bezieht sich auf die Systematik der Angriffe. Mobbing und Bullying weisen eine hohe Konsistenz auf, da sich die Angriffe, laut der unter Punkt 1. Was ist Mobbing? angeführten Definitionen , der Täter auf die Opfer regelmäßig über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholen müssen.

Zusammenfassend wäre dieser Dimensionen zufolge, Mobbing durch hoch-distinkte, hoch-konsensuale Angriffe, die sich regelmäßig über längere Zeit wiederholen, Bullying dagegen durch hoch-distinkte, niedrig-konsensuale Angriffe, die sich regelmäßig über längere Zeit wiederholen charakterisiert.

Ich werde im folgenden Textverlauf darauf verzichten, beide Begriffe zu verwenden. Ich werde der Einfachheit halber nur die Bezeichnung Mobbing benutzen und gegebenenfalls erklären, ob die Angriffe von einer Gruppe von Tätern oder nur von einem einzelnen Täter ausgehen.

Zusammenfassend kann Mobbing als eine Form offener und /oder subtiler Gewalt gegen schwächere Personen über eine längere Zeit mit dem Ziel der sozialen Ausgrenzung definiert werden, bei der es sich um verbale und/oder physische Gewalt handeln kann.

Der Begriff „Schülermobbing“ bezieht sich auf die verschiedenen Formen von Psychoterror im schulischen Rahmen. Damit sind nicht die alltäglichen Schulkonflikte gemeint, sondern Handlungen negativer Art, die durch eine oder mehrere Personen gegen einen Schüler oder eine Schülerin gerichtet sind, und über einen längeren Zeitraum hinaus andauern.

1.2 Charakteristika für Schülermobbing

Im folgenden Abschnitt soll aufgezeigt werden, wie Mobbing zu erkennen ist und welche feindseligen Handlungen in der Grundschule vorkommen können.

Aus den vorangestellten Definitionen konnten schon die wichtigsten Kriterien für Mobbing ermittelt werden:

1. Eine Gruppe oder ein Einzelner geht gegen eine einzelne Person vor.
2. Das Opfer ist seinen Tätern/seinem Täter unterlegen.
3. Die Angriffe geschehen regelmäßig.
4. Die Angriffe geschehen über einen längeren Zeitraum.
5. Das Opfer kann sich selten aus eigener Kraft aus der Situation befreien.

Diese Kriterien allein sagen aber noch nichts Konkretes über die Handlungen von Mobbing in der Grundschule aus. Wie kann der Lehrer und wie können Mitschüler Mobbing in ihrer Schulklasse erkennen? Wie kann ich selbst erkennen, dass ich ein Opfer von Mobbing bin? Um diese Fragen zu beantworten, müssen zunächst charakteristische Handlungen für Mobbing gefunden werden.

Kasper (2001b, 16f) unterscheidet in seinem SMOB-Fragebogen zwischen fünf Arten von Angriffen:

1. Angriffe auf die Kommunikation
2. Angriffe auf die sozialen Beziehungen
3. Angriffe auf die Arbeitssituation
4. Angriffe auf das soziale Ansehen
5. Gewaltandrohung und Gewaltanwendung

1.2.1 Feindselige Handlungen in der Schulklasse

Unter diese fünf Arten von Angriffen kann eine Fülle von Handlungen geordnet werden. Einige Beispiele von Kasper (vgl. Kasper 2001a, S. 43ff) möchte ich hier in Kastenform darstellen:

1. Angriffe auf die Kommunikation

- Ein Schüler wird von Mitschülern ständig unterbrochen.
- Ein Schüler wird von Mitschülern angeschrieen.
- Ein Schüler wird vom Lehrer/der Lehrerin angeschrieen.
- Lehrer kritisieren ständig die Arbeit eines/einer

Mitschülers/in.

- Ein Schüler wird vom Lehrer/der Lehrerin ignoriert.
- Ein Schüler wird am Telefon belästigt.
- Mitschüler zeigen abwertende Blicke und Gesten.
- Mitschüler wollen mit einem Schüler nicht arbeiten.

