Die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule am Beispiel der Schulsozialarbeit


Bachelorarbeit, 2015

36 Seiten, Note: 2,7

Sabrina Puetz (Autor:in)


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Jugendhilfe und Schule

3. Schulsozialarbeit als Kooperationsform von Jugendhilfe und Schule
3.1 Was ist Schulsozialarbeit?
3.2 Kooperation - Begriff und Merkmale

4. Kooperation zwischen SchulsozialarbeiterInnen und LehrerInnen
4.1 Probleme und Konflikte im Rahmen der Kooperation
4.2 Erklärungsansätze für Kooperationsprobleme

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Jugendhilfe und Schule stellen in Deutschland „die beiden zentralen Institutionen des 'Aufwachsens in öffentlicher Verantwortung' [dar]“ (Schwab 2012, S. 28). Beide Sozialisationsinstanzen übernehmen wichtige Aufgaben der Erziehung, Bildung und Integration des gesellschaftlichen Nachwuchses und begleiten auf unterschiedliche Weise die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft (vgl. Knauer 2006, S. 35; Olk et al. 2000, S. 11). Obwohl Jugendhilfe und Schule in der gemeinsamen Verantwortung gegenüber der Adressatengruppe der Kinder und Jugendlichen stehen, weisen sie dennoch erhebliche strukturelle Differenzen auf (vgl. Schwab 2012, S. 28). Die Entwicklungsgeschichte beider Institutionen ist, wie Olk und Speck verdeutlichen, von einer institutionellen Trennung und „gegenseitiger Abgrenzung und Abschottung geprägt“ (Olk/Speck 2001, S. 46). Durch die institutionelle Separation von Jugendhilfe und Schule, welche zu Beginn der 1920er Jahre einsetzte und mit der Verabschiedung des Reichsjugendwohlfahrtgesetzes von 1922 zusätzlich verstärkt wurde, haben beide Institutionen eigene Rahmenbedingungen, Handlungsweisen und Strukturen entwickelt, womit sie sich heute als autonome und voneinander getrennte Systeme mit differenzierten gesetzlichen Regelungen gegenüberstehen und entsprechend ihrer Ausdifferenzierung und Spezialisierung unterschiedliche Funktionen und Aufgaben in unserer Gesellschaft verrichten (vgl. Pötter/Segel 2009, S. 15; Schwab 2012, S. 28; Homfeldt/Schulze-Krüdener 2001, S. 9; Olk et al. 2000, S. 11ff).

Die veränderten Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen sowie das aufkommende Verständnis von Schule als wichtiger Bestandteil der Lebenswelt junger Menschen haben dazu geführt, dass Kooperationsbeziehungen zwischen Jugendhilfe und Schule an zunehmender Bedeutung gewonnen haben (vgl. Maykus 2011, S. 7). Seit den 2000er Jahren ist ein quantitativer Ausbau unterschiedlicher Kooperationsprojekte zu beobachten, zu denen insbesondere die Schulsozialarbeit gehört. Die Schulsozialarbeit gilt inzwischen als die „intensivste Form der Kooperation von Jugendhilfe und Schule“ (Speck 2006, S. 173) und hat sich seit ihrer Einführung an deutschen Schulen in den 1970iger Jahren zu einem vielseitigen Arbeitsfeld mit unterschiedlichen Konzepten und praktischen Ausgestaltungen entwickelt (vgl. Hartnuß/Maykus 2004, S. 27). Trotz des konstatierten Bedarfs einer Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule wird die Kooperation dieser beiden Institutionen dennoch häufig als problematisch und konfliktreich beschrieben (vgl. Olk et al. 2000, S. 11f). Insbesondere auf Ebene der kooperierenden Akteure zeichnen sich Konflikte und Spannungen ab, welche die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule nachhaltig erschweren können.

