Am 28. Juni 2012 jährte sich der Geburtstag des Genfer Philosophen Jean-Jacques Rousseau zum 300. Mal und noch heute sind seine Werke gern gelesen. Im Verlauf dieser Arbeit wird sein 1755 veröffentlichter Text „Discours sur l´origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes“ näher beleuchtet.
Dieser Diskurs, auch als „Zweiten Diskurs“ bezeichnet, ist die Antwort auf die Preisfrage „Quelle est la source de l’inégalité parmi les hommes, et si elle est autorisée par la loi naturelle?“ der Académie de Dijon von 1953. Rousseau versucht die philosophisch-anthropologische Frage nach dem Ursprung der Ungleichheit zwischen den Menschen zu lösen und gleichzeitig mit seiner kulturkritischen Schrift die Menschen über ihre Geschichte aufzuklären, denn für ihn ist „la plus utile et la moins avancée de toutes les connaissance humaines me paraît être celle de l´homme [...].“
In seiner Abhandlung rekonstruiert er den ursprünglichen Zustand des Menschen, um in dieser Rückbesinnung mehr über den Ursprung der Ungleichheiten zwischen den Menschen zu erfahren. Doch Rousseau muss zuerst eine vorhandene Kultur voraussetzen, um über sie reflektieren zu können. Diese Kultur bezeichnet Rousseau als unsere heutige Gesellschaft, die von Ungleichheiten und Unfreiheiten beherrscht ist. Durch die Rekonstruktion des Naturzustands hebt er die Verfremdung mit der Natur, die mit der Industrialisierung einherging, auf. Dabei geht es Rousseau allein, um das ursprüngliche und demnach natürliche Verhalten des Menschen. Mit Isotopien des Begriffs des Naturzustandes, wie Ursprung des Menschen, Natürlichkeit, Unkultur, Primitivität, Reinheit und Echtheit lässt sich der Zustand, wie Rousseau ihn darzustellen sucht, leichter beschreiben. Doch Rousseau wählt den Begriff des Naturzustandes, da für ihn die ersten Regungen der Natur unfehlbar sind. Rousseau versucht mit der Konstruktion des homme naturel eine glaubwürdige und alternative Geschichte zu dem theologischen Verständnis der Erbsünde zu erzählen. Dabei will er die Frage des Ursprungs der Ungleichheit zwischen den Menschen ohne Verweis auf die christliche Offenbarung beantworten.
Diese Idee der Abwendung von Religion und Kirche und der Suche nach wissenschaftlichen Erkenntnissen geht einher mit der Bewegung der Aufklärung im 17. Jahrhundert und dem daraus resultierenden Prozess der Säkularisierung . Doch warum entfernt sich Rousseau bewusst von der biblischen Genesis-Erzählung? Warum konstruiert er einen Menschen im Naturzustand?
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Rousseau's Rekonstruktion des Naturzustands
- 2.1 L'homme naturel
- 2.2 Alternative Genesis-Erzählung
- III. Der Mensch ist von Natur aus Gut
- IV. Schlange und Apfel bei Rousseau
- 4.1 Vom Paradies zum Sündenfall
- 4.2 Vergesellschaftung
- V. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert Jean-Jacques Rousseaus „Discours sur l'origine et les fondements de l'inégalité parmi les hommes“ aus dem Jahr 1755, auch bekannt als „Zweiter Diskurs“. Ziel ist es, die Rekonstruktion des Naturzustands durch Rousseau zu untersuchen und zu verstehen, wie er den Ursprung der Ungleichheit zwischen den Menschen erklärt.
- Rousseaus Rekonstruktion des Naturzustands
- Die Rolle der Gesellschaft in der Entstehung von Ungleichheit
- Der Mensch im Naturzustand und seine Eigenschaften
- Die Abwendung von der biblischen Genesis-Erzählung
- Die Bedeutung der Perfektibilität des Menschen
Zusammenfassung der Kapitel
Im ersten Teil des „Zweiten Diskurses“ rekonstruiert Rousseau den Ursprungszustand des Menschen, der auf hypothetischen Überlegungen basiert. Er versucht, den Ausgangspunkt der Entwicklung der Ungleichheit aus dem Naturzustand heraus zu skizzieren, indem er einen fiktiven Zustand ohne Ungleichheit mit unserer heutigen, von Ungleichheit geprägten Gesellschaft kontrastiert.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem homme naturel, dem Menschen im Naturzustand. Rousseau stellt ihn als ein solitäres Wesen dar, das weder gut noch böse ist und der Natur gehorcht. Der Mensch im Naturzustand hat jedoch eine Willensfreiheit und kann sich in der Natur frei bewegen. Er unterscheidet sich von Tieren durch seine Fähigkeit zur Verbesserung, der Perfektibilität.
Schlüsselwörter
Naturzustand, Ungleichheit, Gesellschaft, homme naturel, Perfektibilität, Genesis-Erzählung, Aufklärung, Säkularisierung.
- Quote paper
- Katrin Graf (Author), 2012, Analyse von Rousseaus' "Discours sur l´origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes" in Bezug auf die christliche Erbsünde, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/334363