Das regelmäßige Auftreten dieser Angriffe in einer Schulklasse sagt viel über die Umgangsformen in dieser Klasse aus. Wichtige Gesprächsregeln werden hier anscheinend nicht eingehalten oder wurden erst garnicht gelehrt und gelernt.

Besonders wenn der Lehrer als schlechtes Vorbild fungiert und diese Umgangsformen bestätigt, kann sich solches Verhalten gerade bei Grundschülern verfestigen und ist nur noch schwer zu verändern. Die richtige Art zu Kommunizieren spielt eine große Rolle bei einer gesunden Konfliktkultur. Die meisten Konflikte gründen auf falscher Kommunikation und müssen durch richtig eingesetzte Kommunikation gelöst werden.

Auch wenn das Auftreten dieser Angriffe allein, kein sicheres Indiz für Mobbing sein kann, so sollte jeder Lehrer auf eine funktionierende Kommunikation in seinem Klassenzimmer achten, denn falsche Kommunikation, kann eine gute Ausgangsbasis für Mobbing bedeuten.

2. Angriffe auf die sozialen Beziehungen
- Mitschüler wollen nicht angesprochen werden.
- Schüler wird von seinem Platz verdrängt.
- Mitschülern wird verboten mit einem Schüler zu sprechen.
- Mitschülern wird verboten mit einem Schüler zu arbeiten/spielen.
- Schüler wird von Mitschülern ignoriert.
- Schüler wird schriftlich bedroht.
- Schüler wird erpresst.
- Schüler wird immer als letzter in Gruppen gewählt.

Viele dieser Handlungen werden in einer Schulklasse zu beobachten sein. Solange sie nicht mehrmals in der Woche geschehen und nicht immer die gleichen Täter und Opfer im Spiel sind, ist das auch nicht verwunderlich. In der Grundschule fangen die Kinder erst an festere Freundschaften zu bilden. Gerade bei Mädchen wechseln die „besten Freundinnen“ sehr häufig. Wenn jedoch immer das gleiche Kind ausgeschlossen und abgelehnt, vielleicht sogar erpresst wird, ist das ein sicheres Zeichen für pädagogischen Handlungsbedarf.

3. Angriffe auf die Arbeitssituation

- Schüler muss Hausaufgaben hergeben.
- Schüler wird von Mitschülern am Arbeiten gehindert.
- Hefte und sonstige Lernmittel werden von Mitschülern zerstört.
- Schüler muss Eigentum hergeben.
- Schüler muss Mitschüler bedienen.

Auch diese Handlungen mögen auf den ersten Blick harmlos wirken, doch wie bereits erwähnt: Die Häufigkeit und die Dauer der Handlungen machen sie erst so gefährlich.

4. Angriffe auf das soziale Ansehen

- Schüler wird von Mitschülern lächerlich gemacht.
- Lehrer/in macht einen Schüler lächerlich.
- Mitschüler verbreiten Gerüchte und Lügen.
- Mitschüler lästern hinter dem Rücken.
- Lehrer erklären einen Schüler für dumm.
- Mitschüler erklären einen Schüler für dumm.
- Feindselige Bemerkungen über Familie oder Herkunft.
- Sich lustig machen wegen Aussehen, Kleidung...
- Schüler bekommt Spitznamen.
- Mitschüler äußern ständig Schimpfworte gegen einen Schüler.
- Schüler wird zu erniedrigenden Handlungen gezwungen.

Angriffe auf das soziale Ansehen kommen auch relativ häufig unter Kindern im Grundschulalter vor. Materielle Dinge und Äußerlichkeiten spielen für diese Altersgruppe bereits eine wichtige Rolle. Wer nicht die richtige Kleidung oder das gerade angesagte Spielzeug hat, wird ausgelacht, oder es wird gelästert. Schimpfworte und Spitznamen sind auch schnell vergeben, meist ohne den Schaden zu bedenken, den man damit dem Selbstwertgefühl des anderen zufügt.