In der vorliegenden Arbeit wird die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule am Beispiel der Schulsozialarbeit genauer betrachtet. Dabei wird insbesondere die Kooperation zwischen ausgebildeten Fachkräften der Jugendhilfe1 und der Schule beleuchtet. Um Aussagen über das Kooperationsverhältnis zwischen SchulsozialarbeiterInnen und LehrerInnen treffen zu können, wird in Kapitel zwei zunächst der gesetzliche Rahmen der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule erläutert. Ebenso werden die institutionellen Strukturen, in denen sich die VertreterInnen von Jugendhilfe und Schule bewegen, dargestellt sowie die gesellschaftlichen Funktionen und Aufgaben von Jugendhilfe und Schule erläutert. Anhand der institutionellen Rahmenbedingungen, Aufgaben und Funktionen werden Begründungsmuster für eine intensive Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule in Form von Schulsozialarbeit herausgearbeitet. In Kapitel drei wird die Schulsozialarbeit als Kooperationsform von Jugendhilfe und Schule vorgestellt und der Kooperationsbegriff näher betrachtet. In diesem Zusammenhang wird der Frage nachgegangen, was unter dem Kooperationsbegriff verstanden werden kann und durch welche Merkmale sich eine gelingende Kooperation zwischen SchulsozialarbeiterInnen und LehrerInnen auszeichnet.

Das vierte Kapitel widmet sich der Zusammenarbeit von SchulsozialarbeiterInnen und LehrerInnen. Zunächst werden die Vorteile einer Kooperation zwischen VertreterInnen der Jugendhilfe und der Schule im Rahmen der Schulsozialarbeit herausgearbeitet. Anschließend wird auf mögliche Probleme und Konflikte innerhalb der Zusammenarbeit von LehrerInnen und SchulsozialarbeiterInnen in der Praxis eingegangen. Zur Darstellung möglicher Kooperationsprobleme werden Befunde aus unterschiedlichen empirischen Studien zur Kooperation von SchulsozialarbeiterInnen und LehrerInnen herangezogen. Da eine genaue Analyse ausgewählter Studien den Rahmen der vorliegenden Arbeit überschreiten würde, werden verschiedene Ergebnisse aus den Begleitstudien im Kontext der Problemdarstellung zusammengetragen. Darüber hinaus wird auf unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit von LehrerInnen und SchulsozialarbeiterInnen eingegangen und herausgearbeitet, warum bestimmte Formen des Zusammenwirkens in der Praxis scheitern. Im letzten Teil der Arbeit werden Begründungsmuster für Kooperationsprobleme zwischen den genannten Akteuren dargelegt sowie Ansätze zu einer Verbesserung der Kooperationsbeziehung aufgegriffen.

2. Jugendhilfe und Schule

Die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule wird auf rechtlicher Ebene durch die Gesetzesgrundlagen der jeweiligen Institutionen geregelt. Auf Seiten der Jugendhilfe wird die Kooperation mit der Schule im Sozialgesetzbuch VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) in § 81 SGB VIII vorgeschrieben:

„Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen, deren Tätigkeit sich auf die Lebenssituation junger Menschen und ihrer Familien auswirkt, insbesondere mit […] Schulen und Stellen der Schulverwaltung im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse zusammenzuarbeiten“ (§ 81 SGB VIII).

Für die Schule bestimmt sich die Zusammenarbeit mit außerschulischen Einrichtungen wie beispielsweise der Jugendhilfe hingegen durch die einzelnen länderspezifischen Schulgesetze. Bezogen auf das Schulgesetz Rheinland-Pfalz in seiner letzten Fassung vom 24. Juli 2014, wird die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe in § 19 thematisiert:

„Die Schulen arbeiten im Rahmen ihrer Aufgaben […] mit den Trägern und Einrichtungen der öffentlichen und freien Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere im Rahmen der Schulsozialarbeit, mit den Kindertagesstätten und in den lokalen Netzwerken nach § 3 des Landesgesetzes zum Schutz von Kindeswohl und Kindergesundheit zusammen“ (§ 19 SchulG RP).

Die praktische Umsetzung einer Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule erweist sich trotz der verbindlichen und rechtlichen Regelung dennoch häufig als konfliktreich und schwierig, da beiden Institutionen unterschiedliche gesellschaftliche Funktionen und Aufgaben zugeschrieben werden, die mit differenzierten professionellen Handlungsweisen der Akteure verbunden sind (vgl. Olk et al. 2000, S. 11).

Die Jugendhilfe stellt dabei ein ausdifferenziertes, dezentral organisiertes und von öffentlichen und freien Trägern gestaltetes System dar, das der Verbesserung der Lebens- und Aufwachsbedingungen junger Menschen dient (vgl. Hermann 2005, S. 105; Speck 2014, S. 46; Bock/Seelmeyer 2001, S. 985). Ihr gesetzlicher Auftrag bestimmt sich durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII), welches am 03. Oktober 1990 in den neuen und am 01. Januar 1991 in den alten Bundesländern in Kraft getreten ist (vgl. Münder 2004, S. 561ff). Mit Hinblick auf die Rechtsgrundlage kommt der Jugendhilfe insbesondere eine Integrations- und Schutzfunktion in unserer Gesellschaft zu (vgl. Homfeldt/Schulze-Krüdener 2001, S. 9ff; Hillenbrand 2012, S. 115).

Entsprechend soll Jugendhilfe gemäß § 1 SGB VIII „junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen“. Ebenso hat sie nach § 1 SGB VIII den gesetzlichen Auftrag, „Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl [zu] schützen“ sowie „positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien [zu] schaffen“.

Leistungsberechtigte der Jugendhilfe sind somit nicht nur Kinder und Jugendliche mit Benachteiligungen oder Beeinträchtigungen, sondern alle jungen Menschen bis zur Vollendung ihres 21. Lebensjahres sowie deren Familien und Erziehungsberechtigten (vgl. § 2 SGB VIII; Bönsch 2004, S. 129; Prüß 2004, S. 103f). Die Jugendhilfe ist folglich nicht ausschließlich auf ihren Hilfecharakter zu reduzieren, sondern als breitgefächertes Dienstleistungsangebot zu begreifen, welches neben Unterstützungsleistungen auch präventive, freizeitpädagogische und offene Angebote für ihre Adressaten bereitstellt (vgl. Speck 2014, S. 47).

Im Kinder- und Jugendhilfegesetz wird zwischen „Leistungen“ und „anderen Aufgaben der Jugendhilfe“ unterschieden (vgl. § 2 SGB VIII). Zu den Leistungen der Jugendhilfe zählen insbesondere Angebote der Jugend- und Jugendsozialarbeit, Hilfen und Angebote zur Förderung der Erziehung, Hilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche sowie Unterstützungsangebote und Beratungsmöglichkeiten für junge Volljährige und Familien (vgl. §§ 2, 41 SGB VIII). Die Umsetzung dieser Leistungen soll gemäß § 74 SGB VIII vorrangig durch die Träger der freien Jugendhilfe erfolgen. Da die Jugendhilfe der kommunalen Selbstverwaltung unterliegt, werden die verschiedenen Leistungen durch die jeweiligen Stadt- und Kreisjugendämter gewährt (vgl. § 85 SGB VIII). Die „anderen Aufgaben“ der Jugendhilfe umfassen rechtliche Befugnisse und hoheitliche Aufgaben wie beispielsweise die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen oder aber die Mitwirkung in familien- und jugendrechtlichen Verfahren (vgl. §§ 42, 50 SGB VIII). Diese hoheitlichen Aufgaben sind den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe wie dem Jugendamt vorbehalten.

Das Jugendhilfesystem zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass ein Großteil der zur Verfügung gestellten Angebote freiwillig in Anspruch genommen werden kann (vgl. Hermann 2005, S. 105). Ebenso haben die Leistungsberechtigten der Jugendhilfe ein gesetzlich verankertes Mitspracherecht, wodurch sie Wünsche und Anregungen bei den ihnen angebotenen Hilfen äußern können (vgl. § 5 SGB VIII). Nach Thiersch hat die Jugendhilfe die zentrale Aufgabe, die individuellen Lebenslagen ihrer Adressaten im Sinne einer lebensweltorientierten Arbeit ganzheitlich zu erfassen und unter Einbeziehung der persönlichen Stärken, Lebensverhältnisse und Ressourcen der Adressaten passende sowie auf die Lebenssituation ausgerichtete Hilfen und Angebote zur Verfügung zu stellen (vgl. Thiersch 1997). Das Konzept der Lebensweltorientierung nach Thiersch zielt insbesondere darauf ab, eine ganzheitliche Wahrnehmung der Lebenssituationen, individuellen Ressourcen und Sozialräume der Adressarten in die Angebote und Maßnahmen der Jugendhilfe mit einzubeziehen (vgl. ebd.).