5. Gewaltandrohung und Gewaltanwendung

- Schüler wird von Lehrern zu Arbeiten gezwungen.
- Mitschüler drohen mit körperlicher Gewalt.
- Lehrer droht mit körperlicher Gewalt.
- Mitschüler wenden Gewalt an.
- Lehrer wenden Gewalt an.
- Mitschüler schlagen, treten...
- Lehrer schlägt.
- Zerstörung von Eigentum.

Bei den aufgeführten Beispielen für Gewaltandrohung und Gewaltanwendung ist es unter Umständen nicht einfach, zwischen einer spielerischen Rauferei und einer echten Gewalttat zwischen Schülern zu unterscheiden. Wenn jedoch eine klare Unterlegenheit des immer gleichen Opfers zu erkennen ist, kann aus einem Spiel schnell bitterer Ernst werden. Gewaltandrohung und Gewaltanwendung durch einen Lehrer stellen eine andere Härte dar. Dieser Aspekt soll unter dem Gliederungspunkt 1.3 Wer mobbt wen? genauer dargestellt werden.

Smith (1999, 28) berichtet in seinem Aufsatz „Aggression und Bullying in Schulen“ von einer Studie über Bullying, die er 1990 an 24 Schulen in Sheffield startete.

Die Auswertung zeigte, dass Bullying an Schulen weit verbreitet ist und das zu 27% Bullying an Grundschulen festzustellen war.

Bezogen auf die Handlungen, die beim Mobbing in diesen Schulen beobachtet worden waren, kam Smith (1999, 29) zu folgenden Ergebnissen: „Der überwiegende Teil des Bullying bestand darin, jemanden verbal zu attackieren. Sowohl in Grund- als auch in weiterführenden Schulen waren physische Schläge und Bedrohungen die nächst häufige Variante des Bullying. Für Jungen lag die Wahrscheinlichkeit von Schlägen und entsprechenden Drohungen höher als für Mädchen. Bei Mädchen gab es mehr indirekte Formen des Bullying, so zum Beispiel, dass niemand mit ihnen reden mochte oder das Verbreiten von Gerüchten.“

Olweus ( 1996, 23) ersieht es als „nützlich, zwischen unmittelbarer Gewalt – mit verhältnismäßig offenen Angriffen gegen das Opfer – und mittelbarer Gewalt in Form gesellschaftlicher Ausgrenzung und absichtlichem Ausschluß zu unterscheiden. Es ist wichtig, auch auf die zweite, weniger sichtbare Form der Gewalt zu achten.“

Übertragen auf die von mir aufgeführten Handlungsbeispiele würde das bedeuten, dass Angriffe auf die Kommunikation und auf das soziale Ansehen in Schulen in Sheffield am häufigsten beobachtet wurden, dicht gefolgt von Gewaltanwendung und Gewaltandrohung. Interessant ist auch die auffallende Zuordnung der Handlungen zu Mädchen oder Jungen.

Ähnliche Ergebnisse erhielt auch Kasper (2001a, 63f) bei den Schülerbefragungen mit dem von ihm entwickelten SMOB-Fragebogen. Die häufigsten Feindseligkeiten stellten Angriffe auf das soziale Ansehen und auf die Kommunikation dar.

Gewaltanwendung und Gewaltandrohung wurden aber in dieser Studie unter die Rubrik „seltene Vorkommnisse“ gestellt, was einen deutlichen Unterschied zu den Ergebnissen von Smith darstellt.

Kasper (2001a, 63) ermittelte außerdem, „dass Jungen generell etwas häufiger angegriffen werden als Mädchen.“ Wobei er die gleichen Unterschiede bezüglich der Arten der Feindseligkeiten bei Jungen und Mädchen feststellte: „Nur im Bereich der sozialen Beziehungen sind Mädchen häufiger angegriffen worden[...]. Das bedeutet, dass Mobbing in einigen Punkten in genau gleicher Weise bei Jungen und Mädchen verläuft, bei allen Formen der eigentlichen Gewalt aber ein deutliches Übergewicht bei den Jungen liegt“

(Kasper 2001a, 63).

„Mobbing findet auch in Grundschulen statt“, lautet demnach das eindeutige Ergebnis dieser Befragungen. Viele Lehrer oder Schulleiter streiten jedoch solche Probleme an ihrer Schule ab.

Das mag daran liegen, dass viele Lehrer der Meinung sind, Schüler sollten ihre Konflikte selbst lösen lernen und tun mitunter gravierende Probleme unter Schülern als „kleine Streitereien“ ab. Durch eine aufmerksame Beobachtung lassen sich aber laut Kasper (2001a, 60ff) fast in jeder Klasse gezielte Feindseligkeiten erkennen, unter denen einige Schüler der Klasse zu leiden haben. Frühzeitiges Bemerken von Mobbing durch Außenstehende ist aber nur begrenzt möglich, da die typischen Anzeichen von Mobbing erst dann zu Tage treten, wenn der Mobbingprozess schon richtig in Gang gekommen ist. Mobbing entwickelt sich prozesshaft und schleichend. Scheinbar harmlose Konflikte verselbstständigen sich zunehmend und bringen immer häufiger diskriminierende Angriffe mit sich. Die Rollen von Täter und Opfer verfestigen sich und führen zu stabilen Mobbingverhältnissen, aus denen die Opfer nicht ohne fremde Hilfe herausfinden.

Meist sind es erst die Folgen fortgeschrittenen Mobbings, die sich als typische Anzeichen von Mobbing erkennen lassen.

1.2.2 Anzeichen von Mobbing in der Schulklasse

Als typische Anzeichen von Mobbing in der Schulklasse stellt Kasper in Streber, Petzer, Sündenböcke (2001a, 27ff) folgende Merkmale heraus:

- Es bilden sich Außenseiter in der Klasse, die bei den Spielen der Mitschüler ausgeschlossen oder nur widerwillig geduldet werden. Diese Schüler werden oft mit Spitznamen etikettiert und auf Grund von Aussehen, Herkunft und Familie diskriminiert und stigmatisiert.

Diese Außenseiter werden auch meist im Unterricht auffallend still und ziehen sich zurück, da sie keine weiteren Anlässe zur Diskriminierung geben wollen.

- Es lässt sich eine Cliquenbildung in der Klasse feststellen. Diese Cliquen setzen sich meist aus einem Anführer und mehreren Mitläufern zusammen. Wer nicht in die Clique passt wird tyrannisiert oder eingeschüchtert.

Ein schlechtes Lernklima ist die Folge.

- In der Klasse herrschen auffallend schlechte Umgangsformen. Schüler beleidigen sich und machen andere Schüler mit Schimpfworten nieder. Einzelne Schüler müssen für die Probleme anderer als Sündenböcke herhalten und stellen meist eine Reihe von Opfern dar.

Diese Klassen werden oft als „schwierige Klassen“ bezeichnet. Sie sind aber nicht von sich aus schwierig. Schuld daran ist meist ein Fall von Mobbing innerhalb der Klasse.

- Opfer von Feindseligkeiten können schwere Gesundheitsprobleme bekommen. Sie sind auffallend oft krank. Auch hinter notorischen Schulschwänzern können sich gemobbte Schüler verbergen. Meist wissen die Eltern vom Fehlen ihres Kindes nichts, da es jeden Morgen aus dem Haus geht, jedoch ohne in der Schule anzukommen.

Dies sollen nur wenige Beispiele für Mobbinganzeichen in der Schulklasse sein. Wie sich Mobbing auf Täter, Opfer, die Klasse und das soziale Umfeld konkret auswirken kann soll unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen von Schülermobbing (3. Folgen) dargelegt werden.