Die Schule stellt dagegen eine homogene und zentral organisierte Bildungseinrichtung dar, zu deren Besuch alle Heranwachsende ab einem bestimmten Lebensjahr verpflichtet sind (vgl. Hermann 2006, S. 105; Schwab 2012, S. 28). Die Lerninhalte der Schulen unterliegen dabei gewissen Vorgaben und Richtlinie, die durch gesamtgesellschaftliche Erfordernisse und Anforderungen bestimmt werden (vgl. Klafki 1970, S. 156; Fend 2006, S. 45ff). Mit Hinblick auf ihren Erziehungs- und Bildungsauftrag ermöglicht die Schule Kindern und Jugendlichen durch den Prozess der schulischen Sozialisation die Bildung einer sozialen und kulturellen Identität (vgl. Veith 2008, S. 41f; Hillenbrand 2012, S. 115). Den Lehrkräften kommt im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit die Aufgabe zu, SchülerInnen mit bestimmten Kompetenzen und Fertigkeiten auszustatten und sie entsprechend ihrer Leistungen zu überprüfen und zu beurteilen (vgl. Hillenbrand 2012, S. 115). Die Lehrkräfte als VertreterInnen der Schule verstehen sich vornehmlich als Wissensvermittler, „deren spezifische Qualifikation insbesondere in der Kompetenz zu Unterricht besteht“ (ebd.). Die gesellschaftlichen Vorgaben und Richtlinien, an die sich die Schule zu halten hat, sind nach Giesecke mit bestimmten Erziehungszielen verbunden, deren Erfüllung durch die Lehrpersonen erwartet wird (vgl. Giesecke 2001, S. 110). Folglich kommt dem Lehrer neben der Vermittlung von Wissen eine Erziehungsaufgabe zu (vgl. ebd.). Über die Verinnerlichung von Normen und Werten sollen Lehrkräfte SchülerInnen zu einer verantwortungsvollen und selbstständig handelnden Persönlichkeit erziehen, womit die Erziehung der Schule insbesondere auf die Vergesellschaftung des Individuums abzielt (vgl. Leser 2011, S. 65; Giesecke 2001, S. 110f).

Da sich der gesetzliche Auftrag der Schule aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland durch die Schulgesetze der einzelnen Bundesländer bestimmt, wird ihr erzieherischer Auftrag unterschiedlich formuliert. In der vorliegenden Arbeit soll sich exemplarisch auf das Schulgesetz für das Land Rheinland-Pfalz in der aktuellen Fassung bezogen werden, welches den Auftrag von Schule wie folgt definiert:

„In Erfüllung ihres Auftrags erzieht die Schule zur Selbstbestimmung in Verantwortung vor Gott und den Mitmenschen, zur Anerkennung ethischer Normen, zur Gleichberechtigung von Frau und Mann, zur Gleichstellung von behinderten und nicht behinderten Menschen [sowie] zur Achtung vor der Überzeugung anderer, […]. Sie führt zu selbständigem Urteil, zu eigenverantwortlichem Handeln und zur Leistungsbereitschaft; sie vermittelt Kenntnisse und Fertigkeiten mit dem Ziel, die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Orientierung in der modernen Welt zu ermöglichen, Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt zu fördern sowie zur Erfüllung der Aufgaben in Staat, Gesellschaft und Beruf zu befähigen […]“ (§ 1 Abs. 2 SchulG RP).

[...]

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule am Beispiel der Schulsozialarbeit
Hochschule
Universität Trier  (Erziehungswissenschaft)
Note
2,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
36
Katalognummer
V333788
ISBN (eBook)
9783668235724
ISBN (Buch)
9783668235731
Dateigröße
593 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schulsozialarbeit, Jugendhilfe, Kooperation, Schule, Zusammenarbeit, Sozialpädagogik, Soziale Arbeit, Pädagogik
Arbeit zitieren
Sabrina Puetz (Autor:in), 2015, Die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule am Beispiel der Schulsozialarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/333788

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