Um als Klassenlehrer ein umfassendes Bild der Klassensituation zu erhalten, reichen Beobachtungen allein natürlich nicht aus. Eine effektive Möglichkeit für die Erschließung des Geschehens in der Klasse kann die Durchführung einer Schülerbefragung mit dem SMOB-Fragebogen von Horst Kasper (Kasper 2001b) sein. Durch die Befragung der Schüler bekommt der Lehrer die Brennpunkte der Klasse und die damit verbundenen Feindseligkeiten vor Augen geführt. Die Ergebnisse sollten dann die Basis für die Planung pädagogischer Maßnahmen sein.

1.3 Wer mobbt wen?

In den vorherigen Punkten bin ich gezielt nur auf Mobbing unter Schülern eingegangen. Mobbing findet aber, wie wir wissen, auch unter Erwachsenen statt.

Mobbing hat viele Gesichter. Die Handlungen, die Täter und auch die Opfer sind bei jedem Mobbingfall verschieden. Genauso variieren die jeweiligen Ursachen, Folgen und der Verlauf von Mobbing, sowie die erforderlichen Maßnahmen erheblich.

Wie Mobbing im Einzelfall aussieht, hängt unmittelbar von der Täter-Opfer-Konstellation ab. Mobbing zwischen zwei Lehrern ist klar zu unterscheiden von Mobbing zwischen Schülern. Welche Täter-Opfer-Konstellationen in der Grundschule außerdem vorkommen können und die für sie typischen Handlungsmuster werden nun im Einzelnen aufgeführt.

1.3.1 Schikane Schüler gegen Lehrer (vgl. Kasper 2001b, 27)

Eine Schulklasse oder eine Schülergruppe einer Klasse attackiert mehr oder weniger systematisch einen einzelnen Lehrer. Der Rest des Kollegiums kann sich über die Klasse nicht beschweren. Einige Kollegen und zum Schluss der Betroffene vielleicht selbst meinen, man wäre als Lehrer selbst schuld, wenn man sich von Schülern mobben lässt.

Das Mobbing kann aber viele Gründe haben, die nicht unbedingt bei der Lehrperson selbst liegen müssen. Eine gewaltsame Unterdrückung der Mobbingangriffe ist sicherlich abzuraten. Auch eine bedingungslose Solidarisierung durch Kollegen und Schulleitung mit dem Opfer gegenüber den Tätern würde als Machtdemonstration nur kurzfristige Wirkung zeigen.

Vielmehr sollte nach der Wurzel des Problems gesucht werden.

Dies kann durch offene Gespräche mit den Tätern über die Situation und ihre Ursachen geschehen. Es stellt sich möglicherweise heraus, dass nicht der betroffene Kollege so direkt gemeint war, sondern dass er nur als schwächster Repräsentant der Lehrergruppe zum Opfer von Attacken ausgewählt wurde. Nach dem Motto: „Mit dem können wir es ja machen!“ Das heißt, besonders schwache, nicht autoritäre Lehrer können dem Mobbing von Schülern zum Opfer werden.

Eventuell verbirgt sich aber hinter dem Mobbing auch eine Art Rache gegen das Opfer. Vielleicht muss er jetzt für ungerechte Notengebung oder Schikanen von seiner Seite, unter den Schülern leiden. Schikanen von Schülern gegen einen Lehrer können verschiedener Art sein:

- ungerechtfertigte Unterstellung einer Tätlichkeit,
- ungerechtfertigter Vorwurf der ungerechten oder willkürlichen Notengebung,
- Verweigerung der Mitarbeit,
- kollektives Unterricht-Schwänzen,
- ungerechtfertigte Unterstellung sexueller Äußerungen und Handlungen,
- Verbreiten von Gerüchten und Lügen,
- Telefonterror,
- etc.

Nicht selten werden auch Eltern in das Mobbing gegen einen Lehrer involviert, da sie den Gerüchten ihrer Kinder glauben und sich nicht direkt an den Lehrer wenden wollen, um das Problem aus der Welt zu schaffen. In diesen Fällen muss sich der Betroffene auf seine Kollegen, die ebenfalls in der Klasse unterrichten, verlassen können. Er braucht jetzt eine Person, mit der nicht nur die Schwierigkeiten vertraulich beredet werden können, sondern die auch ihrerseits gegenüber den Schülern einen soliden Stand hat, so dass sie gleichzeitig für den Machtausgleich arbeiten kann.

Wichtig ist, dass die Probleme zur Sprache kommen und ein Konzept zur Behebung der Probleme gemeinsam erarbeitet wird.

Zunächst müssen sich jedoch alle Beteiligten bereit erklären, eine Überwindung der Probleme überhaupt zu wollen.

Gemeinsame Regel- und Zielformulierungen für ein besseres Arbeitsklima und eine friedlichere Zusammenarbeit von Schülern und Lehrer können ein mögliches Machtungleichgewicht beheben und eine Basis für mehr Vertauen schaffen.

1.3.2 Schikane Lehrer gegen Schüler

Der Albtraum vom „bösen“ Lehrer ist nach Abschaffung der Prügelstrafe für viele Schüler noch längst nicht ausgeträumt.

Das Problem des schikanierenden Lehrers wird im Titel des Buches „Die Würde des Schülers ist antastbar“ (Singer 1998) klar zum Ausdruck gebracht.

Nach Singer (1998, 14f), ist nicht die Lehrerschaft zu kritisieren, „sondern der Umstand, daß gestörte Lehrer ungehindert Kinder im Lernen stören dürfen.

Sie behindern aus persönlichen Schwierigkeiten, aus pädagogisch-didaktischer Unfähigkeit oder aus Desinteresse an ihrem Beruf heraus die Schüler in ihrer Lernentwicklung. In solchen Fällen werden Lehrerschicksale zu Schülerschicksalen.“

Zum einen wirkt das unpädagogische Handeln des Lehrers stark belastend, motivations- und lernhemmend, zum anderen hat jedes Lehrerverhalten auch Vorbildcharakter für die Klasse. Machtmissbrauch, Ungerechtigkeit und vor allem Gewalt Erwachsener gegen Schwächere regen Kinder zur Nachahmung und Übernahme dieser Handlungsmuster an. Gerade in der pädagogischen Arbeit an der einzelnen Schule muss es das Ziel sein, negative Einflüsse auf das Schul- und Klassenklima und Kommunikationsstörungen klar zu erkennen, um an ihrer Überwindung arbeiten zu können. Die Tabuierung unpädagogischen Lehrerverhaltens bedeutet einen klaren Rückschritt auf dem Weg zur pädagogischen Schule (Singer 1998, 14).

Ein Schultag kann voll von Ungerechtigkeiten und gezielten Feindseligkeiten eines Lehrers sein. Ob er sich an die ganze Klasse wendet oder bestimmte Schüler auf dem „Kieker“ hat, ein Lehrer kann nach Singer über ein ganzes Repertoire an Feindseligkeiten verfügen:

- willkürliche Notengebung,
- Schläge, bzw. entwürdigende Bestrafung,
- Schüler für „dumm“ bezeichnen,
- Kritisieren des Aussehens,
- willkürliches Aufrufen und Abfragen,
- Drohung mit schlechten Zensuren,
- Vorlesen missglückter Arbeiten,
- abwertende Bemerkungen und Spitznamen,
- etc.

(vgl. Singer 1998, 17ff).

Die Schüler werden durch solche Handlungen stark in ihrem Selbstwertgefühl gekränkt. Sie geraten in eine hilflose Lage und nur selten verteidigt jemand ihre Persönlichkeitsrechte.

Außenstehende, die wissen, dass Schülern Unrecht geschieht aber nicht helfend eingreifen, trifft laut Singer (1998, 32f) ebensoviel Schuld, die Schuld der Unterlassung und der Gleichgültigkeit.

1.3.3 Lehrer schikanieren Lehrer

Nach Kasper (1998, 39) ist die Situation „Schule“ als Mobbingort gesondert zu betrachten. Sie ist durch ihre Struktur nicht mit anderen Dienstleistungsbetrieben zu vergleichen. Kasper bezeichnet Schulen als „Nonprofitunternehmen“, da sie nicht den Gesetzen des Wettbewerbs unterliegen. Gerade aber Lehrer zeigen im Vergleich zu anderen Erwerbstätigen oft eine höhere Motivation und üben ihren Beruf meist mit viel Einsatz und Empathie aus. Trotzdem erhält der Lehrer selten die Anerkennung, die er eigentlich verdient. Stattdessen berichten viele von Nörgelei, Missgunst und Demotivation innerhalb der Kollegien. Diese Stimmung ist eine ideale Grundlage für Mobbing am Arbeitsplatz. Auch Leymann (1993, 85f) bringt in einer Statistik hervor, dass Mobbing an lehrenden Institutionen wie Schulen oder Universitäten häufiger stattfindet, als in anderen Berufsfeldern.

Mobbing unter Lehrern kann mehrere Ursachen haben:

1. Es kann der neue, junge Kollege sein, der mit neuen Lehrmethoden und viel Elan, frischen Wind in das veraltete Lehrerkollegium bringen möchte. Der feste Kern eines älteren Kollegiums wehrt sich jedoch oft aus Unsicherheit vor neuen Anforderungen gegen eigentlich fortschrittliche Veränderungen. Schnell kann so der „Neue“ zum Außenseiter gemacht und seine Methoden als nicht akzeptabel erklärt werden.
2. Neid und Missgunst sind ebenfalls Quellen für Mobbing und Schikane durch Kollegen oder auch Schulleitung. Die Schikanen richten sich dann häufig gegen Lehrer, die sich außerhalb ihres Aufgabenbereichs zum Beispiel durch AGs engagieren. Sie werden dann unter Vorwänden von diesen Tätigkeiten enthoben oder abgebracht. Auch Lehrer, die sich für ihre Schüler gegen Ungerechtigkeiten von Kollegen einsetzen, geraten häufig in die Mobbingzwickmühle. Ihnen wird von den betroffenen Kollegen unsolidarisches Verhalten vorgeworfen. Vor allem Vertrauenslehrer befinden sich dann in einer schwierigen Lage (Kasper 1998, 40f).
3. Kasper sieht eine weitere Ursache für Mobbing unter Kollegen in den strukturellen Bedingungen der Schulen (Kasper 1998, 40).

Er meint damit, dass schulinterne Regeln und meist auch andere zahlreiche „ungeschriebene Gesetze“ das berufliche Handeln der Lehrer/innen stark einschränken können. Diese Einschränkung beeinflusst natürlich das Klima an einer Schule negativ und führt so unweigerlich zu Konflikten. An Schulen, wo es gehäuft zu Konflikten im Kollegium kommt, sollte geprüft werden, inwiefern interne Regelungen oder auch strenge Auslegung bestehender Rechtsvorschriften zur Verdeckung persönlicher Machtansprüche oder zur Prävention und Unterdrückung von Veränderungen oder Initiativen missbraucht werden.

Mobbing kann hier auch von der Schulleitung wegen ähnlichen Gründen ausgehen. Für die Ausübung gezielter Feindseligkeiten stehen laut Kasper der Schulleitung durch ihre höhere Machtposition andere Schikanemöglichkeiten zur Verfügung:

[...]

Fin de l'extrait de 100 pages

Résumé des informations

Titre
Mobbing in der Grundschule. Ursachen, Folgen, Prävention
Université
University of Education Heidelberg
Note
gut
Auteur
Année
2004
Pages
100
N° de catalogue
V33374
ISBN (ebook)
9783638338660
Taille d'un fichier
1107 KB
Langue
allemand
Mots clés
Mobbing, Grundschule, Ursachen, Folgen, Prävention, Thema Mobbing
Citation du texte
Kerstin Schmitt (Auteur), 2004, Mobbing in der Grundschule. Ursachen, Folgen, Prävention, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33374

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